Apache Cochise 25 Cochise in Noeten

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Frank Callahan

Cochise in Nöten

Apache Cochise

Band Nr. 25

Version 1.0

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Prolog

Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder.
Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder
früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen.

Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von

Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen
erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete
Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch
veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine
erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht
begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten
Rasse führten.

Man kann sagen, die damaligen Weißen und Mexikaner

waren alles andere als weitblickend, eher nur von einer
hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines Panthers
glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der Indianer
eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für einen
Apachen-Skalp.

Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer

mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur
und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder
bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des
Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«?

Mitnichten. Zum Teil gab es vorausschauende und

mitfühlende Männer in der Army, die aber wegen ihrer
»Humanitätsduselei« nicht zu Wort gelangten, aber den
Untergang der roten Rasse voraussagten und mit den
Indianern fühlten.

Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuer-

und beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest
steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von

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vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die
Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung
abgetan wird.

Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden

Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur
schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen
vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den
Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische
Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung
trieb, nicht mit ansehen muß.

Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die

Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft,
ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos
im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen
Arizonas.

Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet?
Sicherlich nicht, denn kein nomadisierendes Volk in Europa,

Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden.
Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren
Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den
Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen
werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden
in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum
Leben brauchten. Zu allen Zeiten war daher für die Apachen
die Welt noch in Ordnung. Erst als der weiße Mann mit seinen
überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten
Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich
das große graue Leichentuch über die Stämme und
Sippenverbände.

Ganz bestimmt wäre vor 100 und mehr Jahren

möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den
Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger
Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments
gegen die rote Rasse gewesen wäre.

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Es hat nicht an klardenkenden und verantwortungsbewußten

Leuten gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im
Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu
ihrem Recht zu verhelfen.

Es ist nicht Aufgabe dieser Einleitung, anzuklagen und zu

richten, denn niemand von uns kann sagen, daß er es
womöglich hätte besser machen können. Sie alle in der
damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren Kinder einer harten
und erbarmungslosen Epoche, und sie waren Bewohner einer
rauhen Umwelt.

Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen

Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter
authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in
Romanform für den deutschen Sprachraum noch nicht oder nur
in Kurzform gebracht wurde.

Die guten und schlechten Weißen, die anständigen Apachen

und die grausamen, tauchen namentlich in der Story auf und
geben der Geschichte einen dramatischen, wenn auch
makabren Hintergrund.

Ihr Martin Kelter Verlag.

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***

Mit lautlosem Flügelschlag strich ein Nachtvogel vorbei. Für
einen Moment war seine Silhouette gegen den sternenübersäten
Himmel zu sehen.

Cochise, der legendäre Häuptling der Apachen, zügelte

seinen Mustang hinter einer Ansammlung von Saquaro-
Kakteen und richtete seinen Oberkörper kerzengerade auf.

Bleiches Mondlicht sickerte vom Himmel, legte sich auf das

wie versteinert wirkende Gesicht des Chiricahuas. Nur der
mächtige Brustkorb des großgewachsenen und breitschultrigen
Indianers bewegte sich.

Scharfäugig spähte der Apachen-Chief auf das vor ihm

liegende Gelände. Es war ein ödes, trostloses und
wüstenähnliches Terrain, durch das sich Cochise seit vielen
Stunden auf dem Rücken seines Pintos vorwärtsbewegte.

Er folgte den Fährten von vier weißen Banditen, denen die

Flucht gelungen war. Die restlichen Weißhäutigen waren von
dem Chiricahua und seinen weißen Freunden John Haggerty,
Wyatt und Virgil Earp und dem Arme-Scout Gelbvogel in
einem erbitterten Kampf niedergerungen worden. Die
Rustlerbande hatte Naiche, Cochisses Sohn, in der Gewalt
gehabt und wollte von ihm den genauen Ort einer legendären
Goldmine herauspressen.

Glenn Morgan, ein übler Halunke, war seit vielen Wochen

hinter dieser Mine her und hatte sich mit Jeff Cooper, dem Boß
einer Bande von Viehdieben, verbündet.

Morgan, Cooper und zwei weitere Banditen konnten

Cochises Rache entkommen. Naiche befand sich mit John
Haggerty, dem erfahrenen Armee-Scout, auf dem Weg zu
Cochises Apacheria.

Diese Gedanken bewegten den Häuptling der Apachen, als er

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nach den vier geflüchteten Bleichgesichtern Ausschau hielt. Er
wollte sie nicht entwischen lassen.

Cochise schätzte den Vorsprung seiner Gegner noch auf

höchstens eine Stunde. Die vier Outlaws ritten seit Stunden
ohne Pause, als wäre der Leibhaftige persönlich hinter ihnen
her. Sie wandten einige Tricks an, um etwaige Verfolger
abzuschütteln.

Damit konnten sie aber den erfahrenen Apachenhäuptling

nicht beeindrucken. Cochise war ein Sohn dieses Landes und
vertraut mit allen nur erdenklichen Möglichkeiten, eine Fährte
zu verfolgen.

So hatte es auch nie ernsthafte Probleme gegeben, den

Hufspuren der Banditenpferde zu folgen, obwohl die
Dunkelheit dies natürlich erschwerte.

Cochise lauschte in die Nacht. Das klagende Heulen eines

Wolfes durchschnitt die Stille. Von einem nahen Hügel wurde
der Ruf des Lobos erwidert.

Der Chiricahua trieb sein geflecktes Pferd mit einem

Zungenschnalzen an. Gehorsam setzte sich der Pinto in
Bewegung. Cochise ritt voller Aufmerksamkeit, denn er wollte
unter keinen Umständen in einen Hinterhalt geraten.

Er wußte zu gut, daß er es mit gefährlichen Gegnern zu tun

hatte. Die vier Bleichgesichter kannten keine Skrupel, um ihr
Ziel zu erreichen.

Es waren gnadenlose Mörderwölfe, denen ein

Menschenleben nichts bedeutete. Und Cochise mißfiel es sehr,
daß sich die vier Bleichgesichter immer mehr den Peloncillo
Mountains näherten. Dort befand sich die legendäre Goldmine
der Spanier. Cochise wußte genau, daß es dort noch genügend
von dem gelben Metall gab, um die weißen Männer verrückt zu
machen.

Wenn es unter den Weißhäutigen erst einmal bekannt wurde,

daß es dort in den Bergen eine Goldmine gab, würden
Tausende von Bleichgesichtern wie ein Heuschreckenschwarm

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in das Land der Apachen einfallen und wie Maulwürfe wüten.
Dann aber war ein Krieg zwischen den Weißen und den
Apachen nicht mehr aufzuhalten.

Geduldig und mit zäher Ausdauer setzte der Jefe seinen Ritt

fort. Eine Stunde später verkündeten die ersten
Lichtexplositionen im Osten den Beginn eines neuen Tages.
Bodennebel krochen aus Erdlöchern und Felsspalten, waberten
zwischen den Hufen des Mustangs und erinnerten schon bald
an riesige Leichentücher.

Tau funkelte auf den Gräsern und Blättern der Büsche und

Bäume. Es war empfindlich kalt geworden. Cochise fühlte
Müdigkeit in sich aufsteigen.

Seit vielen Stunden hatte er nicht mehr geschlafen. Auch sein

Pferd zeigte die ersten Ermüdungserscheinungen. Es wieherte
hin und wieder, schnaubte prustend, um seinem Herrn
mitzuteilen, daß es an der Zeit wäre, eine Pause einzulegen.

Cochise klopfte dem Mustang leicht den schlanken Hals und

sagte: »Wir legen bald eine Pause ein. Die Hellhäutigen
werden uns nicht entkommen. Sie reiten in ihr Verderben.«

Als sich die ersten Sonnenstrahlen auf das wüstenähnliche

Land legten und es golden aufleuchten ließen, parierte der
Häuptling der Apachen seinen Pinto.

Er suchte sich ein gutes Versteck, hielt nochmals Ausschau

und legte sich nieder. Schon bald verkündeten die
gleichmäßigen Atemzüge des Chiricahuas, daß er den
wohlverdienten Schlaf gefunden hatte.

*

Glenn Morgan sprang aus dem Sattel, spuckte aus und fuhr
sich lästerlich fluchend über seinen verlängerten Rücken. Dann
strich sich der großgewachsene und schlanke Bandit eine
Strähne seines dunklen Haares aus der Stirn.

»Es wird ja endlich Zeit, daß wir eine Pause einlegen«, sagte

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er knurrend. »Ich habe mir mein Sitzleder halb durchgeritten.«

»Stell dich nicht so an, Morgan«, ließ sich Jeff Cooper, der

ehemalige Boß einer Rustlerbande, vernehmen. »Denk daran,
daß du uns das alles eingebrockt hast. Es ist deine Schuld, daß
uns diese verdammten Rothäute auf den Pelz gerückt sind. Und
ich sage dir eins: Wenn es diese Goldmine nicht gibt, auf die
du uns so richtig scharf gemacht hast, dann ziehe ich dir
höchstpersönlich das Fell über die Ohren. Das verspreche ich
dir ganz feierlich.«

Jeff Cooper war ein breitschultriger, untersetzt wirkender

Mann von undefinierbarem Alter. Ein wild wuchernder
Vollbart bedeckte Kinn und Wangen. Zwei Revolver im
Kreuzgurt deuteten auf die Gefährlichkeit des Outlaws hin.

Aus flintsteinharten Augen starrte er seinen Partner an, der

das Gesicht verzog, als würde er von schlimmen
Zahnschmerzen geplagt.

»Du wirst schon bald staunen, Cooper, und zwar so mächtig,

daß dir die Augen aus dem Kopf fallen werden. Wir finden
diese Goldmine. Dann aber sind wir reiche Burschen, die wie
die Maden im Speck leben werden.«

»Hoffentlich, Morgan«, sagte ein kleinwüchsiger Mann, dem

eine knollenförmige Nase wie eine überreife Erdbeere aus dem
Gesicht ragte. Sein Name war Clayd Hudson.

Der andere Bandit nickte. Es war ein hagerer Bursche,

dessen Augen tief in den Höhlen lagen und dessen Gesicht an
einen Totenschädel erinnerte, so fest spannte sich eine
pergamentartige Haut darüber.

»Es wird schon schiefgehen«, ließ sich Billy Barns, der

totenkopfgesichtige Bandit vernehmen. »Anstatt uns zu
streiten, sollten wir lieber nachsehen, ob wir verfolgt werden.
In wenigen Minuten wird die Sonne aufgehen. Auf dem Hügel
dort drüben haben wir bestimmt eine gute Aussicht.«

Jeff Cooper nickte versöhnlich zu Glenn Morgan hinüber,

der sich suchend umsah. »Das ist etwas für dich, Morgan. Du

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kannst dich später ausruhen. Wir versorgen in der Zwischenzeit
dein Pferd. Sieh vom Hügel aus nach, ob wir Schatten auf
unseren Fährten haben.«

Glenn Morgan brummte einige Worte, die keiner seiner

Partner verstehen konnte und stiefelte davon. Einige Minuten
später befand er sich auf der Hügelkuppe. Mesquitebüsche
wuchsen im weiten Rund und verdeckten den
großgewachsenen Banditen. Die Sonne schob sich wie eine
fruchtige Orange hinter den Bergen hervor und erhellte das
Land.

Morgan hatte kein Auge für diesen erhabenen Anblick. Er

spähte den Trail zurück, den er und seine Gefährten in langen
Stunden mühsam zurückgelegt hatten.

Schon wollte der Outlaw beruhigt zu seinen Partnern

zurückmarschieren, als er einen Reiter sah. Zwar nur für
wenige Sekunden, doch Morgans scharfen Augen war es nicht
entgangen, daß es sich um einen Indianer handelte.

Der Bandit lauerte über eine halbe Stunde zu der Stelle

hinüber, wo er den Reiter gesehen hatte. Die Distanz betrug
ungefähr eine Meile. So sehr er auch seine Augen anstrengte,
er konnte weit und breit niemanden mehr entdecken.

Der Halunke fuhr sich über die schmerzenden Augen und

schüttelte wie ein wütender Büffelbulle den Schädel. »Ich habe
mich nicht getäuscht«, murmelt er. »Zum Henker, das ist eine
verdammte Rothaut gewesen. Ich möchte nur wissen, wo sie
geblieben ist?«

Er beobachtete weiter, doch der Indianer blieb

verschwunden. Glenn Morgan fuhr sich über seine
Bartstoppeln, fluchte und trat den Rückweg zu seinen
Banditenfreunden an.

»Was ist los?« fragte Jeff Cooper. »Hast du Verfolger

entdecken können?«

Morgan nagte an seiner Unterlippe und nickte nachdenklich.

Er berichtete kurz von seiner Beobachtung, wies seine Partner

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aber darauf hin, daß er vielleicht auch einer Täuschung zum
Opfer gefallen war.

»Wir werden der Sache auf den Grund gehen«, bestimmte

der Rustlerboß. »Wenn es sich nur um einen einzelnen Indianer
handelt, dann werden wir schnell mit ihm fertig. Das wäre doch
gelacht. Am besten lassen wir die Pferde hier zurück und
schleichen dem roten Heiden entgegen.«

»Vielleicht hat sich der Hundesohn auch zum Schlafen

niedergelegt«, gab Billy Barns zu bedenken.

»Es könnte doch auch sein, daß die Rothaut nur ziellos das

Land durchstreift. Wir befinden uns nun einmal in den
Jagdgründen dieser roten Teufel.«

Clayd Hudson sagte dies und zupfte dabei an seiner

erdbeerfarbenen Nase, als wollte er sie abreißen.

»Wir finden es heraus, Jungs«, klang Jeff Coopers

entschlossene Stimme auf. »Wir sind vier harte Burschen, die
sich vor einer einzelnen Rothaut nicht zu verkriechen
brauchen. Vorwärts, packen wir's an. Morgan übernimmt die
Führung. Haltet eure Waffen bereit. Mir wäre es sehr recht,
wenn wir den Indianer lebend in unsere Gewalt bringen
könnten. Vielleicht kennt er den genauen Ort der Goldmine.«

»Das werden wir schon aus ihm herauskitzeln«, sagte Glenn

Morgan düster und setzte sich mit gleitenden Schritten in
Bewegung. Seine drei Kumpane folgten ihm.

*

Cochise erwachte. Innerhalb von Sekunden war der Häuptling
der Apachen voll da. Er richtete sich auf, nachdem er das neben
ihm liegende Gewehr gepackt hatte.

Sein Pinto schickte ein warnendes Schnauben zu dem

Indianer-Chief. Cochise wußte, daß diese Geräusche ihn aus
dem Schlaf gerissen hatten.

Der Chiricahua fühlte sich nur wenig erfrischt. Nach dem

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Stand der Sonne zu urteilen, war sein Schlaf nicht von langer
Dauer gewesen.

Er lauschte. Außer den Geräuschen seines Mustangs konnte

er nichts Verdächtiges vernehmen. Der Jefe trat zwischen die
Felsen und hielt Ausschau. Weit und breit konnte er weder
Mensch noch Tier sehen.

Dann blickte er auf seinen Mustang, der noch immer nervös

wirkte und leise wiehernd seine gelben Zähne zeigte.

Cochise konnte keine Klapperschlange entdecken, wie er

zuerst vermutet hatte. Vielleicht sind es Wölfe, dachte der
Apachen-Chief. Er griff sein Gewehr fester.

Der Apache schlich weiter, kauerte sich hinter einen grauen

Felsbrocken und blickte erneut auf das vor ihm liegende
Gelände. Er zuckte unwillkürlich zusammen, als er zwei
huschende Gestalten sah, die sich schon fast bis auf eine
Steinwurfweite seinem Versteck genähert hatten.

Die beiden Bleichgesichter verschwanden Bruchteile von

Sekunden später wieder zwischen Büschen und
Felsentrümmern und tauchten auch nicht wieder auf.

Ein hartes Lächeln teilte Cochises Lippen. Nachdem er die

drohende Gefahr bemerkt hatte, entspannte sich sein
großgewachsener Körper. Der Apachen-Häuptling blieb in
seinem Versteck.

Hin und wieder spähte er hinter dem Felsklotz hervor und

erkannte auch einige Minuten später wieder die sich
anschleichenden Bleichgesichter. Der kauerte wie ein Puma am
Boden, bereit, sich auf seine Gegner zu werfen und sie
erbarmungslos niederzukämpfen. Er ahnte, zwei oder vier
Banditen vor sich zu haben, denen er seit vielen Stunden
gefolgt war. Sie mußten ihn bemerkt haben und wollten
nachsehen, wer ihnen folgte. Und daß es kein rein
freundschaftlicher Besuch war, konnte sich Cochise gut
vorstellen.

Die beiden Banditen näherten sich. Der Chiricahua konnte

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ihre Gesichter sehen, als sie von einem Felsbrocken zum
anderen schlichen. Er war sicher, die beiden Anschleicher in
dem Tal gesehen zu haben, in dem sich das Camp der
Viehdiebe befunden hatte.

Der Mustang beruhigte sich, schnaubte nur noch leise und

blickte aus großen Augen zu seinem Herrn.

Noch näher schlichen die beiden Bleichgesichter heran. Ihre

dabei verursachten Geräusche hätten wohl einen Toten
aufgeweckt. So dachte wenigstens Cochise.

Der Apache verhielt sich völlig ruhig, auch als er den

schnellgehenden Atem des einen Gegners vernahm, der sich
auf der anderen Seite des Felsbrockens hingekauert hatte.

Cochise vernahm tastende Schritte, dann tauchte dicht vor

ihm der Kopf des Weißhäutigen auf. Für einen Moment
starrten sich die beiden Gegner in die Augen.

Bill Barns' Mund öffnete sich zu einem Schrei. Ehe aber ein

Laut die Kehle des Outlaws verlassen konnte, schlug Cochise
zu. Der Lauf des Gewehres traf den Kopf des weißen Banditen.

Es gab ein hohles Geräusch. Der Getroffene kippte zur Seite,

stöhnte kurz auf, ehe er regungslos liegenblieb.

Cochise warf sich zur Seite, denn der andere Anschleicher

tauchte seitlich von ihm auf und schoß sofort. Die Kugel
radierte dicht an Cochises Kopf vorbei, schmetterte
schmatzend gegen die Felsen.

Die Schußexplosion verhallte.
Cochise schnellte erneut wie ein Panther zur Seite, riß noch

im Fallen sein Gewehr hoch und drückte ab. Die Kugel traf
Clayd Hudsons linken Oberarm und ließ den Banditen
aufschreiend zurückweichen.

Die Winchester entfiel seiner kraftlos gewordenen Hand. Ein

gellender Aufschrei durchschnitt die Stille.

Cochise spurtete los, als er sah, daß die unverletzte Hand des

Bleichgesichtes nach dem Revolver im Halfter tastete.

