Buechner Georg Woyzeck Interpretation

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Reclam

Theo Elm
Georg Büchner: Woyzeck



© 1997, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.

Georg Büchner: Woyzeck
Zum Erlebnishorizont der Vormärzzeit

Von Theo Elm

In seinem Kommentar zu Dantons Tod nennt Büchner den »dramatischen Dichter«
»nichts als einen Geschichtsschreiber«

1

. Gilt dies auch für den Woyzeck (1836/37) und

die Zeitgeschichte? Enthält doch Büchners Vormärz-Stück kaum etwas von dem, was
die historische Forschung mit der Epoche verbindet. Politikgeschichtlich erscheint sie als
krisenhafter Übergang von feudaler Willkür zur bürgerlichen Verfassung (Karlsbader
Beschlüsse, Hambacher Fest) und von der Kleinstaaterei zur Wirtschaftsunion dank
Zollverein und Eisenbahn.

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Gesellschaftsgeschichtlich gesehen entfaltet sie neue soziale

»Strukturen«

3

durch die Aufhebung der Zünfte, durch Landflucht und Pauperismus,

durch den Wandel der Stände- zur Klassengesellschaft und die »Entchristianisierung«
des Lebens.

4

Kulturgeschichtlich wird in ihr vielfach anekdotisch verdichtet

»schlechterdings alles: sämtliche menschliche Lebensäußerungen« der Zeit

5

– die

Homöopathie und Rossini, Saint-Simon und der Byronismus, Hegel und die Erfindung
der Schnellpresse, das Manchestertum und die soziale Frage, das Energiegesetz und
der Morsetaster – und all dies, so Friedell, sei bezogen auf die »platonische Idee« des
Vormärz, das Regiment des »Zeitgeists« als Indiz eines epochalen »Journalismus«.

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Georg Büchner: Woyzeck



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Figuren: »das eigentümliche Wesen jedes«

Erfährt man bei Büchner auch so gut wie nichts von dieser Art der Vormärz-Geschichte,
gleich ob politisch-ereignishaft, sozial strukturiert oder kulturell-erlebnishaft kodiert,
stets aber aus begrifflicher und zeitlicher Distanz, überindividualisiert, sinnhaft
begründet und epochal abgeschlossen, so ist sein Vormärz-Drama doch in einem
anderen Sinn zeitgeschichtlich aktuell wie sonst keines der Epoche. Es offeriert nicht die
gültige Erklärung, sondern entwirft einen möglichen Erlebnishorizont der Vormärzzeit:
Den Gesichtskreis des Stücks bildet nicht erkenntnistheoretische Gewissheit, sondern
der Zweifel am Subjekt, nicht systematische Begrifflichkeit, sondern deutungsoffene
Anschauung, nicht der Blick aufs epochal Ganze, sondern der Sinn für alles zufällig
Einzelne, nicht das zweckhafte Urteil, sondern die Immanenz des Lebens, das sich
selbst genügt. Für diese Art der Geschichte stehen Büchners Figuren. Verwirklicht ist
sie vor allem in der Titelfigur, dem armen umgetriebenen Woyzeck, einem kleinen
Füsilier und Stadtsoldaten, der auf das Zubrot im Dienst des Doktors angewiesen, in
seiner unterentlohnten Überbeschäftigung (»alles Arbeit unter der Sonn [. . .]. Wir
arme Leut«; 239

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), seiner unverschuldet hoffnungslosen, aller Fürsorge ledigen,

isolierten und sich passiv der gesellschaftlichen Hierarchie fügenden Lage den
sozialhistorisch tradierten Begriff des Paupers zu bestätigen scheint.

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War doch gerade

Südhessen, Dialektheimat der Figuren, nach Wehler ein Zentrum des Pauperismus,
jener von moralischer Diskriminierung und tiefem Pessimismus begleiteten
massenhaften Verarmung in der ersten Jahrhunderthälfte – entstanden aus dem
»strukturellen Mißverhältnis« zwischen Überbevölkerung und Arbeitsplatzmangel im
Vorfeld der Industrialisierung.

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Entgegen solch historischer Klassifizierung erweist sich

freilich Büchners 30-jähriger Held Franz Woyzeck nicht als Teil seiner sozialen Gruppe,
sondern auch im Verein mit den anderen Armen des Stücks – Andres, Marie und den

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Handwerksburschen – als Einzelner unter Einzelnen, gepeinigt von einem eigenen
Schicksal, von Halluzinationen, Eifersucht und den Quälereien des Doktors und des
Hauptmanns. Was überindividuell sozial, durch die Hierarchie von gesellschaftlicher
Macht und Unterlegenheit konnotiert ist,

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wird von Büchner gleichwohl nicht

schichtenspezifisch als »kollektives Schicksal« dargestellt, als Los einer
»Unterschicht«.

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In der Szene »Freies Feld. Die Stadt in der Ferne« (235) führt die

Vertrautheit zwischen den beiden Machtlosen, Andres und Woyzeck, fern von Stadt und
Kaserne, weder sie selbst noch das Publikum zur Erkenntnis ihrer Sozialgemeinschaft:
vor Woyzecks Wahnvorstellungen flüchtet Andres in ein Kinderlied und in die Obhut der
Kaserne, wo es beim »Trommeln« (235) sogar Vertrautheit nicht mehr geben kann. In
der Szene »Kammer« weiß Marie um ihre Armut (»Ich bin nur ein arm Weibsbild«;
239), aber indem sie ihr Wissen in der Hingabe an den Tambourmajor kompensiert, an
seine prachtvolle Uniform, seine Körperkraft und seine Geschenke, führt sie die Armut
nicht hin, sondern gerade weg von Ihresgleichem, dem deklassierten Woyzeck (»ich bin
ein armer Teufel«; 245), und entfremdet beide einander, anstatt sie als Kollektiv zu
markieren – er durchschaut ihre Lüge über die Herkunft des Liebeslohns, der Ohrringe,
und sie verzweifelt an sich und am Sinn der Welt (»Ach! Was Welt. Geht doch alles zum
Teufel«; 239). Eben dies, der zweidimensionale, auch ins allmenschlich Schicksalshafte
changierende Gesellschaftsentwurf und nicht die Bebilderung eines soziologischen
Einheitsbegriffs, gilt mehr noch für die Handwerksburschen. Sozialhistorisch unter dem
Druck von Industrie, Zunft- und Gewerbefreiheit dem intellektuellen Protestpotential
der Pauper-Schicht zugerechnet,

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weist einer von ihnen mit seinen Gewaltsprüchen

(»Bruder, [. . .] ich will ihm alle Flöh am Leib tot schlage«; 247) gleichwohl jegliche
Schichtengemeinschaft zurück. In der Wirtshaus-Szene (247 f.) sind sie auch keine
Dialogpartner, sondern kommentieren separat in chorischer »Predigt« mit ihrem
Sinnlosigkeitsverdacht (»selbst das Geld geht in Verwesung über«; 247 f.) die

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metaphysische Dimension des sozialen Alleinseins der Figuren, sei es Woyzeck
angesichts von Maries treuloser Getriebenheit oder Marie, die im Tanz mit dem
Tambourmajor (»Immer zu – immer zu«; 242) eben jene Sinnleere zu vergessen sucht.
Die archetypische Mythe der Großmutter (»es war einmal ein arm Kind und hat kein
Vater und kei Mutter [. . .]«; 252) knüpft daran an und verschärft als nihilistische
Kontrafaktur des Sterntaler-Märchens soziale Einsamkeit zu transzendenter
Vereinsamung und beide zum Menschheitsgleichnis.
Weil darüber hinaus in Büchners Episodendramatik nicht nur Maries, sondern vor
allem Woyzecks Herkunft offen bleibt, fällt der Blick des Publikums gerade nicht auf
teleologische, auf sozialgeschichtliche Begründungs- und Strukturzusammenhänge,
sondern auf Woyzeck als Einzelnen um seiner selbst willen. An die Stelle der
Begründung für die Armut tritt die konkrete Erfahrung des Armseins: das »Kamisolche«
als einziger Kleidungsbesitz, die Heirat unerschwinglich, der an den Doktor verkaufte
Körper das einzige Kapital. Mag Woyzeck auch ein Pauper sein, so geht er gleichwohl
schon deshalb nicht im historischen Deutungsmuster des Pauperismus und seiner
Bedingungen auf, weil – darstellungstechnisch – nichts vom Autor über ihn ausgesagt
werden kann, sondern er sich selbst als dramatische Figur spielt, sich unmittelbar als
Denkender und Fühlender zeigt und ausspricht, als Subjekt in seiner »Ich-Originität«,
seiner »Existenz«,

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nicht als Ausdruck einer allgemeinen »Sozialstruktur«.

14

Die

szenische Entbindung von Woyzecks Ich ist Ausdruck der präsentischen Unmittelbarkeit
der Dramengattung überhaupt, während die Historie immer nur distanzierte
Vermittlung ex post ist und uns deshalb, so Büchner, entgegen dem »dramatischen
Dichter«, nicht »unmittelbar [. . .] in das Leben einer Zeit [. . .], wie sie sich wirklich
begeben«, versetzen kann.

