Obraz9 (5)

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Sternglanz der unzerstórbare Wert meines Daseins war. Mein Leben war muhsam, irrlaufig und ungliicklich gewe-sen, es fiihrte zu Verzicht und Verneinung, es war bitter vom Schicksalssalz alles Menschtums, aber es war reich, stolz und reich gewesen, auch noch im Elend ein Kónigsle-ben. Mochte das Stuckchcn Weges bis zum Untergang voll-ends noch so klaglich vertan werden, der Kern dieses Le-bens war edel, es hatte Gesicht und Rasse, es ging nicht um Pfennige, es ging um die Sterne.

Es ist schon wieder eine Weile her, und vieles ist seither ge-schehen und anders geworden, ich kann mich nur noch an wenigcs Einzelne aus jener Nacht erinnern, an einzelne Worte zwischen uns, an einzelne Gebarden und Taten tie-fer Liebeszartlichkeit, an sternhelle Augenblicke des Erwa-chens aus schwerem Schlaf der Liebesermattung. Aber jene Nacht war es, in der zum erstenmal wieder seit der Zeit meines Niedergangs mein eigenes Leben mich mit den un-erbittlich strahlenden Augen anblickte, wo ich den Zufall wieder ais Schicksal, das Trummerfeld meines Daseins wieder ais góttliches Fragment erkannte. Meine Scele atmete wieder, mein Auge sah wieder, und fur Augenblicke ahnte ich gliihend, daft ich nur die zerstreute Bilderwelt zusam-menzuraffen. dafi ich nur mein Harry Hallersches Steppen-wolfleben ais Ganzes zum Bilde zu erheben brauche, um selber in die Welt der Bilder einzugehen und unsterblich zu sein. War denn nicht dies das Ziel, nach welchem jedes Menschenleben einen Anlauf und Versuch bedeutete?

Am Morgen muftte ich Maria, nachdem sie mein Friihstuck geteilt hatte, aus dem Hause schmuggeln, und es gelang. Noch am selben Tage mietete ich fur sie und mich in einem nahep Stadtteil ein Zimmerchen, das nur fur unsre Zusam-menkiinfte bcstimmt war.

Meine Tanzlehrerin Hermine erschien pflichtgetreu, und ich mufite den Boston iernen. Sie war streng und unerbitt-lich und erliefi mir keine Stunde, denn es war beschlossen, dafi ich mit ihr den nachsten Maskenball besuchen werde. Sie hatte mich um Geld fur ihr Kostiim gebeten, iiber das sie aber jede Auskunft verweigerte. Sie zu besuchen oder auch nur zu wissen, wo sie wohne, war mir noch immer ver-boten.

Diese Zeit vor dem Maskenball, etwa drei Wochen, war au-lierordentlich schón. Maria schien mir die erste wirklichc Geliebte zu sein, die ich je gehabt hatte. Immer hatte ich von den Frauen, die ich geiiebt hatte, Geist und Bildung verlangt, ohne je ganz zu merken, dafi auch die geistvollstc und verhaltnismafiig gebildetste Frau niemals dem Logos in mir Antwort gab, sondern stets ihm entgegenstand; icłt lirachte meine Probleme und Gedanken zu den Frauen mit, tmd vóllig unmóglich hatte es mir geschienen, ein Madchen l.tnger ais eine Stunde zu lieben, das kaum ein Buch gelesen hatte, kaum wufite, was Lesen ist, und einen Tschaikowski von einem Beethoven nicht hatte unterscheiden kónnen Maria hatte keine Bildung, sie hatte diese Umwege und lir atzwelten nicht nótig, ihre Probleme wuchsen alle unmit tclbar aus den Sinnen. Mit den ihr gegebenen Sinnen, mu Ihrer besonderen Figur, ihren Farben, ihrem Haar, ihrer Stimme, ihrer Haut, ihrem Temperament so viel Sinnen-und Liebesgliick ais irgend móglich zu erringen, fur jcde lahigkeit, fur jede Biegung ihrer Linien, jede zarteste Mo-dellierung ihres Kórpers beim Liebenden Antwort, Ver-•.uindnis und lebendiges, begliickendes Gegenspiel zu fin-ilcn und hervorzuzaubern, dies war ihre Kunst und Auf-/',abe. Schon bei jenem ersten schiichternen Tanz mit ihr hatte ich das empfunden, hatte diesen Duft einer genialen. cntzuckend hochkultivienen Sinnlichkeit gewittert und war von ihr bezaubert gewesen. GewiC auch war es kein Zufall, ila(5 Hermine, die Allwissende, mir diese Maria zugefiihrt hatte. Ihr Duft und ihre ganze Signatur war sommerlich, war rosenhaft.

Ich hatte nicht das Gliick, Marias einziger oder bevorzugter i ieliebter zu sein, ich war einer von mehrcren. Oft hatte sie keine Zeit fur mich, manchmal eine Stunde am Nachmittag, wenige Małe eine Nacht. Sie wollte kein Geld von mir neh-men, dahinter steckte wohl Hermine. Aber Geschenke nahtn sie gerne, und wenn ich ihr etwa ein neues kleines 1’ortemonnaie aus rotlackiertem Leder schenkte, durften auch zwei, drei Goldstucke darin stecken. Ubrigens mit .lem roten Geldbeuteichen wurde ich von ihr sehr ausge-lacht! Es war entziickend, aber es war ein Ladenhiiter, ver-•.i hollene Modę. In diesen Dingen, von welchen ich bisher aeniger gewufit und verstanden hatte ais von irgendeiner I kimosprache, lernte ich von Maria viel. Ich lernte vor al-

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