Wie ein Unwetter fiel Cochise über den Verwundeten her.

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Mit einem schmetternden Hieb fegte er Clayd Hudson von den
Beinen, der zu Boden stürzte, auf dem Rücken liegenblieb und
an einen Käfer erinnerte, der nicht mehr aus eigener Kraft auf
die Beine gelangte.

Cochises Gesicht drückte Verachtung aus, als er sich über

den mit seinen Schmerzen kämpfenden Outlaw beugte und ihm
den Colt aus dem Halfter zog. Er vernahm ein Geräusch hinter
sich, wirbelte herum und warf sich zur Seite. Ehe er sein
Gewehr hochschwingen konnte, wurde es ihm aus den Händen
getreten.

Der Häuptling der Chiricahuas starrte in die Mündungen

zweier auf ihn gerichteten Winchester. Er sah in die Augen der
beiden Weißen Mordgier funkeln.

Sie würden schießen, falls er auch nur noch eine

unvorsichtige Bewegung riskierte.

»Gib auf, Rothaut!« Jeff Cooper stieß diese Worte heiser

hervor.

»Steh auf, Apache«, ließ sich Glenn Morgan vernehmen, ehe

er zufrieden grinste und dann ausspuckte.

Cochise erhob sich. Stolz stand er vor den beiden Gegnern.

Er hatte tapfer gekämpft und war nur unterlegen, weil er mit
den beiden anderen Bleichgesichtern nicht gerechnet hatte.

Natürlich war es ein unverzeihlicher Fehler gewesen. Er war

auf einen Trick der Hellhäutigen hereingefallen. Während sich
zwei der Halunken von vorn anschlichen und wohl damit
rechneten, bemerkt zu werden, näherten sich die beiden
anderen Outlaws von der anderen Seite. Ihr Plan war geglückt.

»Das ist Cochise«, sagte Glenn Morgan und warf dem Chief

der Chiricahuas einen tückischen Blick zu. »Da haben wir
einen tollen Fang gemacht, Cooper. Der Häuptling der
Apachen befindet sich in unserer Gewalt. Nun ist alles klar. Er
wird uns zu der Mine führen. Außerdem werden wir vor
anderen Indianern in Ruhe gelassen, denn wir haben ihren
Oberhäuptling in unserer Gewalt.«

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Nun lächelte auch Jeff Cooper zufrieden. Sein Gewehrlauf

zuckte plötzlich nach vorn und glich einer zuschnappenden
Klapperschlange. Cochise konnte nicht mehr ausweichen. Der
Lauf traf ihn im Magen und ließ ihn wie ein Taschenmesser
zusammenklappen. Er taumelte zurück. Kein Schmerzenslaut
drang aus seinem sich öffnenden Mund.

»Das ist dafür, daß du uns so übel mitgespielt hast, Cochise.

Du hast meine Bande zerschlagen. Nur wir vier konnten dem
Tod in knapper Not entgehen.«

Cochise richtete sich wieder auf. Nichts deutete mehr darauf

hin, daß er einen brutalen Schlag hatte hinnehmen müssen. Wie
ein Standbild stand er vor den beiden Banditen.

»Vielleicht kümmert sich einer von euch um mich, ehe ich

verblute«, rief Clayd Hudson mit wimmernder Stimme. Der
Verwundete quälte sich auf die Beine. Blut tropfte aus seinem
Jackenärmel und färbte einige Gräser rostbraun. Sein Gesicht
schimmerte bleich wie eine frischgekalkte Wand. Er
schwankte, taumelte einige Schritte auf seine Partner zu und
setzte sich mit weichen Knien auf einen Felsbrocken.

»Sieh nach Hudson«, sagte Cooper.
Der Banditenboß trat einen Schritt zurück, ließ aber nach wie

vor den Apachen-Häuptling in die Mündung seines Gewehres
sehen.

Cochise suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, um das

Blatt doch noch wenden zu können. Bis zu den nächsten Felsen
war die Distanz jedoch zu groß, um sie mit einem schnellen
Sprung zu überbrücken. Er wäre unweigerlich von einer Kugel
getroffen worden.

Jeff Cooper schien die Fluchtgedanken des Indianers zu

ahnen, denn er schüttelte den Kopf. »Versuch es nur,
Indianerbastard, versuch es nur!« stieß er drohend hervor.
»Dann bist du schneller in den Ewigen Jagdgründen, als es dir
lieb wird.«

Cochise antwortete nicht. Er wußte immer, wenn er eine

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Chance hatte und wann nicht. Im Moment konnte er nichts in
Gang bringen, ohne getötet oder wenigstens schwer verwundet
zu werden.

Bill Barns meldete sich einige Yards entfernt. Sein Stöhnen

ließ Cooper und Morgan zusammenzucken. Er blutete am
Kopf, dort, wo ihn der Gewehrlauf des Apachen-Häuptlings
getroffen hatte. Er blickte reichlich verwirrt und war noch nicht
ganz bei Sinnen.

Auch er setzte sich wieder hin und tastete mit

schmerzverzerrtem Gesicht über die taubeneigroße Beule, die
seinen Schädel zierte und noch immer wuchs.

»Das wäre geschafft, Jungs«, sagte Cooper zufrieden. »Wir

müssen nur aufpassen, ob sich nicht noch weitere rote
Hundesöhne herumtreiben. Wir haben auf der ganzen Linie
gesiegt.«

*

»Hier können wir unser Camp aufschlagen«, sagte Jeff Cooper
viele Stunden später. »Hier droht uns keine Gefahr mehr.
Niemand ist uns gefolgt. Auch sonst haben wir keine Indsmen
sehen können.«

Seine drei Begleiter nickten.
Der Banditenboß blickte zu Cochise hinüber, der gefesselt

auf dem Rücken seines Mustangs saß und starr geradeaus
schaute.

»Dir werde ich deinen verdammten Stolz auch noch

austreiben, du roter Bastard«, schnaufte Jeff Cooper. »Du wirst
uns schon bald sagen, wo diese Goldmine ist. Darauf verwette
ich meinen Kopf. Es gibt Mittel und Wege, einen jeden Mann
zum Sprechen zu bringen.«

Cochise reagierte noch immer nicht. Er saß wie versteinert

auf dem Pinto. Sein Gesicht drückte Verachtung aus. Und das
war es, was nicht nur Jeff Cooper so höllisch reizte.

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Bill Barns ging es inzwischen besser, obwohl es in seinem

Schädel noch summte, als habe sich dort ein
Hornissenschwarm angesiedelt.

Clayd Hudsons Schußverletzung war verbunden worden. Der

Verband um den linken Oberarm hatte sich während des Rittes
bereits wieder rot gefärbt.

Er stöhnte, als er aus dem Sattel kletterte und schwerfällig

auf den Füßen landete.

Die Banditen befanden sich am Anfang eines Canyons, der

ihnen Schatten vor der Sonne und außerdem Schutz vor
neugierigen Blicken bot.

Eine halbe Stunde später brannte ein Feuer. Der Duft von

gebratenem Fleisch kitzelte die Nasen der Männer und ließ
ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Cochise lag am Boden. Hände und Füße waren an vier in den

Boden getriebene Holzpflöcke gefesselt. Der Häuptling der
Chiricahuas konnte sich kaum bewegen. Die Stricke schnitten
tief ins Fleisch und schmerzten. Er hatte sich zwar zur Wehr
gesetzt, obwohl die Gefahr bestanden hatte, eine Kugel
einzufangen. Glenn Morgans aufgeschlagene Augenbraue
zeugte von diesem blitzartigen Angriff.

Da die Hände des Apachen jedoch gefesselt waren, konnte er

diesen Kampf nicht gewinnen. Jeff Cooper hatte ihn
niedergeknüppelt. Cochise war erst wieder aus seiner
Bewußtlosigkeit erwacht, als er bereits gefesselt am Boden lag.

Der Apache zwang sich zur Ruhe, obwohl es in seinem

Innersten ganz anders aussah. Verzweifelt suchte er immer
wieder eine Lösung, um seinem Schicksal entgehen zu können.
Sein Leben schwebte in tödlicher Gefahr. Zu gut kannte der
Chief die Gnadenlosigkeit dieser weißen Banditen. Und sie
würden ihn nicht schonen, sondern grausam martern, nur um
den genauen Standort der legendären Goldmine der Spanier zu
erfahren.

Er gab sich keinen Illusionen hin. Er steckte in einer

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tödlichen Klemme, wenn es ihm nicht gelang, sich aus dieser
mißlichen Lage zu befreien.

Der Häuptling der Chiricahuas konnte seine Gegner nicht

sehen, vernahm nur die Geräusche. Mit ausgebreiteten Armen
und Beinen lag er am Boden. Über sich sah er ein Stück blauen
Himmels. Ein Bussard kreiste in schwindelerregender Höhe
und verschwand bald aus Cochises Blickfeld.

Der Indianer-Häuptling fühlte nagenden Hunger in seinen

Eingeweiden. Auch Durst plagte ihn. Die vier Bleichgesichter
dachten nicht daran, ihrem Gefangenen etwas abzugeben.

Sie aßen schmatzend und zogen zufriedene Gesichter, bis auf

Clayd Hudson, dessen Armverletzung noch immer stark
schmerzte.

»Stell dich nicht so an, Clayd«, sagte Jeff Cooper kauend und

leckte sich über die fettigen Finger. »Der Kratzer bringt dich
nicht unter die Erde.«

Hudson warf seinem Boß einen bitterbösen Blick zu und

griff sich an den durchbluteten Verband.

»Du hast gut reden«, maulte er. »Ich habe das Gefühl, daß

sich die Wunde entzündet hat. Und mit einer Blutvergiftung
krepiere ich hier in dieser Wildnis.«

»Ich sehe später nach deiner Verletzung«, sagte Jeff Cooper

versöhnlich und stocherte mit dem Zeigefinger in seinen
nikotingelben Zähnen herum. »Das kriegen wir schon, Clayd.«

Der Boß der ehemaligen Viehdiebe blickte zu Cochise

hinüber. Ein breites Grinsen legte tiefe Falten um seine
Mundwinkel.

»Wir ruhen uns erst mal aus, Leute. Einer von uns hält

abwechselnd Wache. Morgen in aller Frühe reiten wir los.
Vorher werden wir der Rothaut tüchtig einheizen, damit sie uns
den genauen Ort der Goldmine verrät. Dieser Cochise muß
wissen, wo sich die Mine befindet.«

Die drei Männer nickten. Cooper teilte die Wachen ein und

legte dann Hudsons Wunde frei. Sie sah übel aus, hatte sich

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entzündet und eiterte. Der Banditenboß verzog das Gesicht.

»Sieht nicht gut aus«, sagte er brummig.
Clayd Hudsons Gesicht wurde grau wie Holzasche. Seine

Knollennase zuckte. Angst fraß tiefe Furchen in seine Stirn.

»Nun mach dir mal nicht die Hose voll«, sagte de Outlaw.

»Ich säubere die Wunde und lege dir einen neuen Verband an.
Sollte es dann nicht besser werden, muß ich sie ausbrennen.
Und das dürfte wirklich kein großer Spaß für dich bedeuten.«

Hudson stöhnte und rollte mit den Augen. Jeff Cooper legte

ihm einen Verband an und suchte sich einen Platz, um sich
niederzulegen.

Die Abenddämmerung senkte sich über das weite Land. Im

Canyon wurde es rasch dunkel.

Niemand achtete auf Cochise, der an seinen Fesseln zerrte

und sich zu befreien versuchte. Obwohl sich die Stricke nur
noch mehr zusammenzogen, gab der Indianer-Chief nicht auf.

Er würde erst resignieren, wenn er seinen letzten Atemzug

getan hatte.

*

Die beiden Indianer zügelten ihre Mustangs, sprangen von den
Pferderücken und verbargen die Tiere hinter einer
Speerdornhecke. Grillen zirpten. Von irgendwoher erklang das
langgezogene Heulen eines Wolfes.

Schatten krochen aus Felsspalten hervor, senkten sich über

Kakteen, Yuccas und Pinien. Längst war die Sonne wie ein
rotglühender Ball am Horizont untergegangen.

Die beiden Mescalero-Apachen starrten zu dem Canyon

hinüber, in dem die vier verhaßten Bleichgesichter
verschwunden waren.

Den Kriegern war nicht entgangen, daß die Hellhäutigen

einen Gefangenen mit sich führten. Daß es sich um einen
Indianer handelte, hatten sie sofort erkannt.

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»Wir werden unseren roten Bruder den Händen der

weißhäutigen Kojoten entreißen«, sagte Sturmvogel, ein
untersetzter, sehr bullig wirkender Krieger.

»So soll es sein, Vetter«, antwortete Grüne Schlange. »Die

Bleichgesichter sind bei Nacht mit Blindheit geschlagen. Wir
werden uns heranschleichen und unseren Blutsbruder
befreien.«

Grüne Schlange, ein noch junger Krieger, nickte

herausfordernd und ballte seine Hände zu Fäusten.

»Wir dürfen die Hellhäutigen nicht unterschätzen«, warnte

Sturmvogel, der schon öfter gegen die weißen Eindringlinge
gekämpft hatte. »Sie sind mit Donnerrohren und anderen
Feuerwaffen bewaffnet. Wir haben nur unsere Kriegsbogen,
die uns nicht viel nützen werden. Beim Anschleichen würden
sie uns zu sehr behindern.«

Grüne Schlange schüttelte den Kopf und zog sein

Büffelmesser aus dem Gürtel. Er schwang es drohend über dem
Kopf.

»Damit sind wir den Bleichgesichtern überlegen. Wir

kommen lautlos über sie.«

Sturmvogel lächelte, als er den jugendlichen Tatendrang

seines Gefährten bemerkte.

»Wir werden den Gefangenen befreien und dann ganz

schnell verschwinden. Es ist nicht unsere Aufgabe, gegen diese
vier Männer zu kämpfen. Wir sind Späher und das bedeutet,
nur auszukundschaften, was sich in diesem Tal des Landes
tut.«

Grüne Schlange gab sich damit zufrieden. Geduldig warteten

die beiden Indianer einige Stunden, ehe sie wie lautlose
Phantome auf den Canyon zuschlichen.

Dort rührte sich nichts. Kein Feuerschein erhellte die

bodenlose Dunkelheit. Die beiden Mescaleros verhielten hinter
einem mannshohen Felsbrocken und lauschten.

Nun vernahmen sie das Schnauben einiger Pferde. Es schien,

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als hätten die Tiere die Witterung der beiden Apachen
aufgenommen. Noch mehr verschmolzen die Krieger mit dem
dunklen Felsen.

Sie warteten einige Minuten, ehe sie weiterschlichen und

sich dem Canyon näherten, der ihnen drohend wie das Maul
eines vorsintflutlichen Ungeheuers entgegengähnte.

Langsam schoben sie sich heran, hielten sich immer in guter

Deckung und verursachten keinerlei Geräusche. Endlich
erreichten sie den Canyoneingang und verhielten erneut.

Sie vernahmen Schritte, die sich näherten und dann von einer

Sekunde zur anderen verstummten. Nur undeutlich erkannten
die Apachen die schattenhaften Umrisse eines Mannes, der
zwischen den Felsen hervorgetreten war. Sein Gewehr
scheuerte über den Felsen. Leder knarrte, als sich der
Hellhäutige wieder in Bewegung setzte und schon bald in der
Dunkelheit verschwand.

Sturmvogel nickte seinem Gefährten zu und schlich weiter.

Glenn Morgan, der Wache hielt, ahnte nicht, wie nahe er dem
Tod in den letzten Sekunden gewesen war.

*

Cochise hatte den aussichtslosen Kampf gegen die Fesseln
aufgegeben. Verzweifelt überlegte er, ob es nicht eine andere
Möglichkeit gab, sich zu befreien.

Zwei seiner Gegner lagen einige Pferdelängen von ihm

entfernt und schnarchten. Der verwundete Bandit stöhnte hin
und wieder.

Der Häuptling der Apachen vernahm näherkommende

Schritte des vierten Mannes, der seine Fesseln überprüfen
würde.

Glenn Morgan blieb grinsend vor Cochise stehen und wippte

lässig auf den Zehenspitzen. Sanftes Mondlicht, das an dieser
Stelle in den Canyon sickerte, erhellte sein Gesicht.

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»Morgen beim ersten Licht des beginnenden Tages werde ich

mich mit dir beschäftigen, Cochise«, stieß er zischend hervor.
»Dann bist du fällig, wenn du uns nicht erzählst, wo sich die
Goldmine befindet. Und wenn du uns hinters Licht führen
willst, dann bringe ich dich eigenhändig um.«

Cochises Gesicht blieb unbewegt. Nur ein verächtlicher

Blick traf den Outlaw.

Glenn Morgan marschierte weiter, achtete nicht darauf, daß

die Pferde unruhig wurden und verschwand bald in der
Dunkelheit des Canyons auf seinem Rundgang.

Cochise entging nicht, daß die Pferde immer nervöser

wurden. Besonders sein Pinto, der einige Yards von den
übrigen Tieren entfernt mit angehobelten Beinen stand, wurde
immer unruhiger. Das gab dem Chiricahua zu denken.
Vielleicht waren es Wölfe, die sich an das Camp
heranschlichen. Es konnte auch ein Puma sein, oder seine
Stammesgefährten, die das Lager überfallen wollten.

Der Indianer-Chief entspannte sich und lauschte voller

Konzentration. Hin und wieder vernahm er feine Geräusche,
die nur das Ohr eines Mannes vernehmen konnte, der in der
Wildnis aufgewachsen war.

Cochise glaubte plötzlich nicht mehr daran, daß es Raubtiere

waren, die sich anpirschten. Es konnten nur seine Blutsbrüder
sein, die sich so geschickt anschlichen. Hoffnung pulsierte
durch seinen Körper. Er dachte daran, daß es ihm vielleicht
doch gelingen konnte, seinen Peinigern zu entkommen.

Schritte näherten sich. Es war Glenn Morgan auf seinem

Patrouillengang. Er stampfte an Cochise vorbei, ohne dem
Häuptling der Apachen auch nur einen Blick zu gönnen.

Nachdem die Schritte leiser geworden waren, lauschte

Cochise wieder in die nächtliche Stille. Etwas schob sich auf
ihn zu. Die Geräusche waren nun eindeutig zu vernehmen,
besonders da Cochise am Boden lag und sein Ohr gegen den
steinigen Untergrund preßte.

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Es konnte keine Klapperschlange sein, denn die Reptilien

liebten Kälte und Dunkelheit nicht und verkrochen sich nach
Sonnenuntergang in Erdlöchern oder in den Höhlen von
Präriehunden.

Noch stärker wurden die Geräusche. Sie näherten sich ihm

von hinten. Er hob leicht den Kopf an, um dem Anschleicher
mitzuteilen, daß er ihn längst gehört hatte. Heißer Atem traf
Cochises Nacken.

