102 SCHEIBEN FIBELN.
Dazu kommt aber eine Menge von Fibeln, bei denen die gegos-sene Scheibe in rcicher Musterung durchbrochen oder in Nachahmung verschiedener Gegenstande (z. B. Axte) geformt ist; auch diese haben eine Spirale und die zweigliederige Armbrustkonstruktion, aber der Nadelhalter ist bei ihnen (wohl immer) ąuergestellt wie bei Fig, 231 und 248. (Hierher gehoren z. B. die bei Likdenschmit, Centralmu-seum, Taf. XVI, 30—32, 35, 36, 38, 39 abgcbildeten; sie zeigen schr oft einen Uberzug von Weissmetall).
Die jetzt behandelten proyinzialromischen Fibeln kominen beson-ders in den Limes-Castellen zahlreich vor und diirften mit den Formen S. 451 dem Anfang des zweiten Jahrhunderts zugeteilt; und Schuermans, Bulletin des comm. belges IV, S. 404 ff., setzt iiberhaupt alle belgischen Tumuli der betreffenden Art in das zweite nachehristliche Jahrhundert (die Miin-zen gehen in diesen Grabem bis Marc Aurel, s. de Loe a. a. O, S. 451, Notę 4). Dies stimmt nun sehr wenig damit iiberein, dass die vor!iegende Fibelform in dem germanischen Gebiete, wohin sie eigentlich gehort, sicher erst im diit-ten Jahrhundert (oder friihestens um ‘200) auftiitt. Doch ist zu merken, dass nicht alle belgischen Forscher iiber die Eeitstellung der sehr ratselhaften Tumuli einig sind; so setzt sie Kempeneers, Bulletin de llnstitut archćolo-gique liegeois XIII, S. 171 ff. wenigstens grdsstenteils ins 3—4 Jahrhundert und sieht sie ais germaniach an. Hierbei verdient erwahnt zu werden, dass unter den in diesen Grabem vorkommenden Bron/.egefassen und Glasern neben alteren Formen auch solchc verlreten sind, die sich in den danischen Grabem des dritten Jahrhunderts finden, so die Bronzeschussel Muller Fig, 319, (s. Bulletin des comm. belges III, Taf. III bei S. 294, Fig. 3; das Odginał im Mus. zu Briissel), so auch Glaser mit der charakteristischen Verzierung durch farbige Faden in yerworreuen Pflanzenmustern wie bei MPller Fig. 328; der. artige Glaser fanden sich in Tumulis z. B. bei Cortil-Noirmout (Mus. Briissel;, bei Hanrct (Mus. Namur; in demselben Grabę fand man einen tonernen Be-cher etwa von der Form Koenen, Gefasskunde, Taf. XVIII, IG, die dieser Verfasser der spatesten Kaiserzeit zuschreibt). und auch bei Tirlemont, wo die besprochene Fibel gefunden wurdc, waren in dnem anderen Grabę (Nr 3 bei de Loe, s. a. a. O. S. 442) Glasscherben mit sołcher Verzierung vorhanden, die ich in der Sammlung der Britsseler archaologischen Gesellscbaft gesehen habe. Die Gliiser mit dieser Verzierung setzt Kisa, Antikes Kunsibandwerk amRhein, S- 12 (Sonderabdruck aus dem Kunstgewerbeblatt, N. F. VII, Heft 8 u. 9, Leip zig) in das driitc nachehristliche Jahrhundert. In den beiden Grabem vod Tirlemont (Nr 1 und 3; s. a. a. O. S. 429 und 442 sowie Taf. XXIII, 16,17) tandeu sich auch sehwarze und weisse gldserne Spielsteine ganz wie die in den genami-len danischen Grabern vorkommenden; und bei Cortil-Noirmont waren auch solclie aus Mosaikglas dabei, genau wie Muller Fig.281 (Mus. Briissel). Vgl. auch Bulletin des comm. belges II, Taf. III, 20.
Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass sehr barocke Weiterentwicklungen der Form Fig. 224 in Nordfrankreich gefunden sind, in dem Graberfeld von Vermand, Dep. Aisne; s. Eck, Les deux cimetiferes gallo-romains de Yer-mand et de Saint-Quentin (Paris-SaintQuentin 1891), Taf. XX, Fig. 1 a, i bis a (vgl. S. 231); die Miinzen dieses Graberfeldes gehoren der zweiten Halfte des dritten und dem vierten Jahrhundert an (s. ibid. S. 251).
Fig. 187—189 gleichzeitig sein, also etwa der ersten Hfilfte des dritten Jahrhunderts angehoren. In Nordeuropa sind von diesen Formen cinige wenige emaillierte Exemplare gefunden 1). Von den zulelzt be-sprochenen Formen kenne ich aus diesem Gebiete nur ein einziges - Exemplar, die im Pyrmonter Fundę vorliegende Reiterfibel (s. Ber-liner Ausstellu.ngs-AIbum Sect. V, Taf. 17, Bonner Jahrbiicher XXXVIII, Taf. I, o), die mit einer im GrossherzogLhum Ilessen ge-fuńdenen, bei Lindenschmit, Centralmuseum, Taf. XVI, 30 abge-bildeten fast identisch ist.
Es diirfte wohl unzweifelhaft sein, dass diese zweite Hauptgruppe der Scheibenfibeln ihre.Federkonstruktion von der Gruppe VI entlehnt hal; wie aber in der letzteren aus den Fibeln m, u. F. einerseits nordeuropaische (Fig, 174—177 u s. w.) andererseits provinzialromi-sche (Fig. 187—189) Fibelserien sich entwickelten, die zeitlich paral-lel fortliefen, aber sich nur ausserst selten lokal mischlen, so ist uns jetzt auch bei diesen Scheibenfibeln ein ganz analoges Verhaltniss . entgegengetreten. Vielleicht wird somit eine eingehendere Untersuchung der Scheibenfibeln die hier nur ganz lose hingestellte Vermutung be-statigen, dass die zweite Hauptserie dieser Fibeln, mit Spirale in z wen gliederiger Armbrustkonstruktion, urspriinglich bei den im NordosLen des Romerreiches angesiedelten Germanen entstanden ist, indem diese die alteren echt romisehen Scheibenfibeln wie Fig. 222 u. ahni nach-ahmten und dabei die ihnen gelaufige Federkonstruktion benulzten. Dann verbreitete sich diese Fibelart einerseits nach dem Elbgebiete (iiber Bohmen, wo sie schon mehrfach gefunden ist). In diesem Gebiete bekam der Nadelhalter die bei den dort gewohnlichcn Fibeln der Gruppe VII vorkommende hohe Form, und fur die Ausschmuckung wurde der Belag mit gestanztem yergoldeten Blech bevorzugt, eine Technik, die ja iiberhaupt zu jenen Zeiten sowohl bei den siidrussi-schen Germanen ais in Nordeuropa ungemein viel in Anwendung war (hieriiber weiter in der Zusammenfassung). Andererseits burgerte sich diese Fibelgruppe auch in den romischen Provinzen ein und trat in sehr verschiedenartigen Formen auf; hier dringt die Technik mit den gestauzten Blechen nur wenig durch (wird aber dann und wann im Guss und durch Gravierung imitiert); um so mehr ist die in diesen Gegenden schon seit Ianger Zeit. heimische Emailtechnik bei der Aus'
’) Rundę Fibeln mit Schachbretlemail Fanden sich bei Ltichow in Hanno-ver (Mark. Mus., Berlin) und bei Potzlow, Kr, Templin, Brandenburg (Mus. f. YSlkerk., Berlin, II 5235ł). Zwei anders geformte emaillierte Scheibenfibeln mit Spirale sind mir bekannt aus dem Neustadter Feld bei Elbing (Mus. Elbing) und aus St. Bukkegaard auf Bornholm, s. Yedel Fig. 303 (und die Farbendrucfctafel Fig. 6); vgl. hier Beilage II, 221,