Apache Cochise 14 Das letzte Wasserloch

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John Montana

Das letzte Wasserloch

Apache Cochise

Band Nr. 14

Version 1.0

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Prolog

Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder.
Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder
früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen.

Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von

Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen
erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete
Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch
veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine
erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht
begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten
Rasse führten. Man kann sagen, die damaligen Weißen und
Mexikaner waren alles andere als weitblickend, eher nur von
einer hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines
Panthers glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der
Indianer eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für
einen Apachen-Skalp.

Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer

mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur
und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder
bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des
Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«? Mitnichten.
Zum Teil gab es vorausschauende und mitfühlende Männer in
der Army, die aber wegen ihrer »Humanitätsduselei« nicht zu
Wort gelangten, aber den Untergang der roten Rasse
voraussagten und mit den Indianern fühlten.

Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuer-

und beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest
steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von
vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die
Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung

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abgetan wird.

Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden

Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur
schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen
vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den
Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische
Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung
trieb, nicht mit ansehen muß.

Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die

Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft,
ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos
im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen
Arizonas.

Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet?

Sicherlich nicht, denn kein nomadisierendes Volk in Europa,
Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden.
Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren
Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den
Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen
werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden
in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum
Leben brauchten. Zu allen Zeiten war daher für die Apachen
die Welt noch in Ordnung. Erst ah der weiße Mann mit seinen
überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten
Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich
das große graue Leichentuch über die Stämme und
Sippenverbände.

Ganz bestimmt wäre vor WO und mehr Jahren

möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den
Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger
Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments
gegen die rote Rasse gewesen wäre. Es hat nicht an
klardenkenden und verantwortungsbewußten Leuten
gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im

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Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu
ihrem Recht zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe dieser
Einleitung, anzuklagen und zu richten, denn niemand von uns
kann sagen, daß er es womöglich hätte besser machen können.
Sie alle in der damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren
Kinder einer harten und erbarmungslosen Epoche, und sie
waren Bewohner einer rauhen Umwelt.

Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen

Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter
authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in
Romanform, für den deutschen Sprachraum noch nicht oder
nur in Kurzform gebracht wurde. Die guten und schlechten
Weißen, die anständigen Apachen und die grausamen, tauchen
namentlich in der Story auf und geben der Geschichte einen
dramatischen, wenn auch makabren Hintergrund.

Ihr Martin Kelter Verlag.

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***

Als Corporal Critten seinem Zugführer, Lieutenant Braham,
den Faustschlag an den Schädel versetzt hatte, wurde ihm
bewußt, den größten Fehler seiner militärischen Laufbahn
begangen zu haben, denn Braham war Offizier – wenn auch
ohne Qualitäten – und er – Critten – ein simpler Kavallerist,
natürlich mit den nötigen Kampferfahrungen.

»Mist!« brummte er nur und rieb die Hand, als Braham wie

ein gefällter Baum hinfiel. Diese Sache brachte ihn vors
Kriegsgericht.

Aber er hatte die ewigen Schikanen dieses Offiziers einfach

satt. Wer seit Wochen durch flammende Hitze reiten und
Brahams Querelen ertragen mußte, mußte einfach mal
durchdrehen. Ihre Patrouille war vor einem Monat von Fort
Thomas aus in Marsch gesetzt worden, um mit einer Einheit
aus Fort Husache mexikanische Grenzdesperados aufzuspüren,
die Gerüchten nach Waffen ins Territorium schmuggelten.

Brahams wesentliche Aufgabe beschränkte sich darin, das

Gesindel aufzuspüren und in sicherem Abstand zu verfolgen,
um jene geheimnisvollen Stellen zu finden, wo diese Waffen
verschwinden sollten.

Das ganze Unternehmen war ein Fehlschlag.
Das war wohl auch der Grund des ehrgeizigen Offiziers,

seine schlechten Launen an den Soldaten abzureagieren.
Während der ganzen Zeit war er gereizt und provozierend,
zeigte eine Strenge, die nicht zu altgedienten Kämpfern im
Grenzland paßte, denn schon die Wüste allein war eine
Herausforderung, und der Feuerball, der von Sonnenauf- bis
Sonnenuntergang unbarmherzig seine Strahlen zur Erde
schickte, eine Qual.

Crittens berechtigter Zorn verflog, während er den

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niedergeschlagenen Lieutenant betrachtete, der sich zu regen
begann.

Braham sorgte bestimmt dafür, daß seine Ehre

wiederhergestellt wurde. Das hieß im Klartext: Colonel
Higgins beantragte ein Kriegsgerichtsverfahren, und der
Corporal – Sam Critten – endete vor den Läufen eines
Exekutionskommandos.

Critten spie seine Verachtung in den Sand. Er hatte die

Dienstvorschriften der Armee und ihre einzelnen Paragraphen
bereits gekannt, ehe ihm eine Uniform verpaßt worden war.
Das lag vier Jahre zurück.

Nach dem Zorn kam nun die Angst.
Critten wandte sich zur Flucht. Er sprang über das

flackernde, niederbrennende Feuer und eilte zum Seilcorral
zwischen vier Skelettbäumen. Mittendrin standen ihre Pferde.

Während er dahinjagte, ging es Critten durch den Kopf:

wenn Braham mich schon des Diebstahls von Wasservorräten
und anderen bezichtigt, kann er mich auch einen Plünderer und
Pferdedieb nennen.

Im Laufen ergriff er einen von jenen Karabinern, die als

»Pyramide« zusammenstanden, und erreichte fast den
Seilcorral, als Brahams wütende Stimme hinter ihm her
schallte und die ganze Mannschaft in Bewegung brachte.

»Stoppt den Mann!« schrie der Offizier mit sich

überschlagender Stimme. »Schießt ihn nieder!«

Critten erreichte die Pferde, nahm in großer Hast sein

Messer, das im Schaft des Stiefels steckte, um die Lassos zu
durchschneiden.

Da tauchten plötzlich seitlich aus der sandigen Böschung drei

Gestalten auf, die ihre Springfields auf ihn richteten.

»Du bist der dümmste Soldat, der mir je begegnet ist«,

grollte Sergeant Harper wütend, weil er aus der Ferne die
Auseinandersetzung zwischen Critten und seinem Vorgesetzten
verfolgt hatte.

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»Er könnte mich hundertmal des Diebstahls bezichtigen. Er

würde es nicht schaffen, daß ich auch nur mit der Wimper
zucke. Laß das Messer fallen, und dann die Flossen über
deinen verdammten Strohkopf, Critten.«

Der Corporal preßte die Lippen aufeinander. Er sah ihre

Gesichter, in denen Mitleid stand, aber auch der Wille,
Lieutenant Brahams Befehl nachzukommen.

Er dachte aber auch an die Folgen seiner Handlung, die ihn

vor das Füsilierkommando des Forts bringen mußte.

Sergeant Harper merkte, wie Crittens Körper

zusammensackte und seine Muskeln sich spannten. Er war ein
erfahrener Soldat und Indianerkämpfer.

Mit einer kurzen Bewegung schwenkte er seine Springfield

und schlug mit der Mündung zielsicher zu.

»Verdammter Idiot«, brummte der bärtige Sergeant, während

er seine Begleiter anbrüllte: »Legt ihm Riemen an, ehe er
wieder da ist!«

Lieutenant Braham preschte heran. Er war ein junger

Offizier, von West Point in die windigste Ecke des
Territoriums versetzt, kaum reif für den Fronteinsatz und
unerfahren im Umgang mit alten Kämpen, die den Drill der
Rekrutenlager längst vergessen hatten, die aber wußten, wie
man gegen rebellierende Chiricahua-Krieger sein Leben zu
verteidigen hatte.

Der alte Sergeant spürte, daß der Lieutenant den Gefangenen

anspringen wollte. Breitbeinig versperrte er ihm den Weg.

»Ich hoffe, Sir, Sie vergessen das Reglement nicht. Sie sind

Offizier und sollten dem Soldaten als Vorbild dienen.«

Das war eine deutliche Maßregelung, die Harper nicht

zustand.

Braham errötete, aber er beherrschte sich.
»Sie stehen auf seiner Seite, Sergeant?«
Spöttisches Leuchten stieg in Tom Harpers graue Augen. Er

mochte diesen eingebildeten Typ aus West Point nicht.

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»Ich bin seit zwanzig Jahren Soldat, Sir. Disziplin steckt tief

verwurzelt in meinen Knochen. Deshalb verurteile ich Corporal
Crittens Handlung.«

Ein halbes Dutzend Soldaten stand nahe dem Feuer und hörte

die Unterhaltung. Braham sah ihr verstecktes Grinsen und
sagte sich, daß er der Diensterfahrung Sergeant Harpers nicht
viel entgegensetzen konnte.

»Sie sind mir für seinen Kopf verantwortlich, Sergeant«,

fauchte Braham und wandte sich ab.

Und für deinen Arsch, dachte Harper wütend, ehe er sich an

die beiden Soldaten wandte.

»Green, Hudson, bringt ihn rüber in den Schatten der

Mesquitesträucher! Wir brechen bald auf.«

*

John Haggerty, der einige Wochen die Dragoon Mountains
durchstreift hatte, um Cochises versteckte Apacheria
aufzuspüren, kehrte in General Howards Zeltbiwak zurück.

Seine Kleidung war schmutzig vom roten Staub der Mesa,

sein Gaul lahmte, und als er vor dem quadratischen
Offizierszelt aus dem Sattel rutschte, spürte er seine Knochen
nicht.

General Howard schien ihn bereits erwartet zu haben, denn

noch ehe sein Chiefscout eintreten konnte, schlug er die Plane
zurück und trat aus dem Zelt.

»Mr. Haggerty«, sagte Howard und strich sich über den

Armstumpf. »Sie sehen aus wie ein abgehalfterter Dragoner.
Nehmen Sie erst einmal ein Bad im Creek, und stecken Sie sich
etwas Kräftigendes in die Rippen, dann kommen Sie zum
Rapport. Ihren Gaul soll einer der Soldaten versorgen.«

»Mein Pferd und ich, Sir, sind eins«, entgegnete Haggerty,

während sein Lächeln die staubige Maske seines Gesichts
aufriß. »Er hat ein Bad genauso nötig wie ich.«

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General Howard, seit vielen Monaten auf verlorenem Posten

im Territorium Arizona, blickte nachdenklich hinter seinem
Scout her, der im Lieutenant-Rang stand. Er mochte den
Burschen wegen seines Mutes und seiner Unbekümmertheit,
und er war neugierig, was Haggerty da draußen erfahren hatte.

Cochise machte ihm Sorgen. Und nicht nur der Häuptling

allein, denn seitdem er wußte, daß sich die Chiricahuas und
Cochise als deren Häuptling, mit dem Mimbrenjo-Jefe Victorio
zusammengetan hatten, wurde ihm bewußt, daß seine
Bemühungen um den Frieden zwischen weißen Siedlern und
roten Ureinwohnern aussichtsloser denn je waren.

John Haggerty kam nach einer Stunde, frisch rasiert und

sauber gewaschen. Selbst sein Hirschlederhemd hatte er im
Bad gereinigt.

General Howard deutete zum Tisch, auf dem zwischen

ausgebreiteten Stabskarten eine Whiskyflasche und Gläser
standen.

»Bedienen Sie sich, John. Und fangen Sie mit Ihrem Bericht

an. Ich zerplatze vor Ungeduld.«

John nahm einen großen Schluck, wischte die Tropfen aus

den Mundwinkeln, ehe er zu sprechen begann.

»Ich bringe weder gute noch schlechte Nachrichten von

Cochise. Die Chiricahuas und die Mimbrenjos sind spurlos in
den Dragoon Mountains untergetaucht. Nicht die geringste
Spur konnte ich von ihnen finden, und ihre Ruhe beunruhigt
mich, Sir, denn es ist nicht die Apachenart, sich wie
Erdhörnchen zu verkriechen.«

General Howard rauchte eine seiner schwarzen

Lieblingszigarillos, während sein gesunder Arm über die Karte
fuhr.

»Zwei Stämme mit Kriegern, Greisen, Frauen und Kindern

können sich nicht in Luft auflösen, John. Sie brauchen ein
großes Tal, in dem sie leben. Vorräte, um überleben zu können,
und Wasser.«

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»Die Dragoons sind voll von versteckten Talkesseln, die

Berge spenden unbeschränkt Wasser. Ihre Vorräte müssen sie
vor langer Zeit angelegt haben. Ich habe ihre alte Bergfeste am
Apachen-Paß aufgesucht, bin hoch in die Berge gestiegen,
dorthin, wo sie mich im letzten Herbst gefangenhielten. Ich
habe wochenlang allein und mit Colonel Brighams Patrouillen
aus Fort Buchanan jeden Schlupfwinkel durchforscht –
erfolglos. Selbst im San Carlos Reservat und in Fort Thomas
habe ich Nachforschungen betrieben. Aber auch dort gibt es
nichts zu berichten, das auf Cochises Bergfeste Schlüsse ziehen
läßt. Das einzige, was Colonel Higgins zu berichten wußte,
waren aktive Grenzbewegungen nach Mexiko und Gerüchte
der Art, daß mexikanische Rebellen und Rurales-Einheiten
miteinander konspirieren und auf verschwiegenen Pfaden
Waffen und Munition in Arizona einfließen. Es ist schwer
erkennbar, wo die Wahrheit beginnt und die Phantasie endet.«

»Könnte es etwas mit Cochise zu tun haben?« fragte der

Offizier. »Vielleicht kauft der Waffen für einen Aufstand.«

»Kann ich mir nicht vorstellen.« John Haggerty schüttelte

den Kopf. »Apachen und Mexikaner sind seit jeher Todfeinde.
Ihr Haß und ihre Abneigung zeigen sich mit jeder Begegnung.
Schon Colonel Terrazas Absicht, Chiricahuas und Mimbrenjos
im Canyon der Gauner zu stellen und zu vernichten, beweist
deutlich, wie abgrundtief die Gefühle eines Mexikaners sind.«

General Howard schwieg lange. Sein Blick war starr auf das

Kartenblatt gerichtet. Er studierte die Lage der Dragoon und
der Chiricahua Mountains, Fort Buchanan unweit des
Apachen-Passes, um das in den letzten Jahren stürmische
Kämpfe getobt hatten, und auf Fort Thomas, tief im Süden,
nahe der mexikanischen Grenze gelegen.

»Man sollte diesen Gerüchten nachgehen, John«, sagte er

schließlich zögernd. »Vielleicht steckt ein Funken Wahrheit
darin, denn um seine Ziele zu verfolgen, John, könnte auch
Cochise seine Urinstinkte vergessen.«

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»Sie meinen, Sir...«
Howard nickte. »Wir sollten in Fort Thomas mit weiteren

Nachforschungen beginnen und herausfinden, was Gerücht und
was Wahrheit ist. Vielleicht stoßen wir so auf Cochises Spur
und können zu ihm Verbindung aufnehmen.«

Haggerty lächelte.
»Sie wollen nach all den zurückliegenden Vorgängen noch

immer nicht von ihrer Friedensmission abgehen, Sir?«

»Ich werde nie aufgeben, John, denn ich denke an all die

unschuldigen Menschen und das Blut, das eine solche
Erhebung mitbringt. Ich hoffe, Sie teilen meine Meinung.«

Haggerty dachte an »Lion« Freeman und dessen Frontier

Bataillon in Tombstone. Diese Männer hatten zur Verhärtung
der Fronten einiges beigetragen und Häuptling Cochise
möglicherweise veranlaßt, sich mit seinem Feind Victorio zu
versöhnen. Cochise befehligte inzwischen eine Streitmacht, die
nicht zu übersehen war. Sie auf die Siedler loszulassen, mußte
im blutigen Chaos enden.

»Wenn Sie gestatten, Sir, werde ich morgen früh

aufbrechen.«

General Howard nickte zufrieden.
»Ich wußte, auf meinen Chiefscout ist Verlaß.«

*

Der Pedlar Sinclair, ein undurchsichtiger Franzose, der mit
seinem rollenden Kaufladen weit auseinanderliegende Ranches
abklapperte, um mit den Siedlern Geschäfte zu machen, schien
die Begegnung mit der Armeepatrouille unangenehm zu
finden, denn als er die Reitertruppe in der Senke, die zwischen
Trapplewhite, Husache und Organos lag, entdeckte, wollte er,
einem inneren Impuls folgend, umkehren. Doch mit dem
gleichen Gedanken bewegte sich der Reiterposten der
Patrouille den Hang hoch und ritt ihm entgegen.

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»Hallo!« rief Sinclair und schob seinen verknautschten

Zylinder tiefer ins Gesicht. »Man trifft heute nur noch selten
Uniformen in den Plains. Die meisten sind im Bürgerkrieg.«

»Ebenso selten, wie man reisenden Kaufleuten begegnet«,

sagte Soldat Green und deutete zum Feuer. »Wenn Sie für die
Nacht Schutz suchen, kommen Sie ins Lager.«

Der Pedlar lockerte die Zügel. Als er den Wagen in den

Schutz der Organos abstellte und ächzend vom Bock stieg, sah
er den jungen Mann in Uniform, der in der Nähe des Biwaks an
einem Skelettbaum gefesselt war.

Lieutenant Braham musterte den Fremden mißtrauisch, doch

als Sinclair den Soldaten Tabak und eine Flasche Brandy anbot
und sich als Kaufmann vorstellte, wich dieses Mißtrauen.

»Ein Mann, der weit herumkommt, Mr. Sinclair«, begann der

Offizier die Unterhaltung, als der Hausierer sich am Feuer
niederließ, »wird manches Interessante sehen und hören. Und
sicher kennt er auch die einsamen Wege durch die Sierra
Madre.«

»Sie meinen die Schmugglerpfade der Rebellen?« Sinclair

lächelte. »Davon hörte ich, Lieutenant, aber so tief im Süden
liegt nicht mein Gebiet, daß ich darüber Auskunft geben
könnte. Ich versorge die Farmer im Land, die Behörden und
auch kleinere Stammesgruppen der San Carlos Reservation mit
Lebensmitteln und sonstigen Gütern.« Dabei deutete er auf
seinen Trödlerwagen, der ringsum mit Pfannen, Kesseln und
Tonnen behangen war. »Jetzt bin ich gerade auf dem Weg zur
Reservation, um einige Geschäfte zu tätigen. Vielleicht haben
wir dieselbe Richtung.«

Braham erklärte dem späten Gast treuherzig von seiner

Aufgabe und dem Mißerfolg, was Sinclair äußerst bedauerte.
Er erfuhr nun auch, warum der Soldat gefesselt war.

Bei Einbruch der Dunkelheit bestimmte Braham die

Reihenfolge der Wachen und legte sich nieder.

Sinclair suchte sich einen Platz nahe der ausgedörrten

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Bäume. Die Sonne verlor mit letztem funkelndem Glanz ihre
Kraft und verschwand hinter dem großen Gebirge. Dunkelheit
zog aus den Plains und legte sich wie ein Tuch über das Land.

Sinclair lag mit offenen Augen unter seinem Wagen. Er

registrierte, daß es im Lager ruhig wurde. Nur noch die Schritte
der Doppelposten waren zu hören. Der Lieutenant ist ein
leichtsinniger Offizier oder unerfahren in einem Land, in dem
Unruhen herrschen und ein Chiricahuapfeil oder die Kriegsaxt
schneller sein kann als ein Atemzug, dachte Sinclair.

Gegen Mitternacht, als er sicher war, daß alles schlief,

näherte er sich lautlos dem Gefangenen.

»Sie werden dich in Fort Thomas hängen, Soldat«, raunte er

dem Bedauernswerten zu. »Ich kenne die Dienstvorschriften
der Armee. Aber vielleicht könnte ich dir behilflich sein.«

»Warum?« fragte Critten. Nur undeutlich sah er die

Konturen des Hausierers.

»Als Menschenfreund. Vielleicht auch, weil ich alles Tote

hasse.«

Corporal Sam Critten schüttelte den Kopf.
»Wenn Sie mir helfen wollen, gleich aus welchen Motiven,

schneiden Sie mir die verdammten Stricke durch. Zu den
Pferden werde ich schon finden.«

Der Pedlar schien zu lächeln.
»Das wäre zu gefährlich für mich, Soldat, denn mich würden

sie bestimmt zuerst verdächtigen, weil ich hier im Lager fremd
bin. Ich werde dir ein Messer zustecken, wenn du mir
versprichst, die Flucht auf morgen zu verlegen. Und als Beweis
dafür, daß ich es gut mit dir meine, gebe ich dir noch einen
Tip: versuche dein Glück in Nogales. In Tanners Saloon wirst
du einen Mann namens Ramon Vaquence treffen. Ein Ladino.
Er wird dir weiterhelfen, wenn du dich auf den Pedlar berufst.«

Critten, als Soldat ständig auf der Hut und mißtrauisch,

neigte den Kopf, als Sinclair ihm ein Messer mit schmaler
Klinge zuspielte. »Warum tust du das?« fragte er deshalb noch

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einmal.

Er bekam keine Antwort. Sinclair hatte sich zurückgezogen,

denn in der Nähe klangen Schritte auf. Einer der Posten
kontrollierte den Gefangenen.

*

Am Morgen brach der Franzose früh auf. Noch ehe die
Blauröcke ihren Schlaf abschütteln konnten, hatte er sein Pferd
vor den Karren gespannt und zog den Hang hinauf in die Mesa.

Lieutenant Braham formierte seine Abteilung zum

Abmarsch. Als sie über die Hügel ritten, sah er in der Ferne
den grauen Schatten des Pedlarwagens zwischen den Caps der
Chiricahua Mountains.

Bald hatte er ihn vergessen.
Gegen Mittag – sie rasteten im Schatten der Felsen – wagte

Corporal Critten den Fluchtversuch. Er lag in einer Felsspalte
und bemühte sich, die Messerschneide zwischen die starke
Seilfesselung zu schieben.

Seine ehemaligen Freunde saßen nicht weit von ihm auf

ausgewaschenem Stein oder lagen erschöpft am Boden.

Auf Crittens Haut vermischten sich Schweiß und Staub, und

mehrmals drang die scharfe Spitze des Messers in seine Haut.
Aber er gab nicht auf, denn in Fort Thomas erwartete ihn eine
Kugel. Und bis dahin waren es noch zweieinhalb Tagesritte.

Er spürte, wie Faser um Faser zerriß, und nach letzten

Anstrengungen sprengte er die Fessel.

Der Corporal blieb ruhig liegen. Er wußte, daß Ruhe und

Beharrlichkeit Soldatentugenden waren und erst das Terrain
sondiert werden mußte, ehe man zu Aktionen überging.

Lieutenant Braham lag keine sieben Yards entfernt, abseits

seines Kommandos. Die Pferde standen in einer Felskluft,
geschützt vor den sengenden Sonnenstrahlen.

Niemand beachtete Critten, der sich nun lautlos erhob und zu

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Braham hinüberkroch. Lieutenant Braham bemerkte seinen
Gefangenen erst, als der ihm die Klinge des Messers an die
Kehle setzte.

»Keinen Laut, Lieutenant!« zischelte Critten. »Eine dumme

Bewegung, und Sie werden in die Hölle fahren! Wohin Sie
übrigens die ganze Schwadron wünscht...«, fügte er hämisch
hinzu.

Der Offizier sah die Entschlossenheit in Crittens Gesicht.
»Sie machen Ihre Sache immer schlimmer, Corporal«,

flüsterte Braham heiser.

»Schlimmer als die Kugel wäre nur der Strick, Lieutenant.

Aber den verwendet die Armee nicht. Stehen Sie langsam auf.
Wir gehen zu den Pferden.«

Critten zog Brahams Armeerevolver aus dem Halfter.
Braham juckte es in den Fäusten, doch bei aller

Unerfahrenheit begriff er den Ernst der Lage. Es war nicht
nötig, daß er sich in Gefahr brachte, denn seine Leute würden
den Deserteur aus dem Sattel holen, bevor er außer Schußweite
war.

Sie erreichten die Pferde. Critten befahl:
»Legen Sie dem Gescheckten den Sattel auf!«
Es war ein struppiger Pinto, der Tom Harper gehörte, den er

zur Flucht wählte.

»Der Sergeant wird es Ihnen nicht vergessen, Critten«, sagte

der Lieutenant und folgte Crittens Aufforderung.

»Zur Meuterei kommt nun noch Desertation und Diebstahl

von Armeegut hinzu. Lohnt es sich?«

»Es lohnt sich immer zu leben.«
Critten prüfte den Halt der Sattelgurte, und dann schwang er

sich aufs Pferd, stieß dem Offizier die Stiefelspitze vor die
Brust und durchtrennte mit einem einzigen Schnitt das Seil.

»Jippee!« schrie er und drückte dem Gescheckten die Sporen

in die Flanken, wedelte zugleich mit dem Hut, was wiederum
die Pferde aufschreckte. Das ganze Rudel kam in Bewegung

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und galoppierte ins Freie.

Sam Critten war ein guter Reiter. Er hing seitlich im Bügel

und bot dadurch kein Ziel und hörte trotz des Lärms Brahams
gellende Stimme.

Vereinzelte Schüsse fielen, die aber bald verstummten, weil

die Pferdeleiber den Flüchtigen verdeckten.

»Der Bastard!« fluchte Sergeant Tom Harper, als er sah,

wessen Pferd Critten ritt. »Er hat den besten Gaul der Armee
erwischt. Los, Leute, versucht eure Pferde einzufangen! Aber
laßt euch Zeit.«

Harper hegte noch immer Sympathien für den Mann, der sein

Pferd gestohlen hatte, und ließ es auch erkennen. In Crittens
schwieriger Lage hätte er nicht anders gehandelt.

Als die Pferde zusammengetrieben waren und sie zu satteln

begannen, brummte Lieutenant Braham etwas über die Zeit, die
sie verloren hatten.

Sergeant Harper aber sagte ruhig:
»Das ist vergebliche Mühe, den Corporal zu verfolgen, Sir.

Er hat einen Vorsprung, der nicht mehr einzuholen ist.
Außerdem reitet er meinen Pinto.«

Sam Critten war nur noch als winziger Punkt in der Wüste

auszumachen. Sein Weg führte schnurgerade in südlicher
Richtung, in die Berge.

Flinke Gestalten krochen durch zerklüftete Felsen. Lautlos,

mit behenden Bewegungen, näherten sie sich der
Schluchtsohle, auf der einsam ein Planwagen stand.

Hin und wieder blitzten ihre Tomahawks oder Lanzen in der

Sonne.

Beobachtungen, die Rene Sinclair mit gemischten Gefühlen

machte, denn dies war seine zweite gefährliche Begegnung mit
Apachen.

Aber er kam nicht als ihr Feind.
Sein Pferd schien das Fremde zu wittern. Die Ausdünstung

des alten Mannes. Es stampfte unruhig mit den Hufen, wieherte

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und prustete.

Der Franzose hatte sich vom Lagerplatz erhoben und hielt

nun als Geste der Freundschaft beide Arme über dem Kopf
verschränkt.

Noch sahen die Chiricahuas ihn nicht. Aber er verließ sich

auf Chatos Wort, das der Häuptling ihm bei der ersten
Begegnung gegeben hatte. Er kam nicht mit leeren Händen.