Eine Stimme raunte: »Wir werden dich befreien, Bruder. Du

hast uns bemerkt. Das ist gut. Wir müssen zu Fuß flüchten.
Wer bist du?«

»Cochise.«
Der Indianer hinter dem Chiricahua hielt den Atem an. Es

war eine Überraschung für den Mescalero, den legendären
Häuptling in Nöten zu sehen.

Cochise fühlte ein Messer zwischen seinem rechten

Handgelenk und den Stricken. Dann konnte er seinen Arm
wieder bewegen. Die Fesseln fielen. Er blieb regungslos liegen,
denn er vernahm erneut die sich nähernden Schritte von Glenn
Morgan, dessen großgewachsene Gestalt bald sichtbar wurde.
Der Lauf seines Gewehres war auf Cochise gerichtet.

Der Indianer hinter Cochise war lautlos davongekrochen und

hielt auf den Canyonausgang zu. Seine Aufgabe war erledigt.
Mehr konnte er für den Häuptling der Chiricahuas nicht tun.
Bald stieß er auf Grüne Schlange, der hinter einem Felsen
kauerte. Er nickte seinem Blutsbruder triumphierend zu, der
lächelte.

»Na, hast du dir schon überlegt, wie wir auf dem kürzesten

Weg die Mine erreichen?« fragte Glenn Morgan und starrte
grinsend auf Cochise nieder.

»Das habe ich, Bleichgesicht«, antwortete der Jefe.
Morgans Gesicht zeigte Verblüffung. »Du willst mich wohl

verscheißern, was?« fragte er.

»Beuge dich zu mir herunter, Bleichgesicht, dann werde ich

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es dir mitteilen«, sagte Cochise todernst, während sich sein
Körper wie ein Bogen anspannte. Und er fragte sich, ob der
hellhäutige Bandit auf diesen Trick hereinfallen würde?

Morgan, der natürlich nicht ahnen konnte, daß Cochise von

keinen Fesseln mehr am Boden gehalten wurde, beugte sich
auch wirklich zu dem Apachen nieder. Er erlebte eine riesige
Überraschung, als die Faust des Indianers in sein Gesicht fuhr.
Morgan hatte das Gefühl, in seinem Schädel würde etwas
explodieren. Er taumelte zurück, setzte sich auf sein Hinterteil
und ließ das Gewehr fallen.

Cochise federte hoch und schlug nochmals hart zu. Glenn

Morgan sank mit einem leisen Seufzer auf den Rücken und
blieb liegen. Der Apache verharrte geduckt.

Obwohl er wie ein Tiger reagiert hatte, brauchte er nun doch

einige Sekunden, damit das Blut wieder rascher durch seine
Adern floß. Die strammen Fesseln hatten in den letzten
Stunden die Blutzirkulation sehr behindert.

Schon wollte sich der Häuptling der Chiricahuas nach dem

Gewehr bücken, als er hinter sich ein Geräusch vernahm. Er
hechtete zur Seite und entging so der Kugel, die aus der
Dunkelheit abgefeuert wurde. Das Mündungsfeuer erhellte für
den Bruchteil von Sekunden das verzerrte Gesicht von Jeff
Cooper.

Der Banditenboß schoß erneut.

*

Cochise mußte fliehen, wollte er nicht wie ein tollwütiger
Straßenköter abgeknallt werden. Außerdem war er waffenlos.

Der Schuß hatte auch die anderen Männer aus dem Schlaf

gerissen. Schreie erfüllten die Stille. Cooper schoß immer
wieder, obwohl er längst kein Ziel mehr vor Augen hatte. Die
Dunkelheit hier im Canyon war zu groß.

Einige Yards weiter traf Cochise auf die beiden Mescaleros.

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Zusammen mit Sturmvogel und Grüne Schlange verließ er den
Canyon. Der erfahrene Sturmvogel übernahm die Führung.

Hinter ihnen peitschten erneut Schüsse auf. Die Geschosse

irrten ziellos durch das Gelände. Die drei Indianer
verschwanden spurlos hinter einigen Büschen und wurden
später von einer Bodenwelle aufgenommen.

Sie wurden nicht verfolgt. Die Bleichgesichter fanden nicht

den Mut, den Canyon zu verlassen. Blindlings feuerten sie
noch einige Schüsse in die Nacht, ehe sie sich zurückzogen.

Glenn Morgan taumelte auf die Beine. Er sah sich verwirrt

um. Jeff Cooper trat dicht zu seinem Partner und hielt ihm die
Faust unter die Nase.

»Was bist du nur für ein erbärmlicher Versager!« kreischte

der Outlaw. »Nun sind wir unseren Gefangenen los. Man hat
ihn unter deinen Augen befreit. Und wenn wir Pech haben,
dann wimmelt es dort vor dem Canyon nur so von Rothäuten,
die im Morgengrauen über uns herfallen werden!«

Jeff Coopers Stimme überschlug sich. Haß, Zorn und

Enttäuschung prägten sein verzerrtes Gesicht.

Morgan wich einen Schritt zurück. Brummend wischte er

sich übers Gesicht, das von den harten Hieben des Apachen
gezeichnet war. Er spuckte aus, knurrte wütend und wäre
seinem Banditenfreund am liebsten an die Kehle gefahren.

»Wir können froh sein, noch zu leben«, stieß er hervor. »Das

müssen einige dieser verdammten Bastarde gewesen sein, die
ihren Häuptling befreiten. Auch du hättest von diesen roten
Halunken nichts bemerkt. Keiner von uns hätte die Befreiung
verhindert. Nun sollten wir nicht länger hier herumstehen,
sondern darauf achten, den Canyoneingang abzusichern.«

Bill Barns, der neben Cooper stand, nickte sofort und eilte

davon. Clayd Hudson ließ sich wieder zu Boden sinken,
stöhnte und griff nach seinem verwundeten Arm. Der Verband
schimmerte dunkel.

Cooper warf ihm einen wütenden Blick zu und folgte Barns.

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Morgan zuckte mit den Achseln und eilte hinter dem Viehdieb
her. Und er schwor Cochise in diesen Sekunden bittere und
blutige Rache. Die drei Banditen kauerten hinter einigen Felsen
und starrten auf das vor dem Canyon liegende Gelände. Von
den Indianern war nichts zu sehen. An Schlaf war nun nicht
mehr zu denken. Die Angst, nochmals von den Apachen
angegriffen zu werden, steckte zu tief in den Männern.

Jeff Cooper beruhigte sich nur langsam. Morgan nahm sich

vor, dem Banditenboß aus dem Weg zu gehen.

*

»Danke, meine Brüder«, sagte Cochise zu den Mescalero-
Apachen, als sie die Pferde der beiden erreicht hatten. »Ihr habt
mein Leben gerettet. Cochise dankt euch und wird es euch
niemals vergessen.«

Die beiden Indianer senkten kurz die Köpfe.
»Deine Worte ehren uns, großer Häuptling«, erwiderte

Sturmvogel. »Wir danken dem Großen Geist, daß es uns
gelungen ist, dich aus den Händen dieser weißhäutigen Kojoten
zu befreien. Unsere Aufgabe ist erfüllt. Wir werden
weiterreiten, denn wir sind zu wenige Krieger und auch zu
schlecht bewaffnet, um den Bleichgesichtern einen großen
Kampf zu liefern.«

Cochise nickte. »Es ist mein Kampf. Ich werde die

Weißhäutigen besiegen.«

Grüne Schlange sagte rasch: »Wenn du willst, dann bleiben

wir natürlich bei dir, Chief. Wir…«

Der Häuptling der Chiricahuas unterbrach seinen

Rassegefährten schnell. »Reitet weiter. Cochise will diese
weißen Männer allein besiegen. Er wird Mittel und Wege
finden.«

Die Augen des Häuptlings richteten sich auf einen der

Mustangs. Sturmvogel sah diesen Blick.

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»Du erhältst mein Pferd, Cochise. Grüne Schlange und ich

werden auf einem Mustang reiten. Ich werde dir auch meinen
Bogen und den Köcher mit den Pfeilen überlassen. Dein Pferd
und deine Waffen befinden sich noch bei den
Bleichgesichtern.«

Grüne Schlange zog sein Büffelmesser aus dem Gürtel und

reichte es dem Indianer-Chief.

»Ich danke euch«, sagte Cochise. Ein Lächeln spielte um

seine Mundwinkel. »Der Häuptling der Chiricahuas wird euch
auch das nie vergessen. Er steht tief in eurer Schuld.«

Wenige Minuten später ritten die Mescaleros auf einem Pferd

davon. Cochise trat zu dem Mustang und tätschelte den
schlanken Hals des Tieres.

»Wir werden uns schon vertragen«, murmelte er. Dann griff

er nach dem Bogen und dem Köcher und schlich auf den
Canyon zu. Die noch immer schützende Dunkelheit hüllte die
Apachen ein.

Bald zischte der erste Pfeil auf den Canyonschlund und

zerbrach an einem Felsen. Wütendes Gewehr- und
Revolverfeuer brüllte los. Natürlich richtete der Bleisegen
keinen Schaden an.

Cochise schoß noch einige Pfeile ab, obwohl er mit keinem

Treffer rechnete. Er wollte nichts anderes, als die vier weißen
Banditen noch mehr zu verunsichern.

Im ersten Morgengrauen schlich der Häuptling der Apachen

zu seinem Pferd zurück. Er wollte sich nicht den
weitreichenden Winchestergewehren ausliefern und kein
Risiko eingehen.

Er nahm an, daß er sofort bei Tagesanbruch von den

Banditen verfolgt werden würde. Und er wollte die Verfolger
in die Irre führen.

Das war sein Land, hier lebte er und kannte sich aus. Und er

wollte Mittel und Wege finden, um den weißen Eindringlingen
eine Falle zu stellen.

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»Es ist niemand zu sehen«, sagte Jeff Cooper knurrend.

»Vielleicht sind die roten Halunken abgezogen.«

Er blickte zum Canyon hinaus. Das Grau des beginnenden

Tages ließ die Konturen von Felsen, Büschen und Bäumen
deutlicher werden. Weit und breit regte sich nichts.

Bill Barns, der neben seinem Boß kauerte, zuckte ratlos mit

den Achseln.

»Vielleicht lauert dieser Cochise noch dort draußen. Er will

uns umbringen.«

Der Bandit mit den tief in den Höhlen liegenden Augen, die

seinem Gesicht den Anstrich eines Totenschädels gaben,
blickte auf einen Pfeil, der in einer Felsspalte steckte.

»Damit können uns die roten Burschen bei Tageslicht nicht

gefährlich werden«, ließ sich Jeff Cooper vernehmen. »Wir
sind ihnen mit unseren Gewehren überlegen. Du bleibst hier,
Billy. Ich sehe mal nach Clayd und Morgan.«

Glenn Morgan war gerade dabei, dem Verwundeten den

durchbluteten Verband abzulösen. Clayd Hudson stöhnte und
jammerte. Bleich und mit zusammengebissenen Zähnen saß er
am Boden.

Jeff Coopers Gesicht wurde um einige Nuancen fahler, als er

die freigelegte Wunde sah. Sie hatte sich noch mehr entzündet.
Eiter und Blut quollen hervor.

Hudson stöhnte und ließ sich auf den Rücken fallen. Sein

Körper bebte. Die Zähne schlugen aufeinander. Glenn Morgan
legte seine flache Hand auf die Stirn des Verwundeten.

»Er hat Fieber, Cooper. Die Wunde bringt ihn um, wenn wir

nicht sofort etwas unternehmen.«

»Entfache ein Feuer«, befahl Cooper. Er zog sein Green

River Messer aus dem Gürtel. Die breite Klinge funkelte, als
sich die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne auf ihr brachen.

»Du willst die Wunde ausbrennen?«
»Weißt du vielleicht eine andere Möglichkeit«, antwortete

der Boß der Rustlerbande wütend. »Noch kann es helfen,

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Morgan. In einigen Stunden ist es zu spät. Es ist Hudsons
einzige Chance, will er nicht an einer Blutvergiftung elendig
krepieren.«

Jeff Morgan nickte nur. Bald flackerte ein Feuer. Cooper

hielt die Klinge in die Flammen, bis sie rotglühend war.

Er trat auf den Verwundeten zu, der ihn aus geweiteten

Augen anstarrte. Hudsons Mund öffnete sich. Ein gellender
Schrei wehte Cooper entgegen.

Clayd Hudson versuchte davonzukriechen.
»Schieb ihm ein Stück Holz zwischen die Zähne. Los, beeil

dich, Morgan. Dann hältst du seine Beine fest.«

Das grausame Geschehen nahm seinen Lauf. Doch es war

vielleicht die einzige Chance, um dem Verwundeten das Leben
zu retten. Clayd Hudsons Wimmern verstummte abrupt. Eine
gnädige Ohnmacht hatte den Banditen von seinen Schmerzen
erlöst. Als er erwachte, war sein Arm bereits wieder
verbunden.

Erneut fing der Outlaw an zu wimmern und zu keuchen.

Tränen des Schmerzes traten in seine Augen.

»Nun wird es wieder werden, Clayd«, sagte Jeff Cooper

lächelnd. »Glaube nur nicht, daß es mir Spaß bereitete, an dir
herumzuschnippeln. Da kann ich mir angenehmere Dinge
vorstellen. In einer halben Stunde reiten wir weiter. Ich sehe
mich außerhalb des Canyons um, ob die Luft rein ist. Vielleicht
finde ich auch die Spuren unseres entflohenen Gefangenen.«

»Er wird zu Fuß sein«, gab Glenn Morgan zu bedenken.

»Cochise konnte seinen Pinto nicht mitnehmen. Er mußte auch
sein Gewehr zurücklassen.«

»Glaubst du vielleicht, ich habe das übersehen, du

Klugscheißer?« fragte Jeff Cooper böse. »Die Indianer, die ihn
befreit haben, werden ihm einen Mustang überlassen haben.
Sie haben ihn ja auch mit Pfeil und Bogen versorgt.«

»Trotzdem sind wir diesem roten Halunken überlegen,

Cooper. Wir müssen ihn wieder in unsere Gewalt bekommen.

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Er kennt diese Goldmine. Ich weiß es genau.«

Der Banditenboß grinste verächtlich. »Was du nicht alles

weißt, Morgan. Oh, verdammt, warum bist du mir nur über den
Weg gelaufen. Du hast mir und meinen Leuten bisher wirklich
kein Glück gebracht.«

Glenn Morgans Gesicht nahm einen wütenden Ausdruck an.

Er drehte sich auf den Absätzen um, stiefelte zu seinem Pferd
und zog sich in den Sattel. Wortlos ritt er an dem staunenden
Banditenboß vorbei und hielt auf den Canyoneingang zu.

»Was soll das?« brüllte Cooper.
»Du kannst mich mal«, schrie Morgan zurück. »Ich bin doch

nicht dein Fußabtreter, Cooper. Ich habe von dir die Nase voll.
Die Mine finde ich auch allein.« Nach diesen Worten trieb
Glenn Morgan seinen Rapphengst an und jagte davon. Staub
wirbelte auf, der sich nur träge wieder zu Boden senkte.

»Komm zurück, zum Henker«, kreischte Cooper und riß sein

Gewehr an die Wange, als Morgan weiterritt.

Cooper schoß nicht, senkte die Winchester und kratzte sich

am Haaransatz.

»Verdammt«, murmelte er und spuckte aus. »Das darf doch

nicht wahr sein. Ist denn dieser Blödmann nun endgültig
übergeschnappt?«

*

Cochise zügelte seinen Mustang auf einem Hügel. Er blickte
über das wüstenähnliche Land. Eine Mesa spiegelte sich rötlich
unter den Strahlen der aufgehenden Sonne. Wuchtig und wie
ein riesiger Kloß ragte der Tafelberg in den wolkenlosen
Himmel.

Der Häuptlilng der Chiricahuas hielt Ausschau und blickte

auch auf seine Fährte zurück. Er konnte keine Verfolger
entdecken. Er wußte aber, daß die vier Bleichgesichter ihm
folgen würden.

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Er sah plötzlich einen Reiter, der hinter einem Hügel

auftauchte, sein Pferd zügelte und wie gebannt zu ihm
herüberstarrte.

Für ein Ausweichen war es bereits zu spät. Cochise tätschelte

sanft den Hals des Mustangs. Das Tier schien die Witterung
des fremden Pferdes aufgenommen zu haben. Er schätzte die
Entfernung zu dem Bleichgesicht auf höchstens hundert Yards.
Er erkannte Glenn Morgan, der nun seine Winchester aus dem
Scabbard riß, anlegte und zu schießen begann.

Cochise hatte aber sein Pferd längst ausgehen lassen und war

hinter der Hügelkuppe verschwunden. Wirkungslos verpuffte
das Gewehrfeuer des Outlaws.

Glenn Morgan senkte sein Gewehr. Er war überrascht, daß er

so schnell auf Cochise getroffen war. Der großgewachsene
Mann fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Die
Schweißperlen stammten nicht nur von der sengenden Sonne.
Er fühlte es heiß in sich aufsteigen. Er starrte zu dem Hügel
hinüber. Natürlich zeigte sich der Apachen-Häuptling nicht
mehr. Der Outlaw rutschte nervös im Sattel hin und her.

Er rechnete damit, daß Cochise bald irgendwo auftauchen

und ihn unter Beschuß nehmen würde. Eine erbärmliche Angst
kroch durch den Körper des Banditen. Die Schweißperlen auf
seinem Gesicht vergrößerten sich noch mehr. Unentschlossen
sah sich Morgan um. Zuerst wollte er weiterreiten, dann aber
zog er sein Pferd herum und ritt auf dem Trail zurück, den er
gekommen war.

Dann sah er einen Reiter höchstens fünfzig Yards entfernt

hinter einigen Felsbrocken auftauchen, der auf ihn zuhielt.

Glenn Morgan erschrak. Seine Angst wurde noch größer, als

er sah, daß es nicht Cochise war, der wie vom Teufel gehetzt
auf ihn zujagte und ein durch Mark und Bein gehendes
Kriegsgeschrei ausstieß.

Morgan glaubte sich bereits von allen Seiten umzingelt.

Dumpf hämmerten die Hufe des herangaloppierenden

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Mustangs. Noch immer gellten dem Banditen die Schreie in
den Ohren.

Morgan trieb sein Pferd hart mit den Sporen an und gab

Fersengeld. Wieder fühlte er eine heiße Angst in sich, die ihn
in voller Panik handeln ließ.

Erst nach einigen hundert Yards sah sich der Outlaw im

Sattel um und erkannte, daß der Verfolger seinen Mustang
gezügelt hatte. Der Indianer hob nun die Hand und lachte.

