116 Fremosprachenerwerb
116 Fremosprachenerwerb
Lernbarkeit
lehrbarkeit
des Durchlaufens der Sequenzen. Nur was in der vorgegebencn Rei-henfolge prasentiert werde. sei auch zu diesem Zeitpunkt lernbar. Und nur was zu einem bestimmten Zeitpunkt lernbar sei, sei auch tatsachlich lehrbar. Insofem ist es sinnlos, die Formen der Hilfsver-ben beim Perfekt einzufuhren. wenn nicht die Grundfunktionen der Partizipien beherrscht werden. Man spricht hier von learnability und teachability (Lern- und Lehrbarkeitshypothese, Processability Hypothesis). In letzter Zeit setzt sich aber immer mehr die Erkenntnis durch. und zwar auf Grund von konkreten (empirischen) Forschungen, dass eini-ge der Variablen des Spracherwerbs doch starker veranderbar und beeinflussbar sind, ais man zunachst angenommen hat, das heiftt. dass der Erwerb bestimmter Strukturen in einem gewissen Rahmen durch Unterricht vorweggenommen oder beschleunigt werden kann.
Fehlerkorrektur
Wenn es die Erwerbsseąuenzen in dieser oder einer anderen Abfolge gibt, dann hat das starkę Auswirkungen auf unser Verstand-nis von Fehlem. Je nachdem, wie man den Erwerb betrachtet, erge-ben sich unterschiedliche Auffassungen von dem. was uberhaupt ein Fehler ist. Misst man die UTneraufterungen an den Normen der Hochsprache cxler der Schriftsprache, dann wird man in der Rcgel viele Abweichungen feststellen, die so auch in der gesprochenen All-tagssprache vorkommen. Geht man zudem davon aus, dass bestimmte Fehler entwicklungsbedingt auftreten. dann relativiert sich auch das Thema Fehlerkorrektur sehr schnell. Die Entwick-lungsstufen werden ja in Richtung einer Zielvariante durchlaufen. Viele Fehler kónnen daher ais Zeichen einer Entwicklung. also ais Entwicklungsfehler oder Entwicklungsstufen angesehen werden. Sie markieren damit eher Fortschritt ais Riickschritt. Zum Beispiel zeigt eine typische Au&erung aus dem Erstspracherwerb im Engli-schen, die Verbfonn goed, dass der I^mer zwar noch nicht die starkę Form des Partizips oder der Vergangenheit von to go erworben hat (gone. went). aber immerhin schon weift. dass die Endung -ed im Englischen ais SufTix des Verbstamms das Tempus der Vergangen-heit (simple past) ausdriickt. Vermeintliche Fehler markieren einen bestimmten Fortschritt. bestehen nur voriibergehend und ver-schwinden teilweise ohne weiteres Zutun im Laufe der weiteren Sprachentwicklung. Man kann sich damit viele der miihsamen Kor-rekturen im Unterricht ersparen.
Zusammenfassung
Das Wichtigste zur Spracherwerbsforschung ist damit schon gesagt. Festzuhalten bleibt, dass Spracherwerb ein systematischer Vorgang ist. der nach bestimmten Prinzipien ablauft, auch wenn er manchmal chaotisch erscheint. Es gibt aber bisher keinen Forschungsansatz, der alle Faktoren dieser Systematik erklaren kann. Das frtihe Verstandnis von Spracherwerb ais Kontrast oder Identitat zum Erwerb der Erst-sprache wird den Hrwerbsprozessen nicht ausreichend gerecht und konnte durch empirische Untersuchungen nur teilweise bestiitigt werden. Die dargestellten Ansatze der Hrwerbssequenzen fassen dagegen die wichtigsten Aspekte der neueren Forschung zusammen. Der eine ist ein konzeptueller und pragmatischer Ansatz. Er erlaubt eine funktionale und kognitive Erklarung der Strukturen von Aufierungen. Der andere ist ein universalistischer. Er beschreibt verschiedene Sequenzen ais feste Ablaufe der Sprachentwicklung. Die einzelnen Stufen kónnen dabei unterschiedlich formalisiert beschrieben werden. Wie gezeigt wurde. kann man sie ais mehr oder weniger fest programmierte, quasi ange-borene Reihenfolge ansehen. 1 lier spricht man von einem nativisti$chen Ansatz. Oder man geht auch innerhalb der festen Sequenzen von der starkeren Bedeulung funktionaler und konzeptueller Kriterien aus. Dann kann man je nach den Umstanden und Zieleń des kommunika-tiven Umfeldcs auch die Variation in den Sequenzen besser erklaren. Schlieftlich gibt es noch Ansatze. die das Hauptgewicht des Spracher-werbs vor allem auf die Umgebung des l,emers legen. also internę Steuerungsmechanismen weitestgehend aufter Acht lassen. Solche soziolinguistischen Ansatze untcrsuchen vomehmlich Personenmerk-male wie den sozialen Status, den Bildungsstand. die Integrations-móglichkeiten. die Bleibeabsicht im Zielland und andere. um Erkla-rungen llir bestimmte Auflalligkeiten des Spracherwerbs zu liefem.
Der BegrifT Mehrsprachigkeit lasst sich in Bezug auf den Beherr-schungsgrad der Sprachen unterschiedlich weit fassen. Im Folgen-den soli es aber nur um die Falle gehen. in denen ein Sprecher sich ahnlich fliissig und problemlos in den wesentlichen Bereichen