Nun lösten sich ihre bronzefarbenen Körper vom rauhen

Gestein, sprangen federnd vom Fels und umstellten Wagen und
Reiter. Ihre Gesichter waren bunt bemalt, aber sie trugen keine
geflochtenen Zöpfe, wie die Krieger, wenn sie kämpfen
wollten, weit ausgeschnittene Kalicohemden, derbe Hosen und
Wüstenmokassins. Ihre Hände waren in Bewegung, und ihre
selbstgefertigten Waffen warfen Reflexe auf den kahlen Fels.

Die lauernden Blicke der Indianer erzeugten in Sinclair

Unbehagen. Als einige von ihnen auf den Wagen sprangen und
die Plane zurückschlagen wollten, sah Sinclair Chato auf dem
Fels stehen. Der Häuptling hatte seine Arme ausgebreitet und
stieß kehlige Laute aus, die wohl Befehle sein mochten, denn
die Krieger sprangen sofort vom Fahrzeug.

Chato schritt über den kahlen Fels, bis er den weißen Mann

erreichte. Er hob seine linke Hand zum Gruß, ohne Sinclairs
Rechte zu drücken, die sich ihm entgegenstreckte.

Ein stolzer, aufrechter Chiricahua.
»Du hast gehalten dein Wort?« fragte Chato im

Kauderwelsch und scheuchte zugleich einige Neugierige im
Athabaskendialekt zurück. »Du Waffen, wie besprochen?
Schnelle, gute Gewehre für Apachenkrieger?«

Der Franzose nickte. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut,

und er wußte nicht, wie die Rothaut reagierte, wenn er die
Gewehre übergeben hatte.

»Und du, Chato, hast du das gelbe Metall?«
Der Häuptling verzog das Gesicht. Er kannte die Bedeutung

des Goldes für den weißen Eindringling, ohne darin einen Sinn

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zu sehen. Chato wußte, daß die Bleichgesichter sich wegen
dieses gelben Staubs gegenseitig umbrachten.

Er nickte.
»Cochise wird zeigen dir, wenn du ihm gezeigt hast die

Waffen.«

Cochise – ein Name, der wie das Unheil durch das Land zog,

und jeden weißen Siedler zutiefst erschreckte. Selbst Sinclair
war es dabei mulmig zumute.

»Wir beide haben das Geschäft vereinbart, Chato«,

protestierte der Franzose heftig.

»Cochise ist unser oberster Häuptling. Er bestimmt, was

deine Waffen wert sind. Komm jetzt!«

Chato gab ein Zeichen, worauf drei Krieger die Pferde

anspannten und sich auf den Bock setzten. Chato sah Sinclairs
mißtrauischen Blick.

»Sie lenken den Wagen sicher durch die Steilschluchten der

Chiricahuas. Du nimmst dir eines ihrer Pferde.«

In den folgenden Stunden bis zum Einbruch der Dämmerung,

in denen Sinclair Chatos Pinto folgte, waren der Wagen und
auch seine Krieger spurlos verschwunden. Aber er spürte, daß
sie in der Nähe waren.

Der Weg führte über Engpässe und Steilhänge, an

schwindelnden Abgründen vorbei, immer tiefer in die Berge.

*

Mit der Dunkelheit erreichten sie ein flaches Hochplateau am
Fuß des Mammutornaments eines verwitterten Felsgebildes.
Hier zügelte Chato seinen Pinto, nahm die Decke und breitete
sie am Boden aus.

»Wir wollen warten«, bestimmte der Häuptling.
Auch Sinclair setzte sich nieder. »Wie lange?«
Chato schwieg.
Sein Blick berührte den blauen sternenbedeckten Zenit, und

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er schien in ein Gebet versunken. Stunde um Stunde verging,
bis Sinclair das ferne Knarren von Achsen hörte. Sein Wagen
kam durch die Schlucht.

Zur gleichen Zeit trabten von der Höhe des Felsens einige

Reiter, deren Körper nur als undeutliche Konturen zu erkennen
waren. Aber Sinclair ahnte, daß er bald dem mächtigen
Kriegshäuptling der Apachen gegenübertreten würde.

Chato hatte sich erhoben, sammelte dürre Äste einer

Krüppelkiefer und begann mit einem gespannten Bogen und
einem Stück Holz Funken zu schlagen.

Als das Feuer aufflackerte, hatte die Reitergruppe im Osten

das Plateau erreicht und scharte sich um die Flammen. Von
Süden her trabte der vermißte Clan Chatos mit dem Planer
heran.

Der hochgewachsene, starkknochige Mann am Feuer, der

ständig zu Sinclair herüberblickte, schien ihn zu beobachten.
Auf ein Zeichen von ihm deutete Chato auf Sinclair.

»Der Jefe möchte dich sprechen.«
Flinke Hände hatten die Planen vom Wagen gezogen und die

Planken geöffnet. Sie trugen in Felle gewickelte Bündel, die sie
auf dem Platz vor dem Feuer ablegten.

Sinclair erkannte seine Gewehre.
Nun stand der Franzose vor dem Häuptling. Ein stattlicher

und kräftiger Typ mit kühner Adlernase und einem kalten,
unpersönlichen Blick.

»Zeig her!« befahl Cochise und deutete auf die

Waffenbündel.

Sinclairs Herz begann zu klopfen, als er sich niederbeugte.

Er wußte, daß er alte Vorderlader mitführte,
Steinschloßgewehre und einige rostige Sharps, aber er hoffte,
daß Cochise mit dem Geschäft zufrieden war. Denn Waffen
sind Waffen, gleich, ob sie schnell schießen oder umständlich
geladen werden müssen.

Vorsichtig schob er die Felle zurück.

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Er merkte, wie ein Dutzend Mokassinstiefel ihn einengten,

und richtete sich auf.

Einer der Krieger reichte Cochise eine Fackel.
Der Häuptling zeigte Unmut, als er die alten Waffen sah.

Mißbilligend schüttelte er den Kopf.

»Es sind nicht die Gewehre, die Chato gefordert hat.«
»Aber es sind alle Gewehre, die ich bekommen konnte,

Häuptling«, verteidigte sich der Franzose.

Cochise machte eine herrische Bewegung. Er hielt ein

Repetiergewehr, eine Henry 44, in der Faust, die er dem
Händler hinhielt.

»Das sind solche Gewehre, wie ich sie wünsche. Deine

brechen meinen Kriegern beim ersten Schuß die Arme.«

Sinclair betrachtete das Schnellfeuergewehr in Cochises

Faust.

»Es wird schwierig sein, sie zu beschaffen, Häuptling. Um

sie zu kaufen, müßte ich sie mit gelbem Metall aufwiegen.«

»Dann wirst du genügend gelbes Metall bekommen, um sie

zu kaufen«, konterte der berühmte Apache. »Dies hier«, sein
gestreckter Arm deutete auf Sinclairs Waffenarsenal, »ist keine
Handvoll Goldstaub wert. Ich werde es dir trotzdem zahlen.«

Cochise beugte sich vor und riß die Fellbündel auf. Er prüfte

eine der rostigen Sharps, alte Trommelrevolver und
Vorderlader. Erst der Anblick dreier Fässer Preßpulver schien
ihn zu besänftigen, denn ein Lächeln huschte über die herben
Züge.

»Das ist es, was ich wünsche. Und Gewehre, viele gute

Gewehre – zwanzig, fünfzig – und die dazugehörige Munition,
Bleichgesicht.«

Er zeigte auf die ausgebreitete Decke und deutete an, daß er

über das Geschäft palavern wollte, wie es bei den Apachen
üblich war.

Cochise sprach fast eine Stunde, und Sinclair bekam

schließlich klare Vorstellungen von dem Geschäft, das dem

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Häuptling vorschwebte.

Als Chato auf Cochises Ruf hin zwei Lederbeutel vor

Sinclairs Füße warf, jubelte sein Herz. Er wog sie mit den
Händen, als Cochise sagte:

»Du wirst viermal so viel bekommen, wenn du meine

Forderungen erfüllst: fünfzig Gewehre, tausend Schuß
Munition für zehn Beutel Gold. Möge sich unser Handel in
dieser Folge fortsetzen und gedeihen. Du siehst, Cochise
spricht ohne gespaltene Zunge. Er macht dich zu einem reichen
Mann.«

Der Jefe stand auf, gab ein Zeichen, und seine Reiter

formierten sich. Als sie in der Dunkelheit verschwanden,
lagerte nur noch Chatos Anhang am Feuer.

Sinclair hob einen der prallen Lederbeutel. Sie mochten

etliche Unzen Gold enthalten, ein Vermögen. Aber Sinclairs
Gier war geweckt. Die Macht des Goldes hatte ihn berauscht.

»Dein großer Häuptling soll mit mir zufrieden sein.«
Chato nickte. Er mochte den Händler nicht, aber die Apachen

waren auf ihn angewiesen.

»Nimm deine Decken und schlafe. Meine Krieger bringen

dich morgen ins Tal zurück.«

In dieser Nacht schlief Rene Sinclair unruhig. Der Traum

vom Reichtum drang in sein Unterbewußtsein und ließ ihn
nicht wieder los.

*

John Haggertys Weg führte durch den Apachen-Paß. Wie
immer, wenn er an Buchanan vorbeikam, blieb er Gast im Fort.

Colonel Brigham hatte keine neuen Nachrichten.
»Die Apachen scheinen sich aufgelöst zu haben wie ein

Stück Eis in der Sonne, John«, berichtete der Kommandant
sorgenvoll. »Es bedeutet nichts Gutes, wenn ich an den
Aufruhr denke, den es im letzten Jahr gab. Niemand behindert

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die Reisenden nach Tucson. Butterfields Kutschen erreichen
ihr Ziel, und unsere Patrouillen stoßen in ein ödes fremdes
Land. Bis zum Gila Bend keine Indianerfährten. Die erste
Rothaut begegnet ihnen in der San Carlos Reservation. Haben
Sie eine Erklärung dafür?«

»Ich versuche, sie zu finden«, erwiderte der Chiefscout.

»Cochises Zurückhaltung nach seinem blutigen Ausfall im
letzten Sommer hat seine Bedeutung. Ich reite als General
Howards Bevollmächtigter nach Fort Thomas.«

»Und Sie werden keinen roten Hautfetzen auf der langen

Strecke sehen. Dafür verwette ich eine Flasche besten
Brandys.«

Am Morgen verließ John das Fort und führte sein Pferd über

den breiten Landweg ins Tal. An der Flanke erstreckten sich
die mächtigen Bergsättel der Dragoon Mountains, wohin
Cochise im letzten Herbst verschwunden war.

Irgend etwas brütete dieser schlaue Fuchs aus. Doch sicher

nichts, was dem Frieden diente.

Etwa 20 Meilen westlich der Straße, am Rand der Gila, hörte

John das ferne Echo von Karabinerfeuern. Es mußte von
jenseits der Hügel kommen. Als Haggerty seinen Pinto mit
einem Schnalzlaut antrieb, war es ihm fast eine Erleichterung,
Geräusche einer Kampfhandlung zu vernehmen.

Cochise schien sich doch zu rühren und brachte sich durch

einen Überfall in Erinnerung.

Als John über die Hügel galoppierte, sah er das weiße Dach

eines Planwagens aus den Sanddünen ragen. Unweit davon, im
blassen Grün eines Organosfeldes, zogen graue Rauchringe in
den Himmel, die den Standort ihrer Schützen verrieten.

John trieb mit den Schenkeln das Pferd vorwärts und zog

seinen Karabiner aus dem Scabbard. Aus der Hüfte heraus
jagte er einige Schüsse ins Grün der Kakteen, hoffend,
irgendeinen Gegner zu treffen.

Die wiederum nahmen sofort Haggerty aufs Korn, denn die

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Geschosse flitzten ihm nur so um die Ohren.

Das sind keine Rothäute, sondern gewöhnliche

Straßenräuber, ging es Haggerty durch den Kopf, während er
die Richtung änderte und im Zick-Zack-Kurs den
Krämerwagen ansteuerte.

Im vollen Lauf seines Pferdes schwang sich der Scout aus

dem Sattel und landete im weichen Sand der Senke. Als er sich
aufrichtete, sah er das grinsende Gesicht des Pedlars.

»Vielen Dank für Ihre Hilfe, Mister. Man nennt mich

Sinclair, den Krämer«, sagte der Franzose, drückte den
schweren Büffeltöter an die Schulter und schoß.

Ein Funkenflug sprühte aus dem großkalibrigen Lauf, im

nahen Gesträuch schrie jemand erbärmlich auf.

In Haggertys Ohren dröhnte der Abschuß mit der Stärke

eines Kanonenschlags. Er lächelte anerkennend, während
Sinclair seine Flinte auflud. »Sie brauchen sicher keine Hilfe,
Mr. Sinclair. Das war ein Meisterschuß.«

Der Franzose schüttelte mit dem Kopf, als er die Kugel mit

dem hölzernen Stößel in den Lauf pfropfte. »Sie streut wie eine
alte Dame, deren Hände zittern. Das war ein Zufallstreffer.
Aber es ist der zweite Kerl, den ich erwischen konnte. Drei
lauern noch draußen.«

»Wer sind sie?« Johns Blicke glitten über den Sandhügel.

Irgendwo dort oben im Distelgestrüpp lagen ein paar Schurken,
die es auf Sinclairs Kasse abgesehen hatten. John sah eine
Bewegung und feuerte.

Ein verhaltener Aufschrei folgte dem verwehendem Echo des

Abschusses.

»Sie sind ein Meisterschütze«, lobte der Franzose. Er hatte

sein Monster mit Schrot geladen, um eine bessere
Flächenstreuung zu erreichen.

»Kennen Sie die Burschen?« wiederholte John seine Frage.
Rene Sinclair zuckte verächtlich mit den Achseln.
»Banditen aus Tucson, Gesindel vom Gila River. Wer

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weiß?«

Er schob den Flintenlauf über die Radnabe und drückte ab.

Ein Pfund Buckshot zerfledderte das Disteldickicht, ohne daß
einer der vielen Schrotkugeln ihr Ziel fand.

John beobachtete den Mann. Für einen Pedlar hielt er sich

prächtig. Angst schien er nicht zu haben.

Warum war er dem Händler nie begegnet?
»Sind Sie schon lange in dieser Gegend, Mr. Sinclair?«
Der Franzose rutschte unter dem Wagenboden hervor und

richtete sich auf.

»Mein Geschäftsbereich liegt weiter südlich, zwischen

Nogales, Bisbee, Sierra Vista. Manchmal komme ich bis zum
Hochplateau zwischen den Dragoon- und den Whetstone-
Bergen. Aber dort gehen die Geschäfte schlecht, weshalb ich
mein Unternehmen weiter nordwärts verlagern will, ins Tonto
Basin vielleicht. Doch hier scheint ein heißer Wind zu wehen.«

»Haben Sie keine Angst vor streunenden Rothäuten?«
Auch John hatte sich aufgerichtet, denn dumpfer Hufschlag

außerhalb der Senke verriet, daß die Banditen abzogen.
Vielleicht wohl, weil der Pedlar Verstärkung erhalten hatte
oder sie die Hosen voll hatten.

Sinclair schob die Plane zurück und griff nach einer

halbvollen Whiskyflasche. Er reichte sie Haggerty.

»Einen Schluck für meinen Helfer.«
Als John abwinkte, setzte Sinclair die Flasche an den Hals.
»Rothäute«, sagte er dann und begann die Flasche sorgfältig

zu verkorken. »Seit Wochen habe ich keine Nasenspitze von
ihnen gesehen. Es ist ruhig geworden längs der Berge. Wenn
dieses Gesindel nicht wäre, könnte man in Frieden hier seinen
Geschäften nachgehen. Bleiben Sie über Nacht, Mister?«

John blickte zum Himmel, der seine Farbe veränderte.
»Es wird bald dunkel, Mr. Sinclair. Es ist wohl besser, wenn

ich bleibe. Übrigens, ich heiße Haggerty.«

Johns lässig hingeworfener Name ließ Sinclair kaum

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merklich zusammenzucken. Aber Johns geschärfte Sinne
nahmen es wahr, und er fragte sich, warum der Pedlar erschrak.

»Sie kennen mich?« fragte er.
Sinclair hatte sich gefangen. Er lächelte.
»Ihr Name ist so bekannt wie der des Häuptlings Cochise.

Jedes Kind weiß, wer General Howards bester Armeescout
ist.«

John pfiff seinem Pferd, schnallte die Bettrolle ab und warf

sie in den Sand. Dann lockerte er die Zügel und ließ den Pinto
frei laufen.

»Ich werde mich ein wenig umsehen, Mr. Sinclair«, sagte

John nach einigen Überlegungen. Dabei deutete er zu jener
Stelle hoch, wo das Gesindel einen Hinterhalt gelegt hatte.
»Sicher ist sicher.«

John nahm seine Winchester, eilte den Hang hinauf und

drang ins wuchernde Distelgesträuch ein.

Seine Gedanken galten nicht dem Lumpenpack, denn er

wußte, das hatte das Weite gesucht. Er kauerte nieder und
beobachtete Sinclair, der seine Bettrolle im Sand ausrollte, zum
Wagen zurückkehrte, zwei kleine, pralle Lederbeutel zu seinem
Lager trug und sie vergrub.

Sinclair suchte dann trockene Äste. Als er ein Feuer

entzündet hatte, breitete er eine Decke aus und kramte im
Wagen nach dem Abendbrot.

John glitt nun am Buschwerk entlang, bis er überraschend

auf einen Toten stieß, der scheußlich anzusehen war. Der
Oberkörper war von Schrotkugeln durchsiebt, sein Halswirbel
verrenkt.

John packte den Toten am Stiefel und schleifte ihn in die

Senke, wo der Pedlar gerade eine Wasserschüssel über das
Feuer hängte.

»Kennen Sie den Knaben, Mr. Sinclair?« John trat einen

Schritt zur Seite, um dem Händler die Möglichkeit zu geben,
den Toten näher zu betrachten. Er behielt ihn fest im Auge.

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»Ihr Büffeltöter hat ihn übel zugerichtet.«

Sinclair kam zögernd näher.
John beobachtete ihn.
Sinclair schien es zu spüren. Er beugte sich nieder,

betrachtete das bärtige Gesicht des Mannes und sagte:

»Er heißt Barabas und gehörte einmal zu Hank Doolins

Banditen, Mr. Haggerty. Hat es für Sie eine Bedeutung?« Als
John den Kopf schüttelte, richtete Sinclair sich auf. »Essen wir
zu Abend und legen uns anschließend hin. Es war ein
anstrengender Tag.«

John stellte fest, daß der Pedlar außer der mächtigen Büchse

nur noch einen Colt mitführte. Darauf angesprochen, sagte
Sinclair mit saurem Lächeln: »Es ist das erste Mal, daß
Banditen einen armen Händler überfallen. Meist ist bei Leuten
meines Schlages nicht viel zu holen. Aber ich werde mich
künftig umsehen und auch besser bewaffnen.«

»Das könnte möglicherweise Ihr Leben verlängern, Mr.

Sinclair.« John drehte sich mit geschickten Händen eine
Zigarette und kroch unter die Decke.

Es war Nacht geworden. Noch war die Erde warm. Aber

nach Mitternacht kühlte sie ab, wurde empfindlich kalt. Das
wußte John Haggerty.

Er sah, daß Sinclair das Feuer löschte und zu seinem Lager

ging. Prüfend blickte er zu seinem Schlafpartner hinüber, ehe
seine Hände unter die Decke tasteten und die Säcke so
zurechtlegten, um gut darauf schlafen zu können.

Sie dienen ihm als Kissen, dachte John, während er den Kopf

in die harte Sattelmulde drängte. Seine Kopfkissen sind
weicher, und er schläft besser als ich.

*

Mit dem ersten Sonnenstrahl war John auf den Beinen. Sinclair
rollte gerade seine Decke zusammen und ließ dabei die Beutel

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verschwinden. Trotzdem sah der Scout die Zeichen auf dem
Leder. Es war Mimbrenjo-Malerei oder Chiricahua-Arbeit. Er
erinnerte sich, daß der Pedlar aus dem Süden kam. Die
Mimbrenjos hatten lange Zeit auf den Hängen der Sierra Madre
gelebt.

Unwillkürlich schüttelte John den Kopf. Weshalb mißtraute

er eigentlich dem Mann, der auf sichtbar redliche Art sein Brot
verdiente, und von dessen Existenz er bis vor einem Tag noch
nicht einmal etwas wußte?

Als John sein Pferd bestieg, warf er einen kurzen Blick auf

den flachen Hügel, unter dem sie den Banditen begraben
hatten. Dann lächelte er dem Händler zu, der seine Pferde
einschirrte, und hob grüßend die Hand.

»Wenn Sie so hoch im Norden Ihren Handel betreiben, Mr.

Sinclair, werden wir uns vielleicht in irgendeiner Stadt
begegnen. Ich werde mich dann für das gute Essen
revanchieren.«

Auch Rene Sinclair grüßte. Doch als John sein Pferd

herumlenkte, lächelte er spöttisch.

John Haggerty gilt als ein gefährlicher Mann, dachte er. Ich

gehe ihm lieber aus dem Weg.

*

»Rurales, maldito Canaille«, fluchte Domingo y Santos, seines
Zeichens mexikanischer Rebell und Grenzbandit. »Irgendein
Bastarde muß uns verraten haben.«

Santos blickte zum schmalen Felsband hoch, das sich dicht

an der Steilschlucht entlangzog, und spuckte in den Abgrund.

Er verfolgte die Reiter, deren dunkles Lederzeug in der

Sonne glänzte. Sie waren in der unteren Schleife der Serpentine
in Deckung gegangen. Eine Gruppe konzentrierte ihr Feuer auf
die Murros und erwischte eines der schwerbeladenen
Maultiere, das über den Felsgrund in die Tiefe stürzte.

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Eine zweite Gruppe beschäftigte sich mit der Nachhut der

Desperados, die von Domingo y Santos geführt wurde.

Steine und Dreck spritzten ihnen um die Ohren, und das helle

Singen der Querschläger übertönte das Rattern der Gewehre.

Santos wollte nach Arizona und führte kostbare

Schmuggelware mit, bestehend aus guten Sharps-Gewehren
und Karabinern, gestohlen in den Arsenalen der mexikanischen
Armee in Janos. Es hatte ihn Mühe gekostet, den schlauen
Fuchs, Colonel Terraza, zu überlisten und nun hingen ihm
diese Rurales, die berittene Polizei, an den Fersen.

»Worauf wartet ihr noch, ihr Schwachköpfe?« schrie Santos

seine Leute an und fuchtelte erregt mit dem Revolver. »Sollen
sie euch erst erschießen, ehe ihr aufwacht?« Noch immer
häßliche Flüche ausstoßend, beugte der Mexikaner sich über
den Abgrund. »Companeros, der Teufel möge euch holen.«

»Der Teufel wird dich bald holen, Santos. Ergebt euch, und

wir werden euch nur hängen. Müssen wir euch erst
heranschleifen, kriegt ihr ein Feuer auf den Bauch gelegt, wie
es die Mimbrenjos mit ihren Feinden machen«, rief ein Baß aus
der Tiefe, und ein Hagel Geschosse zwang Domingo hinter den
Steinwall zurück.

»Kennst du seine Stimme, Ramon?« Der Guerilla grinste

seinen Capo an, der den Körper fest gegen den Felsen gepreßt
hielt.

»Captain Yevaros, Amigo.« Ramon Martinez' Lachen klang

verkrampft und verriet die Angst, die ihn beherrschte. »Er ist
wirklich der Teufel in persona.«

Noch immer fiel heftiges Gewehrfeuer. Aber die Murros

waren hinter der Felsbiegung verschwunden.

Domingo dachte über ihre Lage nach. Es sah nicht rosig aus

für sie, denn Captain Yevaros war ein nicht zu
unterschätzender Gegner, der ihnen schon des öfteren auf den
Schmugglerpfaden aufgelauert und beträchtliche Verluste
zugefügt hatte. Und er kannte die kompromißlose Bereitschaft

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der Rurales, Feinde ihres Landes erbarmungslos zu töten.

Yevaros' Drohung war durchaus ernst zu nehmen. Sicher war

es nicht das erste Mal, daß er es nicht bei leeren Worten beließ.

»Wir müssen sie aufhalten, wenigstens bis zum Einbruch der

Nacht. Vielleicht gelingt es Juan Perez inzwischen, die
Maultiere über die Grenze zu treiben. Unser ganzes Vermögen
steckt in diesem Geschäft. Willst du es verlieren, Ramon?«

Ramon Martinez gab keine Antwort. Aber er umklammerte

seine Sharps fester und feuerte einige Kugeln in die Tiefe.
Kurz darauf folgte dem Echo des Abschusses ein gellender
Aufschrei.

»Einen habe ich erwischt!« triumphierte er und lud seine

Waffe nach.

»Was bedeutet einer bei dreißig schwarzen Teufeln?« fluchte

Domingo.

Seine Blicke folgten den Gestalten, die von den Gipfeln der

Berge talwärts zogen. Eine Stunde dauerte es bestimmt noch,
bis es Nacht war und sie fliehen konnten, denn jede ihrer
Bewegungen wurde mit einer Salve begleitet.

Zu lange, um an einen Erfolg zu glauben.
Zugleich hörte er die Geräusche aus dem Canyon.

Herabfallendes Gestein zeigte, daß Captain Yevaros einen
Angriff vorbereitete, um ihnen den Fluchtweg abzuschneiden.

Domingo kroch die Rinne hoch, um freiere Sicht zu

bekommen. Er sah flinke Gestalten mit Seilen und Haken den
Steilhang an der nächsten Serpentinenbiegung hochklimmen
und erkannte am pausenlosen Gewehrfeuer, das sich auf ihre
Stellung konzentrierte, daß der Rurales-Anführer seine Leute
zu decken versuchte.

Domingo winkte zwei seiner Männer heran und schob sein

Gewehr über die Felsbrüstung, als die sich neben ihn drängten.

»Dort unten versuchen ein paar Diablos, uns den Weg nach

Norden abzuschneiden. Janos, Carlos – nehmt sie euch aufs
Korn.«

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Domingos erste Kugel klatschte gegen den Fels. Doch die

zweite holte einen Mann vom Felsband. Er warf mit spitzem
Schrei die Arme hoch und versank im Dunkel des Abgrunds.

Janos und Carlos trafen einen zweiten Mann, der im rissigen

Fels verschwand.

Sofort konzentrierte sich das Feuer der Gegner auf ihre

Stellung. Gefährlich nahe zerplatzten die Bleigeschosse über
ihren Köpfen in der Steilwand.

»Wir müssen die nächste Wegbiegung erreichen!« rief der

Desperado seinem Capo zu. »Ramon, Juan, ihr versucht es als
erste!«

Martinez kroch heran. Perez folgte ihm. Schweiß glänzte in

ihren Gesichtern, die Angst kroch durch ihre Knochen.

»Lieber tot als Captain Yevaros in die Hände fallen«,

brummte Martinez, raffte allen Mut zusammen und hastete mit
großen Sprüngen über das schmale Felsband.

Juan Perez folgte ihm einige Schritte, ehe er kraftlos zu

taumeln begann und hinschlug. Sein Körper zuckte im
Schmerz, den zwei Kugeln verursachten. Er schrie und schlug
um sich, dann stürzte er über das Felsband in die Tiefe.

Sein Todesschrei klang allen in den Ohren. Aber Martinez

hatte es geschafft, und Domingo y Santos war bereits auf
halbem Weg zu ihm.

Hinter sich hörte er den keuchenden Atem seines Freundes,

die klatschenden Einschläge im Fels und die belfernden
Schüsse von unten.