Das war Glenn Morgan zuviel. Er riß sein Gewehr hoch und

feuerte. Seine Kugeln verfehlten den Indianer, bei dem es sich
um keinen anderen als um Sturmvogel handelte, der den
Weißhäutigen nur hatte erschrecken wollen.

Der Mescalero ritt davon.
Glenn Morgan aber hielt auf den Canyon zu, den er vor etwa

einer Stunde verlassen hatte. Er wollte alles tun, um wieder auf
Jeff Cooper und dessen Leute zu treffen.

*

Cochise lächelte, als er die Attacke seines Rassegefährten auf
den überraschten Morgan sah. Sturmvogel sah den Häuptling
der Apachen in seiner Deckung nicht.

Der Apachen-Chief wendete sein Pferd und ritt davon. Er

mußte sich Waffen besorgen. Erst dann wollte er mit den vier
Bleichgesichtern abrechnen. Sie würden so schnell diesen Teil
des Apachengebietes nicht verlassen. Und Cochise waren die
wenigen Wasserstellen bekannt. Er würde die Weißen also
immer wieder finden, falls es denen überhaupt gelang, eine der
Quellen zu erreichen.

Der Jefe ritt zügig dahin. Zuerst wollte er seinen brennenden

Durst stillen und auch etwas gegen seinen nagenden Hunger
tun. Zwei Stunden später fand Cochise eine Wasserstelle, wo er
seinen Durst löschte und sich erfrischte.

Bald briet er einen Präriehund über einem flackernden Feuer,

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den er mit Pfeil und Bogen geschossen hatte. Das Fleisch des
Tieres war sehr wohlschmeckend. Der Präriehund trug diesen
Namen nur, weil er bellende Laute ausstieß. Sonst hatte er
nichts mit einem Hund zu tun.

Cochise ließ es sich schmecken. Bald fühlte er sich gesättigt,

faul und müde. Die Strapazen der vergangenen Tage waren
auch an einem so großen Krieger wie dem Häuptling der
Chiricahuas nicht spurlos vorübergegangen.

Nachdem sich der Chief nochmals umgesehen hatte und

niemanden entdecken konnte, legte er sich zum Schlafen
nieder. Und er hoffte, diesmal nicht schon wieder vorzeitig aus
seinem Schlummer gerissen zu werden.

Als Cochise erwachte, hatte die Sonne den Zenit bereits

überschritten. Die fernen Berge schimmerten messingfarben.
Die Hitze raubte selbst Cochise den Atem.

Er erfrischte sich an der Quelle, die aus einer Felsspalte

sickerte und bereits nach wenigen Yards wieder im sandigen
Boden spurlos verschwand. Er aß den Rest des Fleisches, den
er in einem Lederbeutel in der Nähe des Wassers vergraben
hatte, damit es nicht verdarb. Schon wollte sich Cochise auf
den Rücken seines Mustangs schwingen, als er vier Reiter sah,
die hinter einer Insel aus Kakteen, Dornbüsche und Pinien
hervorritten.

Weiße oder Indianer?
Cochise kniff die Augen zusammen. Sein großgewachsener

und muskulöser Körper entspannte sich, als er sah, daß es sich
bei den Näherkommenden um Indianer handelte.

Trotzdem blieb Cochise hinter seiner Deckung und

beobachtete die Reiter. Sie hielten zielstrebig auf das
Wasserloch zu, das sie kennen mußten.

Plötzlich legte sich ein Lächeln um Cochises Mundwinkel.

Seine Augen begannen zu funkeln. Ehrliche Freude leuchtete
in ihnen auf.

Er erkannte den Anführer, der vor seinen drei Kriegern ritt.

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Es war Yemaspi, der Häuptling der Mescalero-Apachen.

Cochise gab sich zu erkennen und erwartete den Reitertrupp

in stolzer Haltung. Natürlich war auch er von den
Näherreitenden gesehen worden, die kurz angehalten hatten,
dann aber weiterritten.

Yemaspi zügelte seinen Pinto wenige Schritte vor dem

Apachen-Chief. Er war ein breitschultriger Indianer, trug ein
Stirnband und eine ärmellose Jacke aus Pumafell. Sein
scharfgeschnittenes Gesicht mit den breiten Wangenknochen
und den dunklen Augen hatte etwas Undurchdringliches und
Unnahbares.

Dann nickte der Mescalero-Häuptling plötzlich. Ein

freundliches Lächeln erhellte seine finsteren Züge. Er sprang
vom Rücken des gescheckten Pferdes und trat auf Cochise zu.

»Sei gegrüßt, Häuptling der Apachen«, sagte er mit guttural

klingender Stimme.

»Auch Cochise grüßt dich«, sagte Cochise. »Was führt dich

so weit von deinen Jagdgründen weg?«

»Wir jagen nach Antilopen und Hirschen. Die Krieger hatten

bisher großes Jagdglück. Zwei meiner tapferen Männer
meldeten mir, daß du dich hier in der Gegend aufhältst. Sie
erzählten mir, dir das Leben gerettet zu haben.«

Cochise nickte.
»Sturmvogel und Grüne Schlange sind zwei tapfere Krieger,

die Cochise aus großer Not retteten. Ich werde es nie
vergessen. Willst du hier an der Quelle lagern?«

»Das haben wir vor, Cochise.«
Yemaspi hob seine Hand. Auf diesen Befehl hin schwangen

sich die drei Mescalero-Krieger von ihren Mustangs. Auch
Yemaspi labte sich am Wasser und setzte sich später Cochise
gegenüber, um mit ihm ein Palaver abzuhalten.

Cochise berichtete geduldig von den vier weißen

Eindringlingen und den Schwierigkeiten, die er mit ihnen hatte.

»Cochise wird die vier Bleichgesichter töten, Yemaspi. Ihr

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Tod ist eine beschlossene Sache. Es sind böse Männer, die
auch vom Gesetz des weißen Mannes gesucht werden. Sie
töten nur um ihrer Vorteile willen und machen keine
Unterschiede zwischen ihren Artgenossen und dem roten
Mann. Sie sind wie häßliche Geschwüre, die ausgebrannt
werden müssen.«

Yemaspi verzog sein Gesicht. »Sollen meine Krieger dir

helfen, Cochise? Wie ich sehe, bist du ohne dein Donnerrohr
und damit den Hellhäutigen unterlegen.«

Cochise nickte. Ehe er seine Bitte um Waffen aussprechen

konnte, sagte der Mescalero-Chief: »Einer meiner Krieger wird
dir sein Feuerrohr geben, Cochise. Und dazu auch genügend
Muniton. Du weißt, daß auch ich die Bleichgesichter hasse, wie
nichts sonst auf dieser Welt. Meine Krieger und auch ich
stehen an deiner Seite.«

»Danke, Yemaspi, aber ich werde es allein schaffen. Das

Gewehr nehme ich natürlich dankbar an, denn ich kann es
gebrauchen. Du erhältst es wieder zurück, wenn ich die
Bleichgesichter besiegt habe, und dazu auch noch die Waffen
dieser Männer.«

Yemaspi lächelte. »Dann soll es so sein. Wenn du unsere

Hilfe benötigst, dann lasse es mich durch Rauchsignale wissen.
Meine Späher werden es mir melden. Wenn du weiterreiten
willst, dann möchte ich dich nicht länger aufhalten.«

Cochise erhob sich. Einer der Mescalero-Krieger brachte ihm

ein modernes Winchestergewehr und auch einen Fellbeutel mit
Munition.

»Cochise wünscht Yemaspi und seinen Männern noch

reichliche Jagdbeute. Wenn ich Hilfe brauche, werde ich mich
melden.«

Die letzten Worte waren noch einmal ein deutlicher Hinweis

für den Mescalero-Chief, sich aus dem Konflikt zwischen
Cochise und den vier Banditen herauszuhalten.

Einige Minuten später ritt Cochise auf dem Rücken seines

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Mustangs davon. Die Mescalero-Apachen blieben zurück. Der
Chiricahua wußte, daß noch einige Jagdtrupps von Yemaspis
Kriegern durch die Gegend streiften. Er wollte aber die Weißen
ohne fremde Hilfe besiegen.

Das war er sich und seinem Ruf schuldig.
Glenn Morgan erschrak sehr, als er unverhofft Jeff Cooper,

Bill Barns und Clayd Hudson hinter einer Felsschroffe
auftauchen sah. Der Banditenboß nickte und senkte sein zum
Schuß erhobenes Gewehr.

»Da bist du ja wieder, Morgan«, sagte er spöttisch grinsend.

»Ich hatte schon angenommen, daß dein Skalp am Gürtel eines
Apachen baumelt. Wie ich sehe, bist du aber dem Totengräber
noch mal von der Schippe gesprungen.«

Glenn Morgan grinste kläglich und zuckte mit den Achseln.
»Ich habe es mir anders überlegt«, murmelte er. »Zu viert

sind wir stärker. Einzeln sind wir verloren, Cooper. Das gilt für
uns alle. Aus diesem Grund sollten wir zusammenhalten.«

Coopers Lächeln verwischte. »Okay«, sagte er. »Ich bin

nicht nachtragend. Nun sollten wir uns beeilen, sonst entwischt
uns dieser Cochise. Und ich habe mir nun einmal
vorgenommen, diesem rothäutigen Bastard das Fürchten
beizubringen. Der rote Halunke wird sich nicht mehr lange
seiner Freiheit erfreuen. Wir schnappen ihn uns wieder.«

»Was ist mit Hudson?« fragte Glenn Morgan und blickte zu

dem knollennasigen Gefährten, der zusammengekrümmt im
Sattel saß und jeden Augenblick vom Pferderücken zu stürzen
drohte.

Sein Gesicht schimmerte rot wie ein Ziegelstein, glühte vor

Fieber und war gezeichnet von einer großen Erschöpfung.

»Sein Zustand ist ernst«, antwortete Cooper auf Morgans

Frage. »Ich habe alles in meiner Macht stehende getan, um sein
Leben zu retten. Nun liegt es an ihm selbst, ob er den Kampf
gegen den Sensenmann gewinnt.«

»Vielleicht sollten wir eine Pause einlegen«, ließ sich Bill

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Barns vernehmen. »Ich glaube nicht, daß wir hinter diesem
Cochise herjagen müssen. Der taucht schon bald wieder auf,
denn er ist hinter uns her. Das habt ihr wohl ganz vergessen.«

Jeff Cooper blickte seinen Partner erstaunt an.
»Mann, o Mann«, sagte er dann. »Das ist bestimmt die

längste Rede, die ich je von dir gehört habe, Billy. Und wenn
ich überlege, dann hast du gar nicht so unrecht. Warum sollen
wir hinter dieser Rothaut herhetzen, wenn wir die Gejagten
sind?«

Clayd Hudson stöhnte, schwankte im Sattel und neigte sich

dann zur Seite. Bill Barns konnte seinen Partner gerade noch in
letzter Sekunde auffangen.

Hudson stöhnte, als habe seine letzte Stunde geschlagen.

Cooper und Morgan griffen mit zu und setzten den
Verwundeten vor Barns in den Sattel.

Anschließend ritten die Männer zu einem Hügel hinüber,

dessen Fuß von Büschen, Kakteen und verkrüppelten Kiefern
umsäumt wurde. Sie verbargen die Pferde, suchten sich einen
schattigen Platz und kümmerten sich um Clayd Hudson, der
inzwischen bewußtlos geworden war.

»Du kletterst den Hügel hoch und hältst Ausschau«, sagte

Cooper zu Billy Barns, der wortlos seine Winchester aus dem
Scabbard zog und den Befehl befolgte.

»Die Wunde sieht noch immer übel aus«, sagte Glenn

Morgan, verzog sein Gesicht und hielt sich die Nase zu. »Er
müßte zu einem Doc, um noch eine Chance zu haben.«

Jeff Cooper fluchte lästerlich, erneuerte den Verband und sah

Morgan hilflos an. »Zum Henker, wo sollen wir hier in dieser
Wildnis einen Arzt auftreiben?«

Natürlich wußte auch Glenn Morgan, daß dies unmöglich

war. Bis nach Tombstone war es zu weit. Außerdem durfte er
sich dort auf keinen Fall sehen lassen, nachdem er dem
Gefängnis der wilden Fontierstadt entkommen war. Und bis
zum nächsten Fort war es auch zu weit. Außerdem würde Clay

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Hudson kaum einen längeren Ritt überstehen.

Die beiden Banditen setzten sich. Schweigen breitete sich

aus, das nur vom Summen vieler hartnäckiger Insekten und
anderer Blutsauger unterbrochen wurde.

»Hier läßt es sich aushalten«, sagte Jeff Cooper nach einer

Weile und starrte auf seine staubigen Stiefel. »Wenn Billy gut
aufpaßt, wird sich Cochise kaum ungesehen nähern können.
Vor Einbruch der Dunkelheit wird er auf keinen Fall etwas
riskieren.«

Der Banditenboß erhob sich, trat zu seinem Pferd und nahm

die Wasserflasche vom Sattelhorn. Gleich darauf fluchte er los,
drehte sie um, und Morgan sah, daß nur einige Tropfen des
kostbaren Naß aus dem Flaschenhals hervorrannen.

»Das war unser Problem«, sagte Cooper. »Wir sind fast ohne

Wasser. Und wir haben nicht die geringste Ahnung, wo sich
die nächste Wasserstelle befindet.«

Auch Glenn Morgan erschrak. Seine Wasserflasche enthielt

ebenfalls nur noch wenig Flüssigkeit. Auch bei Hudson und
Barns verhielt es sich nicht anders.

»Dann stecken wir in einer verdammten Klemme«, stieß

Morgan hervor. »Wir können zwar ohne Proviant einige Tage
überleben, doch ohne Wasser sind wir bei dieser Hitze bald
erledigt.«

»Darauf lauert dieser Cochise. Er ist mit diesem verdammten

Land vertraut und hat bestimmt schon längst Wasser gefunden.
Wir müssen nachdenken, wie wir dieses Problem lösen
können.«

Hudson stöhnte und erwachte aus seiner Bewußtlosigkeit.

Aus verschleierten Augen, in denen Fieber glühte, sah er seine
Freunde an, ohne sie zu erkennen.

Stammelnde Worte drangen aus seinem weit geöffneten

Mund. Cooper beugte sich nieder.

»Wasser – Wasser«, vernahm er.
Der Banditenboß richtete sich wieder auf und schüttelte den

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Kopf. Der Verwundete stöhnte erneut. Seine Hand tastete nach
Coopers Stiefel.

»Gib ihm schon«, maulte Morgan. »Er braucht es nötiger als

wir. Bestimmt finden wir eine Wasserstelle.«

Cooper blickte seinen Gefährten tückisch an.
»So, wie wir die Goldmine finden, nicht wahr?« fragte er

spöttisch und ließ Glenn Morgan einfach stehen.

*

Cochise durchstreifte das Land auf der Suche nach den vier
weißen Banditen. Er näherte sich auf seinem Trail immer mehr
dem Canyon. Er hatte sich vorgenommen, von dort aus die
Fährten der Bleichgesichter aufzunehmen, sollte er sie nicht
unterwegs entdecken.

Der Gluthauch der Wüste setzte auch dem Chiricahua zu,

obwohl er dieses rauhe und so menschenfeindliche Land von
Kindesbeinen an gewohnt war.

Und er dachte daran, daß die vier Hellhäutigen noch größere

Schwierigkeiten haben mußten als er. Cochise sah den
Canyonschlund eine Stunde später vor sich auftauchen.

Nun wirkte er nicht mehr so düster und gefährlich wie zur

nächtlichen Stunde. Verlassen lag er vor den forschenden
Blicken des Indianer-Häuptlings.

Cochise zügelte seinen Mustang, als er die Fährten von drei

Pferden entdeckte. Sie führten auf die Peloncillo Mountains zu.

Drei Fährten, das bedeutete, daß einer der Banditen fehlte. Er

dachte an Glenn Morgan, der von Sturmvogel gejagt worden
war. Er nahm die Verfolgung auf. Der Abend tastete sich mit
grauen Schatten näher, als Cochise einen Hügel vor sich
auftauchen sah, auf den die Hufspuren der Banditenpferde
zuführten.

Natürlich hatte der Apachen-Chief längst herausgefunden,

daß der vierte Reiter wieder zu dem Trupp gestoßen war.

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Glenn Morgan hatte zu seinen Partnern zurückgefunden.

Cochise vermutete die Banditen in dem Busch- und

Baumgürtel, der den Hügel säumte. Er entdeckte eine
schattenhafte Gestalt auf der Hügelkette.

Obwohl der Jefe den Mustang hinter einige Kakteen zog, die

ihm Schutz boten, glaubte er, von den Banditen bereits gesehen
worden zu sein. Er mußte den Hellhäutigen zugestehen, daß sie
ihr Camp ausgezeichnet gewählt hatten. Die Aussicht vom
Hügel aus war gut und wurde durch Büsche und Bäume
ausreichend gedeckt.

Der Chiricahua-Chief überlegte, ob er sich im Schutz der

Dunkelheit anschleichen sollte und beschloß, erst einmal
abzuwarten, um herauszufinden, was die Weißen vorhatten.

Bald schien der Hügel mit dem nachtdunklen Himmel zu

verwachsen, bis schließlich der Mond dahinter heraufkroch,
eine silberne Scheibe, durch die für eine Weile das Funkeln der
Sterne erlosch.

Nun wurden die Sichtverhältnisse wieder besser. Cochise

setzte sich schlangengleich in Bewegung und schlich auf den
Hügel zu. Vielleicht gelang es ihm, sich dem Camp der
Banditen zu nähern. Cochise wußte aber auch, daß man einen
Angrifft von seiner Seite vermutete.

Er hatte sich bis auf ungefähr 100 Yards genähert, als er vier

Reiter sah, die sich aus den Schatten der Büsche und Bäume
lösten und davonritten.

Dumpf hallten die Hufschläge durch die Nacht. Die vier

weißen Outlaws ergriffen die Flucht. Es schien ihnen sicherer
zu sein, als die ganze Nacht hindurch kein Auge zu schließen
und auf den Indianer-Jefe zu lauern.

Cochise sah auch, daß einer der vier Männer

zusammengesunken im Sattel saß, immer wieder schwankte,
aber nicht vom Pferderücken fiel. Die Pferde bewegten sich nur
müde vorwärts. Cochise glaubte auch zu wissen, warum das so
war: Die Tiere mußten seit vielen Stunden keinen Tropfen

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Wasser mehr gekriegt haben.

Und den vier Bleichgesichtern mußte es ähnlich ergehen.

Bestimmt lechzten auch sie nach dem kostbaren Naß, das hier
in diesem wüstenähnlichen Landstrich so selten anzutreffen
und noch schwieriger zu finden war.

Cochise eilte zu dem Mustang zurück und nahm die

Verfolgung auf. Er würde auf eine Chance lauern, um die
Eindringlinge zu töten oder gefangenzunehmen.

