AS Selbstlernen


Lernen ist die Aneignung von Wissen. Dabei darf nie vergessen werden, dass Wissen aus unterschiedlichsten Quellen stammen kann und unterschiedlichsten Zielen dient. Obwohl heute, gerade im Westen, mit Wissen meist wissenschaftlich begründetes Wissen gemeint ist, orientiert sich auch heute noch, sogar im Westen, eine Mehrheit der Bevölkerung an tradiertem Wissen wie Kultur, Brauchtum, Alltagswissen (der sogenannte "gesunde Menschenverstand) und auch oft an transzendentalem Wissen, also am Glauben. Je wirtschaftsorientierter unsere Ausbildung wird, je mehr sich Ausbildung auf die Vermittlung von meist beruflichem Anwendungswissen verengt, desto wichtiger würde, als Gegenpool, eine Bildung die Orientierung in der Welt vermittelt.

Die Bildungsprozesse der Zukunft müssen sich an der Wissensgesellschaft orientieren, sie streben eine Persönlichkeitsbildung an, die durch Sachverstand und Urteilssicherheit gekennzeichnet wird und auf Offenheit ausgerichtet ist.  [www.lg-nw.de/wir0110.htm ]

Die Vermittlung von sicherem Wissen, das unsere Lehrer den Schülern heute noch vorgaukeln und prüfen, ist eigentlich schon lange eine Illusion. Bei einer Halbwertszeit von 2 Jahren kann, zumindest in gewissen Branchen, am Ende eines vierjährigen Studiums bereits das Gegenteil von dem war sein, was in den ersten Semestern gepaukt wurde. Die Verantwortung für die Auswahl des richtigen Lernstoffs wird von der marktorientierten Schule nur noch mit sehr beschränktem Verfallsdatum übernommen. Auch diese Verantwortung wird, nebst der für das eigene Lernen, den Konsumenten, also den Schülern, überlassen: Die Verantwortung der SchülerInnen bezieht sich auch auf die Gestaltung des Unterrichts. Zu oft ist noch eine Konsumhaltung anzutreffen. [www.lg-nw.de/wir0110.htm ]

Wissensvermittlung als Dressur des Denkens findet sich auch an den höchsten der Schulen, den Universitäten und der ETH (z.B). Auch hier müssen die "Lehrlinge" sich erst die Sprache und den Denkstil der entsprechenden Disziplin aneignen und sich dem "heiligen Geist" (dem Paradigma) unterordnen. Erst wer davon völlig durchtränkt ist, wird als würdig betrachtet, "Wissenschaft" zu betreiben. Dummerweise führt das dazu, dass diese Experten dann gar nicht mehr merken, was sie alles bereits ausklammern, bevor sie zu denken beginnen. Die Gesamtschau, der Überblick, gehört nicht zu den Wissenschaften. Er wäre Philosophie ... aber wen interessiert eine solch brotlose Kunst heute noch. Dummerweise führt die entphilosophierte Spezialwissenschaft dazu, dass anders denkende als dumm (Die verstehen es eben nicht. Im Zuge der Diskussionen über Gentechnologie, insbesondere auch Stammzellen, immer wieder zu hören.) oder gar verrückt (Gnosis? Geht's noch!) angesehen werden. Die jeweiligen Denkkollektive organisieren sich als Netzwerke, aber nicht als integrative Netzwerke, sondern als Bund der Auserwählten (... die noch eine Stelle haben), als Denkkollektiv der Arrivierten, das primär der Erhaltung der eigenen Macht, Stelle und Finanzen dient - und der Kontrolle, dem Ausschluss anderer.

Die Lehre muss sich also mehr auf die Vermittlung der Lernfähigkeit selbst verlagern, die Lernprozesse selbst müssen wesentlich stärker zum Gegenstand des Lernens werden. Die Trennung von fachlichem und überfachlichem Lernen ist dabei ein Irrweg: Inhaltliches Wissen, die Fähigkeit zur Wissensanwendung sowie soziale und personelle Kompetenzen können nur im Zusammenhang erworben werden. Wie die OECD in ihrem Bericht von 1996: Lernen für alle, bereits festgestellt hat, sollte dieses Lernen  nebst dem formellen Lernen in an Schulen und Hochschulen, auch das informelle Lernen  zuhause, im Beruf und in der Gemeinschaft umfassen.

Grundprobleme der Wissensgesellschaft:

 Wie lernen wir?

