Projektbeschrieb
1 9 6 8 u n d d a n a c h
Ein Oral History Projekt über die 68er Bewegung und ihre Folgen
Limmat Verlag und Schweizerisches Sozialarchiv
in Zusammenarbeit mit AV-Produktionen Heinz Nigg
1.
Auf einen Blick
2
2.
Workshops
3
3.
Porträts
5
4.
Bildarchiv
6
5.
Fachdiskurs
6
6.
Fachbeirat
7
7.
Projektleiter
7
8.
Zeitplan
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Zürich, August 2006
2
1 . A u f e i n e n B l i c k
Oral History und kollektives Gedächtnis
Mit dem Oral History Projekt 1968 und danach, das vom freien Kulturschaffenden Heinz Nigg in
Zusammenarbeit mit dem Limmat Verlag und dem Schweizerischen Sozialarchiv realisiert wird, sollen
die Erinnerungen an die 68er Jahre aus der Sicht der damals Bewegten rekonstruiert werden: Was
bedeutete für sie der damalige Aufbruch, und wie sehen sich Exponenten dieser Generationen heute?
Wie hat 1968 das politische und kulturelle Leben der Gesellschaft von heute geprägt?
Damit erhalten die 68er eine Möglichkeit, sich mit ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen.
Zudem wird den nachfolgenden Generationen Einblick geboten in eines der spannendsten Kapitel der
jüngeren Geschichte, das bereits in Vergessenheit gerät. Auf dem Markt gibt es nur wenige
Publikationen über die 68er Bewegung. Es gibt zwei Möglichkeiten, sich heute mit 1968
auseinanderzusetzen: Aus der historisch-wissenschaftlichen Perspektive der jungen Generation, die
sich in der universitären Forschung mit Zeitgeschichte beschäftigt, oder aber aus der Perspektive von
Zeitzeugen, die sich im Kontext der Oral History ein Bild über die damalige Zeit erarbeiten.
1968 und danach ist ein Oral History Projekt, das Zeitzeugen im Rahmen von Workshops in einen
Prozess des kollektiven Erinnerns einbezieht. Es kommen Zeitzeugen aus verschiedenen
Landesteilen der Schweiz zu Wort, Aktivistinnen und Aktivisten mit unterschiedlichen
Bildungsvoraussetzungen und Karriereverläufen, die sich in den verschiedenen Feldern der 68er
Bewegung engagierten: Umwelt, Soziales, Arbeit, Gendering, Bildung, Menschenrechte, Dritte Welt,
Stadtentwicklung, Kulturarbeit, Medien bis hin zur Alternativ- und Subkultur.
Das Erinnerungsprojekt 1968 und danach gliedert sich in drei Teile:
Workshops
Durchführung von moderierten Oral History Workshops in sieben Schweizer Städten. Einerseits sollen
die Resultate durch lokale Veranstaltungen in Form von Ausstellungen, Präsentationen und
Diskussionen zugänglich gemacht werden; andererseits findet mittels einer multimedialen
Internetplattform eine translokale Vernetzung der Resultate statt. Die Oral History Workshops werden
zudem medial begleitet.
Porträts
Realisation einer Reihe von biographischen Interviews mit 50 ehemaligen Aktivistinnen und Aktivisten
aus der ganzen Schweiz. Aus den Interviews entstehen Porträts, die als Buch im Limmat Verlag
erscheinen.
Bildarchiv
Erinnerungsobjekte der im Oral History Projekt involvierten Zeitzeugen werden vom Schweizerischen
Sozialarchiv gesammelt, fotografiert und in den Bestand des Sozialarchivs über soziale Bewegungen
eingegliedert. Das Bildarchiv soll die bereits bestehende Sammlung von Kleinschriften und
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Zeitungsausschnitten des Schweiz. Sozialarchivs ergänzen und ist zugänglich für das allgemeine
Publikum.
Realisation des Projekts: 2007-2008. Ein Fachbeirat unterstützt den Projektleiter bei der Planung,
Finanzierung und Durchführung des Projekts.
Vorarbeiten
1968 und danach kann auf den Erfahrungen eines erfolgreich abgeschlossenen Projekts über die 80er
Jugendbewegung in der Schweiz aufbauen, das vor fünf Jahren von Heinz Nigg in Zusammenarbeit
mit dem Limmat Verlag und dem Schweizerischen Sozialarchiv realisiert wurde
1
. Eine weiteres Oral
History Projekt von Heinz Nigg mit dem Museum für Gestaltung Zürich, dem Limmat Verlag, dem
Bundesamt für Migration und weiteren Institutionen widmete sich der Geschichte der Immigration und
Binnenwanderung in der Schweiz von der Nachkriegszeit bis in die 80er Jahre
2
. Das Echo auf beide
Projekte zeigt, dass ein reges Interesse an Oral History Dokumentationen auch bei der jüngeren
Generation vorhanden ist.