*

»Es ist Cochise gewesen«, sagte Bill Barns heiser. »Der
Indianerbastard schleicht dort draußen herum und wird über
uns herfallen, sobald es noch dunkler geworden ist. Wir
merken ihn erst, wenn einer von uns mit einem Pfeil im
Rücken umfällt.«

Jeff Cooper und Glenn Morgan starrten zwischen den

Zweigen der Büsche auf das vor ihnen liegende Gelände. Die
Dunkelheit besiegte immer stärker den sterbenden Tag.

Über Glenn Morgans Rücken kroch ein eisiger Hauch, der

ihn frösteln ließ, obwohl die Gluthitze des Tages noch
andauerte und vom sandigen Boden abgestrahlt wurde.

Der Bandit wandte sich an Cooper. »Wir sollten schnellstens

verschwinden. Dieser Cochise tändelt nicht lange herum. So
wie wir ihn entdeckt haben, muß er auch uns gesehen haben.
Außerdem benötigen wir Wasser und zwar schnell, wenn wir
nicht elend verrecken wollen.«

Jeff Cooper richtete sich kerzengerade auf. Sein Blick fiel

auf Clayd Hudson, der bewegungslos zwischen den Büschen
lag und hin und wieder röchelte.

»Clayd wird einen längeren Ritt nicht überstehen«, murmelte

der Banditenboß. »Er hat starkes Fieber. Sein Körper ist
geschwächt und völlig kraftlos.«

»Wir binden ihn im Sattel fest. Eine andere Möglichkeit

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haben wir nicht, Cooper. Wenn wir hierbleiben, müssen wir
vielleicht alle sterben.«

Bill Barns' Stimme verstummte. Angst lauerte in seinen tief

in den Höhlen liegenden Augen. Der Schrei eines jagenden
Falkens zerriß die Stille.

Die drei Männer zuckten zusammen.
»Das ist der Hundesohn«, sagte Morgan und spuckte aus.

»Und fast sieht es so aus, als wäre er nicht allein. Vielleicht
verständigt er sich durch den Vogelschrei mit anderen
Indianern.«

Nun gab es kein Halten mehr für die Banditen. Sie banden

den Verwundeten auf dem Pferderücken fest, zogen sich
ebenfalls in die Sättel und ritten los.

Immer wieder sahen sich Morgan, Cooper und Barns um,

hielten ihre Gewehre bereit, um bei einem Angriff sofort
reagieren zu können. Nichts geschah.

Der Hügel blieb hinter dem Reitertrupp zurück. Der

Verwundete schwankte immer stärker in den Stricken, die ihn
im Sattel hielten. Der Verband war durchblutet. Morgan hoffte,
daß die gnädige Ohnmacht noch lange anhalten würde.

Nachdem die Banditen einige Meilen zurückgelegt hatten,

legte sich ihre Nervosität. Sie konnten auch keinen Verfolger
hinter sich erspähen.

»Wir müssen unbedingt Wasser finden«, ließ sich Jeff

Cooper vernehmen. »Unsere Pferde halten sonst einen längeren
Ritt nicht durch. Wir stecken in einer verdammten Klemme.«

»Hör nur auf, mir schon wieder Vorwürfe zu machen«,

antwortete Glenn Morgan verärgert. »Hier gibt es Wasser. Wir
müssen es nur finden. Das aber wird in der Dunkelheit nicht
einfach sein.«

Der Banditenboß gab keine Antwort.
Die Outlaws ritten weiter. Bleiches Mondlicht erhellte das

öde Gelände. Dunkel und unheimlich wiegten sich Büsche im
sanften Wind, der von den Peloncillo Mountains wehte, denen

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sie sich immer mehr näherten und die wie eine schwarze Mauer
vor ihnen aufwuchs.

Sie mußten bald die ersten Ausläufer erreicht haben und

hofften, auf Wasser zu treffen.

Der Verwundete stöhnte immer lauter. Morgan sah, daß

Hudson bei Bewußtsein war, aber anscheinend überhaupt nicht
begriff, was mit ihm geschah.

Stunden vergingen. Die Mondscheibe wanderte weiter.

Längst war es kühl geworden.

Jeff Cooper zügelte sein erschöpftes Pferd und wandte sich

seinen Begleitern zu. Er leckte sich über die trockenen Lippen
und würgte heiser hervor: »Wir sollten es den Pferden
überlassen, die Richtung zu bestimmen. Sie werden am ehesten
wittern, wenn es irgendwo Wasser gibt.«

»Eine gute Idee«, antwortete Glenn Morgan. Seine Stimme

klang wie ein Reibeisen und hörte sich fremd an. Er schluckte
mehrmals. Sein Kehlkopf tanzte auf und ab.

Er fluchte, schlang die Zügel um das Sattelhorn und folgte

dem Banditenboß, der sein Pferd bereits angetrieben hatte. Bill
Barns führte den grauen Wallach mit sich, auf dem der
verwundete Clayd Hudson wie ein Häufchen Elend saß.

Das Gelände wurde hügeliger. Der Pflanzenwuchs nahm zu.

Jeff Coopers Pferd schnaubte plötzlich, stellte die Ohren hoch
und lief schneller. Die drei anderen Reittiere folgten.

»Sie scheinen Wasser gewittert zu haben«, jubelte Cooper.

»Warum bin ich nur nicht schon früher auf diesen Einfall
gekommen?«

Die vier Pferde legten nun ein flottes Tempo vor. Die von

ihnen gewitterte Wasserstelle beflügelte sie. Bald wuchsen
Büsche und Kakteen immer zahlreicher. Gräser und Farne
bedeckten den vorher so kahlen Boden.

Cooper, Morgan und Barns atmeten auf. Sie hofften, daß sich

die Pferde nicht getäuscht hatten. Sie mußten unbedingt
Wasser haben, um ihren Trail fortsetzen zu können.

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*

Es war nicht mehr als ein kleiner Tümpel, den die Banditen
einige Minuten später entdeckten. Die Pferde wieherten,
tänzelten, als sie von den Reitern hart gezügelt wurden.

Die drei Banditen rutschten aus den Sätteln und seufzten.
»Es sieht zwar nicht sehr vertrauenerweckend aus, doch es ist

besser als nichts«, quetschte Jeff Cooper hervor. Morgan und
Barns banden ihre schnaubenden Tiere fest.

Nur Coopers Rapphengst trabte auf den Tümpel zu und

begann prustend zu saufen.

»Wir heben erst Hudson aus dem Sattel«, sagte Morgan.

»Das Wasser läuft uns nicht mehr davon. Außerdem sollten wir
uns umsehen, ob keine Rothäute in der Nähe sind. Die
Apachen kennen jede Wasserstelle im weiten Umkreis. Das
hier wäre der ideale Ort für einen Hinterhalt, Leute.«

Diese Worte ernüchterten Cooper und Barns. Sie duckten

sich unwillkürlich, sahen sich um und griffen ihre Gewehre
fester. Glenn Morgan löste die Stricke, die den Verwundeten
auf dem Pferderücken hielten und ließen Hudson zu Boden
gleiten.

Morgan starrte in das verzerrte Gesicht seines Gefährten, sah

die flackernden Augen, der weit geöffnete Mund und die große
Not des Partners.

»Nichts zu sehen«, rief Jeff Cooper, der den Buschgürtel

durchbrach und zu Morgan und Barns trat. »Die roten Bastarde
scheinen doch nicht geahnt zu haben, daß wir diese
Wasserstelle finden würden.«

Ein grelles Wiehern ließ die Männer aufhorchen. Es klang

von Coopers Rapphengst herüber, der erneut wieherte, auf die
Hinterhand stieg, so einige Sekunden verweilte und dann wie
vom Blitz getroffen zusammenbrach. Das Tier zuckte noch
einige Zeit, dann lag es still da. Weißlicher Schaum hatte sich
vor den Nüstern gebildet.

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Erschrocken traten die drei Banditen näher. Sie fühlten ihre

Herzen hart gegen die Rippen hämmern. Schweißperlen liefen
über Glenn Morgans Gesicht. Eine eisige Hand schien ihm die
Kehle zuzudrücken. Er schnaufte keuchend.

»Was ist los?« fragte Billy Barns verständnislos. »Was ist

mit deinem Pferd, Cooper?«

Der Banditenboß kniete sich neben den Rappen nieder und

erhob sich gleich wieder.

»Tot«, murmelte er. »Er ist elend krepiert, Leute. Das

Wasser muß vergiftet sein. Die Rothäute haben zugeschlagen.«

Seine Worte verklangen.
Jeff Cooper, Glenn Morgan und Bill Barns standen wie

versteinert da. Fassungslos starrten sie auf das Wasser, das für
sie die Rettung bedeuten und nun ungenießbar sein sollte.

»Vielleicht ist dein Pferd nur zu erhitzt gewesen, Cooper. Es

hat einen Herzschlag gekriegt, als es sich vollsoff.«

»Unterschätze den natürlichen Instinkt eines Pferdes nicht,

Morgan«, erwiderte Cooper mit tonloser Stimme. »Das Tier hat
sehr vorsichtig gesoffen. Ich habe es gesehen. Das Wasser ist
vergiftet. Wir können von Glück reden, nicht sofort getrunken
zu haben, denn dann wäre es jetzt mit uns ebenfalls aus und
vorbei.«

Bill Barns schüttelte den Kopf. Sein Gesicht schimmerte

bleich, es erinnerte noch mehr als sonst an einen Totenschädel.
Wie ein sturer Büffelbulle stampfte er auf den Tümpel zu,
kniete nieder, um zu trinken.

Glenn Morgan eilte auf den Partner zu und riß ihn zurück,

ehe er mit der hohlen Hand Wasser schöpfen konnte.

Barns brüllte auf, schlug um sich und war wie von Sinnen.

Erst Jeff Coopers harte Stimme und ein Faustschlag von
Morgan brachte den Outlaw wieder zur Vernunft.

»Gib dem Narren noch was auf seinen dummen Schädel,

wenn er weiter durchdreht«, knurrte Cooper. Er trat zu seinem
Pferd, löste die Satteltaschen und zog sein Gewehr aus dem

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Scabbard.

Billy Barns beruhigte sich langsam. Immer wieder starrte er

auf das vergiftete Wasser und schüttelte den Kopf, als wolle
dies einfach nicht in seinen Schädel hinein.

»Du hältst Wache, Billy«, stieß Cooper hervor. »Vielleicht

schleichen sich die Rothäute heran, um nachzusehen, ob ihr
heimtückischer und teuflischer Plan geklappt hat. Es scheinen
nur wenige Rothäute zu sein, denn sonst hätten sie nicht zu
solchen Mitteln gegriffen, sondern wären über uns
hergefallen.«

Barns stampfte davon und kauerte bald hinter einigen

Feigenkakteen.

»Wir müssen weiter«, knurrte Morgan. »Ohne Wasser sind

wir verloren. Ich glaube nicht einmal, daß wir das diesem
Cochise zu verdanken haben. Der Häuptling der Apachen
würde sich zu einem fairen Kampf stellen. Und ich…«

»Halt die Klappe, Morgan«, fauchte Jeff Cooper, wie eine

angriffslustige Tigerkatze. »Diese verdammten roten Halunken
sind alle gleich. Sie wollen uns erledigen. Dazu ist ihnen jedes
Mittel recht.«

Sein Blick fiel auf Clayd Hudson, der regungslos dalag und

keinen Laut von sich gab. Die beiden Banditen traten näher.
Morgans Hand fuhr unwillkürlich zum Hals, als er in die
starren und seelenlosen Augen des Verwundeten blickte.

»Er ist tot«, murmelte Morgan.
Jeff Coopers Gesicht blieb kalt. Der Banditenboß zuckte nur

mit den Achseln. »Ich nehme sein Pferd«, sagte er gefühlos.
»Wir sollten wirklich schnellstens von hier verschwinden.«

»Zuerst bringen wir Hudson unter die Erde. Das sind wir ihm

schuldig, oder etwa nicht?«

Jeff Cooper nickte widerwillig und senkte den Kopf, als er

Morgans wilden Blick sah.

*

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Der Morgen dämmerte. Innerhalb weniger Minuten würde das
Licht des neuen Tages die Dunkelheit vertreiben. Der Himmel
schien im Osten zu explodieren.

Cochise zügelte seinen Mustang, sprang vom Pferderücken

und schlich auf die Buschinsel zu. Er wußte, daß sich dort ein
Wasserloch verbarg.

Die Hufspuren der Pferde der vier Bleichgesichter führten

auf diese Stelle zu.

Schon bald sah Cochise den Kadaver eines Pferdes unweit

des Tümpels liegen. Geier flogen mit heiserem Krächzen auf
und zog auf lautlosen Schwingen ihre Kreise.

Er erkannte auch einen länglichen Steinhaufen, unter dem

wohl ein Leichnam liegen mußte. Der Häuptling der
Chiricahuas wußte genau, daß die Hellhäutigen so ihre Toten
bestatteten.

An den Hufspuren der drei anderen Pferde sah der Apache,

daß die Bleichgesichter längst ihre Flucht fortgesetzt hatten.

Cochise trat zögernd näher. Er betrachtete den Kadaver des

Pferdes. Er sah übel aus. Die Geier mußten schon vor längerer
Zeit mit ihrer grausigen Mahlzeit begonnen haben.

Cochise hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein.

Er huschte hinter einen Salbeistrauch, legte sich flach auf den
Boden und lauschte.

Es dauerte einige Sekunden, ehe er die kaum hörbaren

Schritte zweier sich anschleichender Männer vernahm.

Dann konnte er auch die beiden Rassegefährten entdecken,

die sich heranpirschten. Dem Ohr eines weißen Mannes wären
diese Geräusche kaum aufgefallen.

Mescaleros, dachte der Häuptling der Chiricahuas. Yemaspis

Krieger scheinen sich doch nicht aus meinem Kampf gegen die
weiße Eindringlinge heraushalten zu wollen.

Kurze Zeit darauf gab sich Cochise zu erkennen. Es waren

Strumvogel und Grüne Schlange, die dem Apachen-Häuptling
zunickten. Sie sahen das tote Pferd und auch den Steinhügel.

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»Es ist schlechtes Wasser, Jefe«, sagte Sturmvogel und

deutete zum Tümpel hinüber. »Wer davon trinkt, muß
sterben.«

Seine Augen in dem breitflächigen Gesicht funkelten.
»Tod den weißen Kojoten«, stieß Grüne Schlange hervor. Er

schwieg, als er das ernste Antlitz des Chiricahuas sah.

»Cochise billigt nicht diesen heimtückischen Anschlag. Er ist

für einen fairen Kampf und haßt Hinterlist. Er hat Yemaspis
gebeten, nicht in die Auseinandersetzung einzugreifen. Und er
will auch nicht, daß die Krieger der Mescaleros sich
einmischen.«

Die harte Stimme des Apachen-Chiefs verstummte. Die

beiden Krieger starrten betreten zu Boden.

»Geht«, fuhr Cochise fort. »Es ist mein Kampf.«
Seine Worte duldeten keinen Widerspruch. Die beiden

Mescaleros drehten sich um und verschwanden lautlos
zwischen den Büschen. Cochise trat zu dem steinernen
Grabhügel und räumte einige Felsbrocken zur Seite.

Sein Vorgehen wurde vom Krächzen der Aasfresser

begleitet, die sich wieder zu Boden gesenkt hatten und langsam
näherhüpften. Der Chiricahua schleuderte einige Steine zu den
Geiern hinüber, die ächzend aufflogen.

Bald hatte Cochise den Kopf des Toten freigelegt und sah,

daß es sich um Clayd Hudson handelte, den er vor einigen
Tagen angeschossen hatte.

Nachdem er die Steine wieder zurückgelegt hatte, eilte

Cochise zu seinem Pferd, suchte nach den Hufspuren der drei
weißen Banditen und nahm die Verfolgung auf.

Sie sollten seiner Rache nicht entgehen.

*

»Hier in dieser Gegend bin ich schon einmal gewesen«,
krächzte Jeff Cooper heiser und sah sich mit tränenden Augen

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um. Die Sonnenstrahlen blendeten ihn. Seine Kehle fühlte sich
wund an. Die Zunge in seinem Mund war zu einem unförmigen
Fremdkörper geworden, der ihn beim Sprechen behinderte.

»Dann weißt du vielleicht, wo es eine Wasserquelle gibt«,

rief Glenn Morgan. »Versuch dich zu erinnern, Jeff. Unser aller
Leben hängt davon ab.«

Der Banditenboß sah sich erneut um, hielt eine Hand vor die

Augen und nickte plötzlich.

»Dort drüben«, seufzte er und trieb sein erschöpftes Pferd an,

dessen Fell von einer Schicht aus Schweiß und Staub bedeckt
war. Bill Barns und Glenn Morgan folgten dem Outlaw.

Große Felsschroffen erhoben sich in den blauen und

wolkenlosen Himmel. Es gab tiefe Bodenmulden, Risse und
Gräben im Boden, die manchmal einen Umweg erforderten.

Cooper ließ sich aber nicht beirren, sondern ritt auf eine

Lücke zwischen zwei Hügeln zu und bog dann kurz davor nach
rechts ab und hielt auf eine Felswand zu.

Hier wurde die Vegetation üppiger. Es mußte Wasser geben,

die diese Vielfalt der Pflanzen ermöglichte.

Billy Barns stieß plötzlich einen heiseren Schrei aus und gab

seinem Pferd die Zügel frei. Das Tier hatte das kostbare Naß
bereits gewittert, das aus einer Felsspalte rann und sich in einer
ausgewaschenen Felspfanne sammelte, dort überlief und nur
wenige Yards entfernt im sandigen Boden versickerte.

Als Morgan und Cooper schwerfällig aus den Sätteln

rutschten, trank Barns bereits. Er schlürfte und prustete, hustete
und keuchte und schluckte wie ein Ertrinkender.

Die beiden Banditen blieben mit hängenden Armen stehen.

Das Wasser lockte. Sie dachten aber auch daran, was an der
anderen Wasserstelle geschehen war.

Billy Barns tauchte nun seinen Kopf in das Wasser, trank

erneut und rülpste mehrmals, ehe er sich seinen beiden
Gefährten zuwandte. Seine Stimme klang klarer. Grinsend
sagte er: »Bedient euch, Freunde. Es ist erstklassiges Wasser.

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Dafür verbürge ich mich. Natürlich könnt ihr auch abwarten,
ob mir das Naß bekommt, oder ob ich elend vor die Hunde
gehe.«

Die beiden Banditen tranken. Noch nie hatte ihnen Wasser so

gut geschmeckt wie in diesen Sekunden. Sie fühlten, wie ihr
Körper die Flüssigkeit wie ein dicker Schwamm in sich aufsog.

Die Pferde drängten wiehernd näher und bedienten sich

ebenfalls. Jeff Cooper wartete sorgenvoll. In seinem Magen
gluckerte es.