Verarbeiten wir Informationen im Gehirn, erzeugen wir dabei Veränderungen in den gespeicherten Strukturen. Diese Veränderungen bezeichnen wir als Lernen, unabhängig davon, ob sie bewusst oder unbewusst erfolgen. Beim entdeckenden Lernen werden die zu speichernden Informationen sogar auf der Grundlage des Vorwissens selbst erzeugt.

Bewusstes Lernen wird dadurch motiviert, dass wir uns im Geiste bereits vorstellen, zu welchen Aktionen uns das neue Wissen befähigen wird, wie z.B:

Wir haben hier also bereits die zwei wichtigsten Faktoren, die Motivation und die Integration neuen Wissens in bereits vorhandenes Wissen. Beide sind individuell begründet und unterscheiden sich stark von Person zu Person ... was eigentlich stark für ein möglichst selbständiges Lernen spricht. Selbstregulation beim Lernen können wir sehr einfach an uns selbst beobachten. Lesen wir eine Zeitung, so passt sich die Lesegeschwindigkeit an die Schwierigkeit des Textes an - da neue Informationen erst in Beziehung gebracht werden müssen zum Bekannten, wobei oft Widersprüche und Lücken auftreten, die vermerkt oder gelöst werden müssen. Von solchem, von autonomem Lernen, reden wir, wenn der Aufbau einer neuen Gedächtnisstruktur sich unabhängig von äusseren Vorgaben (und Zwängen) vollzieht: Lernen wird nicht mehr vorrangig als ein von aussen kontrollierter und steuerbarer Prozess verstanden; der Lernprozess wird vielmehr als eine vom Lernsubjekt getragene Aktivität gesehen, wobei die Person eine Vielzahl individueller Voraussetzungen in die Situation einbringt und in Interaktion mit der jeweiligen Umwelt ihre Gedächtnisstruktur weiterentwickelt. [Frank Dulisch: Die Selbststeuerung in der berufsbezogenen Lerntätigkeit [www.personalisiertes-lernen.de/mep/elarning/selbststeuerung-des-lernens.htm]

Selbsteuerung von Lernprozessen basiert auf vier Faktoren:

[Otto Georg Wack, 28.12.1999: Zur Lernkultur des lebensbegleitenden Lernens: Vom angeleiteten zum selbstverantworteten Lernen. Schritt vom Belehrtwerden zum Lernen www.lernende-region-cham.de/selbstverantwortetesLernen.pdf ]

Allerdings erfordert die Ausweitung und Zumutung von weitaus mehr selbstgesteuerten Lernprozessen mehr Unterstützung, Beratung und Förderung durch ExpertInnen für Lernprozesse und Institutionen, die auf die Organisation von Lernprozessen spezialisiert sind. Selbst gesteuertes Lernen muss of selbst noch gelernt werden.

Die neue Lehrerrolle fordert seit längerem: LehrerInnen sollen nicht mehr Lehrende sein. Statt dessen sollen sie beim Lernen beraten, Lernende unterstützen, und die erforderliche Lernhilfe leisten, den Lernvorgang moderieren, anregende Lernumgebung herstellen.

Schlüsselqualifikationen des Selbstlernens sind:

1. Sich selbst und das eigene Lernen organisieren können:

Ø      Was nehme ich mir vor (Zielsetzung)

Ø      Wie gehe ich vor (Methodik)

Ø      Welche Hilfsmittel brauche ich, beschaffe ich mir (Medien)

Ø      Wie organisiere ich mir die benötigte Zeit

Ø      Brauche ich Hilfe, von wem kann ich sie bekommen (personale Hilfe)

Ø      Wie intensiv muss ich lernen / arbeiten

Ø      Wie oft und wie lange will ich jeweils etwas tun

Ø      Wie kann ich meine Erfolge kontrollieren

2. Miteinander kooperieren können

SchülerInnen verlangen von ihren Lehrern, dass sie den Unterricht über weite Strecken inszenieren, dass sie es übernehmen, Lehr-Lern-Situationen zu gestalten.Wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Lehrtätigkeit sind:

    1. Die Fähigkeit, den Lernenden einzuschätzen: diagnostische Funktion

    2. Programme für weitere Entwicklung des Lernenden anzubieten: prognostische Funktion

    3. Ueber individuelle Lernkontrakte und -arrangements zu verhandeln: arrangierende Funktion.

    4. Kontakte im neuen Lernfeld und und in der neuen Lernumwelt herzustellen: kontaktvermittelnde Funktion

    5. Dem Lernenden helfen, persönliche und motivationale Probleme zu lösen: beratende Funktion

Der Lernende muss sein eigenes Lernprogramm entwickeln - der Lehrende stellt ihm alle Hilfsmittel, einschliesslich seiner eigenen Person zur Verfügung. - basierend auf lernpsychologischen Sach- und Verfahrenskenntnissen