Domingo warf sich neben seinem Capo in Deckung. Janos

taumelte heran. Doch kurz vor dem Ziel wurde er von einer
Kugel, die ihn aus der Richtung drängte, tödlich getroffen. Als
er in den Abgrund fiel, humpelte Carlos heran.

»Sie bringen uns alle um«, seufzte er verzweifelt.
»Halt's Maul!« herrschte Domingo ihn an. »Wir müssen hoch

zum Sattel der Serpentine. Bis zur Grenze ist es nicht mehr
weit. Diese Nacht noch, und wir haben es geschafft.«

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Domingos Worte gaben ihnen Mut und Hoffnung.
Aus den tiefen Schrunden der Bergwelt krochen dunkle

Schatten und hüllten die Gestalten ein. Aber sie hatten die
Serpentine bereits verlassen und bewegten sich auf einer
breiten, einsamen Paßstraße, die über den Bergsattel führte.

Als die ersten blaßblauen Lichter am Himmel funkelten und

die volle Scheibe des Mondes hinter dem Coronado Peak
hervorkroch, erreichten sie den Troß.

»Madre Sansissimo«, rief Paco, einer der Mulitreiber, als er

den Boß erkannte. »Bei der heiligen Madonna, Domingo y
Santos, als wir die Schüsse hörten, glaubten wir, daß El Diablo
eure Seelen geholt habe.«

»Spar dir deinen Atem, Paco«, rief Domingo lachend und

zog sich auf den Rücken seines struppigen Pintos. »El Diablo
sitzt uns im Nacken, Captain Yevaros.«

»Ave Maria Purissma«, Paco bekreuzigte sich hastig und

schwang wütend die Peitschen. »Adelante, ihr faulen, müden
Stinktiere! Habt ihr's nicht gehört? Der Teufel ist euch auf den
Hufen.«

Im Beritt kamen sie schneller vorwärts. Domingo y Santos

träumte von klingender Münze, die an der Grenze auf sie
wartete. Von Zeit zu Zeit ließ er die Murros anhalten, um
festzustellen, wie nahe ihre Verfolger waren.

Aber seltsam, so sehr er sich anstrengte, nicht einmal war

Hufgeräusch zu hören.

»Er wird aufgegeben haben«, sagte Ramon. »Die Grenze ist

keine fünf Meilen entfernt. Wenn die Sonne über die Berge
steigt, sind wir im Territorium Arizona.«

Domingo nickte. Nachdenklich strich er über den schmalen

Lippenbart. Er wollte nicht glauben, daß er Captain Yevaros
ein Schnippchen geschlagen hatte.

»Grund zum Jubeln haben wir erst, wenn wir diese

verdammten Waffen los sind.«

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*

In den Tagen, wo Critten in der Einsamkeit nach Süden ritt,
hatte er Zeit und Muße, über diesem seltsamen Pedlar
nachzudenken, der ihm zur Flucht verholfen hatte. Doch
Critten kam zu keinem Ergebnis.

Er umritt in respektvoller Entfernung die befestigte Anlage

von Fort Huachuca und erreichte am dritten Tag Nogales.

Der Corporal brachte sein Pferd im Mietstall unter und

machte sich unverzüglich auf die Suche nach Ramon
Vaquence. Critten brauchte keine Stunde, um ihn zu finden,
und als er dem hünenhaften Burschen in einem Saloon
gegenüberstand, erkannte er, daß in Vaquence mehr
indianisches Blut als das eines Weißen steckte.

Seine ausgeprägten Wangenknochen, der schmale

Nasenrücken und die dunklen Augen prägten die Merkmale der
roten Rasse. Am Arm trug er eine schwarze Binde, die ihn als
Halbblut auswies.

Er schien ein stolzer und zugleich mißtrauischer Mensch zu

sein.

»Was will er, Dan?« fragte er den jungen Burschen, der

Critten zu ihm geführt hatte.

»Er bringt Grüße vom French. Er sagt, Sinclair sei sein

Freund.«

Ramons dunkle Augen musterten Critten so scharf, als

blickten sie durch ihn hindurch, ehe er antwortete: »Wo bist du
dem Franzosen begegnet?«

»Drei Tagesreisen nordwärts. Er meinte, in Nogales würde

ich Freunde treffen und nannte mir deinen Namen«, erwiderte
Critten bereitwillig.

Ramon Vaquence musterte ihn noch immer. Offenbar störte

ihn Crittens Uniform.

»Wozu braucht ein Soldat neue Freunde, Amigo? Er findet

sie in der Armee.«

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»Und wenn er die Armee verlassen hat?« Crittens Augen

blitzten.

Vaquence lächelte. »Er müßte einen Grund haben. Die

Armee der Vereinigten Staaten ist ein sicherer Arbeitsplatz. Sie
entläßt nur Veteranen. Du bist aber noch keiner. Also, was
suchst du hier?«

Critten nahm Vaquences vier Begleiter unter die Lupe. Keine

vertrauenerweckenden Burschen. Sie stanken nach Knoblauch
und schlechtem Whisky. Ihre Hemden mochten sie ein Jahr
nicht mehr gewaschen haben, aber ihre Waffen blitzten wie
eitler Sonnenschein.

»Hast du Arbeit für mich oder nicht?« fragte Critten kalt.

»Sonst gehe ich über die Grenze.«

Der Ladino machte eine herrische Kopfbewegung. Seine

Begleiter umstanden ihn. Ihre Hände lagen unmißverständlich
auf den schweren Griffen ihrer Colts.

»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet, Stranger«,

sagte Ramon lächelnd. »Nach Sonora kannst du immer
ziehen.«

Critten überlegte nur einen Moment. Ihm wurde klar, daß er

in eine Horde von Raufbolden und Revolverschwingern
geraten war. Und er fragte sich unwillkürlich, was der
Kaufmann Sinclair mit ihnen zu tun hatte, dann erwiderte er
ruhig: »Der Kopf ist näher am Hals als der Hut, Amigo. Ich bin
desertiert, weil ich einem verdammten Offizier die Visage
poliert habe. Für solche Delikte gibt es gewisse Regeln in der
Armee, die ich umgehen möchte. Kannst du das verstehen?«

Ramon Vaquence lächelte. Auf seinen Wink hin traten die

Revolvermänner zurück.

»Ich kenne diese Regeln, Stranger. Komm morgen wieder.

Wir wollen dann über deine Zukunft entscheiden.«

»Warum nicht heute?« fragte Critten, als die Burschen sich

abwandten und ihm den Rücken zeigten.

»Weil ich es so entschieden habe«, gab Ramon Vaquence

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zischelnd über die Schulter zurück. »Du mußt dich schon an
unsere Regeln halten.«

»Und wo treffe ich dich?«
»Ich werde dich finden. Nun verschwinde. In Nogales gibt es

'ne Menge Kneipen. Such dir eine aus, und laß uns hier
zufrieden.«

Critten verließ den Saloon. Er suchte eine schattige Ecke

außerhalb von Nogales und legte sich ins Gebüsch. Er hatte
eine Mordswut im Bauch und wollte am liebsten zurück in den
Saloon, um dem hochnäsigen Ladino seine Meinung mit den
Fäusten einzuhämmern.

Aber Critten war klug genug, sich keine weiteren Feinde zu

schaffen. Er hatte die Armee gegen sich, und die unternahm
bestimmt bald was, um ihn zu finden.

Am Abend kroch er im Mietstall ins Stroh.
Im Morgengrauen erwachte Critten. Als er sich blinzelnd

aufrichtete, stand Ramon Vaquence vor ihm.

»Zieh das an und komm!« sagte er nur, warf Critten ein

buntes Hemd und eine Weste zu und trat durch das offene Tor.

Sam Critten sah Ramons Freunde auf der Straße. Sie saßen

im Sattel und warteten.

Also zog er sich um und führte Tom Harpers prächtigen

Pinto aus der Box. Er warf ihm Decke und Sattel über und ging
nach draußen.

Sie wirkten verwegen. Critten erkannte, daß sie neben dem

Halfter noch ein Schießeisen im Hosenbund stecken hatten.

»Wohin?« fragte er und schwang sich aufs Pferd.
»Deine Neugierde bringt dich noch mal um«, erwiderte

Vaquence lakonisch. »Was willst du eigentlich? Geld
verdienen oder uns mit Fragen bombardieren?«

»Erwartest du darauf eine Antwort?« brummte Critten.

»Also, zeige mir, was zu tun ist.«

Sie ritten den breiten Fahrweg hoch, der durch die

menschenleere Town führte, bewegten sich an aufgeschütteten

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Hügeln entlang, und bald erkannte Critten, daß sie den
Nordosthängen der Sierra Madre entgegenstrebten.

Kaum einer sprach ein Wort.
Critten wollte keine weiteren Fragen stellen. Hauptsache, er

hatte einen Job, und der brachte etwas ein.

Am späten Nachmittag durchfurteten sie einen Fluß, und

Critten wußte plötzlich, wo sie sich befanden.

Dies hier war Grenzgebiet, und irgendwo durch eine der

tausend Schluchten der Sierra führte ein Schmugglerpfad von
Mexiko nach Arizona. Es lag keine zwei Wochen zurück, daß
seine Abteilung hier gewesen war.

Unbewußt mußte er grinsen, als er an Lieutenant Braham

dachte, was der wohl für ein Gesicht machen mochte, wenn er
ihn hier hätte sehen können.

Nachdem sie einige Arroyos durchquert hatten, schien es

Critten, als suchte Vaquence die Richtung. Er rief seine Leute
zusammen und fluchte lauthals.

»Verdammt, wir sind doch an der richtigen Stelle. Wo

stecken diese Fettköpfe?«

»Versuch's mal mit einem Revolverschuß.« Tedd Lush zog

den Colt aus dem Halfter.

Vaquence stieß die Waffe beiseite. »Willst du die Blauröcke

oder die Rurales herbeirufen? Wir wollen weiter suchen«,
fauchte er wütend.

Sie drangen tiefer ins Gebirge ein, wobei Vaquence und Lush

ihnen vorausritten und den harten Fels nach Spuren absuchten.

»Was sucht er in der Einöde?« fragte Critten einen der

Männer. Er stellte fest, daß sie im Grenzbereich ritten.

»Freunde«, sagte der Mann lakonisch.
Der Arroyo verengte sich mit jedem Schritt, den sie vorwärts

drangen. Sie mußten nun hintereinander reiten. Zunehmendes
Dämmerlicht und auch der muffige Geruch der Schluchtsohle
wirkten bedrückend.

Als Critten einmal hochblickte, wo ein schmaler

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Lichtstreifen des Himmels erkennbar war, erkannte er die
senkrecht abfallenden Schluchtwände.

Der Ladino und Lush waren seit einer Stunde außer

Sichtweite. Doch als sie den scharfen Knick umritten, hinter
dem sich ein Talkessel ausbreitete, sahen sie ihren Anführer
wieder.

Vaquence saß reglos im Sattel, während Lush neben seinem

Pferd zu der einzelstehenden wuchtigen Kerzenkaktee
hochstarrte, an der zwei Gestalten an gestrafften Leinen
hingen.

»Wer sind sie?« fragte Critten, als er heran war. Er sah die

verzerrten Gesichter, wobei es ihm kalt über den Rücken lief.

Sie hielten neben Ramon Vaquence, der seinen Karabiner in

der Faust hielt und mißtrauisch die Umgebung musterte.

Irgend etwas ging hier vor, denn auch Holmes, Tratten und

die anderen hatten ihre Waffen ergriffen.

Tedd Lush ging zu den Gehenkten.
»Es sind Paco und Alfredo, Boß!« rief Lush dem Halbblut

zu. »Santos' Leute. Dort drüben liegen Martinez und Perez...«

Als Lush zu den Toten eilen wollte, die halb verdeckt in

einer Felsspalte lagen, rief Vaquence warnend: »Komm
zurück, Tedd, die Sache stinkt!«

In dieser Sekunde rollte das Echo eines Abschusses durch

den Talkessel.

Tedd Lush warf die Arme hoch, drehte sich um die Achse

und schlug tot auf den Fels.

»Raus hier!« brüllte Vaquence und riß seinen Gaul herum.

»Das ist ein Hinterhalt!«

Die Männer erkannten es auch ohne Ramons Warnung, denn

plötzlich war die Luft bleihaltig. Weitere peitschende Schüsse
waren zu hören, die unheimlich nachhallten.

Die Gruppe ergriff die Flucht.
Vaquences Pferd stolperte, taumelte noch einige Schritte und

brach zusammen. Im weiten Bogen flog der Ladino aus dem

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Sattel, kam hinkend auf die Beine und stieß lästerliche Flüche
aus.

Niemand hatte den Vorfall bemerkt. Nur Sam Critten sah es.

Trotz der umherschwirrenden Kugeln trieb er sein Pferd an
Ramons Seite und streckte ihm einen Arm entgegen.

»Komm!« brüllte er in den Lärm.
Vaquence erfaßte instinktiv die dargebotene Hand, lief einige

Schritte an der Seite des galoppierenden Tieres und schwang
sich mit mächtigem Satz auf dessen Kruppe.

Ramons Arme schlangen sich fest um Crittens Taille. Er trieb

dem Pinto die großrädrigen Sporen in die Flanken und jagte
hinter der flüchtenden Bande durch die schmale Felsschlucht.

Noch eine Weile folgte ihnen das Echo der Abschüsse, dann

wurde es still.

»Was bedeutet das?« fragte Critten über die Schulter.
»Verdammter Mist!« knurrte Vaquence hinter ihm. »Das

sind Rurales, berittene mexikanische Staatspolizei. Sie haben
Domingos Bande erwischt und mit ihnen unsere guten
Gewehre. Bastarde, Fettköpfe«, schimpfte er unentwegt. »Sie
hängen jeden, der sich auf dem Schmugglerpfad bewegt. Und
sie tun es sogar schon auf amerikanischem Territorium. Die
haben den Respekt vor ihrem mächtigen Nachbarn verloren.«

Das also ist der Schmugglerpfad, dachte Sam Critten.

Lieutenant Braham hatte ihn vergeblich gesucht, um sich einen
Orden zu verdienen.

Critten lachte lauthals.
»Worüber lachst du Affe?« fauchte Vaquence zornig.

»Versuche lieber, den Anschluß zu finden. Wir müssen raus
aus dem Arroyo, bevor sie uns erwischen.«

Nach einer Stunde sahen sie die flüchtenden Reiter, und

Vaquence schrie: »Sie haben alle große Klappen. Wenn's aber
mal knallt, machen sie in die Hosen.«

Crittens Pinto war ein kräftiges, ausdauerndes Tier, das

ständig an Boden gewann. Am Ende des schmalen

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Durchganges, wo der Arroyo sich merklich verbreiterte, holten
sie die anderen ein. Vaquence sammelte seine Leute um sich
und machte sie nach Strich und Faden zur Sau. Er schimpfte sie
Stinktiere, Kojoten, Waschweiber, Memmen und elende
Feiglinge.

»Wenn Critten nicht den Mut gehabt hätte, mir zu helfen,

hinge ich jetzt neben Paco und Alfredo am Kaktus«, schrie er
und zerrte Tratten wütend aus dem Sattel. »Du warst der erste,
der es eilig hatte. Du wirst dafür bis Nogales laufen.«

Vaquence schwang sich auf Trattens Gaul und schenkte

Critten ein freundliches Lächeln. Sam spürte, daß er den
Ladino für sich gewonnen hatte.

Als sie die Wüstenregion erreichten, die sich vom Santa Cruz

bis zum Gila River hinzog, legte sich die Dämmerung über das
Land. Ihre Pferde waren total erschöpft, so daß der Ladino
einen Rastplatz am Ufer des Flusses suchen mußte.

Ramon hatte den Bauch voller Wut, und seine Leute merkten

das. Sie suchten abseits ihres Bosses ihre Schlafstelle.

Sam Critten, der seine Decke neben Vaquence ausrollte,

hoffte, daß der Ladino ihm mittlerweile vertraute.

»Wer waren die Toten, Ramon?« fragte er, als er unter der

Decke lag.

Vaquence blickte starr in den Himmel, an dem die ersten

Sterne schimmerten.

»Freunde, Schmuggler«, antwortete er nach einer Weile. »Sie

lieferten uns aus Mexiko Waffen.«

»Und wofür braucht ihr die? Wollt ihr etwa gegen die Armee

ziehen?«

»Sinclair will sie, und er zahlt einen guten Preis.«
Mehr konnte Critten nicht erfahren. Aber er machte sich

Gedanken darüber, weshalb ein fahrender Händler ein
Waffenarsenal brauchte.

*

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John Haggerty saß bei Colonel Higgins, als Lieutenant Braham
ins Fort einritt.

Braham formierte seinen erschöpften Haufen und ließ

absitzen. Ein zweiter Befehl löste die Formation auf. Braham
steuerte schnurgerade auf die Kommandantur zu.

»Das ist Braham, einer meiner jungen Offiziere, John«,

bemerkte Colonel Higgins. »Vielleicht erfahren wir mehr über
die Dinge, die General Howard beschäftigen. Lieutenant
Braham und seine Patrouille waren drei Wochen im
Grenzgebiet, um diesen Gerüchten nachzugehen. Ich hoffe, er
hatte Erfolg und konnte die Angelegenheit aufklären.«

Es klopfte an der Tür, Lieutenant Braham trat ins

Dienstzimmer und grüßte.

Seine Kleidung war beschmutzt und von einer dicken

Staubschicht bedeckt, was erkennen ließ, daß der Offizier lange
in der Mesa geritten war.

»Setzen Sie sich, Lieutenant, und berichten Sie!« forderte

Colonel Higgins. Er deutete auf einen kleinen Tisch. »Nehmen
Sie erst mal einen kräftigen Schluck.«

Braham nickte und griff nach der Flasche.
Als er sich niederließ, beugte Colonel Higgins sich neugierig

über seinen Schreibtisch. »Schießen Sie los, Braham! Hatten
Sie Erfolg?«

Der junge Offizier schüttelte den Kopf.
»In Nogales, Sierra Vista, im ganzen Grenzgebiet – überall,

wo ich meine Nachforschungen betrieb, stieß ich auf eine
Wand des Schweigens. Keiner schien etwas Konkretes über
Schmugglerpfade in der Sierra Madre zu wissen. Nur
Vermutungen, die zu nichts führten, waren hier und da zu
hören. Entweder leben an der Grenze nur Dummköpfe, oder sie
haben etwas zu verbergen. Wir haben mehrere Arroyos
durchgekämmt und sind zeitweise auf mexikanischer Seite
geritten. Keine Hinweise, die auf Menschen schließen ließen
oder Tragtiere, die Konterbande führten, Sir. Ich muß

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bekennen, das Unternehmen war ein Mißerfolg. Hinzu
kommt...«

Braham verstummte abrupt. Er nahm einen tiefen Schluck

aus dem Glas. »Was kommt hinzu, Lieutenant?«

Braham wischte über die Wange, wo noch die letzten Spuren

von Crittens Faustschlag zu erkennen waren.

»Ein Mann ist desertiert.«
»Sein Name?« Higgins freundliches Lächeln war wie

weggewischt. Desertation war etwas, was er als alter Soldat
verabscheute.

»Corporal Sam Critten.«
»Critten?« Der Oberst schüttelte heftig den Kopf. Er kannte

den Corporal, der sich im letzten Jahr bei den
Auseinandersetzungen mit aufrührerischen Chiricahua-
Apachen mehrfach ausgezeichnet hatte, Critten war ein guter
Soldat, und er – Higgins – hatte es längst in Erwägung
gezogen, den Corporal zum Sergeant zu befördern. »Der
Grund, Lieutenant?« fragte er mit schneidender Stimme.

Braham wirkte nervös.
»Die Einsamkeit, Sir, und der harte Dienst untergruben die

Disziplin. Ich mußte einige harte Maßnahmen ergreifen, um sie
wiederherzustellen. Corporal Critten griff mich in solch einer
Situation tätlich an.«

Der Colonel atmete tief ein, denn der tätliche Angriff auf

einen Offizier war fast einer Desertation gleichzustellen.

John Haggerty, der der Unterredung schweigend gefolgt war,

stellte fest, daß Braham ein junger Offizier war, der den harten
Dienst im Grenzland wenig kannte. Und sicher wußte er nicht
mit Männern umzugehen, die eben dieses Land geformt hatte.

»Ich werde Critten vor ein Disziplinargericht stellen«, sagte

der Kommandant. »Lassen Sie den Corporal holen. Eh, Sie
haben den Kerl doch wieder erwischt?«

Lieutenant Braham lächelte säuerlich. »Nein, Sir, er ist

entflohen.«

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»Wie bitte?« Higgins schien nicht recht zu hören.
»Jawohl, Sir. Nach seiner Inhaftierung konnte er sich von

seinen Fesseln befreien und benutzte mich als Geisel, um eines
der Pferde zu bekommen. Wir sind ihm eine Weile gefolgt,
aber er benutzte das schnellste Pferd der Armee, Sergeant
Harpers Pony.«

Colonel Higgins hatte sich erhoben. Er ging zum Fenster und

blickte auf die Palisaden, die das Fort umschlossen. Er wußte,
daß die Disziplin seiner Soldaten mitunter nachließ, wenn sie
lange draußen waren. Aber daß ein Soldat seinen Vorgesetzten
niedergeschlagen und bedroht hatte, war während seiner
Dienstzeit noch nicht passiert.

»Wir werden Corporal Critten suchen lassen, Lieutenant.

Schreiben Sie Ihren Bericht, und vergessen Sie nicht Ihre
disziplinarischen Maßnahmen zu erwähnen, die zu dem Vorfall
führten. Ich lege größten Wert darauf. – Danke.«

Lieutenant Braham stand auf, grüßte zackig und verließ das

Dienstzimmer.

»Wer ist dieser Corporal, Sir?« fragte Haggerty, als der

Lieutenant gegangen war.

Higgins schob kurz seine Unterlippe vor.
»Ein hervorragender Soldat und Einzelkämpfer, der mit den

Verhältnissen in diesem Abschnitt bestens vertraut ist. Er kennt
die Gepflogenheiten der Rothäute und kann denken wie ein
Indianer. Unverständlich, unverständlich.« Er schien es nicht
fassen zu können.

»Vielleicht hat Lieutenant Braham ihn zu stark

herausgefordert, Colonel. Braham ist jung, unerfahren. Er
denkt noch wie die Kadetten in West Point. Das Leben im
Grenzgebiet hat andere Gesetze und Maßstäbe.«

Colonel Higgins nickte kurz.
»Ich will mir erst ein Urteil erlauben, wenn ich Lieutenant

Brahams Bericht gelesen und die Männer seiner Patrouille
befragt habe. Was werden Sie nun tun, John?«

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Haggerty zuckte grinsend mit den Achseln.
»In den sauren Apfel beißen, Sir, und zur Grenze reiten. Es

ist beunruhigend, wenn man solch schwerwiegenden
Gerüchten nicht nachgeht. Wir leben in einem wilden Land.
Cochise und auch Victorio verhalten sich merklich
zurückhaltend. Es paßt nicht zu ihrem Temperament.«

»Vielleicht wird ihnen der Deserteur dort unten begegnen.

Womöglich ist er aber schon über die Grenze nach Mexiko
geflüchtet. Ich will Ihnen trotzdem seine Personenbeschreibung
mit auf den Weg geben.«

Haggerty lächelte in Gedanken. Ein Mann wie Critten, den

Colonel Higgins in allen positiven Varianten beschrieben hatte,
war klug genug, um zu erkennen, daß ihm im Territorium nur
die Flintenläufe eines Exekutionskommandos erwarteten.

»Ich werde die Angelegenheit im Auge behalten, Sir«,

versprach der Chiefscout und verabschiedete sich.

*

Nach dem Frieden und der Vereinigung ihrer Stämme im
Canyon de los Embudos und der eiligen Flucht aus der
Umklammerung der mexikanischen Söldner unter Befehl
Colonel Terrazas, hatten Chiricahua- und Mimbrenjo-Apachen
sich tief in die Dragoon Mountains zurückgezogen. Sie lebten
in ihren Apacherien der einsamen Bergwelt dicht unter der
Schneegrenze der mächtigen Gipfel.

Nur selten ließen Cochise oder Victorio kleine Spähertrupps

talwärts ziehen, um das Terrain zu erkunden. Und sie hatten
strikte Anweisungen, von sich aus nichts zu unternehmen und
aus dem Verborgenen und in aller Stille ihre weißen Gegner zu
beobachten.

Im Lager selbst herrschte die Eintönigkeit des Alltags, den

die Krieger mit Stockspielen, Weihe- oder Kriegstänzen
ausfüllten, in denen sie, kraftvoll ihre Waffen schwingend, dem

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imaginären Feind entgegentraten und ihre Geschicklichkeit im
Töten demonstrierten.

Aber es herrschte gewisse Unruhe in den Lagern, denn ein

Volk, das die endlose Weite der Prärie als ihren Lebensraum
betrachtet, konnte sich nur schwer an die enge Begrenzung der
Bergfesten gewöhnen.

An einer ihrer Zusammenkünfte am großen Feuer in

Cochises Apacheria, zu der Victorio, Chato, Nana und Loco
geladen waren, zeigte Geronimo, der junge Häuptling, offen
seinen Unwillen über ihre Emigration.

Während das Kalumet seine Runde machte, sprach Geronimo

harte Worte.

»Wir leben in unseren Dörfern wie in Gefängnissen, Cochise.

Wir dürfen weder zur Jagd in die offene Ebene ziehen noch
unsere Feinde bekämpfen. Wir sind stark, um sie mit Keulen,
Lanzen, Bogen und Schleuder zu vertreiben. Statt dessen
beherrschen Soldaten das Land, Siedler graben unsere
Jagdgründe um und bepflanzen den Boden. Das Eisen unserer
Tomahawks beginnt zu rosten. Das Ulmenholz der Bogen
modert in der trockenen Sonne, und die Sehne verliert an
Spannkraft. Wir leben hier wie unsere Weiber, faul und träge,
eines stolzen Apachen nicht würdig.«

Victorio nickte zustimmend. In seinen Augen funkelte es.
»Unsere Stämme vereinen nun hundertfünfzig Krieger, die

nur auf deine Befehle warten. Wann wird es soweit sein?«

Der berühmte Häuptling saß auf seiner bunten Navajodecke.

Er blickte Victorio fest an.

»Ihr habt alle mich als obersten Kriegshäuptling gewählt. Ich

werde den Tag des Aufstandes bestimmen. Bezähmt eure
Ungeduld, die Würfel rollen noch. Chato hat die Verbindung
gefunden, die uns stark und mächtig, unseren Feinden
ebenbürtig machen wird.«

Geronimo sprang unbeherrscht auf die Beine.
»Wenn du von dem Händler sprichst, so sage ich dir, er will

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uns betrügen. Er hat uns Gewehre geliefert, die nichts taugen,
Pulver, das keine Kraft hat, zu explodieren. Revolver, die beim
ersten Schuß auseinanderfallen wie ein Binsenrohr, das der
gefiederte Pfeil spaltet. Du hast dem fremden Bleichgesicht
mehr gezahlt, als dies alles wert ist. Wer weiß, ob wir ihn je
wiedersehen.«

Cochise zeigte sich der Würde eines Kriegshäuptlings

bewußt. Er ließ die Anklagen über sich ergehen und wartete,
bis Geronimo sich auf seiner Decke niederließ.

