Irmgard Keun
Porträt einer Frau mit schlechten Eigenschaften (Auszug)
Zuweilen kann ich mich nicht leiden. Wie einem das schon mal bei Menschen geht, mit denen man ununterbrochen zusammen sein muß. Es fällt mir dann schwer, noch irgendein gutes Haar an mir zu finden. Meine schlechten Eigenschaften sind zahlreich und nicht umstritten. Ich bin faul. Wenn ich einen ganzen Tag hindurch nichts tue, habe ich nicht eine einzige Sekunde Langeweile und nicht ein einziges Mal das Bedürfnis zu arbeiten. Ich habe keine Willenskraft. Bis zum heutigen Tag habe ich noch nicht einmal den Versuch gemacht, mir das Rauchen abzugewöhnen. Den Vorwurf, nicht mit Geld umgehen zu können, weise ich zurück. Man kann nicht mit etwas umgehen, das man nicht hat. Zu meiner unentwickelten Willenskraft gehört auch, daß ich mich durch fröhliche Bekannte jederzeit von der Arbeit abhalten lasse und mich selten aufraffen kann, unangenehme Briefe zu schreiben. Ich bin feige. Ich habe eine panische Angst vor Sprengstoffen, Beamten mit Aktenmappen, wilden Pferden, Revolvern, auch ungeladenen, Spinnen, Nachtfaltern, Lokalpatrioten, Zimmervermieterinnen, Fanatikern mit und ohne Weltanschauung. Ganz große Angst habe ich vor Krieg und Atombomben. Ich unterhalte mich furchtbar gern mit Leuten, die aus sicherster Quelle wissen, daß ein Krieg unter gar keinen Umständen kommen kann. Manchmal versuche ich, mich zu ändern. Aber wenn ich dann merke, daß ich mich mit meinen Besserungsversuchen zu sehr belästige und verstimme, gebe ich sie auf.