Was ist Syntax?
Lehre vom Satz
Lehre von den Regeln, wonach in Sprache(n) aus den Wörtern zusammengehörige Wortgruppen gebildet werden
Lehre von der Kombination von Wörtern zu Sätzen (Linke 1996, S. 80)
syntaxis heißt auf griechisch Zusammenstellung, Anordnung, Aneinanderreihung
syntaktische Gebilde :
Satzglieder
einfache Sätze
komplexe Sätze
Satzglieder (zusammengehörige "Wortgruppen")
Beispiele: "Der alte Mann", "Das kleine Mädchen mit den blonden Zöpfen"
Dies ist Thema der "Phraseologie".
lateinisch: "pars orationis" (daher Parser)
Definition: "Satzglied ist diejenige kleinste Wortgruppe, die gesamthaft ersetzt und die im Satz (ohne Bedeutungsänderung) nur gesamthaft verschoben und insbesondere gesamthaft in die Postition vor das finite Verb in einfachen Aussagesätzen gestellt werden kann." (Linke 1996, S. 82)
einfache Sätze
"Der alte Mann schreibt ein Buch."
"Das kleine Mächen mit den Zöpfen spielt vor dem Haus."
komplexe Sätze
"Nach Weihnachten, während der alte Mann im Haus saß und an seinem Buch schrieb, spielte das kleine Mädchen mit den blonden Zöpfen mit einem kaputten Dreirad."
Die Rolle des Kontextes in der Syntax:
Sätze sind eingebettet in einen Kontext;
sie erhalten ihre Bedeutung von den umgebenden Sätzen oder der Situation.
deutlich wird dies an folgenden Beispielen:
Die Satzstellung hängt vom Kontext ab.
Er ist fertig. (He has finished? He is exhausted?)
Er schrieb das Buch. (Wird nur verständlich durch die Ebene darüber: den Kontext)
früher im Text erwähnt: kotextueller Kontext
in der Situation erkennbar: situativer Kontext (deiktische Bedeutung)
Entsprechungen auf anderen Ebenen:
Allophonie: |
funktionslose lautliche Varianten, phonetische Variation ohne funktionale (sprich: bedeutungsunterscheidende) Folgen; z.B. sind der sogenannte 'ich-Laut' und der 'ach-Laut' Allophone, was so viel heisst wie: Es handelt sich um den gleichen Laut des Systems, er realisiert sich aber regulär (je nach lautlicher Umgebung) entweder auf die eine oder auf die andere Weise (Linke 1996, S. 68) (hier geht es allerdings um den Kontext auf der gleichen Ebene) |
z.B. Mütter / Mutter, frier / fror, seh / sieh; bedingt durch Syntax, durch die Rolle des Morphems auf der Ebene des Satzes |
Wiederholung: Martinet
auf jeder Ebene gibt es Elemente
dazu kommen Kombinationsregeln, die nur auf der jeweiligen Ebene gelten
die Bausteine der Ebenen sind immer Produkt der Ebenen direkt darüber
Korrektheit
die Beschäftigung mit Syntax muß unabhängig von der Semantik sein;
die Syntaktik beschäftigt sich mit Satzbaumustern ohne Rücksicht auf den semantischen Sinn
Der alte Mann |
korrekt |
*Alte der Mann |
unkorrekt |
*Alte Mann |
unvollständig |
Das alte Kind |
syntaktisch korrekt! |
Der alte Greis |
syntaktisch korrekt, semantisch tautologisch |
Colorless green ideas sleep furiously. (Chomsky) |
syntaktisch korrekt, semantisch früher inkorrekt, heute gibt es grüne Ideen, denen manche Farblosigkeit vorwerfen |
"Die Grammatikschreibung hätte im 19. Jh. einen Satz wie Hanne flog nach London noch als ungrammatischen Satz deklarieren müssen. Wir würden heute in einer Zeit leben, wo der Satz Als mich meine Grossmutter gebar langsam grammatisch würde, dank Fortschritten in der Technik der Leihmutterschaft etc. Mit anderen Worten: Die Grammatik änderte sich, wenn sich die Welt änderte, und was grammatisch wäre bemässe sich danach, wie die Welt ist oder wie wir sie uns denken. Märchen, Utopien, Wünsche wären plötzlich ungrammatisch. Für die Märchen, Utopien, Wünsche wäre das einerlei. Die Konsequenzen für die Grammatikschreibung aber wären fatal."
Linearität als Merkmal von Sprache?
einerseits: wir müssen es nacheinander schreiben und aussprechen
andererseits: "Sätze sind nicht blosse Wort-Sequenzen, sondern hinter der oberflächlichen Linearität von Wörtern verbirgt sich eine Struktur."