»Der weiße Händler wird uns bald besuchen. Er ist dem

Glanz des gelben Metalls verfallen. Hast du nicht die Gier in
seinen Augen gesehen, Geronimo? Er wird uns Gewehre
liefern. Gute Waffen, die denen der Soldaten ebenbürtig sind,
denn er kennt den Lohn, der ihn erwartet.«

Geronimo machte eine eindeutige Handbewegung zur Kehle.
Der Häuptling sagte lächelnd: »Alles zu seiner Zeit,

Geronimo. Wir müssen Geduld und Besonnenheit bewahren
und uns eines Apachen würdig zeigen. Wir brauchen Gewehre
und Munition, um ihre Forts zu stürmen. Wenn der Tag
gekommen ist, wird ein Feuersturm über das Land fegen, der
alle Fremdlinge vernichtet. Die Zeichen stehen sehr günstig.
Der Schamane hat es in seinem Zauber gelesen.«

»Auch daß der Händler uns nicht betrügt?«
Cochise hob stolz den Kopf.
»Das habe ich in seinen Augen gelesen, Bruder.«
»Dann wollen wir warten«, bestimmte Victorio.
Er schloß die Augen. Sein langes Haar fiel weit über die

Schultern. Er träumte davon, diese Haarstränge zu Knoten zu
flechten, mit seinen Amuletten zu verbinden, so wie es
geschah, wenn ein Apachenkrieger den Feind angriff.

*

Eine Woche verging, eine zweite. Chato war mit einigen

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Kriegern in das einsame Tal am Fuß der Berge gezogen, das er
als Treffpunkt mit dem weißen Mann bestimmt hatte.

In diesen Tagen ritt er oft aus den schützenden Bergen,

hoffend, in der weiten Ebene das weiße Dach des
Pedlarwagens zu entdecken.

Was Chato sah, waren die protzigen Kutschen der Butterfield

Overland, die ungehindert durch die Plains nach Tucson
rollten. Oder Soldaten. In kleineren Gruppen oder größeren
Formationen bewegten sie sich durch den Apachen-Paß hinauf
nach Fort Buchanan, dem Dorn im Auge eines Apachen. Sein
Herz blutete.

Eines Tages – Chato hatte sich weit hinaus in die Wüste

gewagt – sah er aus dem Verborgenen einen Reiter
vorüberziehen.

John Haggerty, der Armeescout, der nach Süden ritt.
Voller Unruhe kehrte er zurück zu seinen Brüdern und wagte

in der Nacht den Aufstieg zur Apacheria.

Cochise, dessen Späher die Ankunft Chatos meldeten, trat

dem Häuptling entgegen.

»Hat der Waffenhändler Wort gehalten, Chato?« fragte er

hoffnungsvoll.

Chato nahm ihm diese Hoffnung, denn er schüttelte den

Kopf.

»Wir werden in Geduld verharren, Cochise, denn Gewehre

liegen nicht wie der gelbe Staub im Sand. Der Falke ist mir
begegnet, ohne daß er meine Nähe spürte.«

Cochise erinnerte sich seines Blutsbruders »Hellauge«,

dessen Name wie ein Schnitt in seinem Herzen brannte.

»Was sucht der Falke im Apachenland, Chato?«
»Apachenspuren, Großer Häuptling.«
»Hast du welche hinterlassen?«
Chato winkte ab.
»Dann komm ans Feuer und stärke dich. Wir wollen über

den Händler sprechen und hoffen, daß er sein Wort hält.«

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»Er wird es halten, Cochise«, sagte Chato.
Sie erreichten Cochises Wickiup und ließen sich auf den

Decken nieder. »Seine Augen brannten voller Gier, seine
Gedanken beherrschen das gelbe Metall, und sein Herz schlägt
voller Ungeduld. Du hast es selbst erlebt!«

»Dann wollen wir weiter hoffen.« Cochise schloß die Augen.

Seine Gedanken sprachen mit den Göttern jenseits von Gut und
Böse, und er erbat sich Hilfe und Kraft und ihr Orakel, das den
weißen Händler schützen möge.

*

Sinclairs Rückkehr nach Nogales war unauffällig wie der
Alltag selbst in der Town. Er lenkte seinen Planwagen in den
Hof des kleinen halbzerfallenen Anwesens, das er von der
Minengesellschaft gepachtet hatte, schirrte sein Zugtier aus,
hängte die lederne Falttasche über die Schulter und betrat die
Hütte.

Der Händler entzündete Feuer, hing den Wasserkessel über

die Flammen und wartete.

Es dauerte keine Stunde, als draußen Schritte aufhallten und

sich der Hütte näherten. Rene Sinclair schob die Tasche unter
den Stuhl, öffnete die Jacke und spannte den Hammer seines
Revolvers.

Sinclair war ein mißtrauischer Mensch, denn zwischen

seinen Beinen lagen in der Tasche zwei Beutel mit je 1000
Dollar an Gold.

Erst als die Tür aufging und Vaquence über die Schwelle

trat, schob er das Jackett wieder über den Leib.

»Hallo, Ramon«, grüßte der Händler.
»Tag, Boß«, brummte der Ladino, füllte seinen Becher mit

Kaffee und setzte sich ans andere Ende des Tisches.

Rene registrierte die Unruhe des Besuchers, die sich auch auf

ihn übertrug.

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»Ist was schiefgelaufen, Ramon?« fragte er lauernd. »Hat

Santos uns im Stich gelassen?«

»Rurales haben ihnen aufgelauert, Perez, Martinez, Paco und

Alfredo sind tot. Und sicher hat auch Domingo y Santos und
die anderen der Teufel geholt.«

Vaquence berichtete, was sie in den Bergen erlebt hatten.

Sinclair schwieg. Nur seine Gedanken arbeiteten schnell und
präzise.

Er hatte einen Vertrag mit Cochise und zwei Beutel Gold von

ihm. Es war noch mehr von diesen roten Teufeln zu holen,
wenn man es richtig anpackte, denn sicher hatten sie in den
Dragoons eine Ader entdeckt. Aber ohne Santos keine
Gewehre. Diese Verbindung war unterbrochen.

Es galt, einen anderen Weg zu finden.
Sinclair erinnerte sich an Critten.
»Ist dir ein Blaurock zugelaufen, Ramon?« fragte er.
Der Ladino nickte. »Einen Tag, bevor das in der Sierra

Madre geschah. Er gab sich als dein Freund aus. Ist das nicht
der Fall, Boß?«

Der Pedlar lächelte. Er dachte an die flüchtige Begegnung

mit dem Corporal.

»Vielleicht wird er mein Freund. Es kommt darauf an, wie

verläßlich er ist.«

»Ich vertraue ihm. Critten hat mich vor einer Begegnung mit

den Rurales bewahrt. Ich stehe in seiner Schuld.«

Sinclair stand auf, nahm eine Brandyflasche vom Regal und

füllte zwei Gläser.

»Ich will offen mit dir über meine Pläne sprechen«, begann

er und erzählte von seiner Begegnung mit dem Chiricahua-
Häuptling Cochise, dessen Forderungen und den eigenen
Plänen.

Ramon Vaquence verzog das Gesicht. Ihm war bewußt, daß

Sinclair ihm etwas anvertraute, das den Tod bedeuten konnte,
zugleich aber erkennen ließ, daß die Apachen den Aufstand

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planten.

»Weißt du, was es bedeutet? Moderne Gewehre in den

Händen roter Krieger, Boß. Blutige Unruhen wären die Folgen.
Keine Ranch wäre vor den Bestien sicher. Wir haben es im
vergangenen Jahr schon einmal erlebt«, schloß Vaquence
besorgt.

»Sagtest du Bestien?« Sinclair betrachtete den Erregten mit

herausforderndem Blick. »Hast du vergessen, daß du selbst ein
Bastard bist, in dessen Blut ebensoviel rotes Blut fließt wie
weißes? Vielleicht sogar noch mehr. Blick doch mal in einen
Spiegel, Ramon.«

Ramon fuhr wie von einer Tarantel gebissen hoch. Seine

dunklen Augen funkelten zornig, und seine Rechte lag auf dem
schweren Sechsschüsser.

Sinclair schlug gelassen seine Rockschläge zurück, so daß

Ramon den Silberbeschlag des Colts in Sinclairs Hosenbund
sah.

»Setz dich!« befahl der Franzose hart. »Wir reden vom

Geschäft und fahren uns gegenseitig an die Kehle.«

Ramon war aufs äußerste gereizt.
»Sage nie wieder Bastard zu mir, Rene. Es könnte sein, daß

ich dich mit den Fäusten zerquetsche. Und was das Geschäft
mit Cochise angeht, da mache ich mir die Finger nicht
schmutzig. Wenn die Armee davon erfährt oder dieser
verdammte Captain Freeman aus Tombstone, hängen wir
schneller am Galgen, als wir denken können. Und wenn
Cochise hat, was er haben will, werden sie uns massakrieren.
Ich kenne Chiricahua-Mentalität.«

Ramon griff nach seinem Stetson.
Rene Sinclair gab sich unbeeindruckt.
»Setz dich!« wiederholte er herrisch. Dabei griff er unter den

Tisch, erfaßte die Falttasche am Lederbügel und knallte sie hart
auf den Tisch.

Vaquence starrte ihn feindselig an.

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»Was glaubst du, was hier drin ist, Ramon?« fragte Sinclair

und zerrte an den Schlaufen. »Was wohl, Ramon?« wiederholte
er und stülpte die Tasche um.

Vaquences Blick war starr auf die prallen Lederbeutel

gerichtet, die mit Chiricahua-Zeichen durchsetzt waren.

»Greif zu, Ramon. Öffne einen der Beutel und gib mir dann

deine Antwort.«

Sinclair lächelte in Gedanken. Er hatte die Karten auf den

Tisch gelegt. Für das Mischblut gab es nur eine Antwort: ein
klares Ja, sonst würde er in die Hölle fahren, und Marshal
Thombridge würde es als glatte Notwehr bezeichnen.

Ramon zögerte. Er hatte Sinclairs Worte nicht vergessen, und

er war empfindlich, wenn man ihn als Halbblut bezeichnete.

Dennoch griff er zu und öffnete zögernd den dünnen

Lederriemen.

»Greif rein, Ramon. Oder soll ich dir helfen?«
Sinclair riß ungeduldig dem Hünen den Beutel aus der Hand,

kippte ihn um und schüttete den Inhalt auf die Tischplatte.

»Gold!« flüsterte Vaquence verwirrt.
»Reines Gold, Ramon. Cochises Gold. Die Anzahlung für

zehn Gewehre. Er zahlt viermal so viel bei der Lieferung. Es
brauchen keine Repetiergewehre zu sein. Armeekarabiner tun
es auch. Der Häuptling wird für alles dankbar sein.«

»Und schneidet uns vor Dankbarkeit die Kehle durch.«

Vaquences Blick konnte sich nicht vom schillernden Glanz des
Goldes lösen. Er wehrte sich, aber er spürte die Macht, die
dieses Metall auf ihn ausübte.

»Nein, Ramon«, widersprach Sinclair. »Cochise braucht

Waffen. Er sinnt auf Rache für den schmählichen Verrat, der
an ihm begangen wurde. Die Armee ist sein Feind, und
Cochise weiß, daß die Militärposten durch den Krieg
geschwächt sind und im Osten gegen ihre eigenen Leute
kämpfen. Hier sieht er seine Chance, die Feinde aus seinen
Jagdgründen zu vertreiben. Haß macht blind. Selbst wenn wir

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ihm hundert Henry Rifles liefern würden und so alle seine
Krieger mit modernen Schußwaffen ausrüsteten, würde sein
Aufstand niedergeschlagen, noch ehe er recht begonnen hätte.
Cochises blutrünstige Gedanken werden ihm unter den
Schrapnells der Berghaubitzen und den Säbelhieben der
Dragoner vergehen. Die einzigen Gewinner dieser Schlacht
sind wir, Ramon, denn wir erkaufen uns mit Gewehren das
Vertrauen des Kriegshäuptlings. Ist es erst soweit, können wir
uns gefahrlos in ihren Bergen bewegen. Irgendwann werden
wir auf ihre Goldmine stoßen.«

»Du meinst, es gibt mehr davon?«
Vaquence rieb die kleinen Staubkörner zwischen den

Fingern.

»Wo sie dieses Gold ausgebuddelt haben, ist noch mehr zu

finden«, erwiderte Sinclair voller Überzeugung.

Vaquence setzte sich auf den Stuhl. Er merkte, daß mit

seinen Knien auch sein Wille schwach wurde. Ein Leben lang
war er ein kleiner Gauner gewesen, der nicht mal vom großen
Glück zu träumen gewagt hatte. Hier ein paar Pferde, dort eine
Fuhre Brandy und dann die Dinge, die Domingo y Santos über
die Grenze schmuggelte. Pulque, Tabak, Huren...

Was hatte das alles eingebracht?
In Sekunden lief sein Leben vor seinem geistigen Auge ab,

es war offenbar, daß Sinclair ihn überzeugt hatte.

Aber dann fragte Ramon:
»Woher willst du die Gewehre holen, Boß? Santos' Bande ist

hinüber. Santos selbst, sollte er das Massaker überlebt haben,
wird sich vorerst nicht mehr auf den Schmugglerpfad trauen.
Im Drugstore findest du ein paar rostige Flinten, die dir beim
ersten Schuß um die Ohren fliegen. Also stecken wir unsere
Träume auf und begnügen uns mit dem, was wir haben.«

Mit einer Kopfbewegung deutete er auf die beiden

Lederbeutel. Sinclair schob sie in die Tasche zurück, stellte sie
unter den Tisch und zog Flasche und Gläser heran.

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»Wer hat wohl dieses Material im Überfluß?« fragte er und

schenkte die Gläser randvoll.

»Die Armee«, entfuhr es dem Halbblut, und er erschreckte

vor seinen eigenen Gedanken. »Du meinst...«

»Genau das meine ich, Ramon. Wir rüsten Cochise mit

Waffenbeständen der Army aus. Wir holen sie aus den
Magazinen der Forts, von ihren Materialzügen und wenn es
sein muß, sogar aus General Howards Headquarters.«

Ramon Vaquence lauschte dem Pedlar, der seine Pläne

entwickelte, vom Reichtum und Glück sprach, wovon er ein
Leben lang geträumt hatte. Irgendwie verlor Ramon Angst und
Hemmungen, als der Boß sagte:

»Wir brauchen nur tüchtige Leute, und alles klappt wie am

Schnürchen.«

»Geeignete Männer sind kein Problem. Es laufen genügend

verkommene Existenzen in und um Nogales herum, die schon
x-mal ihre Stiefelsohlen gekocht haben, weil der Kohldampf
schmerzhaft in ihren Eingeweiden wühlt. Ich werde sie
überzeugen.«

»Und Critten?« fragte Sinclair lauernd. »Kann man ihm

vertrauen?«

»Was willst du mit Critten?« brauste Ramon auf. »Wenn der

sein Glück nicht will, läßt er es bleiben.«

»Er war Soldat und kennt die Gepflogenheiten der Armee. Er

weiß, wie man an ihre Depots und Lager herankommt, wie sich
eine Eskorte von Soldaten verhält, wenn ihr Munitionsdepot
angegriffen wird, und viele andere Dinge. Du siehst, wofür ich
ihn brauche.«

Vaquence war aufgestanden. Er blickte durch die blinden

Fensterscheiben auf den Hof, der voller Unrat war.

»Critten ist Deserteur. Ich weiß nicht, wie verkommen er

ist«, wandte Ramon ein.

»Dann hole ihn, ich werde ihm seine Lage vor Augen

führen.«

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*

Aus Nogales kommend, durch das Brachland reitend und
kleinere Ansiedlungen umgehend, näherten sich zwölf Reiter
dem Fortposten Huachuca. Sie hielten sich zwischen flachen
Hügeln und drangen unbemerkt in Dickicht ein, das Fort
Huachuca im weiten Bogen umschloß. Auf einer kleinen
Lichtung, die Vaquence für günstig hielt, stiegen sie von ihren
Pferden, lösten die Sättel und rieben die schweißnassen Felle
der Tiere mit Grasbüscheln trocken.

»Hier wollen wir vorerst bleiben«, bestimmte der Ladino und

winkte Sam Critten heran.

»Du warst lange genug bei der Armee, um zu wissen, wie es

in einem Fort aussieht.« Dabei deutete er durch das Gebüsch
zum nahen Fort, dessen gespitzte Palisaden steil in den Himmel
ragten. »Die Hülle kenne ich, nicht aber die Eingeweide.«

Critten lächelte, denn Vaquences Worte zeigten, daß der

Mann nie in der Armee gedient hatte.

»Jedes Fort wird nach einem gewissen Maßstab gebaut. Es

kommt auf die äußeren Bindungen an. Sie stehen in Tälern
oder auf günstigen Höhen. Im Innern gleichen sie wie ein Ei
dem anderen: Das große Tor im Vordergrund, die Palisaden,
innen mit Wehrgang und einem Ausfall versehen. Beim
rückliegenden Teil, zum Hof hin, liegen im Mittelteil
Kommandantur und Offiziersbaracke. Im Anschluß die
Mannschaftsunterkünfte. Neben den Mannschaftsräumen die
offenen Pferdeställe, Geräteplatz und im äußersten Winkel das
Depot.«

»Das ist es, was uns interessiert. Steigen wir auf den Hügel.«

Vaquence nickte zufrieden.

Sie krochen durch dichtes Gesträuch den Hang hoch. Von

oben aus lag das Blickfeld offen, und sie konnten einen Teil
des Innenhofes übersehen.

Critten hielt das Fernrohr an die Augen, mit dem Sinclair sie

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ausgerüstet hatte, und betrachtete eingehend das Fort.

»Es hat nur eine kleine Besatzung. Ich schätze die Stärke auf

zwölf Mann. Wahrscheinlich ist eine Patrouille draußen.«

»Das Depot!«
Critten reichte seinem Begleiter das Glas.
»Wenn du dem Schnittpunkt des Fahnenmastes folgst, links

im Winkel, dort muß es sein. Du kannst es nicht erkennen, es
liegt tiefer als die anderen Bauten und ist im unteren Teil
eingegraben.«

Vaquence registrierte jede Bewegung im Fort.
»Wie viele Posten bei Nacht, Sam? Wann werden sie

abgelöst?«

»Mitternacht erscheint mir als günstigste Zeit. Du weißt, wie

einem zumute ist, wenn man gewaltsam aus den schönsten
Träumen gerissen wird. Du brauchst eine Zeitlang, um munter
zu werden.«

Vaquence nickte.
»Also um Mitternacht.«
Sie stiegen ins Tal zurück, wo die Bande faul auf ihren

Decken lag. Vaquence setzte sich dazwischen, begann die Lage
zu besprechen und die Rollen zu verteilen.

Drei von ihnen sollten Critten begleiten und ihm dabei

helfen, die Wachen unschädlich zu machen. Einer hatte dann
die Aufgabe, das Tor zu besetzen und rechtzeitig zu öffnen,
wenn das Gros der Bande auftauchte.

»Wir anderen werden eine Stunde nach Crittens Aufbruch

vor dem Tor erscheinen und die Waffen mitnehmen. Die Sache
muß vorbei sein, ehe irgendwer Alarm schlagen kann. Noch
eine Frage? Nein? Okay, dann legt euch ein paar Tücher
zurecht, die ihr später den Gäulen um die Hufe wickelt.«

Von nun an warteten sie auf die Nacht.
Vom Fort her kamen Geräusche. Bei Sonnenuntergang blies

der Hornist den Zapfenstreich. Die Armee holte ihr
Sternenbanner ein.

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Am Stand des Gestirns las Vaquence die Nachtzeit ab. Als es

soweit war, weckte er die Leute.

Critten, Holmes, Tratten und Holsten traten vor ihren

Anführer. Vaquence reichte ihnen je ein Bündel langschäftiger
Pfeile und sagte grinsend:

»Chiricahua-Pfeile aus Sinclairs Bestand. Laßt sie so zurück,

daß man sie später entdeckt. Vielleicht können wir ihnen
glaubhaft machen, Apachen hätten ihr Depot ausgeraubt.«

Critten drängte näher.
»Wofür braucht Sinclair die vielen Gewehre?« wollte er

wissen.

»Er hat dir gesagt, um der Armee eins auszuwischen. Er wird

die Karabiner an die Siedler verkaufen und den Gewinn mit
uns teilen.«

Critten schüttelte den Kopf.
»Bringen sie so viel ein, daß sich der Umstand lohnt?«
Vaquence lachte. »In diesen unsicheren Zeiten ist ein guter

Karabiner nicht mit Gold aufzuwerten. Wir werden alle
zufrieden sein. Und nun haut ab. Eure Pferde findet ihr später
am Haupttor.«

Critten führte seine Gruppe durch das Gebüsch. Tief geduckt,

jede Mulde nutzend, näherten sie sich dem Fort. Als sie die
Außenpalisaden erreichten, deutete Sam nach oben.

»Wirf das Lasso um einen Pfahl, Tratten. Ich steige als erster

hoch.«

Sam preßte sich an die Wand. Oben erklangen Stiefelschritte

des Nachtpostens auf den harten Bohlen des Laufganges. Sam
hörte, wie der Mann die Leiter runterstieg. Also mußte die
Ablösung bald kommen.

»Beeil dich!« flüsterte Critten, als die Schritte sich

entfernten. »Wir müssen im Turm sein, ehe er wieder besetzt
wird.«

Tratten schwang bereits das Lasso. Er ließ die Schlinge

aufwärts schnellen. Mit schwachem Klatschen schlang sich die

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Schlaufe um den Stamm.

Sam prüfte die Sicherheit und hangelte sich katzengleich in

die Höhe.

In den Innenhof fiel ein Lichtstreifen. Er kam aus der

Wachstube, aus der gerade zwei Männer traten und getrennt zu
den Palisadengängen hochstiegen.

Tratten und Holsten lagen flach auf dem Bauch. Critten

spürte ihre Nähe und die Erregung, die sie beherrschte.

Die Leitersprossen knarrten, der Schatten des Postens verfloß

in seinen Konturen.

Als der Soldat den Laufgang erreicht hatte, schnellte Sam

Critten vor und schlug mit dem Revolverkolben zu. Noch im
Niedersinken fing er den Körper des Bewußtlosen auf und ließ
ihn geräuschlos auf die Dielen gleiten.

»Ich hole den anderen«, wisperte Critten ohne Erregung. Er

war kaltblütig und dachte daran, daß dies die Gelegenheit war,
jener Armee eins auszuwischen, der er vier Jahre lang treu
gedient hatte. »Holmes, Holsten – ihr folgt mir in zwei
Minuten. Tratten, du besetzt das Innentor. Und trampelt nicht
wie die Ochsen durch die Gegend!«

Critten war in der Dunkelheit verschwunden. Er kannte die

Palisadengänge und ihre Tücken aus vielen Nächten, wo er
selbst darauf gewacht hatte.

Der zweite Wachtposten schien es sich in einer Ecke bequem

gemacht zu haben. Critten sah es am Glimmen seiner Zigarette,
die ihm nun den Weg wies.

Überraschend stand er vor dem Mann. Sein Revolver sauste

nieder. Ohnmächtig fiel der Posten zur Seite. Das alles geschah
fast lautlos und erinnerte Sam Critten an jene wilde Zeit, als er
in der Unionsarmee geritten war.

All right, dachte Sam und schob die Waffe ins Halfter

zurück. Er hörte am leisen Knarren der Bohlen, daß Holmes
und Holsten näher krochen. Als sie heran waren, mahnte er:
»Hebt die Füße hoch, hier beginnen die Treppen! Wir müssen

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an der Wachstube vorbei.«

Sie erreichten den Innenhof – Tratten war bereits auf seinem

Posten – robbten unter dem erleuchteten Fenster der
Wachstube her und erreichten die spitzen Winkel im hinteren
Teil des Forts.

Critten arbeitete zielstrebig. Er brauchte keine Minute, und

das Schloß ließ sich öffnen. Der Weg war frei. Hintereinander
schoben sie sich an der offenen Tür vorbei ins Depot.

Sorgfältig verschloß Sam die Tür und riß ein Zündholz an. Er

sah die entsetzten Gesichter seiner Begleiter und grinste.

»Im Arsenal gibt es aus Sicherheitsgründen keine Fenster.

Soldaten klauen genau wie Zivilisten. Sie nennen es nur
organisieren.«

Sam nahm eine Stallaterne vom Haken, entzündete den

Docht und schlich den beiden voran.

In langen Reihen, säuberlich ausgerichtet, standen fast 80

Gewehre im Ständer, und am Ende des Ganges entdeckten sie
Munitionskästen und Pulverfässer.

»Das gäbe ein prächtiges Feuerwerk«, bemerkte Holsten mit

gemeinem Grinsen.

»Schlag dir das aus dem Kopf«, zischelte Critten. »Packt so

viele Karabiner in den Riemen, wie ihr tragen könnt, dann
nichts wie raus. Unser Glück kann nicht ewig dauern.«

Critten hängte sich an jeden Arm acht Springfield-Gewehre

und wartete, bis seine Begleiter fertig waren.

Lautlos überquerten sie den Hof und erreichten unbemerkt

das Tor. Tratten hatte bereits den Riegel zurückgeschoben. Sie
legten vorsichtig die Waffen ab.

Sam lauschte nach draußen. Von Vaquence und der Bande

war nichts zu hören.

»Wir brauchen Munition. Ohne Patronen taugt der beste

Karabiner nichts«, sagte der Corporal mit einem kritischen
Blick zur Wachstube.

»Und noch ein paar Schießprügel«, bemerkte Holsten. »Die

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Herren Generäle werden sich totlachen, wenn sie erfahren, daß
Fort Huachuca geknackt wurde.«

»Die Armee wird uns wie räudige Köter jagen, um ihr

Ansehen wieder aufzupolieren. Ich weiß nicht, wer zuletzt
lacht. Kommt!«

Die dunkle Nacht nahm sie auf. Als sie zurückkamen, stand

das Tor weit offen. Vaquence war eingetroffen und dabei, die
Gewehre auf ihren Pferden zu verstauen.

»Vorwärts!« befahl Vaquence, als er Critten erkannte. »Holt

eure Gäule, wir hauen ab!« Als Holmes an ihm vorübereilte,
hielt er ihn an der Schulter fest.

»Alles klar?« fragte er leise, so daß Critten es nicht hören

konnte.

»Alles klar.«
Lautlos, wie sie in Fort Huachuca eingedrungen war,

verschwand die Bande in der Finsternis.

Als sie fünf Meilen südlich durch das Hügelland ritten,

erhellten mächtige Flammenblitze sekundenlang den Himmel.
Das Echo vieler Detonationen rollte in Intervallen über die
Hügel.

»Verdammt!« Sam Critten parierte aufgeschreckt sein Pferd

und starrte auf den lodernden Feuerball, der in der Ferne
zerfiel. »Das kommt vom Fort.«

Vaquence tauchte an seiner Seite auf. »Der Donnerschlag

wird die Besatzung eine Weile beschäftigen, Sam, und uns
genügend Vorsprung geben, die Beute in Sicherheit zu bringen.
Vorwärts!«

Sam Critten preßte die Lippen zusammen. Er war Deserteur

und bereit, der Armee Schaden zuzufügen. Aber gleich ein
halbes Fort in die Luft zu sprengen, so tief saß sein Haß nicht.

Und zum erstenmal spürte er, daß er an Sinclairs oder

Vaquences Seite immer mehr auf die schiefe Ebene geriet.