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Aber eben darin, in der durch die dramatische

Unmittelbarkeit erwirkten Vorrangigkeit des einzelnen und seiner Erlebniswirklichkeit
gegenüber den historischen Zusammenhängen und zusammenfassenden Begriffen,

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liegt Büchners Ethos der Individualität und seine Abwehr alles übergeordnet
Prinzipiellen. Beides teilt er mit dem ihm geistesverwandten Jakob Michael Reinhold
Lenz, mit dessen Kritik des »Principiums«

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und dem von Lavaters Physiognomik

bestätigten Hang zur Karikatur als pointiertem Ausdruck der Wesenhaftigkeit des
einzelnen, entblößt von aller Idealität.

17

So spielen sich in Büchners Stück Figuren aus, die man, allen voran Woyzeck, mit der
Historie zwar als ›Pauper‹ bezeichnen kann, die aber zugleich dem sozialhistorischen
Pauschalbegriff widersprechen. Wenn die Geschichtswissenschaft sie vom Proletariat
der zweiten Jahrhunderthälfte absondert und ihnen im Widerspruch zum
einheitsschaffenden Begriff gleichwohl das »Gefühl einer Zusammengehörigkeit«
abspricht, »politisches Bewußtsein oder Klassengefühl« versagt,

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dann evoziert gerade

nicht sie, die Historie, sondern Büchners Drama diese Vereinzeltheit der Pauper, indem
es deren subjektiven Erlebnishorizont und nicht die strukturschaffende Distanz der
Historiker vertritt. Weil aber Woyzeck und Marie nicht im Begriff des Pauperismus
aufgehen, sondern als Einzelne in ihrer Vereinzelung erscheinen, sind sie
deutungsoffen, weisen auch über ihren historischen Ort hinaus und bilden, mit
Büchners Lenz, »Leben, Möglichkeit des Daseins« (144), oder, mit dem Autor, »die
Vielgestaltigkeit des Lebens«,

19

in der das Singulare mehr ist als nur es selbst: Es ist

einerseits R e t t u n g vor dem Prinzipiellen etwa einer historiographischen
Sozialstruktur, worin alles Einzelne untergeht, ist andererseits aber auch die empirisch
fassbare Seite einer metaphysischen Vereinsamung, die symptomatisch wird für die
Moderne des 20. Jahrhunderts – von Nietzsches »Gott ist tot«

20

bis zu Becketts Warten

auf Godot. In dieser Spanne, zwischen einerseits dem geretteten und andererseits dem
unrettbaren Ich, entfaltet sich Woyzecks eigene »Möglichkeit des Daseins«.

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Auch die Figur des Doktors alludiert und korrigiert zugleich historische Kategorien
und Erklärungsmuster. Mit seinen biochemischen Harnstoffversuchen auf Kosten von
Woyzecks Gesundheit verkörpert er ein postromantisches Wissenschaftsbewusstsein
mit Zukunftsperspektive,

21

den radikalen Empirismus, die spezialistische Atomisierung

der Natur, die Neigung zum Determinismus, die mechanische Deutung des Lebens, die
Objektivierung des Menschen zum Gegenstand der Wissenschaft – womit sich, so der
Historiker Schnabel, ab den 30er- und 40er-Jahren Chemie (Liebig), Physik (Helmholtz)
und Medizin (Schönlein) bar aller Sinnansprüche von der naturphilosophischen
Spekulation zur exakten Beweiswissenschaft wandeln.

22

Was diese für den

wissenschaftlichen Fortschritt in Technik, Industrie, Wirtschaft und Bildung bedeutet,
wurde von der Historie beschrieben,

23

nicht aber, was daraus existentiell für den

Einzelnen folgen mag und gerade für den Wissenschaftler – nämlich die Entfremdung
seiner selbst. Die aber exponiert unübertrefflich Büchners Stück – mit der ästhetischen
V e r fremdung des modernen Wissenschaftlers, mit seiner Entstellung zur Karikatur.
Wenn, nach Friedrich Georg Jünger, die Karikatur, als spezielle Form des Komischen,
aus dem Konflikt von allseits anerkannter Norm und willkürlicher Abweichung entsteht,
indem nebensächliche Details unangemessen den ganzen Menschen vertreten – der
Mensch als Nase

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–, dann ist Büchners Doktor der Paradefall der Karikatur. In der

Szene »Beim Doktor« wird sogleich deutlich, dass es hier gar nicht um den Doktor
geht, sondern um das wesentlich Doktorhafte an ihm, das als Normabweichung gegen
den ganzen Menschen antritt und die Oberhand zu gewinnen versucht. Willkürlich
nebensächliche Details wie der empirische Beobachtungsreflex (»ich stecke grade die
Nase zum Fenster hinaus [. . .], um das Niesen zu beobachten«) und die
wissenschaftliche Nomenklatur (»musculus constrictor vesicae«, »Harnstoff, 0,10,
salzsaures Ammonium, Hyperoxydol«; 242) vertreten unangemessen und
wiederkehrend die ganze Person des Doktors, eine Unverhältnismäßigkeit, die noch

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deutlicher wird, wenn man sich seinen Heilberuf vor Augen hält: Woyzeck ist ihm bloß
ein »Phänomen« (245) und eine »aberratio mentalis partialis, zweite Spezies« (243).
Selbst nur Wissenschaftler und als solcher nur beobachtendes Formelwesen, werden
ihm auch die Mitmenschen, ihres Menschseins entfremdet, zu bloßen »Kasus« (243) –
zu »interessanten Fällen« (244), zu »Gesichtsmuskeln starr, gespannt, zugleich
hüpfend« (245), zur »apoplexia cerebralis« (244).
Bei alldem haftet der Wissenschaftler-Karikatur des Doktors, die wie der Hauptmann
und der Tambourmajor als namenlose Bewusstseinsstaffage auftritt, ein Moment
ästhetischer Mehrdeutigkeit an. Der karikierte Mensch ist kein aus einem
Wesensmerkmal gewonnener T y p – der eingebildete Kranke, der Menschenfeind, der
Geizige –, sondern ein auf ein Wesensmerkmal reduziertes Individuum in all seiner
Komplexität. Mit dem Verlachen der disproportionierten Figur ist es hier, anders als
etwa bei Molières Typen, nicht getan. Denn Büchners Doktor ist nicht eindimensional
und plan wie Molières Geiziger, hinter dem nichts mehr zu erkennen ist: jeder
Wesenszug und noch das Unglück heißt Geiz. Dagegen geht Büchners Doktor-Karikatur
im medizinischen Forscherberuf nicht auf. Darauf weist schon die Herkunft der Figur, in
der sich wohl gleich drei Realbezüge überschneiden dürften: erstens Justus von Liebigs
Menschenversuch mit Erbsen als Fleischersatz, durchgeführt um 1834 an der
Universität Gießen im Auftrag des Hessischen Kriegsministeriums

25

– dem dortigen

Studenten Büchner vermutlich ebenso bekannt

26

wie zweitens die akademischen

Marotten des Gießener Anatomen und Physiologen Johann Bernhard Wilbrand, der
seinen eigenen Sohn vors Katheder holte, um an ihm, wie der Doktor am Woyzeck
(251), eine physiologische Spezialität vorzuführen, die menschliche Fähigkeit des
Ohrenwackelns,

27

und drittens die Menschenverachtung des Gerichtsgutachters Johann

Christian Clarus, der im historischen Mordfall Woyzeck den Delinquenten zynisch am
Prinzip der kantischen Willensfreiheit maß

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und zu leicht befand – so wie Büchners

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Doktor: »In dem Menschen«, belehrt er das Versuchstier Woyzeck, das den Harn nicht
halten kann, »verklärt sich die Individualität zur Freiheit« (242). Die historische
Mehrbezüglichkeit der Doktor-Karikatur deutet ihre Mehrdeutigkeit an. Mit ihr attackiert
Büchner in der Tat nicht allein die Medizin. Indem der Doktor als Ziel seines
Menschenversuchs nicht das Heil der Menschen oder der Gesellschaft, sondern die
wissenschaftliche Revolution als eitlen Selbstzweck nennt (»Hat Er schon seine Erbsen
gegessen, Woyzeck? – Es gibt eine Revolution in der Wissenschaft, ich sprenge sie in
die Luft«; 242), schlägt Büchner den Bogen zur Kritik des Fortschritts überhaupt, dem
die sinngebende Vernunft abhanden kam. Es ist zugleich ein Bogen von der
Doktorszene zur Budenszene, die zwischen Schein und Sein, zwischen außen und innen
changiert. Die Unvernunft des scheinbaren Fortschritts, inszeniert v o r der Bude
ironisch – mit Anspielung auf Rousseau? – der frankophone Budenausrufer in
gebrochenem Hessisch-Deutsch: »das astronomische Pferd und die kleine
Kanaillevogele [= Kanarienvögel], sind [. . .] Mitglied von alle gelehrte Sozietät [. . .].
Sehn Sie die Fortschritte der Zivilisation. Alles schreitet fort, ei Pferd, ei Aff, ei
Kanaillevogel. Der Aff ist schon ei Soldat [. . .], das commencement von
commencement.« (237) Das Fazit solch lächerlichen Fortschreitens erfolgt dialektisch
umschlägig im zweiten Teil der Szene, im I n n e r e n der Bude mit dem Pferd als
Professor, das sich – wie der gescholtene Woyzeck vor dem Doktor – »ungebührlich«
aufführt, aber eben darin, so der Ausrufer, noch unentfremdetes Sein, »unverdorbe
Natur« sei: »Mensch sei natürlich« (238).