Billy Barns hatte sich hingesetzt und lehnte mit dem Rücken

an einem Felsbrocken. Er blickte auf seine staubigen Stiefel
und nickte zufrieden. »Das wäre geschafft, Jungs. Hier bleiben
wir für eine Weile. Dann aber sollten wir unsere
Wasserflaschen füllen und verschwinden. Dieser Cochise ist
bestimmt noch hinter uns hier. Er wird uns töten, wenn wir uns
noch länger in seinen Jagdgründen aufhalten. Ich würde
vorschlagen, nach Tombstone oder zu einer anderen Stadt zu
reiten. Diese verdammte Goldmine sollten wir uns
abschminken. Wir können froh sein, unser nacktes Leben zu
retten. Wenn ihr mich fragt, dann habe ich die Nase gestrichen
voll.«

Jeff Cooper antwortete nicht. Sein düsterer Blick traf Glenn

Morgan, der den Kopf schüttelte.

»Wir geben nicht auf«, murmelte er. »Warum auch, Leute?

Wir werden bald wieder bei Kräften sein. Und mit diesem
Cochise werden wir leicht und locker fertig. Wir brauchen uns
doch vor einem einzigen Indianer nicht in die Hose zu
machen.«

Er trat zu seinem Pferd und holte Proviant aus den

Satteltaschen. Nachdem er nochmals getrunken hatte, begann
Morgan von dem Dörrfleisch zu essen. Kauend sagte er: »Die
Goldmine muß sich hier ganz in der Nähe befinden. Wir sind
goldrichtig, Leute. Wollen wir wirklich so dicht vor dem Ziel
aufgeben?«

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*

Cochise hatte aufgeholt. Er beobachtete die drei Männer an der
Quelle, die sich dort erfrischten und schon bald wieder zu
Kräften gelangten.

Der Häuptling der Apachen überlegte, ob er angreifen oder

erst die Abenddämmerung abwarten sollte. Der Chiricahua
entschied sich, nach Sonnenuntergang den Angriff zu wagen.
Er blickte hin und wieder zu seinen Gegnern hinüber, die ihn
noch nicht entdeckt hatten. Die drei Banditen ruhten sich aus.
Einer von ihnen hielt immer Wache.

Träge vergingen die Stunden.
Cochise wußte, daß sich die Goldmine ganz in der Nähe

befand. Fast glaubte er, daß dies kein Zufall mehr sein konnte.
Morgan mußte doch mehr wissen, als er angenommen hatte.

Der Apachen-Häuptling zuckte zusammen, als er einen

Indianer zwischen den Hügeln hervorreiten sah, dessen Ziel die
Wasserstelle sein mußte. Der Krieger ritt ahnungslos weiter,
denn er hatte die drei Weißen noch nicht gesehen, die von
zahlreichen Felsen verdeckt wurden.

Cochise wußte, daß der Indianer verloren war, wenn er ihn

nicht warnte. Kurze Zeit später wurde der Reiter auch schon
von einem Bleichgesicht entdeckt. Sie griffen nach ihren
Waffen und suchten sich gute Deckungsmöglichkeiten.

Cochise mußte handeln. Er nahm den Bogen vom Mustang,

legte einen Pfeil auf die Sehne, zielte kurz und verfolgte den
Flug des Pfeiles.

Es war ein Meisterschuß. Wenige Yards vor dem Indianer

senkte sich der Pfeil und blieb zitternd im Boden stecken. Der
Krieger erstarrte für einen Moment, ehe er sein Pony herumriß
und davonjagte.

Die drei Weißen feuerten. Ihre Geschosse verfehlten, denn

die Entfernung war noch zu groß gewesen.

Der Apachen-Häuptling schwang sich auf den Rücken seines

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Mustangs und ritt los. Er wußte nicht, ob er von seinen
Gegnern gesehen wurde. Er schlug einen Bogen und näherte
sich dann seinem Rassegefährten, der hinter einem Dickicht
hervorritt und sein Pferd abrupt zügelte.

Cochise hob seine Hände zum Zeichen des Friedens. Es war

ein Mescalero-Apache, der ihn aus zusammengekniffenen
Augen ansah, als der Jefe sein Pferd verhielt.

»Ich bin Cochise, mein Bruder«, sagte der Chiricahua. »Ich

warnte dich, denn sonst wären die Bleichgesichter, auf deren
Fährten ich reite, wie reißende Wölfe über dich hergefallen.«

Der Mescalero senkte den Kopf. Er wußte längst, wie

leichtsinnig er gewesen war, als er sich der Wasserstelle
genähert hatte.

»Schwarzer Wolf dankt dir, Cochise. Du hast sein Leben

gerettet. Schwarzer Wolf legt es dir zu Füßen. Du kannst über
mich verfügen.«

Cochise winkte ab. Er blickte den noch jungen Krieger an,

der durch seinen Leichtsinn beinahe in eine tödliche Falle
geritten wäre. Sein Blick blieb an einem Beutel hängen, der an
einem Lederriemen vor der Brust des Mescaleros befestigt war.

Für einen Medizinbeutel war er zu groß. Außerdem schien

der Inhalt schwer zu sein.

Schwarzer Wolf löste den Lederbeutel und warf ihn zu

Cochise hinüber. »Gelbes Metall, das die Hellhäutigen Gold
nennen. Ich habe es in den Bergen gefunden. Es gehört dir,
Cochise, als Dank dafür, daß du mein Leben gerettet hast.«

Cochise wollte das Geschenk erst zurückweisen, als ihm ein

Gedanke durch den Kopf schoß. Ein zufriedenes Lächeln legte
sich um seine Mundwinkel.

»Reite mit mir, Schwarzer Wolf. Du mußt mir helfen, denn

ich habe einen Plan, wie ich die Bleichgesichter besiegen
kann.«

»Schwarzer Wolf wird alles tun, was Cochise von ihm

verlangt«, antwortete der Mescalero-Krieger. »Mein Leben

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gehört ihm. Ich werde Cochise folgen.«

*

»Ob das Cochise gewesen ist?« fragte Glenn Morgan und
senkte sein Gewehr.

»Kann schon sein«, rief Billy Barns. »Es ist nur schade, daß

wir den roten Halunken nicht erwischt haben. Er ist durch
irgend etwas gewarnt worden, sonst hätte wir ihn gekriegt.«

»Wir sollten weiterreiten«, ließ sich Jeff Cooper vernehmen.

»Mir schmeckt das alles nicht mehr. Bald wird es von diesen
roten Hundesöhnen im weiten Umkreis nur so wimmeln. Und
viele Hunde sind nun einmal des Hasen Tod.«

Er lief zu seinem Pferd und zog sich in den Sattel. Barns und

Morgan folgten dem Banditenboß.

Die Wasserflaschen waren gefüllt. Die Tiere wirkten frischer,

als noch vor zwei Stunden. Sie würden mühelos einige Meilen
hinter sich bringen.

Cooper orientierte sich, war sich aber nicht hundertprozentig

sicher, den richtigen Trail gewählt zu haben. Bill Barns und
Glenn Morgan folgten dem Banditenboß.

»Willst du wirklich verschwinden, ohne nach der Goldmine

gesucht zu haben?« fragte Morgan kurze Zeit darauf. Mürrisch
sah er Cooper von der Seite an.

»Mein Skalp ist mir lieber, als diese verdammte Mine, die

nur in deiner Phantasie existiert«, gab Jeff Cooper übellaunig
zurück. »Ich hätte niemals auf dich hören sollen. Du hast mir
und meinen Leuten kein Glück gebracht, Morgan.«

Der ziemlich großgewachsene Bandit schluckte seinen

Grimm hinunter und überlegte, ob er nicht auf eigene Faust
etwas unternehmen sollte. Er dachte aber an seinen Ausflug vor
einigen Tagen und fühlte, wie es ihm kalt über den Rücken lief.

Dann überschlugen sich die Ereignisse.
Die drei Banditen sahen einen Reiter aus einem dunkel

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gähnenden Canyon hervorreiten. Der Indianer schien genauso
überrascht wie die Bleichgesichter zu sein.

Er riß seinen Mustang herum, wollte flüchten, doch Cooper

jagte Kugel um Kugel zu der Rothaut hinüber. Der Apache fiel
vom Pferderücken, blieb wie tot liegen, ehe er aufsprang und
schlangengleich zwischen einigen Felsbrocken verschwand.

Cooper fluchte lästerlich. Er hatte angenommen, den

Indianer tödlich getroffen zu haben. Der Mustang des Apachen
blieb wiehernd zurück.

»Vorwärts«, rief Jeff Cooper. »Wir kaufen uns den roten

Knaben. Weit kann er nicht sein. Außerdem mußte er seine
Waffen zurücklassen. Vielleicht ist er auch verwundet.«

Schnell erreichten die drei Weißen den Canyon. Stille

herrschte im weiten Umkreis. Der Mustang verhielt noch
immer an der gleichen Stelle. Er zerrte an den Zügeln, die sich
in einem Dornenbusch verfangen hatten.

Die drei Banditen suchten nach dem Indianer, der aber

spurlos verschwunden blieb. Sie drangen auch einig Yards in
den Canyon ein, der sich schon bald verbreiterte und zu einem
kesselförmigen Tal öffnete. Fast senkrecht stiegen die
Talhänge in den Himmel. Sie waren nur spärlich bewachsen.
Die dunklen Öffnungen von Höhlen waren hin und wieder zu
sehen.

»Wir gehen erst mal zurück«, sagte Cooper. »Wenn der

Indianer wirklich ins Tal geflüchtet ist, dann steckt er in der
Falle. Ich habe keinen weiteren Ausgang erkennen können.«

Einige Minuten später standen die Outlaws vor dem Mustang

des geflüchteten Indianers. Glenn Morgans Blick wurde
plötzlich starr. Er schluckte und zupfte an seiner Nase, als hätte
er eine besondere Witterung aufgenommen.

Er sah einen prall gefüllten Lederbeutel am Mustang hängen.

Er griff zu und mußte sich dann vor den auskeilenden
Pferdehufen in Sicherheit bringen.

»Was hast du da?« fragte Jeff Cooper interessiert und trat

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näher. Auch Billy Barns schob sich heran.

Glenn Morgan öffnete den Beutel und schüttete einen Teil

des Inhalts auf seine linke Hand. Es funkelte und glänzte, als
hielte er eingefangene Sonnenstrahlen in seiner Linken.

»Gold«, sagte Morgan fast andächtig. »Gold, der ganze

Beutel ist voll davon. Na endlich. Bald hätte ich geglaubt,
einem Phantom hinterher zu jagen. Sieh es dir nur an, Cooper.
Das ist Gold. Richtiges Adergold.«

Auch der Banditenboß und Billy Barns staunten. Sie griffen

gierig zu, und sie hielten den goldenen Segen in ihren Händen.

»Das ist reines Adergold«, sagte Cooper und mußte

schlucken. »Heiliger Rauch, das hätte ich mir wirklich nicht
träumen lassen.«

»Es ist verdammt schade, daß uns die Rothaut entwischt ist«,

brummte Billy Barns. »Der Bursche hätte uns sagen können,
woher er das gelbe Zeugs hat.«

»Wir werden es trotzdem herausfinden«, schnaufte Morgan

schwer. Er blickte Cooper spöttisch an.

»Na, glaubst du endlich, daß ich keinem Hirngespinst

hinterhergejagt bin? Das Gold stammt garantiert aus der Mine,
die wir so verzweifelt suchen. Darauf verwette ich meinen
Kopf.«

*

Die erste Erregung der drei weißen Banditen hatte sich gelegt.
Die erneuten Nachforschungen nach dem Indianer blieben
erfolglos. Sie hatten den Inhalt des Beutels unter sich
aufgeteilt.

»Es ist auf keinen Fall Cochise gewesen«, sagte Cooper, als

sich die drei Männer gegenübersaßen. »Der Häuptling reitet
irgendwo hinter uns. Wir sollten nicht nachlässig werden.«

»Das Gold befindet sich dort in dem Tal«, sagte Glenn

Morgan, der an nichts anderes mehr denken konnte, als an die

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legendäre Goldmine, die er schon so lange suchte.

»Der Indianer ist aus dem Tal hervorgeritten. Einen zweiten

Ausgang gibt es nicht. Wir haben auch Höhlen gesehen. In
irgendeiner befindet sich die Mine. Jungs, das ist die Chance,
auf die wir so lange warten mußten.«

Auch Cooper und Billy Barns nickten zustimmend. Die Gier

nach dem gelben Metall pulsierte in ihren Adern. Ihre Augen
funkelten. Bill Barns hielt einen Brocken Gold in seinen
Händen und starrte immer wieder verzückt darauf.

»Also gut«, sagte der Banditenboß. »Zuerst werden wir

herausfinden, ob dieser Cochise hier irgendwo herumschleicht.
Wenn er nämlich herausfindet, daß wir in den Talkessel
geritten sind, stecken wir in der Falle. Zuerst sollten wir die
Pferde und natürlich auch den Mustang in das Tal bringen.«

So geschah es auch.
Über eine Stunde lang beobachteten die drei Bandite das

Gelände vor dem Canyon, ohne auch nur einen Indianer zu
entdecken. Auch der Apache, der geflüchtet war, tauchte nicht
mehr auf.

»Mir schmeckt das alles nicht so richtig«, sagte Jeff Cooper

und fuhr sich kratzend über seine Bartstoppeln. »Die Rothaut
kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. Das gefällt mir
überhaupt nicht, zum Henker. Ich kann mir nicht helfen.«

»Er wird verwundet sein und sich irgendwo verkrochen

haben«, rief Bill Barns. »Du siehst viel zu schwarz, Morgan.
Der rote Bastard hat einen solchen Schrecken gekriegt, daß er
längst über alle Berge ist. Er wird irgendwo in der Wildnis
verrecken. Ohne Pferd und ohne Waffen ist er rettungslos
verloren.«

Jeff Cooper zuckte nur mit den Achseln. Er schien noch

immer nicht so richtig davon überzeugt zu sein, daß keine
Gefahr mehr drohte.

Glenn Morgan ergriff das Wort. »Billy kann ja noch eine

Weile hier am Canyoneingang zurückbleiben, während wir uns

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schon im Valley umsehen. Vielleicht finden wir die Höhle auf
Anhieb.«

Cooper grinste plötzlich.
»Wir brauchen nur den Hufen des Mustangs zu folgen.«

Erregung lag in seiner Stimme. Man sah ihm an, daß er nun
ebenfalls heftig vom Goldfieber gepackt wurde.

Glenn Morgan lief los.
»Laß dich vor einer halben Stunde nicht sehen«, sagte

Cooper zu dem bleichgesichtige Barns. »Und solltest du
angegriffen werden, dann schieße wie der Teufel. Wir werden
dir sofort zu Hilfe eilen. Bis später, Billy.«

Es war für die beiden Banditen nicht schwer, die Spuren des

Mustangs im Tal zu finden. Sie führten genau auf eine
Felswand zu. Morgans Gesicht drückte Enttäuschung aus, als
er keine Höhle oder einen Stolleneingang entdecken konnte. Er
fluchte lästerlich.

»Hör auf«, sagte Cooper. »Zum Henker, hast du erwartet,

daß wir die Mine so ohne weiteres finden werden. Ich…«

Coopers Stimme endete plötzlich. Seine Hand tastete nervös

über das Sattelhorn.

»Dort drüben hinter den Büschen«, murmelte er dann. »Es

sieht wie eine Höhle aus. Die Hufspuren führen genau auf
diese Stelle zu. Runter von den Pferden. Wir schleichen uns
heran.«

Die Outlaws eilten auf die dunkle Öffnung zu, die sich hinter

Speerdornbüschen und Manzanittas auftat. Sie war nicht groß.
Ein Mann, der sich bücken mußte, konnte sich gerade
hindurchzwängen.

»Wir sind am Ziel«, sagte Glenn Morgan feierlich. »Ich habe

doch gewußt, daß es diese Goldmine gibt, obwohl mir niemand
glauben wollte.«

»Noch wissen wir es nicht, Morgan. Du spuckst schon

wieder große Töne. Vielleicht ist es nur der Unterschlupf von
Pumas oder Wölfen. Halte nur dein Gewehr schußbereit, damit

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wir keine unliebsamen Überraschungen erleben.«

»Der Höhleneingang ist früher größer gewesen«, stellte

Morgan fest. »Siehst du die Steinbrocken, die man
aufgeschichtet hat, damit der Eingang kleiner wurde?«

Die beiden Banditen beschleunigten ihre Schritte. Sie wollten

unbedingt erfahren, ob sie endlich das langgesuchte Ziel
erreicht hatten. Sie drangen in die Höhle ein.

*

Bill Barns döste vor sich hin.

Die Hitze und die Strapazen des langen Rittes steckten ihm

in den Knochen. So sehr er auch Ausschau hielt, von Indianern
war weit und breit nichts zu sehen.

Insekten umschwirrten seinen Kopf. Manchmal wurden die

blutgierigen Plagegeister besonders schlimm. Dann fuchtelte
der Bandit mit beiden Händen, um sich Luft zu verschaffen.

Er vernahm ein Geräusch hinter sich und drehte den Kopf

herum. Er blickte auf den großgewachsenen Indianer, der nur
wenige Schritte von ihm entfernt verharrte und den Lauf des
Gewehres auf ihn gerichtet hielt.

Cochises Gesicht wirkte wie eine Maske.
Barns wagte nicht, nach seiner Winchester zu greifen. Er

richtete sich langsam auf und wandte sich mit
marionettenhaften Bewegungen dem Gegner zu.

»Cochise!«
»So ist es, weißer Mann.« Die Stimme des Chiricahua-

Häuptlings klang tonlos. Cochise ließ sich den Triumph gar
nicht anmerken, der ihn im Moment beherrschte. »Lege deinen
Revolvergurt ab!«

Billy Barns befolgte diesen Befehl. Er riskierte nicht, seinen

Colt zu ziehen.

»Wehr dich, Bandit!«
Der Häuptling der Apachen ließ sein Gewehr fallen und zog

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sein Messer aus dem Gürtel.

In Barns' Augen leuchtete es auf. Er wußte nun, daß der

Apache ihn nicht skrupellos töten, sondern ihm eine faire
Chance im Zweikampf geben wollte.

Barns riß sein Messer aus der Scheide. Breitbeinig stand er

vor dem Apachen und fuchtelte mit dem Green River Messer
herum. Die Angst, die ihn bisher in der Gewalt gehalten hatte,
fiel von ihm ab. Er hatte sich schon öfters seiner Haut bei
einem Messerkampf gewehrt. Und aus diesem Grund rechnete
er sich eine gute Chance gegen den Häuptling der Apachen
aus.