2 . W o r k s h o p s
In von Moderatoren geleiteten Workshops setzen sich im Lauf vom Jahr 2007 ehemalige Aktivistinnen
und Aktivisten der 68er Bewegung in mehreren Schweizer Städten mit ihrer Bewegungsgeschichte
auseinander. Vorgesehen für die Durchführung der Workshops sind die Städte Basel, Bern, Chur,
Genf, Lausanne, Lugano und Zürich. Ziel der Workshops ist es, über persönliche Erfahrungen im
Umgang mit der 68er Bewegung ein differenzierteres Verständnis von partizipativen
zivilgesellschaftlichen Bewegungszusammenhängen zu fördern.
Diskurs-Moderatoren
Die Moderatorinnen und Moderatoren der Workshops bringen Erfahrungen in Kulturvermittlung,
Erwachsenenbildung und Oral History mit. Sie können aber auch über einen künstlerischen oder
wissenschaftlichen Hintergrund verfügen, der sie speziell für die Durchführung von Oral History
Workshops befähigt. Sie kommen aus den verschiedenen Städten und Regionen, in denen die
Workshops stattfinden. Die Workshops beginnen in der ersten Jahreshälfte 07 und dauern bis
spätestens Ende 2007. Die Workshop-Moderatoren erhalten einen Pauschalbetrag, um die
Workshops vorzubereiten (10 Abende à 3 Stunden), zehn bis zwölf Teilnehmer pro Workshop zu
rekrutieren, die Workshops durchzuführen und auszuwerten. Das Copyright für die in den Workshops
generierten Texte und Abbildungen liegt bei den Workshop-Moderatoren und beim Projektleiter.
1
Nigg, Heinz (Hrsg.) (2001) "Wir wollen alles und zwar subito!" Die Jugendunruhen in der Schweiz und ihre Folgen. Zürich:
Limmat Verlag. Mit DVD und Website www.sozialarchiv.ch/80
2
Nigg, Heinz (Hrsg.) (1999) "Da und fort. Leben in zwei Welten. Immigration und Binnenwanderung in der Schweiz". Zürich:
Limmat Verlag. Dazu gibt es eine DVD und die Website www.da-und-fort.ch
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Workshop-Teilnehmer
Suche und Auswahl der Workshop-Teilnehmer geschieht durch die Diskurs-Moderatoren. Bei der
Auswahl der Workshop-Teilnehmer kommt ein ausgewogener Mix von Kriterien zur Anwendung:
Gender, altersmässige Positionierung innerhalb der 68er Generation, Bildungshintergrund, beruflicher
Werdegang und Art des politischen, sozialen oder kulturellen Engagements. Bevorzugt werden
Personen, die offen sind für kritische Selbstreflexion in der Gruppe. Weitere Anforderungen:
Erzähltalent und die Bereitschaft weiterhin als Zeitzeuge für Anfragen von Schulklassen und
Studierenden zur Verfügung zu stehen.
Ablauf der Workshops
Folgende Themen werden in den Workshops behandelt:
•
soziale und kulturelle Herkunft
•
primäre und sekundäre Sozialisation - Normen und Werte
•
Förderung und Hindernisse in der Entwicklung von persönlichen Fähigkeiten und Interessen
•
Lebensentwürfe
•
Politisierung und Eintritt in die 68er Bewegung
•
Bewegungsbiografien, Höhepunkte/Tiefpunkte, Freundschaften/Feindschaften
•
Ideen, Vorbilder und Errungenschaften der 68er Bewegung
•
Kritik an der 68er Bewegung
•
Sex, Gender und Beziehungskultur
•
Reaktionen des sozialen und politischen Umfelds - auch Medien, Polizei und Justiz
•
Auswirkungen der 68er Bewegung auf Nachfolgebewegungen und die heutige Gesellschaft
•
Zukunftsperspektive: gesellschaftliche Entwicklung, Alter und Kontakt zu jüngeren Generationen
Arbeitsweise
In den Workshops wird themenzentriert und mit verschiedenen methodischen und gestalterischen
Mitteln gearbeitet:
•
Gruppengespräche zu spezifischen Fragestellungen
•
Biografisches Schreiben (creative writing, assoziatives Schreiben)
•
Sammeln und Präsentieren von Fotografien, Objekten und Zeitdokumenten (Zeitungsausschnitte,
Bücher, Flugblätter u.a.).