29

Freilich ist die ahistorische Alternative

ebenso diskreditierend komisch gestaltet wie das Fortschrittsszenario vor der Bude –
sie hält Büchners Geschichtsbewusstsein nicht stand.

30

Die Figur des Hauptmanns wiederum, vielleicht angeregt durch Büchners militärische
Verwandtschaft,

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verweist entgegen der Büchner-Forschung kaum auf Attribute der

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Arístokratie,

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im süddeutschen Offizierskorps ohnehin unterrepräsentiert,

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und steht

auch wider Erwarten nicht im Kontext militärischer Handlungen.

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Die Äußerungen des

Hauptmanns bestätigen eher das Stichwort von der »Entchristianisierung« des Lebens
in Nipperdeys Deutscher Geschichte,

35

vom metaphysischen Sinnverlust in der

materialistischen Moderne, im Stück veranschaulicht am Katzenversuch des Professors:
die Katze als »organische Selbstaffirmation des Göttlichen« würde, aus dem Fenster
geworfen, an der Physik, am »centrum gravitationis« (250) scheitern. Des Professors
negativer Gottesbeweis korrespondiert komisch verfremdet jenseits des Stücks mit der
junghegelianischen Religionskritik der Zeit (David Friedrich Strauß, Ludwig
Feuerbach),

36

aber im Woyzeck selbst steht die empirische Beweiswissenschaft des

Professors und Doktors im Zusammenhang mit der metaphysischen Angst des
Hauptmanns (»Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denke«;
240). Denn beide, die rationalistischen Wissenschaftler und der sinnverzweifelnde
Hauptmann, gehören als die zwei Seiten eines zeitgeschichtlichen Diskurses
zusammen. Der ›Weltschmerz‹ des Biedermeiers, der nagende Schmerz des Nihilismus,
der auch Büchners Danton umfängt, begleitet als melancholischer Schatten das von der
prosperierenden Naturwissenschaft gleichzeitig propagierte materialistische
Menschenbild – popularisiert in Feuerbachs Diktum »Der Mensch ist, was er ißt« und in
Ludwig Büchners These, dass Liebe wie Hass, Edelmut wie Mord aus Stoffverbindungen
im Gehirn erfolgen.

37

Anders als Büchners Danton, der sich am Ende zum Nichts

bekennt, ja das Nichts als letzten paradoxen Halt ersehnt (»das Nichts ist der zu
gebärende Weltgott«; IV,5, 129), findet der Hauptmann des Woyzeck-Stücks scheinbar
einen Weg aus der Sinnlosigkeit des Daseins. Das nur Scheinhafte des Auswegs bildet
freilich im Gegensatz zu Danton den Unernst der Figur – und bestätigt zugleich seinen
Beruf und sozialen Stand. Repräsentiert er nicht den Offizier und nicht den Aristokrat,
so doch als Militär, zuständig für Disziplin und Gehorsam, den Ordnungshüter im

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Staatsdienst;

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gesellschaftsgeschichtlich ist er relevant genug, weil hinreichend

exemplarisch für die Erstarrung des deutschen Militärs in der langen Friedenszeit nach
1815

39

: Er ist apoplektisch (244), fett geworden im müßigen Garnisonsdienst, nicht

mehr jung, gleichwohl vom Rang her subaltern geblieben, Kriegsteilnehmer ohne
»Courage« (246) und vielleicht deshalb an der ›Majorsecke‹ gescheitert. Der Horror
vacui des repräsentativ Entchristianisierten (»Ewig das ist ewig, das ist ewig [. . .]; nun
ist es aber wieder nicht ewig [. . .], es schaudert mich, wenn ich denk, daß sich die
Welt in einem Tag herumdreht«; 240) und die Beschleunigungen der Zeit, die
verkörpert von Woyzecks Rastlosigkeit in dieses Nichts führen, kompensiert er im
»konservativen Denkstil« der »Restauration«.

40

Er orientiert sich an fremdbestimmten,

jedoch von ihm als Ordnungshüter amtlich vertretenen, nämlich behördlich
sanktionierten Normen, die als Institute bedrückender Diesseitsherrschaft und
entlastenden Jenseitsversprechens komplementär zusammengehören: an der staatlich
verordneten Moral, die er am Fehlen von Woyzecks Heiratsurkunde vermisst, und am
»Segen der Kirche«, den er Woyzeck mit den Worten des Garnisonspredigers empfiehlt
– »es ist nicht von mir«, fügt er hinzu (240).
Den Staat als Halt und das Christentum als Segen dazu lässt Büchner natürlich nicht
gelten. Dazu ist ihr Vertreter, der Hauptmann, nicht glaubwürdig genug in seiner
körperlich-seelischen Hinfälligkeit und lächerlich intellektuellen Hilflosigkeit, mit der
Büchner in der Szene »Der Hauptmann. Woyzeck« das Autonomieprinzip der
idealistischen Philosophie als Tautologie ad absurdum führt: »Moral, das ist wenn man
moralisch ist« (240). Die Sinnfrage, die sich mit der Figur des philosophierenden
Hauptmanns

41

ratlos verbindet, lässt Büchner stattdessen sogleich von der dritten

Stimme im Diskurs um Wissenschaft und Metaphysik beantworten – von Woyzecks
Stimme. Gegen die von Staat und Kirche vereinbarte Tugendkonvention, die der Pauper
als käuflichen Schein durchschaut (»Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr

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Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl«; 241) setzt Woyzeck auf die urchristliche
Caritas (»Der Herr sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen«; 240) und zugleich auf
die sexuelle Forderung der Natur (»Man hat auch sein Fleisch und Blut«; 240). Nun sind
gewiss die Standpunkte der Mitleidsethik und des Vitalismus, der Mitmenschlichkeit und
des Hedonismus im Namen der Natur die beiden zeitgeschichtlich geläufigen
Kompensationen des szientistisch begründeten Transzendenzverlusts, der sinnleeren
Materialisierung der Welt – und insofern nichts Neues, weder damals in Büchners Stück
noch heute in der Historiographie des Vormärz. Die Emanzipation des »Fleisches«
propagiert ja auch Karl Gutzkows Roman Wally, die Zweiflerin (Vorrede) – ebenso wie
der ›fromme‹ Atheist Ludwig Feuerbach das göttliche Prädikat der Liebe auf den
Menschen zurückführt, auf die private Zuwendung von Ich und Du.

42

Aber Büchner –

darin liegt die Erkenntnis seines Werks – schlägt aus den beiden kompensatorischen
Standpunkten der Zeit dramatisches Kapital, indem er sie zusammenführt und als
Konflikt ausstellt – die Prinzipien der Fürsorge und des Lebens, der quietistischen
Freundschaft und der rebellierenden Sinnlichkeit. Er exponiert den Konflikt, indem er
seine beiden Seiten jenseits zeitüblicher Weltanschaulichkeit, Pose oder ›Haltung‹,

43

sich selbst zeigen lässt, und zwar in der Figur Woyzecks. Gerade im schlichten Woyzeck
treffen ganz unverstellt und schroff Verantwortung und Eifersucht zusammen, das brav
Hausväterliche und der aufrührerische Affekt, der »gute Mensch« (241, 245), der seine
Löhnung nach Hause bringt, und der Getriebene, der Maries »Immer zu, immer zu«
(242) beim Tanz mit dem Tambourmajor in das »immer zu, stich tot, tot« (248) der
Mordtat überführt. Büchners Woyzeck ist nicht fähig zum schwächlichen Kompromiss.
Während die Moralität des Hauptmanns (»Ich sag mir immer, du bist ein tugendhafter
Mensch«; 241) zur unverbindlichen Phrase verkümmert (»ein guter Mensch hat keine
Courage nicht!«; 246) und Maries Getriebenheit (»ich bin doch ein schlecht Mensch«;
239) in Gewissensqual und konventioneller Bibellektüre (249 f.) aufgefangen wird, gibt

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es für Woyzeck keine Vermittlung und keinen Ausgleich. In der Sorge um die Familie
(»Da ist wieder Geld, Marie«; 239) quittiert er n i c h t den ruinösen
Experimentvertrag mit dem Doktor, und seine Eifersucht beruhigt er n i c h t – wie
Andres rät – mit »Schnaps und Pulver drin« (248). Zwischen der liebenden Zuwendung
und dem naturhaften ›Muss‹ (»Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt?«)

44

ist hier

nichts Drittes, auch nicht die nach Lösung suchende Reflexion. Selbst ganz am Schluss
stehen hart nebeneinander das fürsorgliche »Friert’s dich, Marie« und die Wut auf ihren
»heißen Hurenatem« (252 f.). Beide zusammen, Innigkeit und Aufruhr, bilden den
seelischen Schauplatz von Woyzecks tragischer Existenz zwischen Maries »Kammer«
und dem »Wäldche, am roten Kreuz« (255), zwischen häuslicher Idylle und der
verwunschenen Natur als dem Ort ungezügelter Gewalt: »Nimm das, und das! Kannst
du nicht sterbe? So! so! Ha sie zuckt noch, noch nicht noch nicht? Immer noch? (Stößt
zu.
)« (253) Tragisch ist Woyzecks Existenz, weil er, der zugleich Denkschwache und
Empfindungsstarke, als Einziger im Stück, ob er will oder nicht, zu dem Bruch stehen
muss, der sein Ich ausmacht. Der Bruch markiert, fokussiert im Erlebnishorizont eines
Einzelnen, die Disharmonie der Zeit, gespannt zwischen Weitlings Liebesethik und
Schopenhauers Mitleidslehre

