lichen »studia divina«, den »góttlichen Wissenschaften«, stellte man die »st |i mana«, die »weltlichen Wissenschaften«, cntgegen. Auf fast allen Gebietcn der N wissenschaften wurden grundlegende Entdeckungen und Erfindungen gemacht. Ober^h' praktisch=technische Anwendbarkeit hinaus bildeten diese gleichzeitig die Vorausseuu^ gen fiir jene epochemachenden Erkenntnisse, die das gesamte Weltbild veranderten Durch die groGen geographischen Entdeckungen wurde die Welt des Renaissance»Men, schen und damit sein Betiitigungsfeld um ein Vielfadi.es erweitert; durch die astrono, mischen Entdeckungen und Erkenntnisse wurde sein Weltbild von Grund auf erneuert Mit den humanistischen Wissenschaften entstand zugleich die biirgerliche humanistisclic Weltanschauung, in dereń Mittelpunkt ebenfalls nicht mehr Gott, sondern der Mensdi stand — ein Mensch, dessen Adel »nicht in dessen Herkunft, sondern in den eigenen Ver= diensten liegt«, wie der italienische Humanist Poggio Bracciolino (1380—1459) in seinem Traktat »De nobilitate« es entsprechend den neuen Vorstellungen seiner Zeit zum Aus= druck brachte.
Wahrend dem Menschen in der Feudalgesellschaft die Arbeit ais Pluch galt, wurde in der friihburgerlichen Gesellschaft der »tatige Mensch«, das heifit der Reichtum und Ver= mógen schaffende Burger, aber auch der Kiinstler und Wissenschaftler, zum Ideał der Zeit. Mit dem Vertrauen in die eigene Kraft entwickelten sich zugleich das Selbstbewufit* sein und das Gefiihl fur die Wurde der menschlichen Personlichkeit, dereń allseitige Aus= bildung zum hóchsten Anliegen des Renaissance=Menschen wurde und die in den grofien Kiinstlerpersónlichkeiten dieser Epoche ihre reinste Verkórperung fand; der Individua= lismus konnte sich aber auch zu einem riicksichtslosen, brutalen Egoismus steigern, der zur Erreichung eines Zieles jedes Mittel, sogar Mord rechtfertigte und die herrsebenden Gesetze nur fiir die Menge gelten lieS.
Der Mensch stand nunmehr auch im Mittelpunkt des kiinstlerischen Schaffens. Daj lnteresse fur die menschliche Personlichkeit fiihrte zum Entstehen der Portratmalerei; die Kiinstler begannen die Natur jetzt ebenso genau wie die Wissenschaftler zu beobachten und darzustellen; das Studium der Anatomie des menschlichen Kórpers, das Studium der Natur waren die Grundlagen eines neuen Realismus in der Kunst, die nunmehr die Welt in ihrer ganzen Yielfalt und Schónheit schilderte. Gleichzeitig óffneten sich dem Kiinstler die Augen fiir die antike Kultur, dereń auf italienischem Boden erhaltene Oberreste eben= so wie in Vergessenheit geratene Handschriften gleichsam neu entdeckt, geborgen und gcsammelt wurden. Auch das antike Kleidungsideal erlebte — obgleich unter vóllig anderen gesellschaftlichen Bedingungen und kostiimlichen Voraussetzungen — seine »Renaissance«.
Ais Wissenschaft und Kunst die Natur und den Menschen in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellten, nahm auch der zweite Kórper des Menschen, sein Kleid, wieder vn\enschhches MaG«, das heifit menschliche Proportionen, und damit den biirgerlidien Lebensformen und den Bediirfnissen des »tatigen Menschen« angepafite Formen an. Zwangslaufig verschwanden mit dieser Entwicklung die enge Taille, die langen Schlep= pen. die uberhóhenden Kopfbedeckungen und jene anderen Formen des »sichtbaren MiiBigganges*, die nach dem Vorbild der burgundischen Modę auch in ltalien mehr oder minder die Kleidung der Vornehmen gepragt hatten. Nicht zuletzt begannen mit dem aus der Masse der Stadtbevolkerung aufsteigenden Biirgertum auch dessen Tradttc