Sie |
hat |
den ganzen Tag |
geschlafen. |
Die Frau |
hat |
lange |
geschlafen. |
Die von ihrem unfreiwilligen Fußmarsch völlig erschöpfte Reisegruppe |
hat |
zwei Tage und zwei Nächte |
geschlafen. |
Konstituenten
"in addition to the linear sequence, there are words which belong together 'more closely' than others" (P. Schmidt)
Wortgruppen, die in Gesamtheit als Gruppe untereinander austauschbar, verschiebbar und ersetzbar sind (Ersatzprobe, Verschiebeprobe)
Sätze bestehen nicht (unmittelbar) aus Wörtern, sondern aus Zwischeneinheiten (Konstituenten, unmittelbare Konstituenten, immediate constituents)
Beispiel für Verschiebeprobe:
Sie hat den ganzen Tag geschlafen.
Den ganzen Tag hat sie geschlafen.
Aber nicht: *Ganzen hat sie den Tag geschlafen.
uneinheitliche Benennung:
"Lange Zeit betrieb man einen Import von Theorie aus der klassischen Logik und gab diesen organisierenden, gruppierenden Zwischen-Einheiten zwischen den einzelnen Wörtern und den Sätzen logische Namen wie Subjekt, Prädikat, Objekt, Kopula, Prädikativ usw."
Binarität
Da das Binaritätsprinzip eine Erfordernis der modernen Sprachwissenschaft ist - auch die Nerven arbeiten binär - wurde versucht, die Konstituentenstruktur durch einen binären Baum zu ersetzen
Dabei entsteht das Problem, daß, wenn man Linearität und Konstituenz bewahrt, die Binarität durchbrochen ist.
Das vierfache Problem der Syntaxforschung
Wie sind Linearität, Konstituenz, Dependenz und Binarität unter einen Hut zu bringen?
Wie kann man aus der linearen Oberflächenstruktur die Dependenz der Konstituenten binär darstellen?
Wie kann man aus der linearen Oberflächenstruktur Satzglieder (Konstituenz) ermitteln, gleichzeitig die hierarchische Abhängigkeit aufzeigen und das Prinzip der binären Gliederung beibehalten?
Krise der Sprachwissenschaft
Linguistik war: |
gefordert wurde: |
Korpusbasiert |
Kognitiv |
Induktiv |
Deduktiv |
Deskriptiv |
Explikativ |
= Jäger- und Sammlerlinguistik |
--> Sprache als kognitive Fähigkeit |
Gegenstandsbestimmung der Generativen Grammatik
mentale Prozesse
Software, nicht Hirnforschung
unbewußtes Wissen (knowing how)
mentale Prozesse:
Grundfrage ist: "Was weiss jemand oder hat jemand im Kopf, der eine Sprache beherrscht?"
Mit dieser Frage wird zum Gegenstand der Sprachwissenschaft eine mentale, eine kognitive Fähigkeit, ein Teil des geistigen Besitzes eines Menschen.
Software, nicht Hirnforschung:
Es geht nicht um die physiologische Grundlage des sprachlichen Wissens oder Könnens eines Menschen, sondern um die Frage, wie Wissen im Kopf abstrakt repräsentiert ist.
Es geht also nicht um die Hardware eines sprachmächtigen Menschen, sondern um seine Software (Computer-Metapher).
Aber es besteht ein Kompatibilitätserforderis mit den Ergebnissen der Hirnforschung (die z.B. Aphasien erforscht).
unbewußtes Wissen (knowing how)
Kompetenz und Performanz
Kompetenz = was wir prinzipiell können, das Potential
Performanz = eingeschränkte Anwendung der Performanz (wie wenn man nach der Prüfung denkt, daß man eigentlich mehr gewußt hätte)
die generative Grammatik untersucht Kompetenz, nicht Performanz
dies ist ein Kritikpunkt! man jagt einem Ideal nach
die noch modernere, pragmatisch orientierte Sprachwissenschaft untersucht die Performanz
Saussures langue/parole im Vergleich mit Noam Chomskys Kompetenz/Performanz
Spracherwerb
Warum ist Spracherwerb in diesem Zusammenhang relevant?
"Obwohl selten eigentliches Thema in der Generativen Grammatik, spielt der Spracherwerb in der jüngeren Theorie eine zunehmend wichtige Rolle als eine Art advocatus diaboli. Das von dem ich behaupte, es sei sprachliches Wissen im Kopf eines Menschen, muß so gestaltet sein, daß es gelernt worden sein kann. Der Spracherwerb wird so zu einem wichtigen Prüfstein der Theoriebildung." (Linke 1996, S. 93)
traditionelle Auffassung des Spracherwerbs
Der Geist des Kindes ist bei Geburt sprachlich leer (tabula rasa).
Das Kind wird dann mit einem Korpus sprachlicher Daten konfrontiert.