Bill Barns schnellte sich nun blitzschnell nach vorn und hatte

die Hand mit dem Messer wie eine Lanze auf den Indianer
gerichtet.

Cochise steppte in letzter Sekunde gedankenschnell zur

Seite. Barns raste an ihm vorbei, stolperte über einen
kopfgroßen Steinbrocken und konnte sich nur mit Mühe auf
den Beinen halten. Er wirbelte herum.

Cochise war ihm nicht gefolgt. Das Lächeln auf seinem

Gesicht reizte Billy Barns zu einem Aufschrei. Erneut stürmte
er wie ein wütender Büffelbulle los.

Diesmal stoppte er aber vorher ab, wechselte das Messer von

einer in die andere Hand und stach zu.

Beinahe wäre Cochise auf diesen hinterhältigen Trick

hereingefallen. In letzter Sekunde konnte er der vorzuckenden
Klinge ausweichen. Die beiden Männer prallten hart
gegeneinander.

Für Bruchteile von Sekunden roch Cochise den Atem des

Mannes, sah sein schweißglänzendes Gesicht und die
geweiteten Augen. Dann lösten sich die beiden unerbittlichen
Gegner voneinander.

Barns trat zu, traf Cochises Oberschenkel schmerzhaft. Für

einen Moment schien das Bein dem Apachenhäuptling nicht
mehr gehorchen zu wollen. Cochise warf sich wie eine Katze

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zur Seite. Das Messer ritzte seine Haut.

Bill Barns aber stand wie erstarrt, taumelte zurück und

schwankte wie ein Grashalm im Sturm. Seine Hand öffnete
sich. Sein Messer stürzte zu Boden. Er starrte auf das
Büffelmesser des Apachen, das in seine Brust eingedrungen
war. Blut sickerte an der Einstichstelle hervor und färbte Billy
Barns' schmutziges Hemd dunkel.

Der Häuptling der Apachen erhob sich. Er hatte genau im

richtigen Moment zugestoßen.

Billy Barns brach auf die Knie. Ein heiseres Röcheln kam

von seinen zuckenden Lippen. Nun umklammerte er mit beiden
Händen das Messer in seiner Brust. Vergebens versuchte er, es
herauszuziehen.

Der Outlaw stöhnte erneut, schwankte und kippte nach vorn.

Noch ehe er den Boden erreicht hatte, hatte er sein
Banditenleben ausgehaucht.

Cochise wälzte den Toten auf den Rücken und zog sein

Messer aus dem Leichnam. Dann zerrte er Barns zwischen
zwei Felsen und schlich auf das Tal zu.

Der Häuptling der Apachen wollte nun mit den beiden

anderen Banditen abrechnen. Bisher war sein Plan
aufgegangen.

*

Glenn Morgan riß ein Streichholz an. Die Helligkeit blendete
die Banditen. Sie befanden sich wenige Schritte hinter dem
Höhleneingang und waren stehengeblieben, da es unmöglich
war, auch nur noch die eigene Hand vor den Augen zu sehen.

Morgan bückte sich und hielt das Zündholz an seinen

Grasbüschel, der sofort aufflackerte. Cooper hielt einen dürren
Ast in die Flammen, der schnell brannte.

»Vorwärts«, raunte der Banditenboß. »Die Höhle ist größer,

als ich angenommen hatte.«

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Die Outlaws stampften noch tiefer in die Dunkelheit hinein.

Funken sprühten. Die Flammen zauberten bizarre Schatten auf
die Höhlenwände. Spinnweben legten sich auf die Gesichter
der beiden Männer. Etwas raschelte in der Nähe. Vermutlich
raste eine Maus quietschend davon, verschwand hinter einigen
Steinbrocken, die kreuz und quer in der Höhle lagen.

Morgan hustete, denn der Ast entwickelte viel Rauch.

Coopers Gesichtsausdruck verfinsterte sich immer mehr, als er
den knöcheltiefen Staub sah, der den Höhlenboden bedeckte.

»Wir sind mächtig an der Nase herumgeführt worden,

Morgan«, stieß der Banditenboß wütend hervor. »Das ist
niemals deine verdammte Goldmine. Das ist nichts anderes als
eine Falle, in die wir wie Greenhorns hineingetappt sind.«

Morgan hustete noch immer. Er trat noch näher zur

Höhlenwand. Außer Staub gab es nichts zu sehen. Die Wand
war niemals mit Werkzeug bearbeitet worden, um Gold
herauszuschlagen.

Nun fluchte Glenn Morgan los. Er hatte wirklich geglaubt,

bereits am Ziel seiner Träume zu sein.

»Raus«, knurrte Jeff Cooper. »Das ist eine Falle. Wenn wir

Pech haben, warten draußen schon einige Dutzend Indianer auf
uns, die sich liebevoll um uns kümmern.«

»Unsinn, Cooper. Billy bewacht den Canyoneingang.

Außerdem hätten wir Hufspuren sehen müssen, sollten sich
wirklich so viele Indianer im Talkessel versteckt halten.«

Cooper antwortete nicht, sondern näherte sich vorsichtig dem

Höhlenausgang. Glenn Morgan folgte ihm. Der Banditenboß
löschte den brennenden Ast, der ihm als Fackel gedient hatte
und griff sein Gewehr, das er unweit des Ausgangs abgestellt
hatte.

Ein Schuß peitschte auf, als Morgan seinen Kopf vorsichtig

hinter einem vorspringenden Felsen hervorschob. Die Kugel
pfiff haarscharf an seinem Schädel vorbei und prallte im Innern
der Höhle gegen einen Felsen.

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Cooper und Morgan warfen sich zu Boden. Ihre Gesichter

erinnerten an bleiche Flecken im Dämmerlicht. Sie wußten zu
gut, was die Stunde geschlagen hatte. Sie saßen in der Falle.

»Ergebt euch, Bleichgesichter«, vernahmen sie die

wohlbekannte Stimme von Cochise. »Euer weißer Partner ist
tot. Ich habe ihn im fairen Zweikampf getötet. Werft eure
Gewehre heraus und verlaßt die Höhle mit über dem Kopf
erhobenen Händen. Das ist eure einzige Chance, dem Tod zu
entgehen!«

Cochise schwieg.
Glenn Morgan und Jeff Cooper wußten, daß sie verspielt

hatten. Sie waren dem Apachen-Häuptling in die Falle
gegangen. Cochise hatte auf die Goldgier dieser beiden
Bleichgesichter spekuliert und damit auch Erfolg gehabt.

»Der rote Bastard wird uns töten, wenn wir die Höhle

verlassen«, sagte Cooper. »Oh, warum habe ich wieder einmal
auf dich gehört, Morgan. An deinen Stiefeln klebt wirklich nur
das Pech. Nun ist es aus und vorbei mit uns.«

»Noch leben wir«, sagte Glenn Morgan und knirschte mit

den Zähnen. »Wir geben nicht auf. Ich wenigstens nicht,
solange noch eine Patrone in meiner Waffe steckt.«

»Ich gebe euch die Frist, die ihr Bleichgesichter eine halbe

Stunde nennt, um euch zu entscheiden«, rief der Häuptling der
Chiricahuas. »Wenn ihr bis dahin die Höhle nicht verlassen
habt, werde ich euch ausräuchern. Das wird mir bestimmt nicht
schwerfallen.«

Schweigen breitete sich aus. Hin und wieder knirschte es in

den Höhlenwänden und in der Decke. Feiner Sand und
Erdreich rieselte auf die Banditen nieder.

Morgan schob sich vorsichtig zum Höhleneingang und

spähte ins Freie. Er konnte außer wiegenden Büschen und
kahlen Felsbrocken nichts sehen. Der Indianerhäuptling mußte
ganz in der Nähe hinter sicherer Deckung liegen.

»Wir erschießen ihn«, stieß Glenn Morgan hervor. »Er wird

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sich zeigen müssen. Und dann ist dieser verdammte rote
Bastard endlich fällig!«

*

»Du bist wirklich ein großer Häuptling«, sagte Schwarzer
Wolf, der sich neben Cochise niedergekauert hatte. Beide
Indianer blickten zum Höhleneingang hinüber, der sich
deutlich in den grauen Felsmassen abzeichnete.

»Dein Plan ist perfekt gewesen, Cochise. Er wird deinen

Ruhm noch vergrößern.«

Cochise lächelte über die enthusiastischen Worte des jungen

Kriegers, der vor Begeisterung außer sich war.

»Meine Sorgen galten dir, Schwarzer Wolf. Du bist sehr

mutig gewesen, als du den Bleichgesichtern entgegengeritten
bist. Wie leicht hätte dich eine Kugel treffen können.«

Schwarzer Wolf freute sich über diese Worte.
»Wirst du die beiden Hellhäutigen töten?« fragte er den

Häuptling der Apachen.

»Wenn sie sich ergeben, bringe ich sie zu den Blauröcken.

Wenn sie kämpfen wollen, werden sie sterben.«

Damit war alles gesagt.
Die Minuten vertrieben langsam. In der Höhle rührte sich

nichts. Und doch wußte Cochise, daß die Bleichgesichter
fieberhaft überlegten, wie sie aus dieser tödlichen Falle
entkommen konnten.

»Die Frist, die ich euch gegeben habe, ist um«, rief Cochise

plötzlich. »Verlaßt die Höhle, dann werde ich euer Leben
schonen. Wenn ihr meinem Befehl nicht folgt, werdet ihr elend
umkommen. Die Höhle wird zu eurem Grab werden!«

Schüsse peitschten auf. Die Kugeln strichen einige Yards

entfernt in ein Salbeigebüsch.

Cochises Blick wurde ernst.
Die Hellhäutigen würden sich nicht ergeben, sondern bis

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zum letzten Atemzug kämpfen. Sie vertrauten dem Wort eines
Indianers nicht, auch wenn es der Häuptling der Apachen selbst
war, der ein Versprechen gegeben hatte.

Schwarzer Wolf blickte Cochise aus funkelnden Augen an.

Er hielt den Kriegsbogen gespannt und wartete nur auf den
Befehl des Apachen-Jefe, um den Pfeil abzuschießen.

Noch immer schossen die beiden Banditen aus dem

Höhleneingang hervor. Es war Verzweiflung, die sie zu diesem
sinnlosen Vorgehen trieb. Keine Kugel traf.

Sie vergeuden nur ihre Munition, dachte Cochise. Diese

Bastarde werden sich nicht ergeben. Ich werde sie vernichten.

Der Chiricahua nickte dem Mescalero-Apachen zu. Der Pfeil

schnellte von der Sehne und flog zielsicher auf die dunkle
Öffnung des Höhleneinganges zu.

Cochise feuerte ebenfalls. Die Schüsse im Innern der

angeblichen Goldmine verstummten. Schwarzer Wolf schickte
noch einen Pfeil hinüber. Kein Aufschrei deutete an, daß Pfeile
oder Kugeln ein Ziel gefunden hatten.

»Cochise gibt euch eine letzte Chance, die Höhle zu

verlassen«, rief der Häuptling der Apachen mit donnernder
Stimme. »Tretet mit erhobenen Händen heraus und laßt eure
Waffen zurück. Wenn ihr meinen Befehlen nicht folgt, werdet
ihr es bitter büßen müssen!«

Keine Antwort erklang aus der Höhle an Cochises Ohren.

Ein harter Zug legte sich um seine Mundwinkel. Nun blieb ihm
keine andere Wahl, als zu handeln.

Und es würde ein schwerer und harter Tod sein, der auf die

Bleichgesichter wartete.

*

Glenn Morgan und Jeff Cooper hatten sich tiefer in die Höhle
zurückgezogen, als Pfeile und heißes Blei hereinzischten.
Bleich schimmerten die Gesichter der beiden Banditen.

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Verzweifelt suchten sie nach einer Möglichkeit, um einer
tödlichen Niederlage zu entgehen.

Sie vernahmen die Stimme des Apachen, der sie nochmals

aufforderte, sich zu ergeben.

»Vielleicht sollten wir doch rausgehen«, flüsterte Glenn

Morgan. »Hier drinnen werden wir elend verrecken.«

»Dann geh doch«, schnappte Coopers heisere Stimme.

»Verschwinde, Morgan. Ich ergebe mich nicht, sondern
kämpfe bis zum letzten Atemzug. Dieser rote Teufel würde uns
sofort umbringen. Glaubst du, er folgt uns einige Tage, nur um
uns dann liebevoll in die Arme zu schließen? Nein, Morgan.
Vielleicht bringt er uns nicht gleich um. Das ist gut möglich. Er
nimmt uns mit in sein Lager, damit seine Krieger später viel
Spaß haben, wenn wir am Marterpfahl sterben. Unser Tod ist
eine beschlossene Sache.«

Glenn Morgan senkte den Kopf. Er folgte dem Banditenboß,

der langsam vorwärtskroch, um ins Freie spähen zu können.

Rauch kroch ihnen entgegen, der schon bald stärker wurde

und die Banditen husten ließ. Die Rauchwolken verstärkten
sich, füllten immer mehr das Höhleninnere.

»Er will uns ausräuchern«, raunte Cooper. »Das habe ich

erwartet. Dieser rote Hundesohn hat ein Feuer vor dem
Höhleneingang angezündet. Und er hofft, daß wir schon bald
ins Freie stürmen.«

»Was können wir tun?« fragte Morgan, dem es kalt über den

Rücken kroch. Er hustete, denn die Rauschwaden wurden
dichter. Immer mehr weißlicher Rauch stieg am Höhleneingang
auf und waberte zu den Banditen herein.

Jeff Cooper feuerte blindlings los, hoffte wohl, einen

Zufallstreffer anbringen zu können.

Er und auch Morgan konnten das Feuer vor der Höhle nicht

sehen, denn der Einstieg lag einige Fuß höher, als der
Talboden. So war es auch für Cochise und Schwarzer Wolf
ungefährlich gewesen, sich heranzuschleichen, ohne den

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Banditen ein Ziel zu bieten.

Jeff Cooper stellte das Feuer ein, als er das Magazin seines

Gewehres leergeschossen hatte. Fluchend suchte er nach
Patronen in seinen Jackentaschen.

Noch stärker wurden die Rauchwolken, die in das

Höhleninnere krochen und die Bleichgesichter umhüllten. Bald
husteten sie um die Wette und schnappten nach Luft, wie
Fische, die unversehens an Land gespült worden waren.

Cooper und Morgan schoben sich ihre Halstücher vor Mund

und Nase und krochen tiefer in die Höhle hinein. An einen
Ausbruch war nicht zu denken.

Sie würden in das gnadenlose Gewehrfeuer des Indianers

rennen, der nur darauf wartete, daß die beiden Hellhäutigen
endlich die Höhle verließen.

Morgan und Cooper richteten sich auf. Der Banditenboß

stieß mit dem Kopf gegen einen vorspringenden Felsbrocken
und fluchte lästerlich los.

Glenn Morgan riß ein Zündholz an, das er aus seiner

Jackentasche hervorgekramt hatte. Die beiden Männer sahen
sich um. Hier hatte sich der Rauch noch nicht so sehr
verdichtet, obwohl er näherkroch, wie ein alles verschlingendes
Ungeheuer.

Cooper hob einen trockenen Zweig auf und hielt ihn an die

zuckende Flamme des Zündholzes. Sie fanden auch einen
morschen Ast, den sie als Fackel benutzten.

Glenn Morgan deutete plötzlich in die Höhe, wo der Rauch

dahintrieb, als folge er einem bestimmten Ziel.

»Siehst du es auch, Cooper?« fragte er. »Der Rauch zieht ab.

Es muß noch irgendwo eine Öffnung geben. Und die müssen
wir finden. Vielleicht ist sie groß genug, damit auch wir ins
Freie schlüpfen können. Das ist unsere Chance, Cooper. Damit
hat dieser Cochise nicht gerechnet, daß es noch einen zweiten
Ausgang gibt.«

Glenn Morgans freudige Stimme verstummte. Auch auf Jeff

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Coopers Gesicht legte sich ein Hoffnungsschimmer. Er atmete
tief durch und hastete dann los.

Die Outlaws setzten sich in Bewegung und folgten dem

schmalen Höhlengang. Manchmal mußten sie sich ducken,
wenn der Stollen zu niedrig wurde. Hinter ihnen kroch der
Rauch heran, als verfolge er sie.

Felsbrocken, Staub und Erdreich bedeckten den Boden.

Kleintiere huschten zwischen ihren Füßen hindurch.

Glenn Morgan und Jeff Cooper hatten nur einen Gedanken,

den zweiten Ausgang zu finden, um so der Rache des
Häuptlings der Apachen zu entkommen.

Falls es überhaupt diesen zweiten Ausgang gab.

*

Cochise starrte zu der Höhle hinüber und hielt sein Gewehr
schußbereit. Er rechnete damit, daß die Hellhäutigen jeden
Augenblick ins Freie stürmen würden.

Schwarzer Wolf kauerte seitlich neben der Höhle und warf

hin und wieder Holz und Gras auf das glimmende Feuer.

Der Chiricahua wurde immer ungeduldiger, je mehr Zeit

verrann. Nach seinen Überlegungen mußte die Höhle
inzwischen voller Rauch sein und den Gegnern kaum noch
Luft zum Atmen lassen.

Warum tauchten sie nicht auf?
Schwarzer Wolf huschte heran und kniete sich neben dem

Häuptling der Apachen. Er blickte Cochise aus seinen leicht
schrägstehenden Augen forschend an.

Der Jefe zuckte die Achseln.
»Ich weiß auch nicht, warum die Bleichgesichter nicht die

Höhle verlassen haben«, sagte er. »Der Rauch hätte sie längst
wie Ratten ins Freie treiben müssen.«

Der Mescalero antwortete nicht. Er schien nachzudenken,

denn eine steile Falte bildete sich über seiner Nasenwurzel.

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»Schwarzer Wolf wird in die Höhle schleichen und

nachsehen«, stieß der junge Krieger entschlossen hervor. »Er
hofft, daß Cochise das erlauben wird?«

Der Chiricahua schüttelte ernst den Kopf. Er wollte das

Leben des jungen Mescalero nicht aufs Spiel setzen, obwohl er
den Mut des Indianers anerkannte.

»Cochise wird gehen«, entgegnete der Indianer-Chief. »Der

tapfere Krieger der Mescaleros wird hier auf ihn warten.«

Schwarzer Wolf senkte den Kopf. Er wagte keine Widerrede.

Cochise hatte eine Entscheidung gefällt, die es zu respektieren
galt.

Der Apachenhäuptling glitt von seitwärts auf den

Höhleneingang zu, verhielt davor kurz und tauchte dann in die
Rauchwolken hinein. Cochise konnte kaum etwas sehen und
hielt den Atem an. Er kroch wie eine Schlange am Boden
entlang, denn dort war der Qualm noch nicht so dicht. Nach
wenigen Yards blieb Cochise liegen und lauschte. Er konnte
keinerlei Geräusche vernehmen. Das bedeutete, daß die weißen
Banditen tiefer in die Höhle hineingeflüchtet waren.