Die Diskurs-Moderatoren erhalten einen Leitfaden mit Hintergrundinformationen zu den einzelnen
Themen und einer Reihe von Fragen, welche der Arbeit in den Workshops eine gemeinsame Richtung
geben. Die Workshop-Teilnehmer gewichten die zu bearbeitenden Themen gemäß ihrer persönlichen
Bedürfnisse und vermitteln Anregungen für den methodischen und gestalterischen Ablauf ihres
Workshops. Ein Teil der Gespräche wird aufgezeichnet, um weiteres Textmaterial zu gewinnen. Die
Tonaufzeichnungen werden vertraulich behandelt und werden nicht ohne Zustimmung der Workshop-
Teilnehmer an andere Personen weiter vermittelt. Publikationen erfolgen nur mit schriftlicher
Zustimmung der Workshop-Teilnehmer. Am Ende jedes Oral History Workshops findet eine öffentliche
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Veranstaltung oder eine kleine Ausstellung statt, um das interessierte Publikum an der Auswertung
der Resultate teilnehmen zu lassen.
Mediale Begleitung
Die Oral History Workshops werden medial begleitet (TV, Radio, Printmedien), um eine maximale
Öffentlichkeit zu erzielen. Zu Beginn der Workshops werden Medienvertreter eingeladen, die Diskurs-
Moderatoren des Projekts kennenzulernen und über die Arbeitsprozesse in den Workshops zu
berichten. Die Medienvertreter sind bezüglich der Verwendung von Materialien aus den Workshops an
auszuhandelnde Vereinbarungen mit den Workshop-Teilnehmern gebunden. Bei der medialen
Berichterstattung über die Workshops wird darauf geachtet, dass das ganze Projekt 1968 und danach
gebührend erwähnt wird.
Internet Plattform
Um die Zusammenarbeit zwischen den Workshop-Moderatoren, dem Projektleiter und weiteren
Kooperationspartnern zu erleichtern, werden die Resultate aus den Workshops auf einer Internet
Plattform in der jeweiligen Originalsprache veröffentlicht und auf Englisch übersetzt. Auf diese Weise
können die Workshops von einander lernen. Die Plattform www.1968stories.com ist nach Abschluss
der Workshops auch für das allgemeine Publikum zugänglich und gibt den Workshops eine
translokale Ausstrahlung.
3 . P o r t r ä t s
Parallel zu den Oral History Workshops werden mit den gleichen Auswahlkriterien wie für die
Workshops 50 ehemalige Aktivistinnen und Aktivisten der 68er Bewegung für ein- bis zweistündige
Tonband-Interviews gesucht und über die damalige Zeit befragt. Wie konnten sie ihre Forderungen
nach gesellschaftlichen Freiräumen und kultureller Selbstbestimmung für ihr politisches, berufliches
und privates Umfeld fruchtbar machen? An welche Grenzen sind sie gestossen? Wie gingen sie mit
Enttäuschung und Desillusionierung um? Was ist von den Ideen von damals geblieben? Was wurde
über Bord geworfen? Wie sehen sie die Rolle von sozialen Bewegungen von 1968 bis heute, und wie
sehen sie die Zukunft? Einbezogen werden auch 68er, die das politische Lager gewechselt haben
oder sozial marginalisiert wurden. Der Fachbeirat unterstützt den Interviewer bei der Auswahl der
Personen und vermittelt Kontakte. Die Porträts erscheinen in Buchform.
Lesebuch im Limmat Verlag
In der Buchpublikation mit dem Arbeitstitel 1968 Stories - Erinnerungen an die 68er Bewegung in der
Schweiz und ihre Folgen werden die
50 Porträts nach Themen gegliedert. Die Porträts werden in
einem subjektiven Erzählstil verfasst, der die spontane Rede lebendig wiedergibt.
Umfang: 750'000 Buchstaben mit Leerzeichen (ein oder zwei Bände)
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Zielpublikum: Ehemalige an der 68er Bewegung und ihren Nachfolgebewegungen Beteiligte; Schulen,
Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen; Forschung an Universitäten und Fachhochschulen;
Behörden, sowie kirchliche und gemeinnützige Institutionen
4 . B i l d a r c h i v
Bei den von den Mitwirkenden an den Oral History Workshops zur Verfügung gestellten
Erinnerungsobjekten handelt es sich um Gegenstände, Fotos oder Dokumente, die für die
betreffenden Personen im Zusammenhang mit der 68er Bewegung von Bedeutung sind. Die
Erinnerungsobjekte werden im Schweizerischen Sozialarchiv in Zürich aufbewahrt und fotografiert.
Jedes Erinnerungsobjekt ist mit einer vom Besitzer verfassten Legende versehen und kann in
Ausstellungen oder als Abbildung in weiteren Publikationen über die 68er Bewegung verwendet
werden. Das Copyright für die fotografischen Abbildungen liegt beim Schweizerischen Sozialarchiv
und bei AV-Produktionen Heinz Nigg. Die Erinnerungsgegenstände können drei Jahre nach
Beendigung des Projekts im Schweizerischen Sozialarchiv abgeholt oder ihm als Schenkung
überlassen werden. Nicht abgeholte Objekte gehen in den Besitz des Schweizerischen Sozialarchivs.