45

einerseits und andererseits der bloßen

Naturbestimmtheit des Lebens, die in dem Augenblick, da Büchners Stück entsteht,
Charles Darwin auf seiner Weltumsegelung (1831–36) empirisch begründet (Die
Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl
, 1859). Aber das sind Abstrakta,
Begriffssysteme, Theorien. Büchner dagegen möchte mit den Worten seines Lenz »in
das eigentümliche Wesen jedes eindringen«, um so »die Gestalten aus sich
heraustreten [zu] lassen« (145). In solch konkreter Präsenz erscheint Woyzeck auf der
Bühne. In Woyzecks gleichsam authentischem Schicksal erweist sich das Dilemma von
Ich-Rettung und Ich-Verlust als die Strategie des Autors, der das Wesen des einzelnen
zeigt, aber in solcher Vereinzelung auch die Möglichkeit seiner Einsamkeit aufdeckt –

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die soziale Dissoziation und Weltverlorenheit des Paupers, die Ich-Entfremdung des
Wissenschaftlers, die metaphysische Leere des entchristianisierten Ordnungshüters.
Jedoch wird nur in Woyzeck, und das macht ihn zur Hauptfigur, beides vor dem
Publikum zum Szenario der Ausweglosigkeit verschärft – unlösbar bleibt für Woyzeck
der Zwiespalt zwischen bewusster Pflicht (»Muß zum Verles«) und der »Natur«, die
»einem kommt« (241, 242). Noch der Weg in den Wald ist ein Indiz seiner
Bewusstseinsspaltung: das Messer ist schon gekauft, die Gewalttat wird irgendwie
geschehen, und doch sorgt sich der Täter um die Füße seines Opfers (252).

Handlung: Der ›Fall‹ Woyzeck und die »Möglichkeit des Daseins«

Sind die Figuren des Dramas im Erlebnishorizont ihrer Zeit begründet, so ist es auch
die Handlung, in der sich ihr Tun und Lassen äußert. Wie zumeist bei Büchner ist sie
nicht frei erfunden, sondern ›gemacht‹ – als Kontrafaktur vorgegebener Texte. Die
wichtigsten Prätexte sind hier die beiden gerichtsmedizinischen Gutachten über »Die
Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck, nach Grundsätzen der
Staatsarzneikunde aktenmäßig erwiesen von Dr. Johann Christian August Clarus«.

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Der Titel der Untersuchung, veröffentlicht in Henkes Zeitschrift für Staatsarzneikunde
(1825/26), lässt die kasuistisch-akribische und fühllos-szientistische Art ahnen, in der
hier, mit Büchner, »das frische grüne Leben« untergeht.

47

Es ist das Leben des 41-

jährigen Barbiers Woyzeck, der elternlos aufgewachsen, auf sechsjähriger
Wanderschaft als Perückenmacher herumgeworfen, dann über ein Jahrzehnt in
Kriegsdiensten, schließlich arbeitslos und unstet in einem Eifersuchtsstreit am 3. Juni
1821 die 46-jährige Johanne Christiane Woost jäh erstach. Noch vor Beginn der
psychologischen Tests wird er vom Gutachter unter dem in der zeitgenössischen

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Psychologie schulgemäß-idealistischen Postulat der apriorischen Willensfreiheit des
Menschen

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moralisch erledigt: »rohe Gleichgültigkeit«, »Abstumpfung gegen natürliche

Gefühle«, »kalter Mismuth« und andere Prädikate mehr hält der Gerichtsmediziner für
ihn bereit – als Vergehen gegen die dem Menschen eigene Vernunftfreiheit. Nicht
anders lautet das Fazit im abschließend verfassten »Vorwort« des Endgutachtens,
worin Clarus gegen die »Ordnung des Ganzen«, gegen die »Wohlthaten einer
gemeinschaftlichen Religion« und »einer seegensvollen und milden Regierung« (!)
Woyzecks »unstätes, wüstes, gedankenloses und unthäthiges Leben«, kurz seine
»moralische Verwilderung« als Grund für den Mord, den »finstern Aufruhr roher
Leidenschaften« bezeichnet. (L 488) In den pathetisch geblähten, weltanschaulich-
moralischen Rahmen der Expertise eingefügt ist die psychologische Untersuchung des
Mörders. Den Befund – Schuldfähigkeit – belegen physiologische Beobachtungen.

49

So

wird etwa Woyzecks Klage über Freimaurerträume und Geistererscheinungen als
Schutzbehauptung wissenschaftlich-objektivistisch zurückgewiesen: »Athemholen,
Hautwärme und Zunge völlig natürlich [. . .], seine natürlichen Ausleerungen in
vollkommener Ordnung« (L 504). Den Tremor, den Woyzeck jedes Mal beim Eintritt des
Gutachters in seine Zelle erleide, kann sich Clarus, von dessen Urteil ja des Häftlings
Leben abhängt, gar nicht erklären. Freilich leide Woyzeck an »Vollblütigkeit und
Neigung zu Wallungen und Congestionen des Blutes [. . .] vermehrt durch
unordentliche Lebensweise und besonders durch den Mißbrauch starker Getränke«
(L 517). Auf diese Weise wird J. Chr. Woyzeck über 100 Seiten hinweg auseinander
genommen und wieder zusammengesetzt, innen und außen vermessen, psychologisch
und moralistisch rubriziert – und endlich für schuldfähig befunden: quod erat
demonstrandum. Aber auch dieser Beweis wird in einem Postskriptum nach der
Hinrichtung Woyzecks am 27. August 1824 auf dem Marktplatz in Leipzig noch einmal
bewiesen: »Bei der [. . .] Sektion fanden sich alle Organe in der Kopf-, Brust- und

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Unterleibshöhle in v o l l k o m m e n g e s u n d e m Zustande und nur das Herz mit
einer ganz ungewöhnlichen Menge von Fett umgeben.« (L 537)
Der historische Fall Woyzeck und die Gutachten des Dr. Clarus demonstrieren
rechtsgeschichtlich das »Zeitalter der Strafnüchternheit«, mit der nach Foucault die
»Inszenierung des Leidens aus der Züchtigung« verbannt wird. »Dieses Verschwinden
der Martern wird zwischen 1830 und 1848 endgültig.«

50

Schnell und mit solcher

Geschicklichkeit, bemerkt ein Augenzeuge, habe der Henker dem Woyzeck den Kopf
abgeschlagen, »daß er noch auf dem breiten Schwerte saß, bis der Scharfrichter das
Schwert wendete und er herabfiel, [. . .] sogleich öffnete sich eine Falltür, wo der
Körper [. . .] hinabgestürzt wurde und sogleich war er unten in einen Sarg gelegt«
(603). Nicht mehr der Körper, sondern die Seele des Delinquenten rücken, nach
Foucault, in den Mittelpunkt des aufklärerisch strafrechtlichen Interesses – und damit
auch die Feststellung seiner Verantwortlichkeit,

51

hier durch den Gerichtspsychologen

Dr. Clarus, aber nicht nur durch ihn allein, sondern auch durch eine ganze Reihe
kontroverser Stellungnahmen (601 f.), unter denen Clarus’ vom Gericht bestellte
Expertise nur das größte Gewicht hatte – auf Dauer geringer freilich als Büchners
eigenes ›Gutachten‹, sein Woyzeck-Stück, ohne das Woyzeck und Clarus längst
vergessen wären.
Indem Büchner den Fall Woyzeck erneut aufgreift, zieht er die rechtsgeschichtlich
angelegte Linie aus, jedoch auf seine Weise: Er wählt zwar unter den vom historischen
Fall angebotenen Handlungsmöglichkeiten (Woyzecks Lebensgeschichte, die
gerichtsmedizinische Untersuchung, die Gerichtsverhandlung, Woyzecks Aufenthalt im
Gefängnis etc.) nichts anderes als erneut die für Foucault historisch aktuelle Seelen-
Frage nach der Entstehungsbedingung der Tat im Täter selbst. Wie auch in Clarus’
Gutachten ist der Fokus der dramatisierten Recherche die Tat, freilich steht sie hier am
Ende und nicht am Beginn der Analyse. Das bedeutet: befreit von der teleologischen

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Verengung der Perspektive unter dem Druck der Frage: Wie kam es zur Tat?, kann
Büchner sich dem »Leben« öffnen, und das heißt für ihn »Möglichkeit des Daseins«.
»Leben, Möglichkeit des Daseins«, lässt er seinen Dichter Lenz als das »einzige
Kriterium in Kunstsachen« fordern (144). Die Vorstellung vom Leben als
Daseins m ö g l i c h k e i t führt nicht nur zur Individualisierung der fiktiven Woyzeck-
Figur, die als Möglichkeitsentwurf den sozialhistorischen Begriff des Paupers übersteigt,
sondern dementiert ineins damit auch die starren Prinzipien der Moraldoktrin und
Schulpsychologie, denen der historische Woyzeck in Clarus’ Untersuchung zum Opfer
fiel. Daher entwirft Büchner gegen Clarus’ linearen Schluss vom Körper auf die Seele
und gegen das idealistische Theorem von der Moralautonomie des vernunftfreien
Menschen nichts anderes als Motivations-M ö g l i c h k e i t e n für Woyzecks Tat.
Gründet sie individualpsychologisch in den Halluzinationen (235, 236, 243) des Täters
oder physiologisch in der Erbsenkur? Rührt sie sozialpsychologisch aus den
Demütigungen durch den Zynismus des Doktors und den Sadismus des Hauptmanns,
der genussvoll Woyzecks Eifersucht schürt, oder ist es die Kraftdemonstration des
Tambourmajors, der Woyzeck niederschlägt, und Maries Treulosigkeit, die zur Mordtat
führen? Indem er die Fragen, die das Elend seines Woyzeck entfalten, offenlässt, macht
Büchner das Clarus-Gutachten unerheblich. Das zweckhafte Interesse des
Gerichtsmediziners an der Zurechnungsfähigkeit seines »Inquisiten« wird ersetzt durch
den Entwurf des sinnoffenen Erlebnishorizonts Franz Woyzecks. Das »Leben des
Geringsten«

52

im Zeitalter des neuen wissenschaftlichen Fortschritts und der epigonal-

idealistischen Moral, die als unverbindlicher comme il faut Sinnleere und Lebensgier
tarnt,

53

entwirft gleichsam von unten und innen her ein Bild der Vormärzzeit, dem

weder die politische Bezeichnung der Epoche noch ihre historiographische Erschließung
gerecht werden.

