Obraz7 (12)

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Marmortisch, Geschrci und Gekreische ubcrall, nebenan die Tanzmusik. Ich solle schlafen, hattc sie gcsagt. Ach, gu-tes Kind, du hast eine Ahnung von meinem Schlaf, der scheuer ist ais ein Wiesel! In diesem Jahrmarkt schlafen, am Tisch sitzend, zwischcn den klappemdcn Bierkriigen! Ich nippte am Wein, zog cine Zigarre aus der Tasche, sah mich nach Streichholzcrn um,.aber eigentlich war mir nichts am Rauchen gelcgen, ich legte die Zigarre vor mir auf den Tisch. „Mach die Augen zu“, hatte sie zu mir gcsagt. WeiG { Gott, woher das Madchen diese Stimme hatte, diese etwas tiefe, gute Stimme, eine mutterliche Stimme. Es war gut, dieser Stimme zu gehorchen, ich hatte es erfahren. Gehor- i sam machte ich die Augen zu, lehnte den Kopf an die Wand, hdrte hundert hcftige Gerausche mich umtosen, la- j chelte uber die Idee, an diesem On zu schlafen, beschloG, j an die Saaltur zu gehen und cinen Blick in den Tanzsaal zu j erhaschen - ich muGte doch mein schónes Madchen tanzen sehcn -, bewegte untcrm Stuhl die Fiifie, fiihlte erst jetzt, | wie unendlich miide ich vom stundenlangen Umherirrcn war, und blieb sitzen. Und da schlief ich schon, dcm min- •' terlichen Befehl getreu, schlief gierig und dankhar und traumte, traumte klarer und hiibscher. ais ich seit langem gctraumt hatte. Mir traumte:

Ich saG und wartete in einem altmodischen Vorzimmer. i Zuerst wufite ich nur, daG ich bei einer Exzellcnz angemel-det sei, dann fiel mir ein, daG es ja Herr von Goethe sei, von dem ich empfangen werden sollte. Leider war ich nicht ganz ais Privatmann hier, sondern ais Korrespondent einer Zeitschrift, das stórte mich sehr, und ich konnte nicht be-greifen, welćher Teufel mich in diese Situation hineingerit-tcn habe. AuGcrdem beunruhigte mich ein Skorpion, der soeben noch siehtbar gewcsen war und an meinem Bein hochzuklettern versucht hatte. Ich hatte mich zwar gegen , das klcine schwarze Kriechtier gewehrt und geschiittelt, wuGte aber nicht, wo es jetzt stecke, und wagte nirgends ■ hinzugreifen.

Auch war ich nicht ganz sichcr, ob man mich nicht aus Ver-sehen, statt bei Goethe, bci Matthisson angemeldet habe, den ich aber im Traum mit Burger verwechselte, denn ich schricb ihm die Gedichte an Molly zu. Ubrigens ware mir ein Zusammentreffen mit Molly hóchst erwiinscht gewesen.

ich dachte sie mir wundervoll, weich, musikalisch, abend-lich. Ware ich nur nicht im Auftrag jener yerwiinschten Redaktion dagesessen! Mein Unmut hieriiber stieg mehr und mehr und iibertrug sich allmahlich auch auf Goethe, gegen den ich nun mit einemmal alle móglichen Bedenken und Vorwiirfe hatte. Das konnte eine schóne Audienz ge-hen! Der Skorpion aber, wenn auch gefahrlich und viel-leicht in meiner nachsten Nahe yersteckt, war doch viel-leicht nicht so schiimm; er konnte, so schien mir, vielleicht auch Freundliches bcdeuten, es schien mir sehr móglich, daG er irgend etwas mit Molly zu tun habe, eine An Bote von ihr sei oder ihr Wappentier, ein schónes, gefahrliches Wappentier der Weiblichkeit und der Stinde. Konnte das Tier nicht vielleicht Vulpius heifien? Aber da riG ein Diener die Tur auf, ich erhob mich und ging hinein.

Da stand der alte Goethe, klein und sehr steif, und richtig hatte er einen dicken Ordensstern auf seiner Klassikerbrust. Immer noch schien er zu regieren, immer noch Audienzen zu empfangen, immer noch die Welt von seinem Weimarer Museum aus zu kontrollieren. Denn kaum hatte er mich er-blickt, so nickte er ruckend mit dem Kopf wie ein alter Rabę und sprach feierlich: „Nun, ihr jungen Leute, ihr seid ja wohl mit uns und unseren Bemiihungen recht wenig ein-verstanden?“

„Ganz richtig", sagte ich, von seinem Ministerblick durch-kaltet. „Wir jungen Leute sind in der Tat nicht mit Ihnen einverstanden, alter Herr. Sie sind uns zu feierlich, Exzel-lenz, und zu eitel und wichtigtuerisch und zu wenig auf-richtig. Dies diirfte das Wesentliche sein: zu wenig aufrich-hg“

Der kleine alte Mann bewegte den strengen Kopf etwas nach vorn, und indem sein harter, amtlich gefaiteter Mund sich in einem kleinen Lacheln entspannte und entzuckend lebendig wurde, schlug mir plotzlich das Herz, denn, es fiel mir auf einmal das Gedicht ein „Dammrung senkte sich von oben" und daG dieser Mann und dieser Mund es sei, aus dem die Worte jenes Gedichtes gekommen waren. Ei-gentlich war ich in diesem Augenblick schon yollkommen entwaffnet und ubermannt und ware am liebsten vor ihn hingekniet. Aber ich hielt ‘mich stramm und hórte aus seinem lachelnden Munde die Worte: „Ei, also der Unaufrich-

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