Unter Wams (frz. pourpoint) versteht man in der 2. Hiilfle des 14. Jahrhunderts ein enges, hiiftlan-ges, meist gepolstertes und abgestepptes IJnterge-wand mit enganliegenden, bisweilen angeneslelten Armeln, welches unter der Oberbekleidung -Scheckdjuąue oder TappcrtJ houppelande - bzw. der Riistung getragen wird. Der kurze spatgotische Mannerrock, im Deutschen allgemein ais Schecke (von frz. le/la jaque) bezeichnet, war ebenfalls korperbetont und kurz, hattc aber nicht in jedcm Fali enganliegende, sondern wahlweise auch weite Armel, die man anhand der Abbildungen in Trich-ter-, Keulen-, Beutel- oder Sackarmel unterteilen kann. Trotz der von einer gewolbten, mittels Wat-tierung auf das modischc IdealmaB gebrachten Brust und einer eingeschniirten Taille bestimmten Silhouette, waren auch die Rumpfteile dieser kurzeń Mannerrocke oder Schecken und auch die der darunter getragenen Wamser nicht von einheitli-chem Schnitt. Neben den Schecken bzw. Wamsem d ąuatre ąuartiers (= aus vier Vierteln), die euro-paweit vorherrschend waren, gab es ais franzosi-sche Besonderheit auch solche d grandes assiettes, was frei Ubersetzt sovicl wie „mit groBem Armel-ansatz“ bedeutet. Das heiBt, daB bei diesem Schnitt der Armel nicht mehr an der Schulter an-setzt, sondern bis weit in die Brust bzw. den Riicken hineinreichte, so daB vom Rumpf- und Riickenteil des Rockes nur jeweils ein schmaler Steg iibrigblieb.
Die Schnittform a grandes assiettes, die crst-mals urn 1360 auftritt, hielt sich bei Wamsem und Schecken bis ins 15. Jahrhundert hinein und wur-de nicht nur bei kurzeń Kleidungsstiicken, sondern Yoriibergehend - wie zeitgenossische Abbildungen beweisen - auch bei der Fertigung von wadenlan-gen Gewandern mit weiten Trichterarmeln ver-wendet (Tafel A, Fig. I und 3). Da das abgebildete Gewand im Bereich des Oberkorpers eng anliegt, konnte es sich hierbei um den oft zitierten mannli-chcn corset handeln, ii ber dessen exaktes Ausse-hen in der kostiimkundlichen Literatur die unter-schiedlichsten Auffassungen kursieren. Schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts erscheint der waden-langc taillierte Gewandtyp nicht mehr auf Abbildungen, wahrend gleichzeitig auch der Begriff des mannlichen corset (im Gcgcnsatz zum weiblichen) wieder aus dem modischen Vokabular verschwin-det; beides Indizien dafiir, daB zu diesem Zeit-punkt auch das entsprechende Kleidungsstiick aus der Modę gekommen ist.
Hingegen wird die Schecke mil gleichartigem Armelansatz bis in die 3()er Jahre des 15. Jahrhunderts getragen. Ein Exemplar eines/r jaque18 a grandes assiettes ist im sogenannten „Steppwams des Grafen von Blois“ glucklicherwcise erhalten geblieben und wurde bereits im letzten Band mit Foto und Schnittmuster vorgestellt. Der pourpoint oder besser jaque (i grandes assiettes des Grafen von Blois weist noch eine w'eitere schnittechni-sche Neuerung auf, die auf den ersten Blick zweitrangig erseheinen mag, aber fiir die weitere Entwicklung der abendlandischen Mannertracht von groBcr Bcdcutung ist. Bei dieser Neuerung handelt es sich um die konstruktionsbedingte hori-zontale Zwcitcilung des Wamsruckens (Tafel A, Fig. 4 und 5). DaB diese Zweiteilung tatsachlich durch die Konstruktion bedingt ist und es sich da-bei nicht einfach um das Aneinandernahen von zwei Stoffstiicken aus Griinden optimaler Ma-
Schecke, 8-teilig, Europa um 1400
28