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Die Mehrdeutigkeit der Mordgenese korrespondiert mit dem episodischen Charakter
des Stücks. In ihr sind die Szenen nicht Funktionen der Handlung, sind nicht in kausaler
Folge konsequent auf den Schluss hin gespannt, sondern haben, ebenso wie die
Entfaltung von Woyzecks Daseinsmöglichkeiten, ein Eigengewicht, nicht geringer als
das der Tat selbst am Ende des Stücks. Gewiss, das Stück ist unvollendet geblieben,
und keine Edition kann die von Büchner geplante Handlungsführung konstruieren. Was
bleibt, sind vier verschiedene Entwicklungsstufen des Texts und eine nach dem
heutigen Editionsstand konzipierte Haupt- oder »Lesefassung« – Vorlage dieser
Deutung. Aber mit Blick auf die von Büchner abgeschlossenen Dramen, auf die
strukturelle Offenheit von Dantons Tod und Leonce und Lena, auf die auch dort
mögliche Austauschbarkeit von Szenen und auf ihre Handlungsleerstellen dazwischen,

54

ist der offene Prozesscharakter des Woyzeck weniger ein Torsomerkmal als vielmehr
der besonders pointierte Ausdruck für Büchners antitektonische Dramatik mit ihrer
Nähe zu Lenz und zur Shakespeare-Tradition. Ist sie hier als Opposition zum Clarus-
Gutachten im offenen Möglichkeitsentwurf von Woyzecks Weg zur Tat begründet, so
weisen sie doch auch beide gemeinsam, die offene Form der Handlung und die
Potentialität der Tatbegründung, auf den elementaren bewusstseinstheoretischen
Hintergrund des Stücks, auf Büchners naturwissenschaftliche Teleologiekritik: »Die
Natur handelt nicht nach Zwecken [. . .], sondern sie ist in allen ihren Äußerungen sich
unmittelbar s e l b s t g e n u g. Alles, was ist, ist um seiner selbst willen da«.

55

Die

antiteleologische Wendung des Physiologen und Anatomen Büchner gegen eine
Naturvorstellung, in der jede Naturerscheinung ihren Zweck nicht in sich selbst,
sondern nur in ihrer Funktion hat, somit ihrer selbst entfremdet ist, bildet – in
anthropologischer, sozialer, moralischer und ästhetischer Bedeutung – den Kern von
Büchners Denken und Werk. Er ist mit Händen greifbar von der frühen Kritik des
Selbstmords – als Verstoß gegen den Selbstzweck des Lebens,

56

über den Protest

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gegen die absolutistische Ausbeutung der Untertanen im Hessischen Landboten bis zu
Lenz’ Attacke auf den Kunstidealismus, »die schmählichste Verachtung der
menschlichen Natur«, weil sie gegenüber der Idee das »eigentümliche Wesen jedes«
verfehlt (145). Dies gilt auch für das Woyzeck-Stück. Was die gerichtsmedizinische
Handlungsvorlage unterschlägt, die Achtung vor der deutungsoffenen Eigentümlichkeit
des einzelnen – hier wird sie, 11 Jahre nach Clarus’ Schlussgutachten, von Büchners
Stück eingefordert. Aber nicht nur dies. Sie wird auf der Bühne des Theaters zugleich
utopisch verwirklicht – nicht bloß durch die Singularisierung der Figuren als Individuen,
deren subjektiver Erlebnishorizont die Historie (Pauperismus) korrigiert, und nicht bloß
durch die Entfaltung von Woyzecks Daseinsmöglichkeiten, die entgegen der Psychologie
die Tatgenese ins unfassbar Mehrdeutige rückt, sondern auch ästhetisch durch die
Aufwertung der einzelnen Szenen gegenüber dem Gang der Handlung.
Büchners Kritik an Clarus, der den historischen Woyzeck auf das Streckbett der Moral
und der Wissenschaft gespannt hat, bekommen die Antagonisten seines Franz
Woyzeck, der Doktor und der Hauptmann, zu spüren. Auf sie, degradiert zu Karikaturen
und Zerrbildern der Naturwissenschaft und der Moralphilosophie, verteilt Büchner
Clarus’ Verquickung von Szientismus und Moralismus und lässt sie so sich gegenseitig
vernichten. Jeder entwertet sich nicht nur selbst, sei es durch die szientistische
Unmenschlichkeit und die Auflösung der erhofften wissenschaftlichen Revolution in
einem Formelzinnober (242)

57

oder durch die Unverbindlichkeit der Moral und die als

Tautologie sich selbst diskreditierende Moralautonomie des Idealismus (240), sondern
auch durch den jeweils anderen: Während der Doktor dem Hauptmann wegen seiner
Dickleibigkeit genüsslich den Tod voraussagt (244), verhöhnt dieser den Doktor wegen
seiner kurzen Beine.

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Wechselseitig nennen sie sich »Hohlkopf« und »Einfalt« (244).

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Komposition: Technik der Vernetzung

Die antiteleologische Handlung bzw. die Vielperspektivigkeit des Erlebnishorizonts,
womit Büchner s e i n e n Woyzeck zwar nicht von der Schuld, aber von der
Entfremdung befreit, die er bei Clarus erleidet, führt zur Frage nach der Komposition
des Stücks. So verständlich Büchners Episodendramatik vor dem Hintergrund ihrer
Entstehungsbedingungen sein mag, so unzugänglich erweist sie sich den auf
Stimmigkeit ausgerichteten Deutungsversuchen. Wie kann man einem Text
beikommen, der – hypothetisch – aus 27 Szenen besteht, die zudem in ihrer Folge
weder lückenlos noch gesichert sind? Der Beliebigkeitsverdacht, der sich einstellen
mag, ist gleichwohl unberechtigt, wenn man anstelle der vermissten Handlungslogik
das Gewebe der Textbezüge erkennt. Nicht Folgerichtigkeit, sondern strukturelle
Komplexität, nicht begriffliche Stringenz, sondern poetische Vielgestaltigkeit bestimmen
die Komposition des Dramas. Damit entspricht es jener Vorstellung von Wirklichkeit,
die Büchner als »Vielgestaltigkeit des Lebens« zugunsten des Individuums Woyzeck
gegen alles zweckhaft Prinzipielle setzt, ob in Historie, Wissenschaft oder Kunst.

59

Komplex und vielgestaltig komponiert ist der Woyzeck in dreifacher Weise. Erstens in
der leitmotivischen Verknüpfung der Szenen,

60

zweitens in der szenischen

Binnenvernetzung durch Wiederholung und Kontrast

61

und drittens in der

beziehungsträchtigen Vielfalt der uneigentlich-sinnverweisenden Gattungs- und
Stilformen – der Form der Rede, des Lieds und des Märchens, der Karikatur, der
Montage, der Parodie, des Dialekts und der grotesken sowie absurden
Darstellungselemente. Ein Beispiel für alle drei Kompositionstechniken zusammen ist
die erste Wirtshausszene (11,247 f.) etwa in der Mitte der Lesefassung: Zwischen dem
burlesk genrehaften Bild der Regieanweisung am Anfang (Die Fenster offen, Tanz.
Bänke vor dem Haus. Burschen
) sowie dem fröhlichen Jägerlied einerseits und

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andererseits Woyzecks in Sinnverzweiflung umschlagender Eifersucht und der
Blasphemie der Handwerker liegt eine Spannung, die charakteristisch für den Woyzeck
ist und eben jenes Fragwürdige und Abgründige der materiellen Wirklichkeit andeutet,
das der Handwerksbursch am Ende zur Sprache bringt – ironisch, weil die Form der
Kirchenpredigt, die er parodiert, selbst jenen trügerischen Schein erzeugt, den die
Bedeutungen der Szene widerrufen.
Mit dem Lied des Ersten Handwerksburschen (»Ich hab ein Hemdlein an, / das ist
nicht mein. / Meine Seele stinkt nach Brandewein«; 247) wird in Anspielung auf das
Totenhemd das Vanitas- und Memento-mori-Motiv eingeleitet,

