scm Einsatz ein Gelachter an, ein Gelachter im hoheren Chor, ein furchtbares, fur Mcnschcn kaum ertragliches Gelachter des Jenseits.
Ais ich wieder zu mir kam, saB Mozart neben mir wie zu-vor, klopfte mir auf die Schultern und sagte: „Sie haben Ihr Urteil gehórt. Sie werden sich also daran gewohnen miissen, der Radiomusik des Lebens weiter zuzuhóren. Es wird Ih-nen guttun. Sie sind ungewóhnlich schwach begabt, lieber dummer Kerl, aber so allmahlich werden Sie nun doch be-griffen haben, was von Ihnen verlangt wird. Sie sollcn la-chen lernen, das wird von Ihnen verlangt. Sic sollen den Humor des Lebens, den Galgenhumor dieses Lebens erfas-sen. Aber naturlich sind Sie zu allem in der Welt bereit, nur nicht zu dem, was von Ihnen verlangt wird! Sie sind bereit, Madchen totzustechen, Sie sind bereit, sich feierlich hin-richten zu lassen, Sie waren gewifi auch bereit, hundert Jahre lang sich zu kasteien und zu geifieln. Oder nicht?" „O ja, von Herzen bereit", rief ich in mcinem Blend. „Naturlich! Fur jede dumme und humorlose Veranstaltung sind Sie zu haben, Sie groftziigiger Herr, fur alles, was pathe-tisch und witzlos ist! Nun, ich aber bin dafiir nicht zu haben, ich gebe Ihnen fiir Ihre ganze romantische Bufie keinen Groschen. Sie wollen hingerichtet werden, Sie wollen den Kopf abgehackt kriegen, Sie Berserker! Fur dieses blóde Ideał wiirden Sie noch zehn Totschlage begehen. Zum Teu-fel, aber leben sollen Sie ja gerade! Es geschahe Ihnen recht, wenn Sie zur schwersten Strafe verurteilt wiirden."
„Oh, und was fiir eine Strafe ware das?"
„Wir kónnten zum Beispiel das Madchen wieder lebendig machen und Sie mit ihr verheiraten.“
„Nein, dazu ware ich nicht bereit. Es gabe ein Ungluck." „Ais ob es nicht schon genug Ungliick ware, was Sie ange-richtet haben! Aber mit Pathetik und den Totschlagen soli es jetzt ein Endc haben. Nehmen Sie endlich Vernunft an! Sie sollen leben, und Sie sollen das Lachen lernen. Sie sollen die verfluchte Radiomusik des Lebens anhóren lernen, sollen den Geist hinter ihr verehren, sollen iiber den Klim-bim in ihr lachen lernen. Fertig, mehr wird von Ihnen nicht verlangt.“
Leise, hinter zusammengebissenen Zahnen hcrvor, fragte ich: „Und wenn ich mich weigere? Und wenn ich Ihnen,
Herr Mozart, das Recht abspreche, iiber den Steppcnwoll zu verfiigcn und in sein Schicksal einzugreifen?"
„Dann“, sagtc Mozart friedlich, „wiirde ich dir vorschlagen. noch eine von meinen hiibschen Zigaretten zu rauchcn " Und indes er es sagte und eine Zigarette aus der Western.i sche zaubertc, die er mir anbot, war er plótzlich nicht Mozart mchr, sondern blickte warm aus dunklen Exotenaugen, und war mein Freund Pablo, und glich auch wie ein Zwil lingsbruder dem Mann, der mich das Schachspiel mit den Figiirchen gelehrt hatte.
„Pablo!" rief ich aufzuckend. „Pablo, wo sind wir?"
Pablo gab mir die Zigarette und Feuer dazu.
„Wir sind“, lachelte er, „in meinem magischen Theater, und falls du den Tango lernen oder General werden oder dich mit Alexander dem GroGen unterhalten willst, so steht das alles nachstes Mai zu deiner Verfugung. Aber ich mufi sa-gen, Harry, du hast mich ein wenig enttauscht. Du hast dich da arg vergessen, du hast den Humor meines kleinen Thea-ters durchbrochen und eine Schweinerei angerichtet, du hast mit Messern gestochen und unsre hiibsche Bilderwelt mit Wirklichkeitsflecken besudelt. Das war nicht hiibsch von dir. Hoffentlich hast du es wenigstens aus Eifersucht getan, ais du Hermine und mich da liegen sahest. Mit dieser Figur hast du leider nicht umzugehen verstanden - ich glaubte, du habest das Spiel besser gelernt. Nun, es lafit sich korrigieren."
Er nahm Hermine, die in seincn Fingern alsbald zum Spiel-figiirchen verzwergte, und steckte sie in ebenjene Westen-tasche, aus der er vorher die Zigarette genommen hatte. Angenehm duftete der siiGe schwere Rauch, ich fiihlte mich ausgehóhlt und bereit, ein Jahr lang zu schlafen.
Oh, ich begriff alles, begriff Pablo, begriff Mozart, hórte ir-gendwo hinter mir sein furchtbares Lachen, wufite alle hun-derttausend Figuren des Lebensspiels in meiner Tasche, ahnte erschiittert den Sinn, war gewillt, das Spiel nochmals zu beginnen, seine Qualen nochmals zu kosten, vor seinem Unsinn nochmals zu schaudern, die Hólle meines Innem nochmals und noch oft zu durchwandern.
Einmal wiirde ich das Figurenspiel besser spielen. Einmal wiirde ich das Lachen lernen. Pablo wartete auf mich. Mozart wartete auf mich.
181