Selbstlernen hat einen Angebotscharakter. Es können unterschiedlichste Informationsquellen und Lernhilfen verwendet werden, und das Lernziel kann auf verschiedensten Wegen erreicht werden:

Für Selbstlernen gewinnt das eigenständige Formulieren von Fragen an Bedeutung. Soll Selbstlernen gefördert werden, müssen Lehrende von Dozenten zu Lernmoderatoren und Impulsgebern werden. Umwege sind beim Selbstlernen bewusst zuzulassen. Eine anregende häusliche Umgebung, Anerkennung und Erfolgserlebnisse sind dem Lernen förderlich.

Die soziale Einbindung des individuell Lernenden in eine Gruppe kann die Selbstbestimmung sowohl einschränken als auch ausweiten. Eine Leistungsüberlegenheit der Gruppe ist dann gegeben, wenn arbeitsteilig vorgegangen wird, und/oder sich die Mitglieder gegenseitig ergänzen oder korrigieren können.

Selbstlernen ist übrigens nicht bloss sozialliberale oder 68er Ideologie.  Modellversuche  mit Selbstlernzentren wurden etwa bei Ford durchgeführt. Den an Weiterbilduung Interessierten werden als Lernhilfen Leittexte u. weitere Informationsquellen angeboten, die auch später im Arbeitsalltag zur Verfügung stehen. Der Ausbilder übernimmt die Funktion des Beraters, vermittelt also Methodenkompetenz, die Fähigkeit zur selbständigen Aneignung neuer Kenntnisse und Fertigkeiten, Wissen, wie man vorgeht, sich in ein neues Gebiet einzuarbeiten, wie und wo man sich Informationen beschaffen kann, welche Fragen man sich und andern stellen muss.

Martin Herzog, Dipl. Ing.ETH, WEBDESIGN für Wissensanbieter, Rheinfelden, 19.02.03

p.s: Zum selber Lernen gehört natürlich in erster Linie das selber Denken:

Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar lieb gewonnen und ist vor der Hand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen liess.

Nun höre ich aber von allen Seiten rufen: räsonniert nicht! Der Offizier sagt: räsonniert nicht, sondern exerciert! der Finanzrat sagt: räsonniert nicht, sondern bezahlt! Der Geistliche: räsonniert nicht, sondern glaubt! (Nur ein einziger Herr in der Welt sagt: räsonniert, so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; aber gehorcht!) Hier ist überall Einschränkung der Freiheit.

Merkmale der Dummheit. Nicht Ignoranz. Oft scheint Zerstreuung, Taubheit, Uebereiliung, bisweilen gar eine Forderung deutlicher Begriffe Dummheit. Der einen begehenden Begriff hat, ist darum nicht vernünftig. Die Dummdreistigkeit im Entscheiden, pedantische Gravität im Vortrag gemeiner Dinge. Geringschätzung des Genies anderer durch dumme Vorurteile, dawider jenes streitet. Dass die Dummheit durch die Welt bringt, ist nicht bloss spöttisch scheinbar, sondern liegt in der Natur der Sache. Denn die Zusammenbestimmung mit der gemeinen Denkungsart, vornehmlich der herrschenden, das Zuversichtliche in seinen Behauptungen, die Leichtigkeit, sich selbst genug zu tun, und die Zuversicht alles zu unternehmen, machen eine Gute Meinung. Mittelmässige Köpfe, die tätig und dreist sein, kommen am besten fort, selbst in der Gelehrsamkeit. Immanuel Kant

Dabei aber hat doch nur Das wahren Wert, was Einer zunächst bloss für sich selbst gedacht hat. Man kann nämlich die Denker einteilen in solche, die zunächst für sich, und solche, die sogleich  für Andere denken. Jene sind die echten, sind die Selbstdenker, im zwiefachen Sinne des Worts - sie sind die eigentlichen Philosophen. Denn ihnen allein ist es Ernst mit der Sache. auch besteht der Genuss (s. Dilettant) und das Glück ihres Daseins eben im Denken. Die andern sind die Sophisten: sie wollen scheinen, und suchen ihr Glück in Dem, was sie dadurch von Andern zu erlangen hoffen: hierin liegt ihr Ernst.

[Schopenhauer: Parerga und Paralipomena: Selbstdenken § 277]

http://www.brainworker.ch/Bildung/selbst-lernen.htm

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