62

das über

Wiederholungen (»Meine Seele [. . .] stinkt nach Brandewein. – Selbst das Geld geht in
Verwesung über«; ebd.) den Anfang mit dem Schluss der Szene verbindet: »Alles
Irdische ist eitel, selbst das Geld geht in Verwesung über« (248). Ist die Schönheit der
Welt (»Wie ist diese Welt so schön«; 247) nur Schein, so wird von hier aus der Konnex
in Szene 3 zwischen Woyzecks unbefangenem Ausruf auf der Kirmes: »Welt! Schön
Welt!« (237) und dem gleichzeitig gesungenen Lied des Alten vom Sterbenmüssen
verständlich. Als binnenszenisches Strukturelement bildet das Vanitas-Motiv
andererseits auch eine Brücke zur Kasernenszene, in der Woyzeck vor der Mordtat sein
Hemd verschenkt. Die Korrespondenz zwischen dem Hemdlein des Lieds und Woyzecks
»Kamisolche« (17,250) als fast seinem einzigen Besitz vertieft Woyzecks Armut zur
metaphysischen Nichtigkeit überhaupt. Vor allem aber ist das Motiv eine
Querverbindung beider (und anderer) Szenen zum absurden Märchen der Großmutter
(19,252), worin menschliche Armut und Todverfallenheit (»ein arm Kind [. . .], war
Alles tot«; 252) nicht einmal im Kosmos, als der abendländischen Bildvorstellung
gotterfüllter Welt, Erlösung finden. Weshalb – das zeigt wiederum der Rückblick vom
Märchen auf die Handwerkerszene: Die Predigt-Parodie an deren Ende mit dem
Wirtshaustisch als Kanzel und ihrem aus der Bergpredigt bezogenen Belehrungspathos

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(»Aber wahrlich ich sage euch«; Mt. 6,16) sowie anderer Bibelanspielungen

63

entwertet

die Sinnvorstellung, die sich der Mensch von sich und der Welt bildet, als
»hyperbolische Naivität« – mit Nietzsches Worten 75 Jahre später.

64

Bei Büchner ist

diese Sinnvorstellung ein teleologischer Zirkelschluss: Die theologisch-existentielle
Sinnfrage »Warum ist der Mensch?« wird mit Hinweis auf die ökonomische
Notwendigkeit des Menschseins der Lächerlichkeit preisgegeben: der Mensch wurde nur
geschaffen, damit »der Landmann, der Weißbinder, der Schuster, der Arzt« von ihm
leben können. Was das Märchen als nihilistische Kontrafaktur der im Glück endenden
Sterntaler-Geschichte hervorkehrt, die Sinnlosigkeit der Welt, wird hier begründet:
Noch der Nihilismus ist lächerlich unangemessen, weil die teleologische Sinnfrage
überhaupt müßig ist – der Mensch hat keinen Zweck, oder mit Büchner selbst, in
Anspielung auf Spinoza:

65

»alles, was ist, ist um seiner selbst willen da«.

66

Das ist

gleichzeitig eine Antwort auf den innerszenischen Bezug der Predigtparodie. Diese
bezieht sich auf Woyzecks Sinnfrage, die Maries triebhafte Untreue, ihren
hemmungslosen Tanz mit dem Tambourmajor, ins Metaphysische überträgt: »Warum
bläst Gott nicht die Sonn aus« (247). Da er das, was ihm widerfährt, nicht ändern
kann, sucht er Hilfe beim rächenden Gott. Aber die an die biblische Bildvorstellung der
Apokalypse (Offb. 8,12) anknüpfende Frage nach dem die Unzucht der Welt strafenden
Rächergott verhallt – so die Handwerker-›Predigt‹ – als unangemessene Warum-Frage
im Leeren. Damit ist das Urteil über die mythische Hinterwelt gesprochen, in die sich
Woyzeck in seiner sozialen Desolatheit flüchtet: Die Handwerker-Predigt entwertet die
volksreligiöse Wunschvorstellung vom Letzten Gericht als ultimativer Rechtsinstanz und
kommentiert auf diese Weise auch Woyzecks Apokalypse-Visionen an anderen Stellen
des Stücks (vgl. »Ein Feuer fährt um den Himmel«, 1,235; »die Welt im Feuer«,
8,243). Für die Figuren und das Publikum gibt es weder den Rächergott noch den
Erlösergott, auf den Marie vergeblich hofft (16,249). Auch der Weg in ein Jenseits der

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Geschichte ist verbaut: Woyzecks Fluch über Maries Triebhaftigkeit (»Mensch und Vieh.
Tut’s [. . .] wie die Mücken«; 247) knüpft an die Philosophie des Natürlichen an, die der
Ausrufer in der Budenszene vertritt (238) – von Büchner freilich ins verzerrende Licht
der Komik getaucht. Zu Recht, wie sich hier zeigt, wo der natürliche Sinn in den Sog
der Geschichte gerät und das »arm Weibsbild« (239) in »Ungebührlichkeit« (238) und
Trieb das hoffnungslose Pauperdasein vergessen will.
Das Recht, mit dem der Handwerksbursch das letzte Wort hat, geht nur mittelbar aus
der Szene hervor: Die beiden Handwerksburschen erscheinen als streitlustige Trinker
(Erster Handwerksbursch: »Brandewein«) und zugleich (Zweiter Handwerksbursch) als
bibelfeste Witzköpfe – dem Woyzeck, der Marie und dem Tambourmajor durch
ironische Distanz zu sich und der ›Welt‹ weit überlegen. Sie sind in die Szene nicht als
Handelnde oder Leidende verwickelt (wie Marie und Woyzeck), sondern bezeugen als
deren witzige Kommentatoren anstelle ihres Handwerkertums und dessen
»Traditionalismus der ›Ehrbarkeit‹« – beides verloren im zeitgenössischen Pauperismus
und der Auflösung der Zünfte

67

– soziale Entwurzelung und anarchische Intellektualität.

Damit, so Nipperdey,

68

werden die Handwerkergesellen der Vormärzzeit, gut

ausgebildet und gleichwohl ohne Arbeit, zu Wortführern und Akteuren der
Märzrevolution. Die geschichtsträchtige Beziehung von Desorientierung (Erster
Handwerksbursch) und Gewalt (Zweiter Handwerksbursch) thematisiert die vorliegende
Szene – und verbindet sie mit der Handlung des Stücks. Die Drohungen der Burschen
mit »Brandewein« und »tot schlage« werden gleich darauf vom seelisch entwurzelten
Woyzeck und vom tumben Tambourmajor aufgegriffen, vom eifersüchtigen Woyzeck,
der sich in Totschlagphantasien verliert (»stich die Zickwolfin tot«; 248), und vom
Tambourmajor, der – »Brandwein gibt Courage!« – den Woyzeck niederschlägt
(248 f.).

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Die Szene vor dem Wirtshaus ist neben den Budenszenen und den Begegnungen
Woyzecks mit dem Doktor sowie dem Hauptmann eine der Schlüsselstellen des Stücks.
Bedeutend ist sie, weil das von ihr exemplifizierte dreifache, szenenübergreifende,
binnenszenische und von der Predigtparodie als Form der Uneigentlichkeit geprägte
Kompositionsverfahren einen Erlebnishorizont andeutet, der von den politischen,
sozialen und kulturellen Vorstellungen der Vormärz-Historien abweicht. Nicht zuletzt
mit Anspielungen südhessischen Dialekts und Liedern aus Gießener
Fuhrmannskneipen

69

entwirft Büchner eine Alltagsgeschichte, deren Lebenswirklichkeit

den Selbstanspruch des Autors für das heutige Woyzeck-Publikum einlöst: »Der Dichter
[. . .] macht vergangene Zeiten wieder aufleben« (307). Zugleich aber zeigt die
Wirtshausszene auch beispielhaft, dass der Erlebnishorizont, den Büchner von seiner
eigenen Zeit entwirft, durch innertextuelle Bezüge transparent wird für existentielle
Einsichten, die das Bewusstsein der Figuren übersteigen. Ist der Woyzeck ein kritischer
Beitrag zur Erlebnisgeschichte der Vormärzzeit, der komplementär zu Kosellecks,
Nipperdeys, Wehlers oder Friedells Geschichtsbüchern zu lesen wäre, so ist er,
uraufgeführt 1913, doch auch mehr: Licht auf der modernen Bewusstseinsgeschichte
seit Nietzsche – und deren Überwindung. Gegen den Sinnverlust im Materialismus des
wissenschaftlichen Fortschritts (Doktor) und gegen die Impotenz einer normativen, in
Staat und Kirche konventionalisierten Moral (Hauptmann) setzt Büchner erstens auf die
Individualität seiner zeitgeschichtlichen Figuren, die normative – auch
historiographische – Kategorien korrigiert, zweitens auf die Autonomie, den
Selbstzweck des Menschen, dessen Tun und Lassen zwischen Liebe und Hass die
Erklärungsmuster der Psychologie widerlegt, und drittens auf die ästhetische Ordnung
seiner Vernetzungskomposition – als Protest gegen die Sinnleere, die aus der Handlung
des Woyzeck selbst und seinen Figuren hervortritt.

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Literaturhinweise

Georg Büchner: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Erste krit.