Dabei handelt es sich um situierte Äußerungen (Äußerungen in einer entsprechenden Situation: es muß z.B. ein Kamel anwesend sein)
Es gibt hier zwei Alternativen:
Behaviorismus: |
Imitation (das Kind memoriert vorgefertigte Äußerungen) |
Induktivismus: |
das Kind leitet aus gehörten Äußerungen induktiv Regeln ab |
Beide Alternativen widersprechen den konkreten Erfahrungen sowie der Spracherwerbsforschung und der Forschung zu Pidgin- / Kreolsprachen, weil
unzureichender Umfang des dem Kind angebotenen Sprachmaterials
Chomsky: logisches Problem des Spracherwerbs, Platos Problem, empirische Unterdeterminiertheit (poverty of stimulus)
"How can we know so much given that we have such limited evidence?"
wenn die Kinder nur imitieren würden, würde die Sprache stehenbleiben; sprachliche Neuschöpfungen wären nicht möglich
(z.B. wurde das Wort "eigentlich" von Meister Eckehardt in die deutsche Sprache gebracht; z.B. hat ein Heinrich von Kleist im Satzbau seine sprachliche Vor- und Umwelt weit übertroffen; er hat nicht bloss imitiert (Linke 1996, S. 93))
Kinder machen Fehler, die sie nie gehört haben können, und systematische Fehler
(z.B. morphologische Übergeneralisierungen: singte, schreibte; vorgestellte Negationspartikel: Nein Mama weggehen)
Kinder werden auch mit fehlerhaftem Sprachgebrauch konfrontiert; sie machen aber nicht die Fehler, sondern andere
Wieso können wir so viel so schnell mit so wenig Material lernen?
Plausibilitätsargument: wenn etwas nicht erworben sein kann, muß es vorher schon da gewesen sein |
Universalgrammatik ist ein unglücklicher Ausdruck, da die Universalgrammatik nichts mit Grammatik zu tun hat;
sie ist nicht eine allen Sprachen gleiche Grammatik oder ein größter gemeinsamer Nenner aller Grammatiken und auch keine angeborene Universalsprache;
sondern sie ist eine Sammlung von hochabstrakten, allgemeinen sprachlichen Prinzipien und von Parametern innerhalb dieser Prinzipien mit Wahlmöglichkeiten innerhalb dieser Prinzipien (daher "government and binding" = "Prinzipien und Parameter")
Beispiele für Prinzipien:
Prinzip: sprachliche Zeichen sind aus Phonemen aufgebaut
160 Parameter: welche Phoneme
jede Sprache wählt aus den 160 Parametern seine 30-40 aus
(z.B. kommen in der Lallphase viel mehr Laute vor als nachher in der Sprache; bestimmte dieser Prinzipien werden belegt, die anderen verkümmern und müssen bei Fremdsprachenerwerb wieder mühsam gelernt werden)
Prinzip: Nomina können durch Adjektive ergänzt werden
Parameter: Stellung vorne, Stellung hinten
Konsequenzen:
Spracherwerb besteht darin, daß das Kind über seinen Input bestimmte Parameter zu jedem Prinzip aktiviert; nicht von 0 auf 100, sondern vielleicht von 10 auf 100
Regelfindung läuft deduktiv (Ableitung aus vorgegebenen Prinzipien und Parametern)
gilt nur für den Struktur-Teil der Sprachkompetenz, nicht für die sprachliche Substanz, d.h. das Wort- und Morphemmaterial einer Sprache, das ganz gewiss nicht angeboren ist (Linke 1996, S. 97)
Es wird klar, warum sich Kindersprache in allen Sprachen in bestimmter Reihenfolge und Phasen entwickelt
(zu den Fehlern: es gibt Sprachen, wo das Verneinungspartikel vorgestellt wird; das Kind probiert Negationsumgebungen aus und deaktiviert das Falsche aufgrund der Umwelt; die Fehler der Kinder machen Sinn, es sind in anderen Sprachen keine Fehler; es sind nur alternative Belegungen desselben Parameters)
nur aus so einem Modell heraus ist der Weg von Pidgin zu Kreolsprachen zu erklären:
an der Grenze zwischen Sprachbereichen entsteht in der ersten Generation ein linguistischer Trümmerhaufen (=Pidgin)
die Kinder der zweiten und dritten Generation bilden daraus eine Kreolsprache; sie komplettieren die Pidgin-Sprache und bauen Struktur und Regelmäßigkeiten ein
Frühkindlicher Spracherwerb allgemein
Spracherwerb in der Psychologie
Spracherwerb in der Linguistik
Spracherwerb in der Linguistik (auch: Universalgrammatik)
Universalien
Chomsky: Language and Mind
Chomsky's (mis)understanding of human thinking (Kritik)
Linguistischer Urknall