Obraz8 (10)

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tigkcit zeihen Sie mich? Was das fur Worte sind! Wollen Sie sich nicht naher erklarcn?“ Gemc wollte ich das, sehr gerne.

„Sie haben, Herr von Goethe, gleich allen groften Geistern die Fragwiirdigkeit, die Hoffnungslosigkeit des Menschen-lebens deutlich erkannt und gefiihlt: die Herrlichkeit des Augenblicks und sein elendes Vcrwelken, die Unmóglich-keit, eine schone Hóhe des Gefuhls anders zu bezahlen ais durch die Kerkerhaft des Alltags, die mit der cbenso bren-nenden und ebenso heiligen Liebe zur verlorenen Un-schuld der Natur in ewigem tódlichen Kampfe liegt, dies ganze furchtbare Schweben im Leeren und Ungewissen, dies Verurteiltsein zum Verganglichen, niemals Vollgulti-gen, ewig Versuchhaften und Dilettantischen - kurz, die ganze Aussichtslosigkeit, Verstiegenheit und brennende Verzwciflung des Menschseins. Dies alles haben Sie ge-kannt, sich je und je auch dazu bekannt, und dennoch haben Sie mit Ihrem ganzen Leben das Gegenteil gepredigt, haben Glauben und Optimismus geaufiert, haben sich und andern eine Dauer und einen Sinn unsrer geistigen Anstrengungen vorgespiegelt. Sie haben die Bekenner der Tiefe, die Stim-men c|er vcrzweifelten Wahrheit abgelehnt und unter-driickt, in sich selbst ebenso wie in Kleist und Beethoven. Sie haben jahrzehntelang so getan, ais sei das Anhaufen von Wissen, von Sammlungen, das Schreibcn und Sammeln von Briefen, ais sei Ihre ganze Weimarer Altersexistenz in der Tat ein Weg, um den Augenblick zu verewigen, den Sie doch nur mumifizieren konnten, um die Natur zu vergeisti-gen, die Sie doch nur zur Maskę stilisieren konnten. Das ist die Unaufrichtigkeit, die wir Ihnen vorwerfen.“ Nachdenklich blickte der alte Geheimrat mir in die Augen, sein Mund lachelte noch immer.

Dann fragte er zu meiner Verwunderung: „Die Zauberflóte von Mozart mu(5 Ihnen dann wohl recht sehr zuwider sein?"

Und noch ehe ich protestieren konnte, fuhr er fort: „Die Zauberflóte stellt das Leben ais einen kóstlichen Gesang dar, sie preist unsere Gefiihle, die doch verganglich sind, wie etwas Ewiges und Góttliches, sie stimmt weder dem Herrn von Kleist noch dem Herm Beethoven zu, sondern predigt Optimismus und Glauben." „Ich weiG, ich weiG!" rief ich wiitend. „WeiG Gott, wie Sie gerade auf die Zauberflóte verfallen sind, die mir das Lieb-ste auf der Welt Łst! Aber Mozart ist nicht zweiundachtzig Jahre alt geworden und hat nicht in seinem persónlichen leben diese Anspriiche an Dauer, an Ordnung, an steife Wiirde gestellt wie Sie! Er hat sich nicht so wichtig gc-macht! Er hat seine góttlichen Melodien gesungen und ist

.irm gewesen und ist fruh gestorben, arm, verkannt--“

Der Atem ging mir aus. Tausend Dinge hatten jetzt in zehn Worten gesagt werden miissen, ich begann an der Stirn zu schwitzen.

Goethe aber fragte sehr freundlich: „DaG ich zweiundachtzig Jahre alt geworden bin, mag immerhin unverzeihlich sein. Mcin Vergniigen daran war indessen geringer, ais Sie denken mógen. Sie haben recht: ein gro Ges Verlangen nach Dauer hat mich stets erfiillt, ich habe stets den Tod ge-liirchtet und bekampft. Ich glaube, der Kampf gegen den Tod, das unbedingte und eigensinnige Lebcnwollen ist der Antrieb, aus welchem allc hervorragenden Menschen ge-handelt und gelebt haben. DaG man am Ende dennoch ster-ben muG, dies hingegen, mein jungcr Freund, habe ich mit zweiundachtzig Jahren ebenso biindig bewiesen, wie wenn ich ais Schulknabe gestorben ware. Wenn es zu meiner Rechtfertigung dienen kann, móchte ich dies noch sagen: in meiner Natur ist viel Kindliches gewesen, viel Neugierde und Spieltrieb, viel Lust zum Zeitvergeuden. Nun, und da' habe ich eben etwas lange gebraucht, bis ich einsah, es miisse des Spielens einmal genug sein."

Wahrend er dies sagte, lachelte er ganz durchtrieben, gera-dezu schlingelhaft. Seine Gestalt war gróGer geworden, die steife Haltung und die krampfhafte Wiirde im Gesicht wa-ren verschwunden. Und die Luft um uns her war jetzt voll von lauter Melodien, lauter Goetheliedern, ich hórte Mo-zarts „Veilchen“ und Schuberts „Fiillest wieder Busch und Tal" deutlich heraus. Und Goethes Gesicht war jetzt rosig und jung und lachte und glich bald dem Mozart, bald dem Schubert wie ein Brud^r, und der Stern auf seiner Brust be-stand aus lauter Wiesenblumeń, eine gelbe Primel bliihte froh und feist aus seiner Mitte hervor.

Es paGte mir nicht ganz, daG der alte Mann sich meinen Fragen und Anklagen auf eine so scherzhafte Art entziehen

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