Gesammtausg. Eingel. und hrsg. von Karl Emil Franzos. Frankfurt a. M.: J. D.
Sauerländer, 1879. [Wozzeck. Ein Trauerspiel-Fragment, S. 161–204. Erstdruck.]

– Sämtliche Werke und Briefe. Hist.-krit. Ausg. mit Komm. hrsg. von Werner R.

Lehmann. [Bisher] 2 Bde. München: Hanser, 1967 ff. (Hamburger Ausgabe.)
[Woyzeck in: Bd. 1: Dichtungen und Übersetzungen. Mit Dokumentationen zur
Stoffgeschichte
, ebd. 1967, S. 143–181, 337–431.]

– Woyzeck. Faks.-Ausg. der Handschriften, mit Transkription und Komm. von Gerhard

Schmid. Wiesbaden: Reichert, 1981.

– Werke und Briefe. Münchner Ausgabe. Hrsg. von Karl Pörnbacher [u. a.]. München:

Hanser / Deutscher Taschenbuch Verlag, 1988. (dtv. 2202.) [Woyzeck, S. 197–255,
586–682.]

– Sämtliche Werke, Briefe und Dokumente in zwei Bänden. Hrsg. von Henri

Poschmann. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag, 1992. [Woyzeck in: Bd. 1:
Dichtungen, hrsg. von Henri Poschmann unter Mitarb. von Rosemarie Poschmann,
ebd., S. 143–219, 675–790.]

– Woyzeck. Krit. Lese- und Arbeitsausg. Hrsg. von Lothar Bornscheuer. Stuttgart:

Reclam, 1972 [u. ö.]. (Universal-Bibliothek. 9347.)

Bornscheuer, Lothar: Georg Büchner, Woyzeck. Stuttgart 1977. (Erläuterungen und

Dokumente.)

Campe, Rüdiger: Johann Franz Woyzeck: der Fall im Drama. In:

Unzurechnungsfähigkeiten: Diskursivierungen unfreier Bewußtseinszustände seit dem
18. Jahrhundert. Hrsg. von Michael Niehaus u. Walter Schmidt-Hannisa. Frankfurt

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Georg Büchner: Woyzeck



© 1997, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.

a. M. [u. a.] 1998. S. 209–236.

Dedner, Burghard / Funk, Gerald / Schmidt, Christian: Georg Büchner, Woyzeck.

Stuttgart 2000. (Erläuterungen und Dokumente.)

Glück, Alfons: Militär und Justiz in Georg Büchners Woyzeck. In: Georg Büchner

Jahrbuch 4 (1984) S. 227–247.

– Der Menschenversuch. Die Rolle der Wissenschaft in Georg Büchners Woyzeck. In:

Georg Büchner Jahrbuch 5 (1985) S. 139–182.

– Der Woyzeck. Tragödie eines Paupers. In: Revolutionär, Dichter, Wissenschaftler.

Katalog zur Büchner-Ausstellung, Darmstadt 1987. Basel / Frankfurt a. M. 1987.
S. 325–332.

Gray, Richard T.: The Dialectic of Enlightenment in Büchner’s Woyzeck. In: The

German Quarterly 61 (1988) S. 78–96.

Hauschild, Jan-Christoph: Georg Büchner. Biographie. Stuttgart/Weimar 1993.
Hinderer, Walter: Büchner-Kommentar zum dichterischen Werk. München 1977.

S. 171–259.

Jakobi, Carsten: Kritischer Zweischritt. Georg Büchners ästhetische Entmächtigung

moralischer Sinnsysteme im Woyzeck. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 118
(1999) S. 216–233.

Jancke, Gerhard: Georg Büchner. Genese und Aktualität seines Werkes. Einführung in

das Gesamtwerk. Kronberg i. Ts. 1975.

Kittsteiner, Heinz-Dieter / Lethen, Helmut: Ich-Losigkeit, Entbürgerlichung und

Zeiterfahrung. Über die Gleichgültigkeit zur »Geschichte« in Büchners Woyzeck. In:
Georg

Büchner Jahrbuch 3 (1983) S. 240–269.
Kubik, Sabine: Krankheit und Medizin im literarischen Werk Georg Büchners. Stuttgart

1991.

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Lehmann, Werner R.: Repliken. Beiträge zu einem Streitgespräch über den Woyzeck.

In: Euphorion 65 (1971) S. 58–83.

Martens, Wolfgang: Zur Karikatur in der Dichtung Büchners. In: Germanisch-

Romanische Monatsschrift N. F. 8 (1958) S. 64–71.

– (Hrsg.): Georg Büchner. Darmstadt

3

1973. (Wege der Forschung. 53.)

Mautner, Franz H.: Wortgewebe, Sinngefüge und »Idee« in Büchners Woyzeck. In:

Ebd. S. 507–554.

Meier, Albert: Georg Büchner. Woyzeck. München

3

1993.

Oesterle, Günter: Das Komischwerden der Philosophie in der Poesie. Literatur-,

philosophie- und gesellschaftsgeschichtliche Konsequenzen der »voie physiologique«
in Georg Büchners Woyzeck. In: Georg Büchner Jahrbuch 3 (1983) S. 200–239.

Poschmann, Henri: »Wer das lesen könnt« – Zur Sprache natürlicher Zeichen im

Woyzeck. In: Studien zu Georg Büchner. Hrsg. von Hans-Georg Werner.
Berlin/Weimar 1988. S. 193–206.

Richards, David G.: Georg Büchners Woyzeck. Interpretation und Textgestaltung. Bonn

1975.

Rosenthal, Erwin Theodor: Strukturfunktionen von Dialekt und Liedeinlagen bei

Büchner. In: Literatur als Dialog. Festschrift Karl Tober. Hrsg. von Reingard
Nethersole. Johannesburg 1979. S. 295–305.

Schmid, Gerhard: Probleme der Textkonstituierung bei Büchners Woyzeck. In: Studien

zu Georg Büchner. Hrsg. von Hans-Georg Werner. Berlin/Weimar 1988. S. 207–226.

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Anmerkungen

1

Brief vom 28. Juli 1835. Zitiert wird nach der Ausgabe: Georg Büchner. Werke und
Briefe, Münchner Ausgabe
, hrsg. von Karl Pörnbacher [u. a.], München 1988, hier
S. 305.

2

Siehe z. B. Reinhart Koselleck, in: Louis Bergeron, François Furet, Reinhart Koselleck,
Das Zeitalter der europäischen Revolution. 1740–1848, Frankfurt a. M. 1969, S. 199–
319.

3

Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2: 1815–1845/49,
München 1987.

4

Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte. 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat,
München 1983, S. 440–451.

5

Egon Friedell, »Was heißt und zu welchem Ende studiert man Kulturgeschichte?«, in:
E. F., Kulturgeschichte der Neuzeit, Bd. 1, München 1976, S. 19.

6

Ebd., Bd. 2, S. 1093 f.

7

Grundlage der Woyzeck-Interpretation ist die »Lesefassung« des Dramas in der
Münchner Ausgabe (s. Anm. 1). Seitenangaben in Klammern.

8

Vgl. Wehler (s. Anm. 3), S. 281–298; Wolfgang Hardtwig, Vormärz. Der monarchische
Staat und das Bürgertum
, München 1985, S. 70–74; Nipperdey (s. Anm. 4), S. 226.

9

Wehler (s. Anm. 3), S. 281–296, hier S. 288; Hardtwig (s. Anm. 8), S. 70 f. Siehe
auch Alfons Glück, »Der Woyzeck. Tragödie eines Paupers«, in: Georg Büchner.
Revolutionär, Dichter, Wissenschaftler. Katalog der Büchner-Ausstellung Darmstadt
1987
, Basel / Frankfurt a. M. 1987, S. 325–332.

10

Vgl. die Woyzeck-Interpretation von Albert Meier, Georg Büchner. Woyzeck, München

3

1993.

11

Vgl. Nipperdey (s. Anm. 4), S. 219 f.

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Georg Büchner: Woyzeck



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12

Vgl. ebd., S. 210–219, 227.

13

Vgl. Käte Hamburger, Die Logik der Dichtung, Stuttgart 1968, S. 114.

14

Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Historische Sozialwissenschaft und Geschichtsschreibung.

Studien zu Aufgaben und Traditionen deutscher Geschichtswissenschaft, Göttingen
1980.

15

Brief vom 28. Juli 1835 (s. Anm.

1

), S. 305.

16

J. M. R. Lenz, »Versuch über das erste Principium der Moral«, in: J. M. R. L., Werke

und Briefe in drei Bänden, hrsg. von Sigrid Damm, Bd. 2, München/Wien 1987,
S. 500: »Der menschliche Verstand ist von der Art, daß er [. . .] auf ein erstes
Principium zu kommen strebt [. . .], ein wenig vorwitzig. [. . .] Wir sind einmal
zusammengesetzte Wesen.«

17

Siehe ebd., Anmerkungen übers Theater, S. 653 (ich schätze »den

charakteristischen, selbst den Karikaturmaler zehnmal höher als den idealischen«, der
eine Figur nicht mit »Genauigkeit und Wahrheit« darstellen kann), und Rezension des
Neuen Menoza
, S. 701 (»Alltagscharaktere« mit »Verstärkung«).

18

Vgl. Nipperdey (s. Anm.

4

), S. 227, und Wehler (s. Anm.

3

), S. 291.

19

Büchner, Über Schädelnerven, in: Münchner Ausgabe (s. Anm.