Im Morgengrauen zog die Bande durch die Steilschluchten

des Santa Rita-Gebirges, ohne daß ihnen irgendein Mensch

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begegnet war.

Aber Vaquence wußte, daß es in und um Fort Huachuca bald

von Soldaten, Aufgeboten, Bürgerwehren und sonstigen
Jagdkommandos wimmeln würde. Er beschloß, die Beute in
einer der vielen Höhlen des Miller Peak zu verstecken, ehe
man sie wie blinde Hühner jagte.

Stärkere Regsamkeit der Jagdgruppen im Santa Cruz County

veranlaßten Ramon, die Bande in mehrere Gruppen
aufzuteilen.

Während vier Männer als Wachen bei der Beute

zurückblieben, zog ein zweiter Trupp zur verlassenen Farm
Dan Millers, nahe Harshaw. Vaquence kehrte auf
Schleichwegen nach Nogales zurück, um dem Boß Bericht zu
erstatten.

Aber Sinclair war längst über die Geschehnisse im Fort

Huachuca informiert und empfing den Ladino nicht gerade
freundlich.

»Du solltest Waffen aus dem Fort besorgen und nicht gleich

ein ganzes Gebiet und die Bewohner in Aufruhr versetzen. In
den Bergen und auf dem Flachland wimmelt es von
Patrouillen. Huachuca City, Sierra Vista und Tombstone haben
ihre Bürgerwehren zusammengerufen. Sie alle befürchten einen
Aufstand der Apachen wie im vergangenen Jahr. Verdammt,
Ramon, welcher Teufel hat dich geritten?«

Sinclair wanderte unruhig in der alten Hütte am Stadtrand,

die er vor einem Jahr von der Minengesellschaft gepachtet
hatte, um seinen Geschäften einen soliden Aufhänger zu geben,
hin und her.

Ramon lächelte verkrampft.
»Ich dachte, das wäre in deinem Sinn.«
Sinclair wirbelte herum.
»Ich sagte dir, wenn es nicht anders geht, macht ihr ein

wenig Rabbatz, um die Truppe aus dem Fort zu locken. Aber
Huachuca halb in die Luft zu sprengen, war glatter Wahnsinn.

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Eine Herausforderung an die amerikanische Armee, Ramon.
Sie ist trotz aller Schwächen noch verdammt stark im
Territorium vertreten. Und hinter ihr stehen die Bürger und ihre
Jagdkommandos, die den Schutz der Soldaten brauchen. Es
werden Wochen vergehen, ehe sie sich beruhigen. Sag mir
jetzt, wie der Erfolg war.«

Ramon sprach von der Beute.
»Sechzig nagelneue Springfield-Karabiner und tausend

Schuß Munition. Das wird Cochise von deiner Aufrichtigkeit
überzeugen, Boß. Er wird deine Bitte nicht ausschlagen können
und dir gestatten, daß du mit deinen Freunden eine Weile in
den Dragoons reiten kannst, ohne daß seine roten Teufel uns
belästigen.«

Er erklärte, wo sie die Beute hinterlassen hatten, und daß es

ihm in Anbetracht des herrschenden Trubels im Cruz County
ratsam erschienen war, den Großteil der Bande ins
Wüstengebiet zu dirigieren.

»Millers zerfallene Farm liegt so einsam, daß sie längst

vergessen sein dürfte.«

Sinclair kannte den Ort von früheren Zusammenkünften und

stimmte Ramons Entscheidung nachträglich zu.

»In einer Woche wird es ruhiger werden. Dann bringt ihr die

Waffen an das trockene Wasserloch in den Ausläufern des
Chiricahua Peak«, bestimmte der Franzose. »Und nun
verschwinde! Ich möchte nicht, daß wir zusammen gesehen
werden.«

Sinclair nutzte den Morgen, um in Snatters Warenlager

einige Bestellungen aufzugeben. Snatter warnte ihn, in diesen
unruhigen Zeiten allein in die Plains zu ziehen.

»Die Apachen sind auf dem Kriegspfad, Mr. Sinclair«, gab er

zu bedenken. »Ein gefülltes Warenlager wäre nach ihrem
Geschmack.«

Doch Sinclair winkte gelassen ab. »Ohne Risiko kein

Gewinn.«

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Er suchte den Barbershop auf, wo es immer Neuigkeiten gab,

und später Tanners Saloon. Vaquence hockte in der Ecke vor
einem Glas Bier.

Sinclair glaubte seinen Augen nicht trauen zu können, als er

seinen Hof betrat. Am Hitchrack stand ein Pferd, und auf dem
Kutschbock saß ein Mann, dem er nicht gern begegnen wollte.

»Hallo, Mr. Haggerty!« grüßte er dennoch freundlich. »Das

nenne ich eine Überraschung.«

John schwang sich vom Bock. Sinclair rechnete damit, daß

der Scout längst seinen Wagen durchwühlt hatte.

»Ich wußte doch, daß es Ihr Fahrzeug ist.« John lächelte.

»Die Welt ist klein. Man trifft überall Bekannte.«

»Und Sie, Mr. Haggerty? Immer noch auf der Jagd nach

Gerüchten?« Sinclair reichte ihm die Hand und deutete zum
Haus. »Kommen Sie rein. Ich habe noch einen alten Kentucky,
den ich mir für Freunde aufgehoben habe. Ich möchte mich
erkenntlich zeigen, weil Sie mir einmal das Leben gerettet
haben.«

»Reden wir nicht davon.« John folgte dem Händler in dessen

Behausung.

Sinclair war Junggeselle. Er lächelte.
»Stören Sie sich nicht an der Unordnung. Ich bin nur selten

zu Hause. Sie wissen schon...«

John nickte.
Der Pedlar hatte eine staubige Flasche Whisky aus einem

Schubfach genommen.

»Sie handeln wohl mit Whisky?« fragte John nach dem

ersten Schluck.

Sinclair wußte, worauf der Mann hinauswollte. Diese Frage

bestätigte seine Vermutung. Haggerty hatte in seinem Wagen
geschnüffelt.

»Durstige Kunden gibt es überall«, antwortete der Franzose

lächelnd.

»Auf den Farmen, die Sie besuchen?«

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»Klar.«
»Und nicht in den Dörfern der Chiricahuas, Mimbrenjos oder

Tontos?« Auch John lächelte.

Er kannte die Händler vom Schlag Sinclairs. Sie handelten

mit allem und jedem.

Sinclair tat entrüstet.
»Sie wissen, daß ich Indianern keinen Schnaps verkaufen

darf. Wollen Sie mich beleidigen, Mr. Haggerty?«

»Es war nur ein Scherz.«
Sie besprachen belanglose Dinge, und der Chiefscout

verabschiedete sich bald.

Sinclair hatte ihm noch einen Tip gegeben, wo der

Schmugglerpfad nach Mexiko liegen könnte. Aber John hatte
andere Dinge im Kopf. Der Überfall auf Fort Huachuca
beschäftigte ihn, denn er war einen Tag nach der Zerstörung in
Fort Huachuca eingetroffen. John wußte, was an Waffen
gestohlen worden war, und der Kommandant hatte ihm die
Chiricahua-Pfeile gezeigt, mit denen einer seiner Soldaten
getötet worden war. Hier lag der Haken.

John bestieg sein Pferd und ritt hinaus. Eine Reitergruppe

trabte die Straße hinunter. Ungefähr 50 verwegene Burschen.
An ihrer Spitze ein graubärtiger Mann in zerschlissener
Armeeuniform.

John erkannte ihn trotz der Entfernung. Unwillkürlich preßte

er die Lippen zusammen, als der Graubart aus dem Verband
schwenkte.

»Hallo, Mr. Haggerty!« grüßte Captain Freeman und wischte

sich den Schweiß von der Stirn. »Man findet Sie überall, wo
Unruhen sind. Ich wußte, daß wir uns begegnen würden,
nachdem man mir in Fort Huachuca von Ihrem Besuch
berichtet hat. Sie haben wohl eine Nase für die Dinge. Na ja,
als Howards bester Scout...«

John blickte an Freeman vorbei. Die Miliz, die der Captain

Frontier Bataillon nannte, bog in eine Seitenstraße.

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»Sie sind auch schnell auf den Beinen, Captain, wenn es gilt,

ein paar armen Chiricahuas den Skalp zu nehmen.«

Es lag ein verächtlicher Ton in Haggertys Stimme, der

Freeman aufbegehren ließ.

»Ich weiß, daß Sie mit den Chiricahuas sympathisieren. Die

haben Ihnen auch einen wohlklingenden Namen verpaßt:
Falke. Sie sind wohl mächtig stolz darauf. Aber ich kenne diese
tückischen Bastarde. Falsch bis in die Zehenspitzen, wild wie
Raubtiere. Ich bin im letzten Jahr auf sie gestoßen, Scout, und
es hat mich dreißig meiner besten Leute gekostet. Das werde
ich Cochise nicht vergessen.«

»Ihre Heldentaten gingen durch die gesamten

Boulevardblätter des Territoriums«, sagte John. Er mochte
»Lion« Freeman nicht, weil der und sein Frontier Bataillon ein
Unruheherd im Territorium waren. John gab ihm die Schuld an
den blutigen Zusammenstößen zwischen Cochise und der
Bevölkerung im vergangenen Jahr. Freemans grausamer
Vernichtungsfeldzug gegen Apachendörfer war der Anlaß, daß
Cochise ebenso grausam zurückschlug.

»Diese Heldentaten, wie Sie es zu nennen pflegen, Mr.

Haggerty«, entgegnete Freeman scharf, »waren eine absolute
Notwendigkeit. Der Beweis: Cochise hielt ein Jahr lang Ruhe.
Aber er mußte wieder raus aus seiner Festung. Er fühlt sich
belogen und betrogen, in seiner Ehre verletzt.«

»Ist es nicht auch so, Captain Freeman?« John lächelte über

Freemans Worte.

»Ihre Sympathien sind offen auf Cochises Seite, Scout.«
»Ich arbeite für General Howard, Freeman, dessen

Friedensbemühungen von Leuten Ihrer Sorte durchkreuzt
werden. Sie werden im Santa Cruz County weder auf einen
Chiricahua noch auf einen Mimbrenjo-Krieger stoßen.«

»Wir sind ihren Spuren bis in die Santa Rita Mountains

gefolgt«, trumpfte der Captain auf. »Haben die aber leider in
den Bergen verloren. Wir werden uns in Nogales neu ausrüsten

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und die Jagd fortsetzen.«

John lächelte. Auch er war der Fährte von Fort Huachuca bis

ins Gebirge gefolgt, nur mit klareren Augen.

»Ist Ihnen nicht aufgefallen, welchen Beschlag ihre Pferde

trugen?«

»Sie waren beschlagen. Aber was bedeutet das, Mr.

Haggerty? Apachen stehlen, was nicht niet- und nagelfest ist.
Warum also auch nicht beschlagene Gäule?«

John betrachtete den erregten Mann. Der ehemalige Captain

hatte in Tombstone einen ebenso berühmten wie berüchtigten
Namen. Er war eine Autorität und Befehlshaber der Miliz von
eigenen Gnaden. Er besaß die Macht und das Können, 100 oder
200 aufrechte Männer für seine Sache zu begeistern. Und wie
in Tombstone entstanden bereits in anderen Settlements
Jagdkommandos, die sich Freeman unterstellt hatten.

»Wir wollen die Sache in Ruhe besprechen, Captain«, lenkte

der Chiefscout ein. »Ich komme heute nacht in Ihr Biwak.«
John lockerte die Zügel seines Pintos und ritt an Freeman
vorbei die Straße hoch.

»Wenn Sie mich von der Harmlosigkeit Ihrer roten Freunde

überzeugen wollen, legen Sie sich lieber schlafen, Haggerty«,
rief Freeman ihm nach, ehe auch er sein Pferd in Trab setzte.

John lächelte.
Am Nachmittag ging er in eine kleine Pension. Bis zum

Einbruch der Nacht lag er angezogen und mit wachen Augen
auf dem Bett. Seine Gedanken waren unablässig in Bewegung
und kehrten immer wieder zu der Frage zurück: wer hat
Interesse an 60 Springfield-Gewehren? Und die Antwort war
stets die gleiche: Cochise.

Wenn man Cochise nur zu packen bekäme. Aber der schlaue

Fuchs saß in seiner Bergfestung, ließ die Zeit für sich arbeiten
und schmiedete gefährliche Pläne.

Als John sich endlich erhob, ahnte er: jene Männer, die Fort

Huachuca überfallen hatten, hielten Verbindung mit dem

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Häuptling.

Eine vage Vermutung, aber als Scout hatte er einen sicheren

Instinkt.

Auf dem Weg zu Freemans Lager war es John, als folgte ihm

in der Dunkelheit jemand. Doch er mußte sich getäuscht haben,
denn nach mehreren Finten, die er schlug, um den
vermeintlichen Verfolger zu erwischen, gab er auf.

Freeman saß auf dem ausgetrockneten Stamm eines

Skelettbaumes. Er schien auf den Besucher gewartet zu haben,
denn er blickte herausfordernd hoch, als John sich niedersetzte
und ihm einen langschäftigen Pfeil reichte.

»Nachdem beschlagene Pferdespuren Sie nicht überzeugen

konnten, frage ich Sie, Captain, kennen Sie einen solchen
Pfeil?«

Freemans Hände glitten über den biegsamen Schaft, prüften

das Gefieder.

»Ohne Zweifel Chiricahua-Arbeit.«
John nickte. »Ich habe ihn aus Fort Huachuca.«
»Und was ist daran so auffällig, Mr. Haggerty?«
»Suchen Sie nach Merkmalen, Sir.«
»Er ist langschäftig wie ein Jagdpfeil«, erklärte Freeman

nach eingehender Prüfung.

»Es ist ein Jagdpfeil. Ein Apache würde ihn nie zum Angriff

benutzen, weil er seine Bewegungsfreiheit einengt. Chiricahuas
benutzen im Kampf kurzschäftige Pfeile, die sie im Köcher am
Rücken tragen. Gerade so lang, daß sie das Federholz über die
Schulter gut fassen können.«

Captain Lion Freeman lächelte.
»Sie versuchen alles, um Cochise zu rehabilitieren, Mr.

Haggerty. Ihre Argumente aber reichen nicht. Cochise braucht
gute Waffen, um sich aus seiner Bergfestung zu wagen. Er
weiß, was ihn in den Plains erwartet.«

John spürte Freemans Widerstand.
»Cochise weiß, daß seine Apacheria die letzte sichere

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Wasserstelle ist. Er wird sich zum Kampf stellen, wenn er sich
stark genug glaubt. So schätze ich den Häuptling ein, Captain.
Aber er wartet, bis er gerüstet ist.«

»Dann sollte man die Militärposten verstärken, um derartige

Übergriffe, wie sie in Fort Huachuca geschehen sind,
unmöglich zu machen«, rief Freeman spontan.

»Oder die Gauner zur Rechenschaft ziehen, die die

Chiricahuas mit Kriegsmaterial versorgen.«

»Cochises Stamm ist arm. Auf der Flucht ist ihm nichts

geblieben«, widersprach Captain Freeman. »Womit sollte er
Waffen bezahlen können?«

John lächelte über Freemans Einwand.
»Denken Sie an die San Pedro-Minen auf den Hügeln vor

Tombstone. Oder die Gold- und Silberminen in Pies Altos.
Überall in den Bergen Arizonas werden Digger fündig. Warum
sollte Cochise, der dieses Land schon als Jüngling durchstreift
hat, nicht auf Schätze gestoßen sein, die er – bisher unbeachtet,
doch nun, wo er die Macht des gelben Metalls kennengelernt
hat – zu seinem Vorteil ausnutzen?«

Freeman zog seinen Mantel über die Schulter und blickte

über das Feuer. Er fixierte den Scout scharf und lächelte
plötzlich.

»Cochise hat in Ihnen einen großartigen Fürsprecher, Mr.

Haggerty. Es muß für den Häuptling ein erhabenes Gefühl sein,
Sie als Freund zu besitzen.« Freeman gähnte und erhob sich.
»Sie können mich nicht überzeugen, Mr. Haggerty. Wir
brechen morgen zur Jagd auf.«

»Vielleicht sollten Sie über meine Worte nachdenken,

Captain«, sagte John.

Freeman warf ihm einen letzten Blick zu, ehe er sich

abwandte.

»Und noch eins«, rief der Scout hinter Freeman her, der

bereits sein Zelt erreicht hatte. »Ich bin nicht Cochises Freund.
Der Häuptling betrachtet mich als Feind, wie alle Weißen, die

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sein Land gestohlen haben.«

Captain Freeman blieb stehen. Er hielt den Zeltverschlag in

der Hand und blickte herüber. John sah sein spöttisches
Lächeln und hörte die ironische Stimme.

»Warum verteidigen Sie so leidenschaftlich Cochises

Unschuld, wenn Sie sein Feind sind, Mr. Haggerty?«

»Um das nächste Massaker zu verhindern, Captain

Freeman«, kam es voller Bitterkeit zurück. »Und um den
Frieden zu sichern, für den General Howard eintritt. Oder
einfach, um ein Unrecht zu verhindern.«

John sah, daß Captain Freeman den Zeltverschlag fallen ließ.

Zornig wandte er sich ab.

*

Rene Sinclair blickte noch einmal den Weg zurück, den er
gefahren war. Stumm und reglos nahm er Abschied von
Nogales, das irgendwo hinter einem der Hügel lag.

Für Sekunden galten seine Gedanken dem verdammten

Armeescout, dessen Neugierde ihn zum Aufbruch bewogen
hatte, dann blickte er wieder nach vorn.

Den ganzen Tag durchfuhr er die Einsamkeit, ohne eine Spur

von Reitern zu entdecken. Sinclair wußte, daß Jagdkommandos
der Bürgerwehren und Militärpatrouillen noch immer auf der
Suche nach den roten Banditen waren, die Fort Huachuca
überfallen hatten. Aber ihr Eifer begann zu erlöschen wie das
Feuer, dem man die Nahrung entzog.

Am zweiten Tag stieß er, weitab von der Normalroute

Benson-Nogales, auf das verödete Brachland von Miners Farm,
und schon hinter dem nächsten Hügel erkannte er die
verfallene Hütte.

Sie schien verlassen, doch als er auf Rufnähe herankam, trat

ein Hüne vor die windschiefe Tür und ging auf den Hof.

Ramon Vaquence.

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Neben ihm tauchten vier Männer auf, die freudig ihre Arme

hoben und dem Eintreffenden zuwinkten.

Sinclair lenkte sein Gefährt in den Hof und hielt es an. Er

stieg steif vom Bock und vertrat sich die Beine.

»Alles in Ordnung?« fragte er den Hünen.
Der Ladino nickte. »Wie du es befohlen hast. Die Ware ist

auf dem Weg ins Versteck. Wir sind zurückgeblieben, um auf
dich zu warten.«

Sinclair betrachtete seine Leute. Holmes und Vaquence

waren vom alten Stamm. Danz und Liberace waren erst vor
einigen Wochen zur Bande gestoßen. Zwei üble Raufbolde aus
dem Texas Panhandle. Brauchbar für gewisse Aufgaben.
Critten konnte er nicht trauen. Dieser verdammte Deserteur
dachte zu liberal. Von Ramon wußte er, daß Critten
Schwierigkeiten machte, nachdem er erfahren hatte, daß Fort
Huachuca in die Luft geflogen war. Aber er stufte ihn nicht als
Gefahr ein, denn Critten war selbst ein Outsider, der sich
niemandem anvertrauen konnte.

Der Pedlar nickte zufrieden.
»Dann kann die Sache bald laufen. Ramon, du wirst mich

begleiten. Dir, Holmes, vertraue ich die Leute an. Ihr werdet
zwei Tage auf Millers Farm bleiben und uns den Rücken
decken. Sollte irgendeine Posse auftauchen, lenkt sie auf eine
falsche Fährte. Nun holt euch Vorräte aus dem Wagen, es ist
genügend vorhanden.«

Noch ehe eine Stunde vergangen war, saß Sinclair wieder auf

dem Bock.

Holmes fragte: »Weshalb soll es Ärger geben, Boß? Die

Armee sucht Indianer. Sehen wir so aus?«

Der Pedlar grinste.
»Der einzige Bursche, den ich fürchte, ist ein Armeescout.

Ihm traue ich zu, daß er hinter mir herschnüffelt. Sollte er auf
der Farm auftauchen, legt ihn um.«

»Und wie erkenne ich den Gentleman?«

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»Du riechst ihn schon, wenn er auf hundert Schritte heran ist.

Sein Name ist John Haggerty. Also, bis auf bald.« Sinclair
lockerte die Zügel.

Als sie über den nächsten Hügel zogen, ritt Vaquence auf.
»Fürchtest du wirklich einen einzelnen Mann?«
»Haggerty ist eine halbe Armee, Ramon, klug und

gefährlich. In Nogales schlich er eine Woche um mich herum,
so, als habe er gespürt, daß ich ihm bei der Lösung seiner
Aufgabe dienlich sein könnte. Wenn die Jungs und der Scout
aufeinandertreffen, wird es hart, denn Haggerty dürfte sich
einige aussuchen, die ihn auf dem höllischen Trail begleiten.«

Bis zum Abend durchstießen sie den flachen Teil nördlich

des Miller Peak, und drangen am Morgen in die Ebene
zwischen Bisbee und Sierra Vista vor. Zweimal sahen sie in
der Ferne größere Reitergruppen, ohne daß sie selbst entdeckt
wurden.

Fast schnurgerade führte die Strecke zu dem grauen

Bergmassiv am Horizont. Ihr Richtungsweiser war der
mächtige Chiricahua Peak. Am Nachmittag wurde das Land
wellig und war von Diesteln und Organisfeldern durchsetzt.

»Wir sind keine fünf Meilen vor dem Ziel, Ramon«, sagte

der Franzose. »Reite voraus und melde meine Ankunft, damit
es keine Mißverständnisse gibt.«

Vaquance gab dem Pferd die Sporen.
Im Abenddämmern schwenkte er zwischen die Caps des

Chiricahua Peak und stieß, während es dunkelte, in eine
Schlucht.

Seine Leute warteten voller Ungeduld.
Während sie nun die Waffen aus einer verborgenen Höhle

zum Planwagen schleppten, rief Sinclair den Ladino heran.

»Wir brechen noch in der Nacht auf, Ramon. Ihr werdet die

Flanke sichern und eine Nachhut bilden. Morgen früh wirst du
nach langer Zeit wieder einen der roten Teufel sehen. Es steht
viel auf dem Spiel, Ramon. Verhaltet euch diszipliniert und

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bleibt zurück, wenn Chato es fordert. Chato ist ein
mißtrauischer Fuchs, dem ich erst erklären muß, warum ihr
mich begleitet. Ich hoffe, Cochise gewährt uns einige Tage
Gastfreundschaft.«

»Damit wir seine Goldquelle finden.« Vaquence grinste

niederträchtig. Seit vielen Tagen und Nächten träumte er vom
gelben Metall, das irgendwo in den Bergen lag.

»So ist es.«
Die Waffen lagen verborgen unter Hausrat und Proviant,

nicht sichtbar für den Uneingeweihten. Sinclair prüfte alles
sehr gewissenhaft.

»Okay«, sagte er schließlich, »wir können aufbrechen.«
Die Nacht war hell und sternenklar. Hin und wieder

entdeckte Sinclair seine Reiter in den Flanken. Als der Morgen
zu grauen begann, spürte der Pedlar, daß sie nicht mehr allein
ritten. Irgendwo in der Dämmerung folgten wachsame Augen
dem Zug.

Plötzlich waren sie da.
Sechs, acht Reiter auf ungesattelten Pferden, mit Lanzen und

Bogen bewaffnet, hatten unbemerkt die Ostflanke
durchbrochen und versperrten den Weg.

Sie hielten ihre Lanzen gesenkt. Rene Sinclair sah die kurzen

Kriegspfeile an den gespannten Bogen. Für einen Augenblick
spürte der Franzose die Kälte der Angst zwischen den
Schulterblättern, doch dann erkannte er Chato, der an dem
Zugpferd vorbei näher ritt.

Stumm musterte er den Mann auf dem Bock, als suchte er

eine Erklärung, warum der Pedlar nicht allein gekommen war.

»Wer sind die fremden Reiter, die in deinem Schatten folgen,

Händler?« fragte Chato voller Mißtrauen in der Stimme. Es lag
lange zurück, daß sie sich das letzte Mal begegnet waren.

»Freunde«, erwiderte Sinclair, während er mit dem Kopf zu

den Chiricahuas deutete, die wachsam der Szene folgten.
»Freunde, wie du sie auch in deiner Begleitung hast. Es ist

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gefährlich, allein durch das weite Land zu reiten, besonders,
wenn ich kostbare Fracht mitführe.«

Chatos faltiges Gesicht blieb unbeweglich, aber in seine

Augen sprang plötzlich ein Funke, der sein Interesse erkennen
ließ. Er trieb sein geschecktes Pony bis zum Wagen und stieß
mit der Lanze die Plane zurück. Weit beugte er sich über den
Hals seines Pferdes und schüttelte den Kopf.

»Wo sind die Gewehre?«
Wieder dieses Mißtrauen. Chato stieg auf die Ladefläche,

schob einige Getreidesäcke beiseite, bis glänzendes Metall
sichtbar wurde.

Da hellte Chatos Gesicht sich auf.
»Folge mir, aber laß die Fremden zurück!« forderte er den

Franzosen auf.

Doch Sinclair winkte heftig ab.
»Es war nicht leicht, die Feuerrohre zu besorgen, Chato. Sie

liegen nicht wie Steine in der Gegend herum. Wir mußten sie
aus einem Fort der Blauröcke stehlen. Dabei wurde ein Soldat
getötet. Seitdem sind sie auf unserer Fährte. Wir müssen
untertauchen, bis die Blauröcke die Suche aufgeben.«

Chato hielt sein Pferd zurück. Er suchte in Sinclairs Gesicht

lügnerische Worte.

Als der Franzose jedoch seinem Blick standhielt, nickte er.
»Enju. Ich werde deinen Freunden ein Versteck zeigen, wo

sie deine Rückkehr abwarten können. Komm jetzt, Cochise ist
sehr ungeduldig.«

Chato streckte den rechten Arm, als der Händler den Wagen

in Bewegung setzte. Folgsam wichen die Apachen zur Seite.

*

Als John Haggerty die windschiefe Tür aufstieß, ahnte er, daß
etwas Unvorhergesehenes geschehen würde, denn diese Farm,
die er auf der Suche nach dem verschwundenen Rene Sinclair

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berührte, war nicht verlassen.

Die Mündung eines langläufigen Sechsschüssers war so dicht

vor seinen Augen, daß er glaubte, die Patrone am Ende des
Laufes zu erkennen.

Ein breites, verwegenes Gesicht, das Haggerty schon mal in

Nogales gesehen hatte, schimmerte hinter dem Revolver. Und
John hörte die höhnische Stimme des Mannes, der seinen
Namen nannte.

»Willkommen, Mr. Haggerty! Wir haben bereits auf Sie

gewartet.« Der Kerl trat einen Schritt zurück, so daß John die
Männer erkennen konnte, die ihre Colts in den Fäusten hielten.
Dabei grinsten sie unmißverständlich. »Tritt näher, du
schnüffelnder Bastard. Der Boß hatte recht, wenn er sagte, daß
es nur einen gäbe, der unsere Aufgabe gefährden könnte.«

Als Haggerty sich zögernd in Bewegung setzte, bekam er

einen schmerzhaften Faustschlag in die Rippen, der ihn bis zu
dem Tisch schleuderte. John knickte in den Knien ein und
konnte sich gerade noch an der Tischkante festhalten.

