Dcm Katalog der keltischen Pragungen sind dic Miinzen der griechi&chen Kolonie Massalia (= heute Marseille) vorangestellt, einer von den Phoinikem a uf ihrem Handelsweg nach dem zinnreichen Irland zwischen 600 und 540 v. Chr. gegriindeten Stadt, die li ber jahrhunderte hinweg keinerlei Expansionsbe-strebungen zeigte. Sie war vor allem fur die galli-schen Kelten einer der wichtigsten Handelspartner. Ihre Geschichte verbindet sich rasch und eng mit derjenigen der Romischen Republik: In der Zeit nach dem Zweiten Punischen Krieg, bei dem die Stadt a uf Seiten Roms gestanden war, legte sie ihren militarischen Schulz ganz in des sen Hande. Nach der Errichtung der Provinz Gallia Narbonensis (121 v. Chr.) blieb Massalia bis zu seiner Belagerung und Einnahme im Burgerkrieg durch Caesar im Jahre 49 v. Chr. selbstandig.
Moglicherweise gehóren die - nach einem im Jahre 1867 in der nahegelegenen Ortschaft Auriol entdeckten Hort so benannten - winzigen Silber-miinzen des Auriolłyps (1-30) zu den fruhesten Eigenpragungen dieser Stadt. Sie sind jedenfalls zwischen 525 und 420 v. Chr. entstanden und unbe-kannten, vielleicht phoinikischen Ursprungs. Ganz sicher eigenstandige massaliotische Produkte sind die aus dem 5.-4. Jahrhundert v. Chr. stammenden Obole mit einem Jiinglingskopf auf der Vorder- und einem Rad auf der Riickseite, in dereń Feldem die beiden Anfangsbuchstaben der Stadt, also „MA", zu lesen sind (31-36); das gilt auch fur die gleichzeiti-gen Diobole mit Athenakopf und Adler (37).
Von besonderer Wichtigkeit - vor allem fur gewisse norditalische Keltenstamme - ist die erste, sogenannte „schwere" Drachmenserie, die um 370/360 anzusetzen ist; sie zeigt auf der Vorderseite einen Artemiskopf, der auf Pragungen des syraku-sanischen Stempelschneiders Euainetos zuriick-greift; die Riickseite bringt zur Aufschrift „MAZZA" einen Lowen, der aus dem lukanischen Velia iiber-nommen wurde (38, 39; Abb. 2). Die „schwere" Drachmę wurde nur kurze Zeit ausgepragt und lebte erst rund hundert\'ierzig Jahre spater, also um 220 v. Chr., in der sogenannten „leichten" Drachmenserie wieder auf, die zwar ein um rund ein Gramm verringertes Gewicht (2,70 g) aufweist, aber sonst mit ihrer Vorgangerin beinahe bildident ist. Dieser Typ war langlebig und wurde - unter Verwendung verschiedenster Beizeichcn und Kon-trollmarken - bis in die Mitte des 1. Jahrhun-derts v. Chr. ausgepragt (48-98).
Abwechslungsreicher ist die massaliotische Bronzemiinzung, die bereits im spSten 3. Jahrhundert v. Chr. einsetzte (40-47); die jungeren Serien (2./1. Jahrhundert v. Chr.; 99-103) zeigen mit Apol-lokopf und Stier ahnliche Bilder wie die alten. Die Kleinbronzen: Apollokopf/Delphin um Dreizack gewunden (104 f.) und Athenakopf/geflugelter Caduceus (106 f.) sowie Merkurkopf/Ldwe (108) scheinen schon unter rómischer Kon trolle ausgege-ben worden zu sein.
Diese insgesamt ais griechisch-phoinikisch anzu-sprechende Ausmunzung Massalias ist also nicht ais keltisch anzusehen, wurde aber, so wie die Handels-stadt selbst, wohl wegen der weitreichenden Bezie-hungen und Einfliisse in einigen Gebieten zum Vor-bild fur die M&nzung der keltischen Vdlker. So (ibemahmen etwa die in den norditalischen Alpentalem beheimateten Keltenstamme die schwe-ren massaliotischen Drach men, wobei die relativ guten Imitationen heute den Salluvii zugewiesen werden und vermutlich noch ins ausgehende 4. Jahrhundert v. Chr. zu datieren sind (109-114). Wie schon eingangs angedeutet, setzte auch hier die Umwandlung ins Keltische zugleich mit dem Ver-fall der Schrift ein, aber auch die Bilder anderten sich, vor allem die des Reverses. So bekam der Kopf des Lowen durch Ausbesserungen verbrauchter Stempel immer mehr das Aussehen ein es Skorpions (115-126); daher faBt man diese Gruppe, die den Insubrem zugeordnet wird, unter dem Begriff Skór-piontyp zusammen. Der Wolfstyp (127-133; Abb. 3) (der Kopf gleicht also dem eines Wolfes) scheint von den Salluvii, der Katzmtyp (134) von den Cenomani hergestellt worden zu sein. Die Zeit der Pragung konnte bei diesen weit entwickelten Typen das spite 3. bzw. das 2. Jahrhundert v. Chr. gewesen sein. Sicherlich in das ausgehende 2. Jahrhundert v. Chr. kann man die Massalia-Imitationen mit ein-heimischen Legenden in nordetruskischer Schrift daderen, die etwa Namen wie „RIKOI" (135-142) oder „PIRAKOS" (143-148) nennen.