5 . F a c h d i s k u r s
Die Internetplattform soll den Zugang zur historischen Auseinandersetzung über die 68er Bewegung
erleichtern. Neben wissenschaftlichen Beiträgen über die 68er Bewegung werden auch journalistische
Arbeiten über die 68er Bewegung gesammelt und publiziert. Ebenfalls online einsehbar ist eine
Bibliografie über die 68er Bewegung im allgemeinen und die 68er Bewegung in der Schweiz im
besonderen.
Chronologie der Ereignisse
Um die Dynamik und Themenvielfalt der 68er Bewegung zum Ausdruck zu bringen, werden die
historischen Quellen im Schweiz. Sozialarchiv konsultiert und eine Chronologie der Ereignisse
hergestellt. Die Chronologie kann auf der Arbeitsplattform im Internet nach Ort, Zeit und Art der
Ereignissen eingesehen werden.
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6 . F a c h b e i r a t
Der Beirat besteht aus fünf Fachleuten, die einen inhaltlichen und methodischen Zugang zur Oral
History und zur Erforschung von sozialen Bewegungen haben. Er setzt sich wie folgt zusammen: Urs
Kälin, Chefarchivar vom Schweizerischen Sozialarchiv in Zürich, Dr. Hanspeter Kriesi, Professor für
Politologie an der Universität Zürich; Katrin Rieder, Historikerin; Dr. Jakob Tannner, Professor für
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Zürich und Jürg Zimmerli, Verleger vom Limmat
Verlag. Der Fachbeirat trifft sich mit dem Projekleiter nach Bedarf, um den Verlauf der Arbeiten zu
reflektieren und allfällige Modifikationen anzuregen. Auch ist der Fachbeirat besorgt für einen
optimalen Einbezug der Resultate des Oral History Projekts in laufende Forschungen über soziale
Bewegungen, Demokratisierungsprozesse und gesellschaftlichen Wandel in der Schweiz.
7 . P r o j e k t l e i t e r
Heinz Nigg, geboren 1949 in Zürich, ist freiberuflich tätig als Buchautor, Ausstellungsmacher,
Videoschaffender, Animator und Lehrer. Heinz Nigg: "Meine Aufgabe als freier Kulturschaffender und
Animator sehe ich in der Entwicklung und Moderation von Fachdiskursen unter Einbezug von
Betroffenen, von Laien und Experten. In meinen ethnografischen und soziokulturellen Projekten
verwende ich Methoden der angewandten Kulturforschung und der Visualisierung von
Denkprozessen." Weitere Infos über AV-Produktionen Heinz Nigg: www.av-produktionen.ch
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8 . Z e i t p l a n
März 2003
Oral History konkret: Eine Einführung in die Oral History am Beispiel der 68er
Bewegung. Ein Workshop-Angebot der Schweizerische Zentralstelle für die
Weiterbildung der Mittelschullehrpersonen. Dr. Heinz Nigg in Zusammenarbeit
mit Prof. Dr. Jakob Tanner und Dr. Felix Aeppli.
März 2005
1968 - ein Kulturereignis. Vortrag von Heinz Nigg im Kleintheater Alte Oele in
Thun auf Einladung der Kunstgesellschaft Thun.
Nov bis Dez 2005
Projektentwurf 1968 und danach und erste Projekteingabe bei verschiedenen
Stellen. Auftrag von Pro Helvetia, das Konzept für 1968 und danach im
Rahmen eines Vorprojekts weiter auszuarbeiten.
Jan bis Feb 2006
Realisation des Vorprojekts und Überarbeitung der ersten Projekteingabe
März 2006
Abnahme des Projektbeschriebs durch den Fachbeirat
Bis Ende 2006
Finanzierung des Projektes
2007
•
Vorbereitung der Oral History Workshops. Aufschaltung der Internet
Plattform für die Diskursmoderatoren und Workshopteilnehmer
•
Realisation der Oral History Workshops
•
Realisation der Interviewserie mit 50 ehemaligen Aktivistinnen und
Aktivisten und Herstellung der Porträts
•
Sammeln der Dokumente für das Bildarchiv
2008
Durchführung von Events für die Präsentation und Diskussion der Resultate
aus den Workshops im Rahmen von Vorträgen und kleinen Ausstellungen in
allen Städten, in denen Workshops durchgeführt wurden.
Lancierung der Buchpublikation 1968 Stories - Erinnerungen an die 68er
Bewegung in der Schweiz und ihre Folgen