Ein gemeiner Fußtritt traf seinen Rippenbogen und schnürte

ihm fast die Luft ab. Für einige Sekunden war John wie
gelähmt, und in dieser kurzen Zeit zog Holmes, der
offensichtlich vor den Kumpanen seine Verwegenheit zeigen
wollte, den 44er aus Haggertys offenem Halfter.

Schwerfällig kam der Chiefscout auf die Beine. Jeder

Atemzug war ein Martyrium, sein Brustkorb schien mit
glühendem Eisen umspannt zu sein.

Doch er sah ihre hämischen Mienen, die brutale Visage

seines Peinigers, die schmutzigen, bärtigen Gestalten am
Fenster und den jungen Burschen im bunten Hemd mit
Armeehose und Armeestiefel. Für den Bruchteil einer Sekunde
schoß ihm Colonel Higgins aus Fort Thomas in den Sinn, der
einen Deserteur zu beklagen hatte.

Der Typ in der Armeehose sah aus wie Critten.
Der Corporal schien Haggertys Gedanken zu erraten.

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»Ist was, Scout?« fragte er kalt. Sein Colt lag fest in der

Faust, der Daumen hielt den Hammer.

John zog eine verächtliche Grimasse.
Sie schwiegen, bis Danz fragte: »Was machen wir mit ihm?«
Liberace blickte aus dem Fenster. Draußen stand Johns Pferd

angepflockt.

»Er hat einen guten Gaul«, sagte Liberace grinsend, »eine

moderne Henry und einen gepflegten Sattel. Spielen wir um
seinen Nachlaß.«

»Und wie?« Holmes hielt Haggertys Revolver umklammert.

Er schloß aus der Ausgewogenheit, daß es eine treffsichere
Waffe war. Mit ihr hatte er die besten Chancen. »Wie wäre es
mit dem Hasenspiel? Er ist der Hase, und wir sind seine Jäger.«
Holmes ließ grinsend den Colt um den Zeigefinger wirbeln.
»Läuft er schneller über den Hügel, als wir schießen können,
hat er gewonnen.«

»Und wenn er es nicht schafft?« wollte Danz wissen. »Wer

ist dann der Sieger?«

»Hm.« Daran hatte Holmes wohl nicht gedacht. »Er hat

recht, Liberace. Eine Kugel sieht aus wie die andere.« Einen
Moment schien Holmes zu überlegen, dann strahlte er.

»Wir hängen ihn mit den Füßen an den Deckenbalken und

durchschießen den Strick.«

Danz grinste blöd. »Und dann?«
»Mann«, brummte Holmes, »der Scout hat bestes Material.

Ein gutes Pferd mit Sattel, eine schnelle Büchse und einen
verläßlichen Revolver mit Tasche. Der erste Sieger bekommt
das Pferd, der zweite die Henry und der dritte den Colt.«

»Wir sind vier«, maulte Danz. Seine Einfältigkeit war

wirklich nicht zu unterbieten.

»Richtig«, sagte Holmes. »Der Verlierer wird den Schnüffler

dann ins Jenseits befördern, und wenn er es geschickt anfängt,
kommt er an ein paar gute Klamotten.«

John verfolgte mit wachsendem Grimm, wie sie einfach über

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sein Leben verfügten. Er visierte den desertierten Corporal an.

»Der dort«, sagte John mit einer Kopfbewegung, »wird der

Verlierer sein.«

»Du hast ein gutes Auge, Haggerty. Sam Critten ist kein

Profi wie wir, sondern nur ein Deserteur. Fangen wir also an.«

Fast gleichzeitig stürzten sich Holmes, Danz und Liberace

auf den Scout, banden ihm trotz heftiger Gegenwehr Hände
und Beine zusammen. Danz warf einen Strick über den
Firstbalken, und dann hing John Haggerty hilflos wie eine
kalifornische Traube kopfüber im Raum.

»Wer hat den ersten Schuß?« fragte Holmes.
»Ich«, antwortete Critten. Er hielt die kurzläufige

Schrotflinte von Danz im Anschlag.

»Nicht mit Schrot«, protestierte Holmes. Er sah, daß die

Mündung der gefährlichen Waffe auf seine Brust gerichtet war.
»Such dir eine andere Richtung, Critten.«

»Weshalb?« entgegnete der Deserteur hart. »Ich habe etwas

gegen deine Methoden. Schneide ihn vom Strick.«

»Du – du...«, stotterte Holmes verwirrt, »du spielst nicht

mit?«

»Richtig. Solche Spiele mag ich nicht, Holmes. Ich habe

überhaupt etwas gegen euch. Ihr seid allesamt stinkende,
dreckige, feige Köter, die nur gemeinsam auftrumpfen können.
Ich habe euch kennen- und hassengelernt. Aber jetzt ist es
genug.«

Holmes hatte sich gefangen. Er grinste heimtückisch. »Drei

gegen einen Deserteur – das wagst du nicht.«

Da sah er auch schon den feurigen Schwall auf sich

zufliegen. Holmes flog bis zur Wand, und was von dort zu
Boden rutschte, war nur noch ein lebloser Körper, die Seele
war längst in der Hölle.

»Ist jetzt noch einer überzeugt, daß ich es nicht wage?«

fragte Critten fauchend. »Es ist noch ein Posten da. Der reicht
für euch zwei.«

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Liberace schluckte. Danz, der entsetzt auf den toten Kumpan

starrte, spürte ein Würgen in der Kehle.

»Mir wird schlecht«, krächzte er. »Mach keinen Quatsch,

Critten.«

»Dann schnallt eure Gurte ab und werft sie auf den Tisch.

Nehmt eure Gäule und verduftet – so weit, daß wir uns nie
wieder begegnen.«

Critten behielt die Kerle scharf im Auge.
Danz sprang als erster durch die Fensteröffnung, wohl weil

es der kürzeste Weg zum Pferdeschuppen war. Liberace folgte
mit eiligen Schritten.

Als der Hufschlag ihrer Pferde aufhallte und nach einer

Weile verstummte, durchtrennte Critten den Strick, so daß John
hart auf dem Boden landete.

»Das ist nicht die feine Art«, rief John unter Schmerzen.
»Es ist gar keine Art. Ich wollte nur nicht, daß man einen

wehrlosen Menschen tötet. Sie werden Mühe haben, um die
Fesseln zu lösen. Aber diese Zeit brauche ich, um aus Ihrer
Nähe zu verschwinden.«

Sam Critten schob die leergeschossene Schrotflinte auf die

Tischplatte und rollte seine Habe zusammen.

Als er zur Tür ging, klang dumpfer Hufschlag auf, der ihn

zurückschreckte. Critten blickte durch das Fenster. Draußen
verteilte sich ein verwegener Reiterverband. Männer, denen er
noch nie begegnet war.

Aber John, der sich mühsam aufrichtete, erkannte ihren

Anführer.

»Das ist Captain Freeman mit seiner Geisterschwadron. Ich

wette, er macht mit Ihnen nicht viel Umstände, Critten.«

Der Deserteur trat zum Tisch. Er lud die Flinte mit Buckshot

und brummte:

»Durch Sie bekomme ich nur Ärger.«
»Das läßt sich schnell ändern, Junge.« John streckte lächelnd

die gefesselten Arme aus. »Schneide die Stricke durch.«

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Draußen klangen feste Schritte auf. Freeman, der offenbar

Johns Pferd erkannt hatte, rief: »Mr. Haggerty, wo stecken
Sie?«

John hielt Critten die Arme entgegen. Ihre Blicke kreuzten

sich, und Sam Critten musterte den Scout nachdenklich.

»Ich bin nicht wie deine letzten Freunde, Critten«, sagte John

Haggerty, »aber wenn ich dir helfen soll, mußt du dich
beeilen.«

Sam Critten legte die Flinte auf den Tisch, griff nach dem

scharfkantigen Messer, das Sinclair gehört hatte, und
durchtrennte die Stricke.

Sie fielen runter, als Freeman in den Raum gestürmt kam.
»Verdammt, Haggerty. Sie machen ein Gesicht wie zehn

Tage Regenwetter. Wir sind seit achtundvierzig Stunden auf
Ihrer Spur, denn ich sagte mir, wenn John Haggerty zielstrebig
eine Fährte aufnimmt, wird es seinen Grund haben. Dann
hörten wir einen Schuß, der uns auf diesen Hof aufmerksam
machte. Und nun sind wir da.« Sein Blick streifte den Toten in
der Ecke, und während er Critten eingehend musterte, sagte er:
»Buckshot ist was Scheußliches, John. Wie können Sie so...«

»Mein Scout war es«, unterbrach Haggerty schnell. »Ihm

blieb keine andere Wahl, als die Büchse zu nehmen, denn er«,
sein Daumen deutete auf Holmes, »und seine Freunde waren
dabei, mich zu massakrieren.«

»Ihr Scout, Mr. Haggerty? Hm – eh...« Freeman streifte die

blaue Hose und die festen Dragonerstiefel. Und er dachte:
Haggertys Scout hat eine verdammte Ähnlichkeit mit dem
Konterfei auf dem Steckbrief, der in Tombstone am schwarzen
Brett hängt.

»Ja, wo sind die anderen Kerle?«
John deutete durch das Fenster über die Hügel.
»Das Raubgesindel ist in der Richtung entflohen, Captain.

Vielleicht erwischen Sie es noch.«

»Vielleicht.« Freeman lächelte seltsam, während er nach

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draußen eilte und seine Fährtenleser in Trab setzte. Kurze Zeit
später verabschiedete er sich und trabte mit seinen Leuten über
die Hügel.

»Den sind Sie los, Mr. Haggerty.«
Critten hielt die Schrotflinte in der Hand. »In jedem Fall

danke ich für Ihre Hilfe. Wir sind damit quitt.«

John betrachtete den jungen Mann lächelnd.
»Wer weiß, ob ich Freeman loswerde. Er ist ein ganz

schlauer Fuchs. Du aber lege die Waffe weg. Mußt ziemlich
blind sein, wenn du nicht erkennst, daß ich dir helfen will. Ich
weiß, wer du bist und was du angestellt hast. Ich habe lange
mit Colonel Higgins über den Fall gesprochen. Er wird ihn
prüfen.«

»Und ich würde diesem Bastard Braham immer wieder eins

auf die Nase geben.«

John lächelte, den Wunsch hatte er mitunter auch. »Wir

wollen Sinclair suchen.«

»Sie wissen?« Sam Critten sah den Scout erstaunt an.
Haggerty nahm die Flinte auf. »Was?«
»Daß Sinclair die Indianer beliefert.«
»Sechzig Gewehre, tausend Schuß Munition?« Als Critten

heftig nickte, lachte John hart. »Ich wußte es nicht, Critten,
aber ich habe es geahnt. Führe mich zu dem Bastard.«

»Ich kenne den Weg nicht, Mr. Haggerty.«
»Aber die Richtung.«
»Ja«, sagte Critten, und er glaubte nun wieder an eine

Zukunft.

*

Sinclair erkannte am Glanz seiner Augen, die im Widerspiel
des Feuers leuchteten, daß Cochise mit den Waffen zufrieden
war, denn der Häuptling sprach lange und eingehend mit
Chato, wobei er immer wieder einzelne Gewehre aufnahm, den

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Verschluß prüfte und die Metallpatronen in den Lauf schob.

Sinclair prüfte indessen unauffällig seine nähere Umgebung.

Er sah an den flachen Wicki-ups und den Holzgerüsten, die
ohne Bespannung waren, daß Chato ihn nicht in die
Bergfestung des Chiricahua-Fürsten geführt hatte, denn es
fehlten die steinernen Außenwälle, mit denen diese Indianer
ihre Apacherien zu umgehen pflegten. Es fehlte das tägliche
Leben mit Frauen, Kindern, Bastardhunden. Es fehlten
eigentlich alle Merkmale einer Befestigung.

Er entdeckte die kleine Reitergruppe, die aus dem Felsband

sprengte. Sie waren vor zwei Tagen im Talkessel
zurückgeblieben und hatten seine Freunde zu einem Versteck
geführt.

Ihr Führer hatte starke Ähnlichkeit mit Cochise und war von

kräftiger und sehniger Gestalt. Seine Hakennase drückte Kraft
und Willen aus.

»Wer ist er?« fragte Rene Sinclair, als der junge Krieger sich

neben Cochise niederließ und im Athabaskendialekt zu
sprechen begann.

»Cochises Sohn Naiche«, erwiderte Chato und lauschte

Naiches heftigen Worten.

Der Pedlar bemerkte die steigende Unruhe in Cochises

Gesicht und wandte sich abermals an Chato.

»Hat Cochises Sohn Ärger mit meinen Leuten gehabt?«
Chato schüttelte den Kopf.
»Seine Späher haben am Fuß der Berge eine Reitergruppe

ausgemacht, deren Anführer der Todfeind aller Apachen ist. Er
kommt aus dem steinernen Häusern am San Pedro-Hügel, trägt
die Uniform eines Soldaten und befehligt Zivilisten.«

»Captain Lion Freeman.«
»So nennen sie ihn.« Chato nickte. »Seine Krieger haben

zwei Männer ihrer Hautfarbe zu Tode gehetzt und im Kampf
erschossen.«

Nun wurde Sinclair unruhig. Er wußte, daß Captain Freeman

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mit seinem Frontier Bataillon seit Nogales durch die Gegend
streunte, und es lag der Verdacht nahe, daß er ihm – Sinclair –
gefolgt und dabei auf seine Nachhut bei Millers Farm gestoßen
war.

»Er ist hinter mir und meinen Freunden her, Chato, weil er

diese Gewehre haben will.«

Sinclair deutete auf den Waffenstapel, den Naiche gerade

begutachtete. »Cochise hat uns seinen Schutz zugesichert. Ich
hoffe, er steht zu seinem Wort.«

»Ein Apache spricht nie mit gespaltener Zunge, Händler. Du

und deine Leute haben nichts zu befürchten. Außerdem«, ein
listiges Grinsen glitt über seine Züge, »du und deine Freunde
werden den Apachenkriegern die Handhabung der neuen
Gewehre beibringen, damit sie im Kampf gegen die Blauröcke
nicht unterliegen.«

Chatos Worte beruhigten den Franzosen. Er wußte, daß er

Vaquence und die anderen bald wiedersehen würde.

Zugleich aber beschäftigten sich seine Gedanken mit dem

Häuptling.

»Chato, du sprichst von den Waffen, nicht von der

Bezahlung«, sagte er deshalb.

Chatos listiges Grinsen war geblieben. Während er beide

Hände hob und acht Finger zeigte, versicherte er: »So viele
Beutel gelben Staub für zehn Gewehre und den Anteil der
Munition. Chato hat es nicht vergessen. Cochise vergißt es
auch nicht. Noch ehe du uns die Kriegskunst der Feuerrohre
gezeigt hast, wirst du zufrieden mit dem Handel sein.«

Naiche hatte sich erhoben. Stolz schritt er zu seinem Pferd

und schwang sich auf dessen Rücken. Er gab seinen Kriegern
ein Zeichen und sprengte in dem schmalen Durchschlupf, der
über schwindelnde Pfade talwärts führte.

Cochise war ebenfalls aufgestanden. Er sprach mit Chato,

wobei er auf Sinclairs Wagen deutete. Chato nickte mehrmals,
ehe er sich an den Pedlar wandte.

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»Cochise vertraut dir, Händler. Er gewährt dir und deinen

Leuten Schutz in den starken Steinwällen unserer Bergfestung.
Nimm dir eines der Pferde. Der Wagen bleibt hier.«

Sinclair sah, daß Apachenkrieger unter Cochises Anleitung

die Waffen untereinander verteilten und ihre gescheckten
Ponys bestiegen.

»Der Wagen ist mein Kapital, Chato«, protestierte der

Händler.

Chato lächelte. »Der Paßweg ist zu eng für vier Räder. Du

wirst ihn bei deiner Rückkehr hier wiederfinden.«

»Und meine Leute?«
»Verliere nicht die Geduld, Händler. Naiche ist auf dem Weg

zu ihnen.«

*

John Haggerty zügelte sein Pferd vor den beiden flachen
Hügeln im Schatten des Felsgebirges und betrachtete die vielen
Hufabdrücke im Sand. Er wußte, daß hier ein Kampf
stattgefunden hatte. Als er sich seinem Begleiter zuwandte,
sagte er ruhig:

»Captain Freeman ist kein Mann großer Worte. Komm, wir

reiten tiefer in die Berge. Ich möchte Freeman nicht
begegnen.«

Sie zogen schweigend über den Bergrücken. Critten

bemerkte bald, daß Howards Chiefscout angespannt im Sattel
saß und seine Blicke sich nicht vom kargen Boden lösten.

Nach einer Stunde glitt John vom Pferd und beugte sich über

den schwachen, für Critten nicht erkennbaren Abdruck eines
Pferdehufes.

Erst als John ihm zuwinkte und er neben dem Scout

niederkniete, konnte er den flachen Eindruck erkennen.

»Chiricahuas oder Mimbrenjos. Sie sind also in der Nähe.«

Mit einem Ausdruck tiefster Befriedigung nickte John. Seit

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Monaten sah er zum erstenmal wieder den Hufabdruck eines
Apachenpferdes. »Die Spur ist keine fünf Stunden alt.«

Critten dachte an Danz' und Liberaces Schicksal. Ob

Freeman oder die Apachen... Er hing bis zum Hals in der
Chose.

»Woran erkennen Sie, daß die Fährte so jung ist?«
Johns Hand formte den Abdruck nach. »Er ist keine Nacht

alt, sonst könnte man die Kriechspuren von Insekten erkennen.
Solche Merkmale bestimmen den Zeitpunkt, an der ein Reiter
hier vorübergezogen ist.«

Critten schüttelte nachdenklich den Kopf. Er wußte, daß man

beim Saugen an einer Bleikugel den Durst überwinden konnte,
daß Tabakkauen den Hunger vertreibt. Er wußte auch, daß
nestbauende Schwalben die Nähe einer Wasserstelle verrieten.
Aber eine Spur zu erkennen, deren Alter der Scout anhand
gewisser Anzeichen bestimmen konnte, das schaffte er nicht.

»Wir sollten verschwinden, Mr. Haggerty. Ich möchte nicht,

daß mein Skalp den Gürtel eines Apachenkriegers schmückt.«

»Angst, Critten?« Johns Blick glitt über die düsteren

Steilschluchten, die tief ins Gebirge hineinführten. Irgendwo
dort oben in der einsamen Wildnis lag Cochises Festung. Er
spürte es mit dem Instinkt des Jägers.

»Haben Sie keine Angst?« hörte er Crittens heisere Stimme.
Sein Lächeln blieb. Aber es wirkte härter. John dachte an

seine letzte Begegnung im Winter mit Cochise, die ihm fast
den Tod gebracht hätte. Aber er war bereit, sich noch einmal
einzusetzen, um den Großen Häuptling vor einer Torheit zu
bewahren.

»Sicher habe ich Angst. Aber ich möchte mit Cochise

sprechen.«

»Verdammt!« fluchte Critten und blickte sich scheu um.

»Wegen dieser dreckigen sechzig Karabiner? Was könnte
Cochise schon damit anrichten?«

»Siedlungen überfallen, Farmer töten, schwache Patrouillen

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niedermachen. Der Apache ist schon gefährlich mit seinen
Primitivwaffen wie Keule, Lanze, Schleuder oder Bogen. Wie
stark erst wird er sich fühlen mit einer Springfield in der Faust.
Es gibt noch einen zweiten Grund für mich, in die Höhle des
Löwen zu gehen: Sinclair, den Händler. Wenn dem nicht das
Handwerk gelegt wird, versorgt er Cochise weiter mit neuen
Waffen. So lange, bis der Häuptling sich stark genug fühlt, es
selbst zu tun. Ich frage mich nur, womit Cochise das alles
bezahlt.«

»Mit Gold.«
John sah ihn an und lächelte verächtlich.
»Die Stämme sind arm wie Kirchenmäuse. Sie haben

mitunter nicht mal genügend Mittel, um einen harten Winter zu
überstehen.«

»Cochise hat den Franzosen mit Gold bezahlt und ihm

weiteres Gold für die Springfields versprochen.«

»Hast du dieses Gold gesehen?«
»Nein«, antwortete Critten, »aber Vaquence hat davon

gesprochen.«

John schwieg eine Weile, ehe er in die Schlucht deutete.
»Wir wollen weiterreiten und die Augen offenhalten.

Apachenpfeile sind lautlos, ihre Steinschleuder eine tödliche
Gefahr, und ihre Lanzen reißen fürchterliche Wunden.«

John Haggerty führte seinen Pinto am Zügel. Sam Critten

vermutete, daß der Chiefscout verzweifelt nach neuen Spuren
suchte. Der Teufel mochte diesen verdammten Kerl holen, in
dessen Adern Wasser statt Blut zu fließen schien.

*

Ramon Vaquence roch ihre stinkende Haut, sah ihre stupiden
Gesichter. Und das nun schon fast seit einer Woche. Naiche
hatte sie in das Hauptlager der Chiricahuas geführt, ihnen ihre
Jacales zugeteilt und mit Vorräten aus Sinclairs Wagen

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versorgt. Er wartete nun, daß von Sonnenauf- bis
Sonnenuntergang sie ihnen den Umgang mit den Feuerrohren
beibrachten.

»Ich kann sie nicht mehr riechen, Boß, ich kann sie nicht

mehr sehen«, fluchte der Ladino eines Abends, als sie vor
ihrem Zelt saßen. »Ich würde jeden von ihnen am liebsten in
die Hölle schicken. Dieser blöde Singsang macht mich
verrückt.«

Vaquence starrte wütend zum Hauptplatz vor Cochises

Wicki-up, wo um das lodernde Feuer die Häuptlinge saßen.

Sinclair schüttelte verärgert den Kopf. Er dachte: der Ladino

riecht etwas, wo es nichts zu riechen gibt. Er haßt Rothäute,
weil er selbst ein Halbblut ist.

»Trag's mit Geduld und denke an unsere Aufgabe. Cochise

hat die Häuptlinge zusammengerufen, um ihre Zukunft zu
besprechen. Ich weiß, daß Cochise seine Bergfestung wie eine
Fessel empfindet. Er will sie sprengen und in den Plains
leben.«

»Er spricht über alles, nur nicht über unseren Lohn«, warf

Warren ein. Er rekelte sich auf der Decke und blickte zu den
Zelten hinüber. »Sie verstecken ihre Weiber, als wenn wir die
Pest am Leib hätten.«

»Es sind andere Weiber als die Huren in Nogales, Tucson

oder El Paso. Was den Lohn betrifft, Warren: wir haben Zeit,
denn solange er seine Vereinbarung hinauszögert, leben wir
unter seinem Schutz. Wir müssen ihre Goldader finden. Sie
liegt irgendwo in dem nach Osten führenden Canyon. Naiche
verschwindet oft in dieser Richtung.«

Ramon Vaquence winkte fahrig ab. »Im flachen Talkessel

am Ende der Schlucht stehen die Urnen ihrer Toten. Ich bin
ihm einmal gefolgt.«

Sinclair wußte es, denn auch er war mal hinter dem

Häuptlingssohn hergeschlichen und hatte beobachtet, wie
Naiche eines dieser Gräber pflegte.

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»Es ist ihr Friedhof, Ramon. Eine heilige Stätte für die

Apachen, denn sie sprechen dort mit den Seelen ihrer Ahnen.
Es wäre also denkbar, daß dicht bei diesen Stätten auch ihre
Schätze in der Erde liegen. Wir werden sie bei passender
Gelegenheit näher besichtigen.«

Sinclair schwieg. Er lauschte dem monotonen Rhythmus

tiefer Trommelschläge und den hellen Tönen einiger Flöten.
Ein breiter Ring Krieger umschloß nun das Feuer, und der
Franzose sah, wie eine mit Kränzen geschmückte Frau in den
Kreis geführt wurde. Der Trommelschlag wurde heftiger, der
Gesang nahm an Lautstärke zu. Im Widerspiel der Flammen
tanzte ein junger Krieger in ekstatischen Bewegungen.

»Sie feiern irgend etwas, und ihr Gesang ist ein Teil der

Zeremonie. Ich möchte sagen, der Stamm feiert die Hochzeit
eines seiner Krieger.«

Der Trommelwirbel nahm an Hektik zu. Gellende Schreie

durchdrangen die Abenddämmerung. Vom nahen Hügel herab
kam der Schamane geschritten.

»Sie feiern eine Hochzeit, ohne ihre Gäste einzuladen«,

maulte Kim durch seine Zahnlücke. »So gut sind wir gelitten.«

»Sie hassen uns, wie wir sie hassen, Kim«, sagte der

Franzose gelassen. »Sie würden uns liebend gern am
Marterpfahl schmoren lassen, aber sie brauchen uns. Verhaltet
euch also friedlich.« An Vaquence gewandt, deutete er zum
Festplatz. Von den Hügeln herab bewegten sich tanzende
Gestalten in wiegendem Gang und rhythmischen Bewegungen,
in bunte Tücher gehüllt und unartikulierte Rufe ausstoßend.

»Sie feiern die ganze Nacht und tanzen bis zur Erschöpfung,

Ramon. Wir wollen uns bei ihren Gräbern umsehen.«

Vaquence nickte grinsend.
»Warum sollten wir nicht auch unser Vergnügen haben.«
Im Schutz der Dämmerung krochen sie den Steinwall hoch,

rutschten, fest an den Fels gepreßt, an den Wicki-ups vor und
verschwanden unbemerkt in der Schlucht.

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Aus dem Dämmerlicht wuchsen funkelnde Punkte, und als es

dunkel wurde, stand die volle Scheibe des Mondes über der
Schlucht und wies ihnen den Weg.

Von weither hörten sie den Gesang, der allmählich leiser

wurde.

Nach etwa zehn Minuten erreichten sie die Flachgräber.

Tonurnen schmückten die Hügel, buntes Papier, von kahlen
Ästen getragen, flatterte im Wind.

Sie stiegen zwischen den Grabhügeln hoch zu der dunklen

Grotte, deren Eingang vom Mondlicht erhellt wurde.
Modergeruch verbreitete sich, fernes Rauschen drang aus dem
Berginnern.

»Hier müßte ihre Goldmine liegen«, sagte Vaquence. Seine

Stimme klang fast ehrfurchtsvoll.

Sinclair sah ein paar dunkle Schächte, die sich vom Fels

abzeichneten.

»Es ist ein Labyrinth von Gängen, das in den Berg führt. Wir

werden es ohne Hilfe nicht schaffen. Kehren wir um.«

Nur zögernd folgte Vaquence dem Franzosen. Er spürte die

Faszination seiner Umwelt und den Hauch von Reichtum.

Armer Ladino.
Unbemerkt gingen sie in das Lager zurück und verkrochen

sich im Jacale.

Sie sahen den Schatten nicht, der sich vom Steinwall löste

und in der Nacht zerfloß.

*

Im Unterbewußtsein seines Traumes nahm John das Knacken
eines brechenden Astes wahr. Seine Rechte tastete sich unter
die Sattelhaube und berührte den kalten Stahl des Colts, als
eine Lanzenspitze gegen seine Kehle stieß. Er hörte in der
Nähe heiseres Keuchen kämpfender Menschen, und er sah die
große Gestalt im Vordergrund des samtblauen Nachthimmels.