1

), S. 257–269, hier

S. 260.

20

Friedrich Nietzsche, »Die fröhliche Wissenschaft« (5. Buch), in: Fr. N., Werke in drei

Bänden, hrsg. von Karl Schlechta, Bd. 2, München 1973, S. 205.

21

Siehe Stephen F. Mason, Geschichte der Naturwissenschaft, Stuttgart 1991. – Hans

Querner / Heinrich Schipperges (Hrsg.), Wege der Naturforschung 1822–1972 im
Spiegel der Versammlungen deutscher Naturforscher und Ärzte
, Berlin/Heidelberg
1972. – Alfons Glück, »Der Menschenversuch. Die Rolle der Wissenschaft in Georg
Büchners Woyzeck«, in: Georg Büchner Jahrbuch 5 (1985), S. 139–182. – Sabine
Kubik, Krankheit und Medizin im literarischen Werk Georg Büchners, Stuttgart 1991.

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22

Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd. 3:

Erfahrungswissenschaften und Technik (1934), München 1987, S. 199–239.

23

Siehe ebd., S. 163–453, und Nipperdey (s. Anm.

4

), S. 484–498.

24

Friedrich Georg Jünger, Über das Komische, Zürich 1948.

25

Erläuterungen und Dokumente: Georg Büchner. Woyzeck, hrsg. von Lothar

Bornscheuer, Stuttgart 1977, S. 15.

26

Jan-Christoph Hauschild, Georg Büchner. Biographie, Stuttgart/Weimar 1993, S. 256.

27

Siehe ebd.

28

Johann Christian August Clarus, »Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann

Christian Woyzeck« und »Früheres Gutachten«, in: Georg Büchner. Sämtliche Werke
und Briefe
, hrsg. von Werner R. Lehmann, Bd. 1, München 1974, S. 487–549, hier S.
522–526. (Zitate aus den beiden Clarus-Gutachten nach dieser Ausgabe.) – Immanuel
Kant, Kritik der Praktischen Vernunft, hrsg. von Karl Vorländer, Hamburg 1967,
S. 33–35 (Erster Teil I,1, § 5 f.).

29

Gegen die ›rousseauistische‹ Lesart der Szene siehe Günter Oesterle, »Das

Komischwerden der Philosophie in der Poesie. Literatur-, philosophie- und
gesellschaftsgeschichtliche Konsequenzen der ›voie physiologique‹ in Georg Büchners
Woyzeck«, in: Georg Büchner Jahrbuch 3 (1983), S. 200–239, hier S. 208–218.

30

Siehe S. 164–169 im Abschnitt »Komposition« die Deutung der ersten

Wirtshausszene.

31

Vgl. Hauschild (s. Anm. 26), S. 558.

32

Siehe Meier (s. Anm.

10

), S. 56.

33

Schnabel (s. Anm. 22), Bd. 2: Monarchie und Volkssouveränität (1933), München

1987, S. 326.

34

Siehe jedoch Alfons Glück, »Militär und Justiz in Georg Büchners Woyzeck«, in: Georg

Büchner Jahrbuch 4 (1984), S. 227–247, hier S. 236.

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35

Siehe Anm.

4

.

36

Vgl. Schnabel (s. Anm.

22

), Bd. 4: Die religiösen Kräfte (1937), München 1987,

insbes. S. 492–529 und S. 559–577.

37

Siehe Ludwig Feuerbachs Kritik des Abendmahls: L. F., Das Wesen des Christentums

(1840), Stuttgart 1994, II,26, S. 361–368, und das oft aufgelegte,
populärphilosophische Hauptwerk des naturwissenschaftlichen Materialismus: Kraft
und Stoff
(1855), verfasst vom jüngeren Büchner-Bruder Ludwig Büchner.

38

Dieser kann nach Wehler (s. Anm.

3

), S. 393 f., in der Vormärzzeit auch zur

Verstärkung der Polizei eingesetzt werden.

39

Ebd., S. 381.

40

Schnabel (s. Anm.

22

), S. 18–20.

41

Siehe Wolfgang Martens, »Zur Karikatur in der Dichtung Büchners« [Woyzecks

Hauptmann], in: Germanisch-Romanische Monatsschrift N. F. (1958), S. 64–71.

42

Feuerbach (s. Anm. 37), I,5, S. 102–114.

43

Barbara Krafft, »Vergißmeinnicht – das Sinnige im Biedermeier«, in: Biedermeiers

Glück und Ende. Die gestörte Idylle 1815 – 1848, hrsg. von Hans Ottomeyer in Zsarb.
mit Ulrike Laufer, München (Münchner Stadtmuseum) 1987, S. 137–162, hier
S. 137 f.

44

Büchner an seine Braut [Gießen, um den 9.–21. März 1834], zit. nach: Münchner

Ausgabe (s. Anm.

1

), S. 288.

45

Wilhelm Weitling, Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte, 1838. – Arthur

Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1819/1844, IV. Buch.

46

So der Titel des Endgutachtens. Zitiert wird im Folgenden (mit der Sigle L) aus den

Clarus-Gutachten nach der Ausgabe von Werner R. Lehmann: Georg Büchner (s. Anm.

28

). – Zu den Nebenquellen des Woyzeck siehe die entsprechenden Anmerkungen in

der Münchner Ausgabe (s. Anm.

1

), S. 627–629, bei Bornscheuer (s. Anm.

25

),

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S. 49–67, und Meier (s. Anm.

10

), S. 18–20, sowie Walter Hinderer, Büchner-

Kommentar zum dichterischen Werk, München 1977, S. 174 f.

47

Büchner, Über Schädelnerven, in: Münchner Ausgabe (s. Anm.

1

), S. 260.

48

Siehe Anm.

28

und das psychiatrisch maßgebliche Buch von Clarus’ akademischem

Lehrer Johann Christian August Heinroth, Lehrbuch der Störungen des Seelenlebens
oder der Seelenstörungen und ihrer Behandlung. Vom rationalen Standpunkt aus
entworfen
, Leipzig 1818. – Siehe auch Klaus Dörner, Bürger und Irre. Zur
Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie
, Frankfurt a. M. 1975.

49

Vgl. Dörner, ebd., S. 318 f.

50

Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Übers. von

Walter Seitter, Frankfurt a. M. 1977, S. 23, 29.

51

Ebd., S. 28.

52

Büchner, Lenz, in: Münchner Ausgabe (s. Anm.

1

), S. 135–158, hier S. 144.

53

Vgl. Dolf Sternberger, Panorama oder Ansichten vom 19. Jahrhundert (1938),

Frankfurt a. M. 1974, S. 122–141 [»Das Höhere«].

54

Siehe Theo Elm, »Georg Büchner und Leopold Ranke. Poetische und historische

Erkenntnis der Geschichte«, in: Hermenautik – Hermeneutik. Literarische und
geisteswissenschaftliche Beiträge zu Ehren von Peter Horst Neumann
, hrsg. von
Holger Helbig [u. a.], Würzburg 1996, S. 163–178.

55

Büchner, Über Schädelnerven, in: Münchner Ausgabe (s. Anm.

1

), S. 260

56

»Über den Selbstmord. Eine Rezension«, in: Münchner Ausgabe (s. Anm.

1

), S. 34–

38.

57

Siehe jedoch Udo Roth, »Das Forschungsprogramm des Doktors in Georg Büchners

Woyzeck unter besonderer Berücksichtigung von H 2,6«, in: Georg Büchner Jahrbuch
8 (1990–94), S. 254–278.

58

Handschrift H 4, Münchner Ausgabe (s. Anm.

1

), S. 214.

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59

Historie: Brief vom 28. Juli 1835 (s. Anm.

1

); Wissenschaft: Über Schädelnerven, in:

Münchner Ausgabe (s. Anm.

1

), S. 259–261; Kunst: Lenz, in: ebd., S. 144 f.

60

Hingewiesen sei hier erneut auf die vorzügliche Woyzeck-Deutung von Albert Meier

(s. Anm.

10

), S. 58–64.

61

Siehe etwa das Augenmotiv in der Budenszene, S. 237 f., oder den Absurditätseffekt

durch die Parallelisierung von Maries Bibellektüre und der Idiotenrede, S. 249 f.

62

Vgl. Werner R. Lehmann, »Repliken. Beiträge zu einem Streitgespräch über den

Woyzeck«, in: Euphorion 65 (1971), S. 58–83.

63

Siehe Hinderer (s. Anm.

46

), S. 247, und Bornscheuer (s. Anm.

25

), S. 20 f.

64

Nietzsche (s. Anm.

20

), Bd. 3, S. 678 [»Hinfall der kosmologischen Werte«].

65

Siehe in seinen Spinoza-Studien: Georg Büchner (s. Anm.

28

), Bd. 2, S. 239 f. und

289 f.

66

Über Schädelnerven, in: Münchner Ausgabe (s. Anm.

1

), S. 260.

67

Nipperdey (s. Anm.

4

), S. 212. – Wehler (s. Anm.

3

), S. 54–64.

68

Nipperdey (s. Anm.

4

), S. 218.

69

Vgl. Bornscheuer (s. Anm.

25

), S. 18.

© 1997, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.

Erstdruck: Interpretationen. Dramen des 19. Jahrhunderts. Stuttgart: Reclam, 1997.
(Reclams Universal-Bibliothek. 9631.) S. 141–171.


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