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Apachen!
John mußte damit rechnen, daß bei der geringsten Bewegung

die Rothaut mit der Lanzenspitze zustieß.

Sam Critten, der Deserteur, kämpfte noch immer verzweifelt.

Er war ein Narr, sich der Überzahl der Krieger zu widersetzen.

Dann wurde es stumm um seinen Begleiter, John wußte, daß

sie ihn überwältigt oder getötet hatten.

Noch immer drückte die Lanzenspitze gegen seine Kehle.

Indianer rutschten heran, ergriffen seine Arme und drehten ihn
auf den Rücken. Die dünnen Riemen schnitten in seine Haut,
als er brutal hochgerissen wurde.

Die Lanzenspitze deutete auf seine Brust. Der Krieger sprach

mit seinen Brüdern in ihrer Sprache, und John erkannte
erleichtert am Dialekt, daß es Chiricahuas und keine von
Victorios Mimbrenjos waren.

Harte Fäuste rissen ihn aus dem Gebüsch auf die mondhelle

Lichtung, wo ihre Pferde standen. Der Krieger, der ihn mit der
Lanze bedroht hatte, stieß einen freudigen Ruf aus.

»Der Falke!«
»Der Falke?« Einer der Krieger sprang schnell heran. Ein

Messer funkelte in seiner Faust, und für einen Augenblick
glaubte John, Hankashi zu erkennen, ein Verwandter
Wahashis, mit dem er mal eine tödliche Auseinandersetzung
gehabt hatte.

»Zastee!« schrie der Krieger.
Doch der Lanzenträger stieß Hankashis zum Stoß erhobene

Arme mit einer heftigen Bewegung zur Seite, so daß das
Messer nur Johns Lederjacke streifte.

»Der Große Häuptling soll sein Schicksal bestimmen«, sagte

er zornig. »Du allein hast kein Recht auf Rache. Packt sie auf
die Pferde!«

John wurde vorwärts gestoßen und rücksichtslos quer über

den Rücken seines Pferdes gezerrt. Unter dem Leib banden sie
ihn mit einem Riemen zusammen. Da sah John, daß sie auch

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Critten über den Pferdefücken zogen, was also bedeutete, daß
der Soldat nicht tot war.

Die vielen Stunden, die nun folgten, waren eine fürchterliche

Qual, aber John sagte sich, daß ihn in Cochises Bergfestung
weit größeres Übel erwartete.

Den Rest der Nacht, den langen Tag und noch eine Nacht

führte der Weg immer höher ins Gebirge. Oft an
schwindelnden Abgründen und senkrecht hochsteigenden
Felswänden vorbei und über eine schmale Serpentine. Er
preßte die Zähne zusammen, wenn sein Körper gegen den Fels
schrammte.

Critten hatte längst das Bewußtsein wiedererlangt. Aber er

sah vom vorausgegangenen Kampf zerschunden aus.

*

An einem sonnigen Morgen stießen sie durch den Engpaß vor
in die Bergapacheria. Der große Befestungsplatz war verwaist.
Doch Unrat und Gerümpel zeugten davon, daß hier ein
mehrtägiges Fest stattgefunden haben mußte.

Die Krieger führten ihre Gefangenen vor das große Wicki-

up. Sie durchschnitten die Fesseln und stießen die Männer in
den Sand.

Cochise trat aus dem offenen Ausgang seines Zeltes. Er

blickte auf die reglos am Boden liegenden Gefangenen, dann in
Hankashis wutverzerrtes Gesicht und schließlich auf Yellow
Bull, der die Spähergruppe führte.

»Habt ihr ihn getötet, Gelber Büffel?«
John regte sich. Jeder Körperteil schmerzte, jede Bewegung

war eine Tortour. Er hob den Kopf und blickte Cochise offen
an.

»Yellow Bull überläßt es dir, die Art meines Todes zu

bestimmen.«

Ihre Blicke trafen sich, und John spürte die Feindschaft des

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Großen Häuptlings, dessen Schwester er einst vom Biß einer
Peitschenschlange gerettet hatte. Kein Zug von Mitleid, nur
Haß.

»Bringt sie zum Totem und bindet sie an den Fels!« befahl

Cochise ohne Gemütsregung in der Stimme.

Seit fast einem Jahr waren sie sich nicht begegnet. Ihre

Freundschaft war erloschen. John verstand das alles nicht
mehr.

Cochise wandte sich ab.

*

Am Nachmittag kamen Sinclairs Banditen mit ihren
»Rekruten« aus dem Paß. Sie passierten den Hügel, und als sie
ihre Jacales erreichten, sagte Vaquence: »Cochise hat zwei
Gefangene gemacht.«

Sinclair nickte. »Der eine ist der Deserteur Sam Critten, der

andere der Scout Haggerty. Ich dachte, der Falke sei ein Freund
des Häuptlings.«

In den Jacales standen frische Vorräte und Wasser. Sie waren

Isolierte in der Bergfeste – Bleichgesichter, Feinde, wie die
armen Teufel auf dem Fels. Aber Cochise brauchte noch ihre
Hilfe.

Vor Sonnenaufgang trieb die Neugierde Sinclair auf die

Kuppe. Als er sich auf zehn Yards der Marterstätte näherte,
erhoben sich die beiden Wächter und senkten drohend die
Lanzen.

Rene Sinclair sah, daß der Scout und der Deserteur, an

Armen und Beinen gekreuzt, an schweren Metallhaken
gefesselt waren.

Der Franzose kehrte um.
»Und?« fragte Slim Tratten, als Sinclair das Fell

zurückschlug.

»Sie leben noch«, antwortete der Pedlar und grinste verzerrt.

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»Aber ich möchte nicht in ihrer Haut stecken.«

Noch ehe die Sonne versank, entstand im Lager Bewegung.

Krieger eilten zu ihren Mustangs, führten sie zum
Häuptlingszelt, wo Chato und Naiche Munition verteilten.

Neben Cochise trat Victorio aus dem Zelt. Ihre Haare trugen

sie in geflochtenen Zöpfen, in denen der Wind mit kleinen
Hölzern spielte.

»Der Chiricahua und der Mimbrenjo gehen auf den

Kriegspfad«, sagte Sinclair. »Etwas hat ihn aus der Reserve
gelockt.«

Auch John sah die Ansammlung der Kriegsmacht und schloß

daraus, daß Yellow Bull von den vielen Spuren zwischen den
Caps berichtet hatte. Cochise hatte die Absicht, seinen
Todfeind Freeman zu stellen.

Aber das änderte nichts an ihrer scheußlichen Situation.
Die Tage vergingen, ohne daß Cochise zurückkehrte. Die

Gefangenen erlitten stumm ihr Leiden, und nur wenige Tropfen
Wasser, das die Wächter ihnen über die aufgerissenen Lippen
träufelten, hielten sie am Leben.

»Wie lange wird das anhalten?« fragte Sam Critten mit

matter Stimme. Zwei Tage hatte er kein Wort gesprochen,
sondern den Schmerz wie ein Mann geduldig ertragen.

»Cochise hat noch nicht über unser Leben entschieden.«
»Der ist weggeritten. Wer weiß, wann er wieder hier

auftaucht«, fluchte der Soldat. »Ich habe keine Kraft mehr in
den Knochen und keinen Willen zum Leben.«

»Sie werden es dir schon erhalten.« John lächelte verbittert.

Sinclair und dessen Leute durften sich frei in der Apacheria
bewegen. Doch dies verdankten sie nur den Waffen, die
Cochise nun in die Ebene trug, um seinen Todfeind
auszuschalten.

»Vielleicht wird der Häuptling einen Sieg erringen, der ihn

gnädig stimmt und uns einen schnellen Tod beschert.«

Sam Critten lag auf der Seite. Seine Augen glänzten fiebrig.

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»In allen Garnisonen erzählt man, daß John Haggerty ein

Freund der Chiricahuas und Cochise ein Bruder des Falken
sei.«

John schloß die Augen.
»Das liegt lange zurück, Junge, und ist eine andere

Geschichte.«

*

Die Bergfestung war entblößt von mutigen Chiricahua-
Kriegern. Sinclair erkannte es als eine Chance und handelte
entsprechend.

»Das ist ein Wink des Schicksals«, sagte er zu seinen

Kumpanen, als er Naiche, den jungen Häuptlingssohn, durch
die hitzeflimmernde Luft die Schlucht hinuntersteigen sah.
»Nehmt eure Waffen, wir werden ihm in kleinen Gruppen
folgen.«

Sinclair teilte seine Mannschaft in drei Gruppen ein, die je

von ihm, von Vaquence und von Tratten geführt wurden. Er
bestimmte, daß sie sich in drei Richtungen im Lager verteilten
und dann unauffällig am Schluchteingang vereinten.

Als sie sich wieder trafen, war Naiche weit voraus bei den

Grabstätten angelangt. Er kniete im Gebet versunken, mit den
Göttern jenseits der Holo in stummer Eintracht vereint und
hörte ihre Schritte erst, als sie ihn fast erreicht hatten.

Er öffnete die Augen und blickte vorwurfsvoll auf die

Bleichgesichter, die mit ihren Stiefeln geweihten Boden
entehrten.

Zornig sprang er hoch. Eine scharfe Rüge lag auf seiner

Zunge, als der Händler den Revolver auf ihn richtete.

»Spare dir deine Vorwürfe, Häuptling. Wir wollen über

wichtigere Dinge als über Tote reden. Dein Vater schuldet uns
viele Säcke des gelben Staubes. Er scheint seine Schuld
vergessen zu haben. Also müssen wir uns selbst holen, was uns

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längst gehört.«

Ein verwirrter Ausdruck lag in Naiches jungem Antlitz.
»Er versteht nicht, was du meinst«, sagte Vaquence, trat

einen Schritt näher und erfaßte Naiches Schultern.

Naiche war jung und voller Wut. Er fürchtete diese

Bleichgesichter nicht, deshalb stieß er Vaquences Hand
beiseite.

»Wage nicht, mich noch einmal zu berühren, Mischgeburt!«

fauchte der Häuptling wie eine Raubkatze. »Mein Vater würde
dir die tausend Qualen der Hölle zeigen.«

Vaquences Fäuste zuckten, als er an sein Mischblut dachte.

Aber er beherrschte sich und nickte.

»Dein Vater ist auf dem Kriegspfad, und wer weiß, ob der

Narr zurückkehrt. Dafür haben wir dich. Du führst uns zu den
Schätzen der Chiricahuas, zu dem gelben Metall. Wir wollen,
was uns längst gehört, schenken dir dafür dein Leben. Es ist ein
guter Handel unter Partnern.«

Erst in diesem Moment schien der junge Häuptlingssohn zu

begreifen, was in den Köpfen der Weißen vorging – »Eure
Ungeduld ist eurer Hautfarbe würdig. Sie bringt euch den Tod,
denn der Große Häuptling hat euch vertraut, und es gibt keinen
Tag in seinem Leben, an dem er sein Wort brach. Er wird sein
Versprechen halten. Nur den Tag bestimmt er selbst. Nun
verlaßt die Stätte unserer Toten. Ich will meinem Vater
verschweigen, was hier geschehen ist.«

Rene Sinclair war anderer Meinung. Sie hatten bis zu diesem

Zeitpunkt schon zuviel riskiert, es gab kein Zurück. Er spannte
den Revolver und deutete zum Eingang der Grotte.

»Führe uns zu eurem Gold!«
Naiche blickte, ohne die tödliche Gefahr zu beachten, den

Franzosen starr an.

»Seit der großen Flucht sind die Stämme der Apachen arm.

Das, was sie noch besitzen, stammt von den Vätern unserer
Väter, die frei als Jäger in diesem Land lebten, Freundschaft zu

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den Weißen hegten und das Feuer mit ihnen teilten. Wonach
ihr sucht, werdet ihr nicht finden, denn das gelbe Metall, das
euch in Versuchung führte, bewahrt Cochise. Es ist so wenig,
daß es dafür nicht zu sterben lohnt.«

Sinclair wurde unsicher. Naiche sprach so entschieden, daß

sich wohl kaum dahinter eine Lüge zu verbergen schien. Der
Pedlar blickte an dem Chiricahua vorbei, in das klaffende
Dunkel der Grotte.

Vaquence gab Naiche einen heftigen Stoß, so daß der junge

Indianer auf ein Grab fiel und einer der verwaschenen
Tonkrüge zerbrach.

Nur für Sekunden verharrte der Häuptlingssohn in dieser

Stellung. Aus seinen dunklen Apachenaugen sprang ein Funke
des Zorns. Während er wie ein Pfeil hochschnellte, fuhr die
Breitklinge aus dem Schaft und dem Ladino entgegen.

Slim Tratten drehte durch. Er schoß einfach aus der Hüfte

und traf den Angreifer in der Schulter. Der Aufschlag der
Kugel riß Naiche aus der Richtung. Er schlug lang hin. Noch
ehe er sich aufrichten konnte, stand Vaquences rechter Fuß auf
seiner bewehrten Hand, während er mit dem linken Naiche in
die Seite trat.

»Genug!« sagte Sinclair und lauschte mit mulmigen

Gefühlen dem verhallenden Echo des Abschusses. »Willst du
ihn umbringen?« Der Franzose beugte sich nieder. Er sah den
blutenden Streifen an Naiches nackter Schulter und nickte
zufrieden. »Es ist nur ein Kratzer. Schafft ihn in die Höhle!
Gleich wird der Teufel los sein. Tratten, der Idiot, bringt das
ganze Lager auf Trab!«

»Wir haben ihn und kommen somit an die Beute.« Vaquence

wuchtete die kräftige Gestalt des Bewußtlosen wie eine Feder
hoch und warf ihn über die Schulter. »Cochise wird seinen
Sohn nicht gefährden wollen.«

Sinclair war bereits den Hügel hochgestiegen und im weiten

Eingang der Grotte verschwunden.

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Nun, wo es Tag war und mattes Licht das Innere füllte,

erkannte Sinclair die gewaltigen Ausmaße der Kuppel, die
einem Dom gleich die Grotte umwölbte. Mehrere Gänge
führten von hier in die Tiefe des Berges. Das Rauschen
unterirdisch fließenden Wassers ließ den Boden erzittern.
Sinclair kannte solche Höhlengänge aus dem Norden, die
einem Irrgarten gleich den harten Fels durchschnitten.

»Fesselt ihn!« befahl der Franzose, als Naiche sich zu regen

begann. »Und behandelt seine Schulter. Er ist unser kostbarstes
Gut: das Faustpfand für unser Leben.«

»Er wird uns zum Versteck des Goldes führen«, maulte

Ramon Vaquence. Seine Gedanken drehten sich unablässig um
diesen einen Punkt.

Sinclair schüttelte den Kopf.
»Ich glaube Naiche die Geschichte seiner Ahnen. Wenn es

Gold in der Apacheria gibt, wird Cochise als ihr Häuptling es
verwalten.«

»Du hast uns Berge von Gold versprochen.« Hans Holsten

ballte wütend die Hände. »Wo ist es geblieben?«

»Mann, hör auf zu jammern, du wirst deinen Anteil

bekommen«, rief Sinclair zornig über die Schulter und brachte
seinen Karabiner in Anschlag.

Am Eingang der Schlucht tauchten einige halbnackte,

wieselflinke Gestalten auf. Sie trugen Bogen und schwangen
ihre Schleudern. Sinclair feuerte einige Warnschüsse ab, die sie
zurückdrängten, aber zugleich zeigten, wo sie ihren Gegner zu
suchen hatten.

Die mächtige Kuppel schien zu vibrieren, und das Echo

klang wie das Geläut riesiger Glocken. Es dauerte eine Weile,
bis sich der Nachhall verlor.

Sinclair vernahm Chatos zornbebende Stimme.
»Händler, was suchst du bei den Ruhestätten unserer Toten?

Diesen Frevel wirst du teuer bezahlen.«

Der Franzose dachte an den Scout, der seit Tagen, auf

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nacktem Fels gefesselt, dahinvegetierte.

»Drohe nicht, Chato. Wir haben Naiche, den Häuptlingssohn

als Geisel. Cochise will uns betrügen. Wir haben ihm gute
Waffen geliefert, und seine Krieger zu guten Schützen
ausgebildet. Er ist losgezogen, ohne unseren Lohn zu bezahlen.
Was glaubst du, wie lange die Geduld meiner Leute noch
reicht?«

Eine Weile blieb es still. Chato hatte Sinclairs Nachricht

offenbar erschreckt, doch dann rief er zurück: »Wenn Naiche
nur ein Haar gekrümmt wird, werdet ihr alle Qualen der Hölle
erleiden.«

»Dann bring' uns das gelbe Metall, wie es vereinbart war,

und die gleiche Anzahl Beutel für Naiches Kopf.«

Wieder herrschte Schweigen. Chato schien zu überlegen, wie

er handeln mußte, um Naiche nicht zu gefährden.

»Was wir an gelbem Metall haben, werdet ihr bekommen«,

rief Chato, »aber ihr müßt Cochises Rückkehr abwarten! Er
kennt den Schlüssel des Geheimnisses.«

»Er will uns reinlegen«, flüsterte Vaquence mißtrauisch.

»Laß dich nicht auf Verhandlungen ein. Jeder Tag, der
verlorengeht, bringt Cochise näher an seine Bergfestung.«

Rene Sinclair nickte. Nur allmählich wurde ihm bewußt, wie

fatal ihre Lage war. Und einen Augenblick lang wünschte er
sich tausend Meilen weg von den Dragoons.

»In zwei Tagen erwarte ich deine Entscheidung. Entweder

das Gold, oder Naiches Kopf liegt auf einem der Grabhügel.«

Das waren forsche Worte, die nicht zu Sinclairs

Stimmungsbild paßten.

»Hast du gehört, Naiche?«
»Ich bin nicht taub.«
Der Franzose lehnte sich zurück. Er hatte Zeit, über ihre

Lage nachzudenken.

*

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Ein Schatten fiel über John Haggerty. Als er blinzelnd die
Augen öffnete, kniete Chato vor ihm und ließ eiskaltes Wasser
über sein zerschundenes Gesicht rieseln.

»Gib's ihm!« sagte John mit belegter Stimme, und sein Kopf

deutete auf Critten, der seit Stunden kein Lebenszeichen mehr
von sich gegeben hatte. »Er hat es sicher nötiger.« Dann fiel
General Howards Chiefscout in den erlösenden Abgrund einer
Ohnmacht.

Als er zum zweitenmal erwachte, spürte er die zarten Hände

eines Mädchens, das mit Heilkräutern und Salben den Schmerz
seiner verbrannten Haut linderte. Ihre dunklen,
unergründlichen Augen lächelten ohne Feindschaft, und John
dachte an Tla-ina, Cochises Schwester. Aber dieses Mädchen
war jünger und seine Haut glatt wie ein Pfirsich. Die
Bewegung ihrer Hände war voller Zärtlichkeit.

»Wer bist du?« fragte John müde.
Sie lächelte nur.
In der Nähe hörte er schwaches Stöhnen. Als er den Kopf

drehte, sah er den jungen Corporal nackt und bewußtlos auf der
geflochtenen Matte liegen. Auch um ihn bemühten sich zarte
Hände.

Während sein Blick über das Felldach zum Ausgang

wanderte, erkannte er Chato, dessen Gesicht noch faltiger
geworden war. Er wirkte grau und hilflos wie ein Greis.

»Verdanke ich dir den Edelmut, Chato?« rief er heiser.

»Oder ist es eine neue Schikane, um uns Cochise zu erhalten?«

Chato kam zögernd heran. Mit einer eindeutigen Geste

scheuchte er die Mädchen aus dem Wicki-up, nahm einen
groben Holzklotz und setzte sich nieder.

Er brauchte lange, ehe er zu sprechen begann.
»Ich handelte nach dem Gesetz der Vernunft, Falke, und

suche deinen Rat.«

John versuchte den Oberkörper zu heben. Aber der Schmerz

hielt ihn nieder.

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»Du, Chato, der stolze Häuptling der Chiricahua-Apachen,

suchst bei deinem Feind Rat?«

Der Häuptling nickte trotz Johns zynischer Worte. Er hatte

lange gebraucht, um seinen Stolz zu überwinden, aber in seiner
Hilflosigkeit war der Falke seine einzige Hoffnung.

»Der weiße Händler und seine Brüder halten Naiche in der

Höhle bei den Gräbern gefangen. Sie drohen ihn zu töten und
mir Naiches Kopf zu schicken, wenn ich nicht ihre Wünsche
erfülle.«

»Welche Wünsche sind es, Chato?«
Der brauchte einen Augenblick, ehe er antwortete:
»Sie wollen gelbes Metall. Mehr, als wir besitzen«, und er

sprach mit gepreßter Stimme von dem Handel mit dem Pedlar
Sinclair, ihrer Vereinbarung und den Preis für die Waffen,
Chato war sehr niedergeschlagen, weil Naiches Leben in seiner
Hand lag, diese Hand aber gebunden war.

»Es ist nicht viel, was unsere Ahnen uns hinterlassen haben,

und es reichte für achtzig Gewehre. Aber der Händler will den
gleichen Preis für Naiches Kopf und freies Geleit aus der
Apacheria. Beides kann ich ihm nicht geben, denn nur der
Große Häuptling weiß, wo unser Erbe verborgen liegt.«

»Und was soll ich dabei tun?« John bemühte sich, die

Holzkelle zu erreichen. Critten bewegte sich drüben.

Armer Hund, dachte John, als Chato ihm die Kelle reichte.
»Du bist Weißer wie sie, du denkst und handelst wie sie.

Welche Möglichkeit gäbe es, Naiche zu befreien?«

John Haggerty mußte unwillkürlich lächeln. Noch nie war er

einem solch verzweifeltem Indianer begegnet wie dem alten
Häuptling.

»Ich denke nicht wie Sinclair. Der ist ein Verbrecher, und

genauso mein Feind wie der eure. Er würde mich töten, wie er
bedenkenlos deinem Stamm Waffen lieferte, damit er in den
Tod reitet.«

»Aber du bist ein weißer Mann, Falke.«

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»Ich bin ein kranker Mann. Krank von der grausamen Folter

der Chiricahuas.«

Chato erhob sich. Ihm wurde klar, daß der Falke keinen

Finger zu bewegen gedachte, um einem Apachen zu helfen.

Sorgenvoll verließ er das Wicki-up.
Critten regte sich. Scheinbar hatte er der Unterhaltung

zugehört.

»Wissen Sie wirklich keinen Weg, Sir?« rief er mit großer

Anstrengung.

»Wenn Sie Chato helfen, wird er uns vielleicht die Freiheit

schenken.«

»Dazu fehlt Chato die Macht. Nur Cochises Wort zählt in

diesen Bergen. Er hat schon allerhand riskiert, als er uns von
den Felsen schnitt. Er wird mit einem Verweis zu rechnen
haben, wenn Cochise zurückkehrt. Ich kenne die Gesetze der
Apachen.«

Critten schwieg. Ihm schauderte bei dem Gedanken, wieder

an den Fels gekettet zu werden. Er hatte Angst. Und dabei hatte
er einmal geglaubt, ein mutiger Soldat zu sein.

John lag mit offenen Augen auf der Pritsche. Er hörte die

junge Indianerin leichtfüßig hereinkommen und spürte ihre
zarten Hände, die wie Balsam den Schmerz linderten.

*

Am Abend klang trauriger Gesang über den Platz. Der
Schamane rief die Götter um Hilfe. Aber es waren Götter der
roten und nicht der weißen Männer. Als das Mädchen ihm
Früchte und Wein brachte, sagte John in ihrem Dialekt:

»Hole Chato, ich will mit ihm reden.«
Critten drehte sich hoffnungsvoll um.
»Wissen Sie einen Ausweg, Mr. Haggerty?«
»Nein«, erwiderte John.
Chato betrat das Zelt.

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»Du wünschst mich zu sprechen, Falke?« fragte er und

zündete die Talgfackel an.

»Ich möchte mit dem Franzosen Sinclair verhandeln, wenn

ich auf die Beine komme.«

Chatos dunkle Augen leuchteten im Widerspiel des

Talglichtes wie Kaleidoskope.

»Das wird morgen sein, denn unsere Medizin wirkt Wunder.

Ich danke dir für dein Angebot, Falke.«

»Spar dir den Dank, bis ich vor Cochise stehe, Chato. Ich

möchte eine alte Feindschaft begraben und rechne dann mit
deiner Fürsprache.«

»So soll es sein.«
Chato hob seine linke Hand an die Stirn und verließ das Zelt.
John wurde zunehmend müder. Er bemühte sich vergebens,

wach zu bleiben. Aber es war wohl der Heilungsprozeß der
Salben und der süßliche Duft der Kräuter, die der Bergwind
durch den Eingang wehte, und John in einen tiefen und
traumlosen Schlaf sinken ließ.

*

»Ich traue meinen Augen nicht.« Vaquence, der den Ausgang
der Höhle bewachte, stieß Sinclair den Gewehrkolben in die
Seite. »Da wankt dieser verdammte Armeescout auf den
Indianerfriedhof. Es sieht aus, als wollte er sein eigenes Grab
schaufeln. Soll ich ihm dabei helfen?«

Sinclair kroch näher und schob dem Ladino die Waffe von

der Schulter.

»Laß uns hören, was er will. He, Haggerty, wer hat Sie vom

Kreuz geholt?«

John blieb stehen und blinzelte aus beträchtlicher Entfernung

zum Höhleneingang.

»Ihre Dummheit, Sinclair!« rief er dann zurück. »Sie hätten

die Entwicklung Ihres Geschäftes abwarten sollen. Sicher hätte

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Cochise zu seinem Wort gestanden. Aber er ist außerhalb der
Apacheria. Ihr Glück, denn wäre er hier, würden Sie und Ihre
Komplicen keine zwei Stunden mehr leben.«

»Verdammter Bastard! Ich brenne ihm eins aufs Fell«,

fluchte Vaquence.

Sinclair beruhigte ihn.
»Laß uns verhandeln. – He, Mr. Haggerty, Sie vergessen

Naiche, Cochises Sohn!«

»Und Sie vergessen die Mentalität der roten Rasse. Ein

Chiricahua-Häuptling oder Krieger findet die Erfüllung jenseits
unserer Vorstellungen, Sinclair. Auf den großen fruchtbaren
Weiden ihrer Götter. Naiche würde als ein stolzer Mann
sterben, denn er weiß, daß sein Mörder einen schrecklichen
Tod erleidet. Je grausamer er stirbt, um so höher steigt das
Ansehen seiner Seele. Cochise wird Ihnen auf dem Gebiet
einiges zu bieten haben. Von Feuer auf dem Bauch bis zu den
roten Ameisen in den Bergwäldern, die Stück für Stück Ihren
Leib in tausend Fetzen reißen. Und alles erleben Sie bei vollem
Bewußtsein. Zumindest zwei oder drei Tage lang, Sinclair.«

John hatte bewußt dick aufgetragen, um ihn einzuschüchtern.
»Er soll aufhören!« schrie Hans Holsten. »Ich kann den

Sadisten nicht mehr hören.«

»Ich halte Sie für einen klugen Menschen, Sinclair, und für

einen guten Kaufmann. Geben Sie auf, gehen Sie auf Chatos
Handel ein. Ein Leben für zehn Leben – das ist ein guter
Preis.«

»Und das Gold für die Gewehre?«
Der Pedlar steckte merklich zurück. Er sah seine Felle

davonschwimmen und wollte das rausholen, was in ihrer Lage
noch zu holen war.

»Gibst du auf?« hetzte Vaquence. »Machen seine Sprüche

euch nervös? Dann bringe ich ihn zum Schweigen.«

»Halt's Maul!« herrschte Sinclair ihn an.
»Es gibt kein Gold, und das wenige, was die Apachen

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besitzen, verwaltet Cochise selbst. Wollen Sie auf seine
Rückkehr warten oder Chatos Angebot in Erwägung ziehen?«

»Wer gibt mir sein Wort, daß wir nicht betrogen werden?«
»Chato.«
»Der ist ein hinterhältiger Schakal, wie alle roten Bastarde.

Geben Sie mir Ihr Wort, Haggerty, und ich werde es mir
überlegen.«

John zögerte lange. Er war selbst Gefangener in Cochises

Burg.

»Wenn es Ihnen was bedeutet, Mr. Sinclair.«
»Sehr viel.«
»Dann will ich mit Chato sprechen. Ich bin jedoch sein

Gefangener. Haben Sie das vergessen?«

Sinclair zischte einen Fluch.
»Trotzdem ist mir Ihr Wort mehr wert als das der ganzen

Sippe.«

»Okay, Mr. Sinclair, Sie hören von mir.«
»Und stellen Sie Pferde auf dem Zeltplatz bereit, Haggerty.

Ich möchte nicht in eine Falle laufen, Sie verstehen?«

John hörte Sinclairs Worte noch, aber er durchwanderte

bereits den Hohlweg. Gegen Mittag kam er zurück.

»Sie haben mein Wort, Sinclair: Ihr Leben und Ihre Pferde

für Naiches Leben. Die Gäule stehen wie vereinbart vor dem
großen Zelt des Häuptlings.«

»Und seine Krieger?«
»Werden Sie auf dem Hügel beim Totem wiedersehen.«
Vaquence begann zu schimpfen. Ihm wurde plötzlich

bewußt, daß er ärmer aus den Bergen hinauszog, als er
hereingekommen war. Da hatten sie noch die
Springfieldgewehre, die auch anderweitig zu verkaufen
gewesen waren.

Slim Tratten schnappte über. Er fuchtelte mit dem Revolver

vor Naiches Gesicht herum und drohte ihn zu erschießen.

Da Sinclair die Gefahr erkannte, hob er vorsichtig seine

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Sharps bis in Hüfthöhe und drückte ab. Der Bandit fiel tödlich
getroffen vornüber auf das Gesicht.

Sinclair fauchte: »Wer verrückt spielt wie Tratten, der kann

ihn gleich in die Hölle begleiten. Vaquence, du übernimmst
Naiche! Behandle ihn wie ein rohes Ei, er ist so etwas wie
deine Lebensversicherung.«

Der Ladino blickte nur verächtlich auf. Wie hoch hatte er auf

Sinclair gesetzt. Und nun zeigte er sich als Feigling.

»Wir kommen, Mr. Haggerty!«
Sinclair stieg als erster aus der Höhle. Vaquence folgte. Er

benutzte den Häuptlingssohn als Deckung und hielt ihm die
Gewehrmündung unter das Kinn.

John Haggerty wich langsam zurück. Er hoffte, daß Chato

sein Wort hielt.

Aber es war wie versprochen. Zehn frische Pferde standen

auf dem weiten Platz. Mehrere Chiricahua-Krieger bewegten
sich waffenlos bei den bunten Pfählen. Die Weiber und Kinder
hatten sich bis zur äußersten Grenze der Apacheria
zurückgezogen. Nur Chato stand im Eingang des Zeltes –
stumm, abwartend, mit der stoischen Ruhe seiner Rasse.

John trat neben ihn.
Vorsichtig, nach allen Seiten lauernd, näherte sich die Bande.

Sie suchten ihre Pferde und stiegen in die Sättel.

Der Scout sah, daß Vaquence Naiche quer vor den Sattel

legte und erst dann seinen Gaul bestieg. Er hielt sich dicht an
der Seite des Indianers. Die Gewehrmündung zeigte auf
Naiches Kopf.

»Das ist gegen die Vereinbarung«, rief John dem Pedlar zu,

als Zornesröte Chatos Wangen überzog.

»Es dient dem Selbstzweck, Mr. Haggerty«, rief Sinclair.

»Wir lassen ihn außerhalb der Festung frei.«

»Er lügt«, murmelte Chato.
Die Reiter setzten sich in Bewegung.
»Ich weiß es«, sagte John enttäuscht, denn er hatte gehofft,

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daß Sinclair in Anbetracht der brenzligen Situation vernünftig
geworden wäre. Aber er wollte Naiche als seine Geisel
benutzen, um Cochise später unter Druck zu setzen.

»Gib mir ein Pferd, Chato.«
Der schüttelte den Kopf. Er hatte so viel gegen die Gesetze

des Stammes verstoßen, daß er die Bürde kaum noch tragen
konnte.

»Nein, du bist Cochises Gefangener. Nein, ich werde dich

wieder in Fesseln legen.«

Aber Chato hob keine Hand, um die Krieger von den Hügeln

zu rufen. Selbst dann nicht, als Haggerty steifbeinig zum
Seilcorral ging und sein Pferd einfing. John schwang sich auf
den Rücken und ritt zu Chato.

»Ich komme zurück, Chato. Darauf gebe ich dir mein Wort.

Du hast als Pfand meinen Begleiter.«

John kitzelte das Fell seines Praints und trabte zum Tor.

*

In der Nacht, als Sinclairs Bande ihr Lager aufschlug, kam es
zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen seinen Leuten und
ihm. Aber Sinclair beendete den Streit, indem er auf seinen
Gefangenen deutete.

»Cochise wird unseren Preis zahlen, Leute, oder wir schicken

ihm einen toten Naiche. Macht euch also keine Gedanken, und
legt euch schlafen. Wir brechen früh auf.«

Während der Pedlar sprach, lag kaum 15 Yards entfernt,

zwischen einer Moosbank, John Haggerty und beobachtete das
Lager. Er sah den Posten am Korkbaum lehnen und wartete
geduldig, bis er glaubte, daß alles eingeschlafen war. Lautlos
und flink wie ein Wiesel robbte er durch die Büsche und
näherte sich der Wache. Ehe der Mann begriff, was geschehen
war, lag er schon bewußtlos auf kahlem Gestein.

John nahm dessen Karabiner, kroch zu dem Verschnürten

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unter einem Mesquitestrauch und durchtrennte ihm die Fesseln.

Wie eine stumme Absprache fiel kein Wort, als Naiche sich

erhob. Sie hörten nur die Schnarchtöne der Outlaws, die
ahnungslos ihrem Schicksal entgegenschliefen.

Die Stille des Morgens war von dumpf dröhnenden

Trommelschlägen erfüllt, die hohl und weithin durch die
Bergwelt hallten.

Sinclair erwachte, lauschte und erriet sofort die Bedeutung

der Klänge. Sein Blick fiel auf die Stelle, an der sie in der
Nacht den Gefangenen ans Gesträuch gebunden hatten.

»Was bedeutet das?« Vaquence sprang schlaftrunken auf die

Beine. Auch die anderen Mitglieder der Bande waren vom
anhaltenden Lärm aufgewacht.

Sinclair deutete mit einer laschen Handbewegung auf den

leeren Platz und dann zur Korkeiche, wo Nick Warren, der
Nachtposten, lag – niedergeschlagen.

»Wir hatten Besuch«, sagte er ruhig. Die Trommelschläge

wurden nun klarer, und Sinclair schien es, als erhielten die
dumpfen Töne aus einer anderen Richtung Antwort. Aber das
konnte auch das Echo sein, das durch die hohlen Schluchten
zurückgeworfen wurde.

»Unsere Geisel ist verschwunden.«
Vaquence eilte mit Riesenschritten zu den Büschen. Als er

zurückkehrte, hielt er die durchschnittenen Lederriemen in
seinen mächtigen Fäusten.

»John Haggerty?«
Der Pedlar lächelte verkrampft.
»Er mag es nicht, wenn er betrogen wird.«
»Warum hat er nur Naiche befreit?« fragte Vaquence

stirnrunzelnd. Das Trommeln ging ihm auf die Nerven. Es
waren wohl Signale aus der Bergfestung, die durch die Wildnis
drangen und von den Geschehnissen in der Apacheria
berichteten.

»Warum hat er nicht uns getötet? Er und Naiche hatten

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Gelegenheit dazu, als wir schliefen.«

Sinclairs Lächeln wurde grantig.
»Das werden andere tun, Ramon. Hörst du nicht ihre

Stimmen?« Sein gestreckter Arm deutete in die Tiefen der
Schluchten, aus denen nun Schläge einer Trommel schallten.
»Das sind die Trommeln der Mimbrenjos. Aber irgendwo in
einem der zahllosen Canyons wird der Teufel auf uns warten.«

»Cochise«, murmelte der Ladino.
»Richtig.« Sinclair nickte gelassen, obwohl sein Inneres in

Aufruhr war. »Hoffen wir nur, daß es eine Militärpatrouille
hört oder dieser verdammte Captain aus Tombstone. Haltet
eure Waffen schußbereit und sattelt die Pferde! Wir brechen
auf.«

Sinclairs Kaltblütigkeit war vorgetäuscht. In Wirklichkeit

fürchtete er sich davor, Cochises Krieger in die Arme zu
laufen. Er hatte den Rothäuten Waffen geliefert und ihnen
gezeigt, wie man mit ihnen umgehen konnte. Aber er wußte,
daß Cochise diesmal auf die einfache Art seiner Rache
verzichtete.

Wie nannte es Chato so treffend? Alle Qualen der Hölle.

Cochise beherrschte diese Technik vollkommen, wie die
Gazetten im Territorium zu berichten wußten.

Der Gang über den schmalen Saumpfad, der längs der

Steilwand in die Tiefe führte, wurde zur Tortur. Als Kim und
sein Praint in den Abgrund stürzten, rief Vaquence mit irrem
Lachen:

»Der hat keine Sorgen mehr.«
Das Grauen nagte an den Knochen.
Als der Pfad breiter wurde, stießen sie auf den

zurückgelassenen Planwagen. Aber Sinclair dachte an sein
Leben, und er schenkte dem schweren Fahrzeug keinen Blick.
Sie mußten raus aus den Bergen, denn nur auf dem Flachland
sah Sinclair geringe Chancen, Cochises Horden zu entkommen.

Noch war ihnen keiner der roten Teufel begegnet. Sie hörten

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die Trommelschläge, die an den Nerven zerrten.

Der abfallende Weg war nicht mehr so steil. Die engen

Wände des Canyons erweiterten sich. Am Horizont stand ein
heller Streifen – die Plains, die bis hinüber zu der Gila Bend
führte.

Nun, die Freiheit vor Augen, stieß Hans Holsten einen

gellenden Laut aus. Sanft glitt er aus dem Sattel und fiel auf
den rauhen Fels. Der gefiederte Schaft eines Pfeils steckte
wippend in seinem Hals.

»Raus hier!« schrie Vaquence und trieb wie von Sinnen

seinem Pferd die großen Sporen in die Weichen. Er riß seinen
Revolver aus dem Halfter und begann wild und planlos durch
die Gegend zu ballern.

Über den flachen Hügeln tauchten Reiter auf. Ihre

bronzefarbenen Oberkörper glänzten in der Sonne. Zwei
Wogen gleich schwemmte der Berg sie talwärts. Ihre
Breitmesser blitzten, ihre Tomahawks wirbelten über ihren
dunkel glänzenden Haaren, und ihre unheimlichen Schreie
füllten den Talkessel.

»Zastee, zastee!« Tötet sie, tötet sie!

*

Sie kamen durch den Felsausschnitt am Ende des Steinwalls.
Ein Heer von 60 Chiricahua-Kriegern. Sie trugen gräßliche
Wunden am Körper, aber sie saßen stolz auf ihren Mustangs.

Als Cochise den linken Arm hob, zügelten sie ihre Tiere. Der

Häuptling schwenkte zum Hügel, wo die Jacales standen. Sein
muskulöser Körper trug etliche Wunden, deren Schmerz ihn
nicht kümmerte. Cochise parierte sein Pferd auf jenem Platz,
an dem das ewige Feuer brannte. Mit einer wilden Bewegung
schleuderte er ein Bündel blutbehafteter Skalps in den Staub.

Sein Blick traf Chato, seinen Sohn Naiche.
Er stieg vom Pferd und kam mit großen Schritten näher, bis

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er vor John Haggerty stand. Sein Blick schien den Feind
förmlich zu durchdringen, seine Mundwinkel zuckten, und die
kräftigen Muskeln seiner Wangenknochen waren in Bewegung.
Es schien ihm schwerzufallen, mit dem Mann zu sprechen, den
er einst seinen Freund genannt hatte.

»Naiche steht in deiner Schuld, Falke. Er mag über dein

Leben bestimmen.«

Cochises Sohn trat mit federnden Schritten an John

Haggertys Seite. Stolz und selbstbewußt, eines jungen
Häuptlings würdig, warf er den Kopf in den Nacken. Wie er so
dastand, glich er seinem Vater wie ein Spiegelbild.

»Der Falke hat gezeigt, daß er ein Freund der Chiricahuas ist,

Vater. Ohne seinen Mut und sein selbstloses Eingreifen
würdest du in Trauer heimkehren, denn Naiche wäre tot. Er
und sein Begleiter mögen in Frieden ziehen.«

Häuptling Cochises dunkle Augen waren auf den Scout

gerichtet.

»Mein Sohn hat gesprochen. Zieht in Frieden.«
John sah den breiten Gurt und das wuchtige Halfter, aus dem

der verzierte Griff von Sinclairs Revolver hervorlugte. Er sah
die Skalps auf dem Platz, zwischen denen das helle Haupthaar
des Händlers schimmerte. Ohne Furcht trat er dem Häuptling
entgegen.

»Ich bin gekommen, um dir den Frieden General Einarms

anzubieten, mit dem du vor Monden viele Tage und Nächte
Verhandlungen geführt hast. Er bedauert die schrecklichen
Vorfälle, die zu neuer Feindschaft führten. General Howard
möchte mit den Häuptlingen der Chiricahuas und Mimbrenjos
einen neuen Vertrag schließen. Er garantiert...«

Cochises wie abgehackt wirkende Handbewegung ließ John

Haggerty verstummen.

»Seine Garantien stehen nur auf dem Papier, Falke. Seine

Worte kommen aus einer gespaltenen Zunge. Er kann dem
Frieden dienen, wenn er seine Truppen von freiem

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Apachenland abzieht. Mit den Siedlern, die unser Land stehlen,
werden wir selbst fertig.«

»Du weißt, daß dies nicht in der Macht General Einarms

liegt, Cochise. Der Weiße Häuptling in Washington hat ihn ins
Apachenland gesandt, damit sein Volk und dein Volk in
friedlicher Eintracht miteinander leben. Das Land ist groß, so
daß alle darin leben können.«

»Das Land beherrschen Siedler. In den glitzernden Minen

arbeiten sie wie Kulis. Den Chiricahuas und den Mimbrenjos,
die dieses weite Land von ihren Vätern geerbt haben, ist nur
ein letztes Wasserloch geblieben: die Dragoon Mountains.
Sattle dein Pferd und reite. Es sind genug Worte gefallen.«

John schloß die Augen. Er dachte, Cochise ist stur wie ein

Muli. Sein Haß brennt immer tiefer in sein Herz.

»Dein Groll blendet dich, Großer Häuptling. Du führst dein

Volk in einen tiefen Abgrund. Was bedeuten sechzig Gewehre,
Cochise, wo die Blauröcke sechstausend besitzen, Kugeln und
den donnernden Blitz der Kartätschen? Du führst ein
verlorenes Häuflein in den Tod.«

Stolz reckte Cochise seine Waffe gen Himmel.
»Es ist ein Anfang, Falke. Mit ihren eigenen Waffen werden

wir sie schlagen. Geh jetzt, ehe ich Naiches Entscheidung
zurücknehme!«

Stolz schritt der Chiricahua an dem Chiefscout vorbei und

verschwand in seinem Wicki-up.

John Haggerty wußte, daß es völlig aussichtslos war, Cochise

zur Umkehr zu bewegen.

Vom Corral her kam Naiche mit zwei gesattelten Pferden

heran.

»Es wird Zeit für dich, Falke«, sagte er, während er Haggerty

die Zügel reichte. »Du hast die letzten Worte meines Vaters
vernommen.«

John schwang sich in den Sattel. Sam Critten folgte diesem

Beispiel.

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John sah, daß Naiche seine Hände auf dem Rücken

verschränkt hielt. Er wünschte keine Berührung mit dem
weißen Mann. Haggerty trieb sein Pferd an und ritt am
Steinwall entlang zum schmalen Ausgang der Apacheria. Er
wußte, daß Cochise bald seine Bergfestung verlassen würde.
Ein Gedanke, der ihn beunruhigte.

*

Als sie aus dem Schatten der Berge waren, sah John Haggerty
die flachen Grabhügel zwischen Yuca-Stauden und
Mesquitebüschen, über die der Wind den Staub der Mesa trieb.
Zwei primitive Astkreuze aus der nahestehenden Korkeiche
erinnerten an Cochises Scharmützel mit Freemans Miliz.

Sicher war es Captain »Lions« militärischer Erfahrung

zuzuschreiben, daß der Zusammenstoß zwischen Apachen und
Weißen glimpflich verlaufen war, denn Cochise besaß nun
Waffen, die ihn an Feuerkraft und Verschlagenheit seinen
Gegnern zumindest ebenbürtig machten.

60 Springfield-Gewehre und 1000 Schuß Munition. Sinclair

hatte für seinen Frevel, Rothäute mit Feuerwaffen auszustatten,
teuer bezahlen müssen.

Aber das war wohl nur ein Anfang.
John stieg vom Pferd, faßte die Zügel und näherte sich

zögernd den Gräbern.

Sam Critten folgte befremdet und zugleich nervös seinem

Begleiter.

»Ihnen können wir nicht mehr helfen«, sagte der Corporal

heiser, »wir sollten unsere eigene Haut retten. Wenn Cochise
seine Großzügigkeit bereut, hängen unsere Skalps neben dem
von Sinclair an seinem Gürtel. Er schickt uns seine Meute
nach.«

John kniete lächelnd nieder.
»Cochise bricht nie sein Wort, es sei denn, er fühlt sich

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betrogen oder verraten. Dann wird er zu einem gefährlichen
Gegner. Du hast es erlebt, Critten.«

Seine Hand tastete über das trockene Erdreich. Er wußte, daß

die beiden Toten seit über einer Woche unter dem Hügel lagen.

Langsam richtete John sich auf. Sein Blick verlor sich im

grauen Bergmassiv, das düstere Gedanken in ihm weckte. Nach
langem Suchen war es ihm gelungen, Cochises Bergfestung
aufzuspüren. Er hatte erlebt, was dort oben geschehen war, und
er ahnte Cochises Gedanken. Cochise brauchte Waffen, um
einen neuen Indianeraufstand vorzubereiten. Der Jefe gab keine
Ruhe.

Wie tief hatte sich der Haß gegen die weißen Eindringlinge

in seiner Brust verwurzelt. Johns Züge nahmen einen
verbitterten Ausdruck an.

Seit zwei Tagen wußte er, daß Chiricahua-Späher auf ihrer

Fährte saßen und jeden ihrer Schritte kontrollierten. Cochise
wollte sichergehen, daß seine Feinde die Berge verließen.

»Wir wollen unser Lager aufschlagen«, bestimmte der Scout

trotz der Gefahr, die sie unsichtbar umgab. »Das Buschwerk
und die flachen Hügel bieten uns Schutz gegen den scharfen
Wind.«

Critten blickte verzweifelt zum Himmel.
»Es wird erst in zwei Stunden dunkel«, wandte er ein. »Wir

könnten noch zehn Meilen schaffen.«

Er schüttelte sich bei dem Gedanken an die vergangenen

Tage, die wie ein Trauma in ihm hafteten. Er sehnte sich bei
Gott nicht wieder auf den kahlen Fels in Cochises Apacheria
zurück.

»Ich weiß es«, sagte John Haggerty. Er begann sein Pferd

abzusatteln. »Du hast Angst.«

»Klar, ich geb's ja zu. Wenn Sie es nicht anders wollen, reite

ich allein weiter.«

John betrachtete den Deserteur. Ein junger und

kraftstrotzender Bursche, der etliche Indianerkämpfe hinter

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sich hatte und einige Narben daraus am Körper trug, und dem
nun die Furcht im Nacken saß.

»Wohin willst du reiten, Sam?« Haggerty schwenkte den

ausgestreckten Arm im Halbkreis. »Nach Süden, wo Freemans
Miliz die Gegend durchstreift? Nach Fort Thomas, wo ein
gekränkter Lieutenant darauf brennt, dich vor die Mündung
eines Füsilierkommandos zu stellen? Nach Norden zum
Apachen-Paß? Fort Bowie, Fort Buchanan – wohin du auch
reitest, jeder Kommandant ist über deine Fahnenflucht
informiert. Wenn du nach Osten reitest, wirst du Cochises
Spähern in die Arme laufen. Wer weiß, was sie mit dir
anstellen. Also, weshalb hast du es so eilig, in Schwierigkeiten
zu kommen?«

Critten sah, daß der Scout die Gurte löste, den Sattel einfach

in den Sand warf und sein Pferd laufen ließ. »Schnall ab,
Corporal, und setz dich. Ich will mit dir reden.«

Nur zögernd löste Critten sich aus den Steigbügeln, äugte zu

den Gräbern hinüber.

»Sie hätten einen besseren Rastplatz wählen können, Mr.

Haggerty.«

Johns hartes Lachen blieb.
»Es gibt keinen besseren Ort als einen Tombs, um über

ernste Dinge zu sprechen. Diese armen Hunde sind die ersten
Toten auf einer langen Liste Cochises. Der fühlt sich stark und
mächtig. Seine Feuerrohre geben ihm diese Kraft, daß er
glaubt, jeden Gegner niederzwingen zu können.«

Critten grub eine Mulde in den Sand, die ihm besseren

Schutz vor dem heißen Westwind gab.

»Worüber wollen Sie sprechen, Sir? Sind wirklich Cochises

Späher auf unserer Fährte?«

John nickte, während er aus der Satteltasche Pemmikan

nahm, den Reiseproviant aus dem Apachendorf.

»Seit wir die Burg verlassen haben«, erwiderte er und reichte

dem Begleiter seinen Teil. »Er ist ein Fuchs und traut mir

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nicht, und zwar mit Recht.«

Sam Critten kaute schwerfällig an dem tranigen, mit Fett,

Fleisch und Kräutern durchsetzten Happen. Verständnislos sah
er den Chiefscout an.

»Was tut Cochise mit Recht?«
»Er hat längst gelernt, wie ein Weißer zu denken und wie ein

Roter zu handeln. Nun, wo ich seine Apacheria kenne und sein
Vorhaben erahne, wird er die Zeit nutzen und für seinen
Stamm einen neuen Platz suchen, während ich ins
Hauptquartier reite, um General Howard zu informieren. Es
könnten Monate vergehen, bis einer unserer Scouts sein Dorf
wiederfände. Inzwischen könnte es zu spät sein, denn Victorio
brennt darauf, es den Weißen heimzuzahlen. Old Vic zeigt
nicht die Geduld, die der Jefe hat.«

Critten konnte sich denken, was in Haggerty vorging. Dieser

verdammte Armeescout hatte wohl noch immer nicht die Nase
voll.

»Wollen Sie etwa wieder in die Berge zurück?« fragte er

entsetzt. »Etwa ins Apachendorf?«

John nickte ernst.
»Ich muß wissen, welche Pläne der Jefe ausbrütet, damit das

Militär, das dieses Territorium nun mal verwaltet und die
Siedler schützt, Maßnahmen ergreift, um schreckliches
Blutvergießen zu verhindern. Du warst ein guter Soldat, Sam,
und möchtest lieber heute als morgen wieder in der Armee
dienen.«

Critten nickte.
»Aber du stehst in der Mitte, wirst gejagt von den eigenen

Kameraden, von der Bürgerwehr, von Possen, bald auch von
Apachen, Mimbrenjos oder Yaquis, die auf dem Kriegspfad
reiten. Hast du überhaupt noch eine Zukunft, Sam Critten?
Nein. Ich könnte ein Wort für dich bei General Howard
einlegen. Möglicherweise wird er deine Verfehlungen mit
anderen Augen sehen, wenn er erfährt, daß unsere Mission

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vielleicht hundert oder gar tausend Menschen das Leben
gerettet hat.«

Verdammter kleinlicher Kommiß, dachte der Deserteur

wütend. Da dreht man mal durch und schmiert einem Offizier
eine, und schon ist das ganze Leben im Arsch.

»Sie haben eine feine Art, einen Mann zu erpressen, Mr.

Haggerty«, höhnte Critten gallig. Er spie seinen Pemmikan in
den Sand, denn er hatte es satt, auf der tranigen Dauerkost
herumzukauen. »Dort die Kugeln eines
Exekutionskommandos, hier der Tomahawk oder die
Lanzenspitze einer verrückten Rothaut. Welcher Weg bleibt
mir überhaupt?«

»Der ehrenwerte, Sam.«
Critten schnaufte. »Der würde vor den Lanzen der

Chiricahuas enden.«

»Nichts ist endgültiger als der Tod, Sam. Er holt uns alle, den

einen früher, den anderen später. Wie hast du dich
entschieden?«

Critten wischte das tranige Zeugs von den Lippen.
»Verdammt, wo sind Cochises verfluchte Späher?«
John deutete mit einer Kopfbewegung nach Osten.
»Keine zweihundert Yards entfernt auf dem flachen Hügel

zwischen Chollas und Distelgesträuch. Was kümmert es uns?
Wir ziehen morgen früh in die offene Range, reiten in einer
dunklen Nacht im weiten Bogen nach Norden und suchen die
ungedeckte Flanke von Cochises Bergfestung.«

»Und unsere Verfolger?«
John lächelte belustigt.
»Bin ich dümmer als ein lausiger Chiricahua, Sam? Cochises

Späher sind wir schneller los, als sie es wahrhaben.«

Sam Critten dachte an John Haggertys legendären Ruf in der

Armee und an seine eigene bekümmerte Lage.

»Ich bin ein verdammter Narr, Sir, aber ich will es riskieren.

Wenn...«

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»Ja?«
»... wenn Sie mir einen Weg garantieren, der zurück zu

meiner geliebten Siebenten führt.« Der Corporal räusperte sich.
»Ich liebe die Armee. Sie ist so was wie meine Ziehmutter.«

John Haggerty streckte die Rechte aus.
»Mein Wort darauf, Sam. Du wirst deine zwei Streifen bald

wieder in Ehren tragen. Deine eigenen Probleme werden in
einem anderen Licht erscheinen, wenn General Howard erfährt,
daß du als mein Scout reitest.« Während Critten seine Hand
schüttelte, dachte John mit einem Anflug von Zynismus: der
Weg, der vor uns liegt, führt über ein schwankendes Seil, und
es ist nicht abzusehen, wann und wo es zerreißt.

Aber er war gezwungen, ihn zu beschreiten, damit weiteres

Blutvergießen vermieden wurde.

»Nenne mich John, du verlauster Strauchdieb. Wenn wir am

gleichen Leder ziehen, wollen wir es wenigstens als Freunde
tun.«

ENDE


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