Cochise kehrte um, denn es erschien ihm sinnlos, sich eine

Rauchvergiftung zu holen. Er atmete befreit auf, als er das
Tageslicht erreichte und frische Luft in seine Lungen pumpte.

Schwarzer Wolf sah ihm entgegen.
»Wir müssen abwarten«, sagte Cochise. »Die Bleichgesichter

sind in das Höhleninnere geflüchtet. Vielleicht hoffen sie, so
ihrem Schicksal entgehen zu können. Uns bleibt keine andere
Wahl, als abzuwarten. Sie werden kommen. Ich weiß es.«

*

Jeff Cooper und Glenn Morgan hielten keuchend inne. Sie
schwitzten und glaubten, keinen trockenen Faden mehr am
Leib zu haben. Der brennende Ast rußte. Es herrschte eine
drückende Schwüle in dem engen Gang.

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In den Wänden und in der Decke des Höhlenganges knisterte

es immer wieder verdächtig. Morgan und Cooper befürchteten
manchmal, daß alles in sich zusammenbrechen würde.

»Wenigstens sind wir dem Rauch entkommen«, stöhnte

Cooper. »Wenn wir aber den zweiten Ausgang nicht finden,
dann sind wir trotzdem geliefert. Und es sieht ganz danach aus,
daß wir ihn nicht finden werden. Zum Henker, wären wir nicht
so goldgierig gewesen, dann steckten wir jetzt nicht in dieser
verteufelten Klemme.«

Morgan winkte ab. »Wir sind nun mal wie blinde Hühner in

diese Falle getappt. Daran läßt sich nichts ändern. Vorwärts,
Cooper, noch haben wir nicht verloren. Wir finden einen
Ausweg.«

Glenn Morgan feuchtete seinen Zeigefinger an und reckte ihn

hoch über seinen Kopf. Er spürte den leichten Luftzug und
nickte mehrmals zufrieden.

»Wir sind auf dem richtigen Weg. Es gibt eine Öffnung. Reiß

dich zusammen.«

Morgan nahm dem Banditenboß den brennenden Ast aus der

Hand und fluchte, als seine Finger von sprühenden Funken
getroffen wurden. Er lief weiter und vernahm hinter sich die
stampfenden Schritte des ehemaligen Bosses der Viehdiebe.

Der Höhleneingang verbreiterte sich. Rechts und links

zweigten Nebengänge ab. Jeff Morgans Schritte stockten
abrupt. Cooper prallte gegen ihn und brachte ihn beinahe zu
Fall.

»Geradeaus, verdammt noch mal«, flüsterte Jeff Cooper.

»Ich habe nicht die geringste Lust, mich in diesem Labyrinth
zu verirren.«

Die Outlaws hasteten weiter.
Cooper hob einen dicken Holzprügel auf, den er später als

Fackel benutzen wollte, wenn Morgans Ast niedergebrannt
war. Die Banditen verloren jedes Zeitgefühl.

Endlos lange schien ihnen der Weg durch die Höhle zu sein.

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Der Gang wurde nun wieder enger und auch niedriger. Steine
und Erdbrocken lagen am Boden.

Das Ächzen in den Wänden nahm zu. Sand rieselte auf die

beiden Banditen nieder. Morgan hustete sich fast die Lunge aus
dem Leib, als er eine volle Ladung ins Gesicht bekam.

Staub und Schweiß vermischten sich zu einem schmutzigen

Brei. Er fluchte und tobte, war nahe daran, durchzudrehen. Er
verwünschte den Indianerhäuptling in den finstersten Winkel
der Hölle.

Nun war es Cooper, der die Ruhe behielt und kurze Zeit

darauf die Führung wieder übernahm. Die Luft roch nach
Moder und Vergänglichkeit.

Cooper stolperte plötzlich, stürzte aufschreiend zu Boden

und konnte den brennenden Ast nicht mehr festhalten. Er
kullerte einige Schritte durch den Staub, ging aber nicht aus.

Jeff Morgan half seinem Banditenfreund auf die Beine. Und

erst jetzt sahen die Outlaws, über was Cooper gestolpert war.

Gebleichte Skelettknochen lagen am Boden. Ein weißlich

schimmernder Totenschädel schien die Männer anzugrinsen.

Jeff Morgan hatte das Gefühl, daß sich seine Nackenhaare

aufrichteten.

Er wich erschrocken bis zur Höhlenwand zurück. Cooper

quälte sich ein Grinsen ab und hob seine Fackel wieder auf.

»Der tut nichts mehr«, zischelte er. »Ich möchte nur wissen,

wie er in die Höhle gekommen ist?«

»Sieh dir mal den Schädel genauer an, Cooper, dann wirst du

eine Einschußstelle mitten in der Stirn sehen. Der Mann wurde
ermordet und hier zurückgelassen. Das muß aber bereits vor
vielen Jahren geschehen sein.«

Glenn Morgan und Jeff Cooper starrten auf das Skelett,

wandten sich dann ab und setzten ihren Weg fort.

Schon bald geisterte der zuckende Lichtschein über Schutt,

Felsbrocken und Erdreich, das den Gang versperrte. Der
Höhleneingang war an dieser Stelle in sich

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zusammengebrochen.

Cooper und Morgan standen wie betäubt da.
Das war das Ende.
Hier gab es kein Vorwärtskommen mehr. Es sah aus, als

habe sie die Rache Cochises eingeholt.

*

Über eine Stunde war vergangen, seitdem Cochise in der Höhle
gewesen war. Nun zeigte der sonst so ruhige, ja, fast stoisch
wirkende Indianerhäuptling Nerven.

Es hielt ihn nicht mehr auf seinem Beobachtungsposten.

Gemeinsam mit dem Schwarzen Wolf trat er auf den
Höhleneingang zu. Das Feuer vor dem Eingang war erloschen.

Der Rauch im Innern der Höhle hatte sich gelichtet. Zum

Teil war er aus dem Höhleneingang herausgeweht, zum
anderen Teil mußte er tief in die Höhle hineingezogen sein.

Schwarzer Wolf blickte den Chiricahua forschend an.
»Was will Cochise tun?«
»Wir werden in die Höhle eindringen und nach den

Hellhäutigen sehen«, sagte der Indianer-Chief. »Vielleicht sind
sie bereits tot. Ich will nicht noch mehr Zeit verlieren. Und
sollten die Bleichgesichter noch am Leben sein, dann werde ich
mit ihnen abrechnen.«

Der junge Mescalero-Krieger nickte begeistert. Das war so

ganz nach seinem Geschmack. Er wollte sich bewähren. Und er
konnte sich keinen besseren Lehrmeister, als den legendären
Häuptling der Apachen vorstellen.

Schwarzer Wolf eilte davon, holte einen zundertrockenen Ast

und entfachte geschickt ein Feuer, in dem er die provisorische
Fackel entzündete.

Cochise und der Mescalero drangen in die Höhle ein. Der

vorderste Teil war fast ohne Rauch. Nun bemerkte auch der
Chiricahua den leichten Luftzug, der den Rauch immer tiefer in

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die Höhle hineinzog.

Cochises Gesicht wurde ernst. Auch er rechnete plötzlich mit

einem zweiten Ausgang. Das aber würde bedeuten, daß ihm die
Weißhäutigen entkommen waren. Dann wäre sein Plan
gescheitert.

Langsam schlichen die beiden Indianer vorwärts, hielten ab

und zu an und lauschten. Sie hofften, Schritte der Geflüchteten
zu vernehmen, doch sie wurden enttäuscht.

Cochises Gesicht wirkte im zuckenden Schein der Fackel

sorgenschwer. Trotzdem gab er nicht auf.

Der Mescalero-Krieger nickte zufrieden, als sie weiterliefen,

er hatte auch nicht erwartet, daß Cochise aufgeben würde. Auf
leisen Mokassins bewegten sich die Apachen vorwärts. Sie
wichen geschickt niedergestürzten Steinbrocken aus und sahen
immer wieder die Fußspuren der Weißen vor sich im Staub.

Schon bald wußte auch Cochise, daß er die Größe der Höhle

und die Länge des Ganges unterschätzt hatte, der immer tiefer
in das Bergmassiv hineinführte.

Manchmal wurden die Apachen von Rauchschwaden

eingehüllt, die noch nicht abgezogen waren. Unaufhaltsam
setzten sie ihren Marsch fort.

Cochise wollte eine Entscheidung erzwingen. Er hoffte, die

weißen Banditen einzuholen.

*

Nur langsam löste sich der Schock in Glenn Morgan und Jeff
Cooper. Noch immer standen sie vor dem Schuttberg, der hoch
bis zur Höhlendecke reichte.

Es sah wirklich so aus, als würde es hier kein

Vorwärtskommen mehr geben. Der Banditenboß klemmte den
brennenden Ast zwischen Steine und setzte sich auf einen
Felsbrocken.

»Willst du aufgeben?« fragte Morgan mürrisch. »Verdammt

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noch mal, Cooper, ich spüre den Luftzug immer noch. Es muß
einen Durchlaß geben.«

Glenn Morgan stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte

hoch zur Decke, dort, wo der Höhlengang in sich
zusammengestürzt war.

»Dort oben ist eine Öffnung, Cooper. Ich steige mal hoch.

Wir brauchen das Loch nur zu vergrößern. Vielleicht gelingt es
uns, später durchzuklettern.«

Neuer Mut erfaßte nun auch den Outlawboß. Er stemmte sich

auf die Beine und starrte auf Morgan, der sein Gewehr abgelegt
hatte und nun den Schuttberg hochzuklettern begann.

Schon nach wenigen Fuß Höhe gerieten Erdreich und Steine

ins Rutschen. Morgan konnte gerade noch rechtzeitig
abspringen, sonst wäre er unter den nachgebenden Erdmassen
begraben worden.

Eine riesige Staubwolke nahm den Banditen den Atem. Zum

Glück erlosch die Fackel nicht. Morgan stand bebend neben
Cooper. Er war so erschrocken, daß er nicht einmal fluchte.

Träge senkten sich die wirbelnden Staubmassen. Cooper und

Morgan sahen wie gepudert aus. Der Banditenboß griff nach
der Fackel und leuchtete das Hindernis an.

Dann stieß er einen Jubelschrei aus. Deutlich sah man eine

große Öffnung zwischen der Höhlendecke und dem Schuttberg.
Sie war groß genug, um einen menschlichen Körper
hindurchzulassen. Der Luftzug wurde stärker. Die frische Luft,
die von der anderen Seite hereinwehte, tat den Männern gut.

»Geschafft, Morgan«, flüsterte der Banditenboß. »Wir haben

Glück im Unglück. Deine Kletterei hat bewirkt, daß sich da
oben eine ganze Menge Schutt und Geröll gelöst hatte. Wir
werden durch das Loch kriechen. Der Ausgang kann nicht
mehr weit sein. Spürst du auch die frische Luft, Morgan?«

Glenn nickte nur, wischte sich mit dem Handrücken über

sein verschmutztes Gesicht und verzog sein Gesicht zu einer
Grimasse.

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»Nach dir, Cooper.« Er griente. »Diesmal überlasse ich dir

den Vortritt.«

Jeff Cooper zögerte, ehe ein Ruck durch seinen untersetzten

Körper ging.

»Okay«, sagte er. »Du wirfst mir mein Gewehr rüber, wenn

ich drüben bin. Drück mir die Daumen, damit auch alles
reibungslos abläuft.«

Jeff Cooper begann hochzuklettern. Mehrmals sah es aus, als

würde wieder alles ins Rutschen geraten. Es knirschte überall.
Vereinzelte Steine kollerten Morgan vor die Füße.

Der großgewachsene Bandit hielt den Atem an. Er hob die

Fackel vom Boden auf und hielt sie hoch, damit Cooper sehen
konnte, wohin seine Hände griffen.

Endlich hatte der Viehdieb den Rand des Geröllhaufens dicht

unterhalb der Höhlendecke erreicht. Seine Finger krallten sich
um eine große Felsspalte.

Nun mußte es sich entscheiden, ob es Cooper schaffte, sich

hochzuziehen und seinen Körper durch die Lücke in der
Schuttmauer zu schieben.

Jeff Cooper stöhnte und ächzte. Zoll für Zoll zog er sich

hoch, glaubte bald, keine Kraft mehr in den Armen zu haben.
Der Wille zu überleben trieb ihn vorwärts.

Sein Keuchen ging in ein Stöhnen über, als er sich immer

mehr in die Lücke zwängte. Dann blieb Jeff Cooper regungslos
liegen, schnappte keuchend nach Luft und fühlte eine
unsagbare Erleichterung in sich aufsteigen.

»Was ist los?« fragte Glenn Morgan ängstlich. »Steckst du

fest? Kann ich dir helfen?«

»Alles in Ordnung, Partner«, antwortete Cooper. »Ich schaffe

es, denn der Spalt ist breit genug. Hoffentlich haue ich mir den
Schädel nirgends ein, wenn ich auf der anderen Seite lande.«

Der Banditenboß schob sich weiter. Seine Hände tasteten ins

Leere. Dunkelheit lag vor ihm. Es war, als wäre er von einer
Sekunde zur anderen blind geworden.

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Jeff Cooper kroch vorwärts, griff mit den Händen nach

unten, um sich abzustützen, doch es war bereits zu spät. Er
bekam Übergewicht und rutschte los, schrammte über Steine
und Erdbrocken und landete recht unsanft am Boden.

Sein Schädel dröhnte wie eine Glocke, als er mit dem Kopf

gegen einen Felsbrocken krachte. Der Outlaw blieb regungslos
liegen und fühlte Staub und feine Sandkörnchen auf seiner
Zunge.

Die Schutthalde rutschte nicht nach, wie er zuerst befürchtet

hatte. Cooper vernahm die dumpfe Stimme seines Gefährten
von der anderen Seite des Ganges.

»Alles in Ordnung«, rief er. »Komm rüber. Moment, warte

noch einen Augenblick. Ich will mal sehen, ob ich ein Feuer
anzünden kann, damit du etwas siehst. Und du solltest auch
unsere Gewehre nicht vergessen. Die brauchen wir bestimmt
noch, um uns die verdammten Rothäute vom Hals zu halten.«

Es war wohl mehr Glück, daß Cooper ein paar Äste fand. Er

zündete sie an. Die gespenstische Dunkelheit wich huschenden
und tanzenden Mustern, die von den zuckenden Flammen ins
Leben gerufen wurden.

»Ich komme rüber«, schrie Glenn Morgan. »Zuerst schiebe

ich die Gewehre durch die Lücke. Fang sie auf, Cooper.«

*

Cochise und Schwarzer Wolf liefen noch immer dem
Höhlengang entlang. Der Chiricahua hatte manchmal den
Eindruck, daß der Stollen kaum merklich einen Bogen machte.

Die beiden Indianer stockten, als sie das Skelett am Boden

liegen sahen. Furchtlos traten sie näher. Der zuckende
Lichtschein der Fackel geisterte über die gebleichten Knochen.

Cochise nickte leicht. Sie setzten die Verfolgung fort. Die

Rauchschwaden hatten sich fast ganz verflüchtigt. Auch fühlte
der Apachen-Häuptling, daß der Luftzug stärker geworden war.

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Einige Minuten später erreichten die Apachen den

Schuttberg, der im ersten Moment unüberwindbar erschien.
Vergebens hielt Cochise nach den weißen Banditen Ausschau.

Er entdeckte die Lücke oben an der Decke. Sein Gesicht

verzog sich unwillig. Nun glaubte auch er, daß die Banditen
eine gute Chance hatten, aus dem Höhlenlabyrinth zu
entkommen.

Die beiden Indianer lauschten, konnten jedoch keine

Geräusche auf der anderen Seite des Ganges vernehmen.

Cochise kletterte die Geröllhalde hoch. Er bewegte sich

leichtfüßig. Kaum ein Steinchen kullerte zu Boden. Der
Chiricahua-Chief erreichte die andere Seite und blieb
lauschend stehen.

Er hielt seine Winchester schußbereit. Schwarzer Wolf folgte

ihm und brachte auch die Fackel mit. Deutlich sahen die
Indianer die Fußspuren im knöcheltiefen Staub des
Höhlenganges.

»Die weißhäutigen Bastarde werden Cochise nicht

entkommen«, versuchte Schwarzer Wolf den Jefe zu
ermutigen.

Cochise lächelte sanft, nickte und lief los. Er wußte nicht,

wie groß der Vorsprung der Banditen war. Er selbst hatte
draußen im Tal zu lange gewartet.

Es schien, als würde sich dieses Zögern nun bitter rächen.

Trotzdem gab Cochise nicht auf.

*

Jeff Cooper nickte zufrieden, als Glenn Morgan dicht vor
seinen Füßen landete und dabei wie ein Mulitreiber fluchte.
Der Outlaw klopfte sich Schmutz und Staub aus der Kleidung
und griff sich dann eines der Gewehre.

Sein Gesicht hellte sich nun auf. Grinsend nickte er seinem

Partner zu. »Hoffentlich gibt es nicht noch mehr solche

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Einbruchstellen im Höhlengang. Vorwärts, Cooper. Dieser
Höllenhund von Cochise wird uns bestimmt schon auf den
Fersen sein. Der hat lange genug vor der Höhle gelauert.«

Die beiden Banditen liefen weiter.
Plötzlich stockten beide mitten im Schritt, als wären sie

gegen ein unsichtbares Hindernis gelaufen. Sie starrten auf die
Stollenwand und trauten ihren Augen nicht.

»Heiliger Rauch«, flüsterte Jeff Cooper andächtig. »Das gibt

es doch gar nicht.«

Glenn Morgans Gesicht rötete sich. Er plusterte die Backen

auf, ehe er zischend aufschnaufte.

Langsam traten die Outlaws näher.
»Gold«, murmelte Morgan. »Adergold. Es gibt diese

Goldmine also wirklich. Es ist kein Hirngespinst gewesen. Sieh
nur genau hin, Cooper. Und dann solltest du es nicht mehr
wagen, mich einen verdammten Narren zu schimpfen.«

Cooper starrte auf die Wand. Dick wie Männerarme zogen

sich mehrere Goldadern durch das Gestein. Sie erinnerten an
erstarrte Blitze.

An einigen Stellen waren Goldbrocken herausgebrochen

worden. Das aber mußte schon vor langer Zeit geschehen sein.
Staub und Spinnenweben deuteten darauf hin.

Glenn Morgan tastete über das gelbe Metall. Sein Gesicht

hatte einen entrückten Ausdruck angenommen. Coopers
Stimme holte ihn wieder in die Gegenwart zurück.

»Wir müssen erstmal raus aus diesem verdammten Loch«,

stieß er hervor. »Wenn wir Cochise getötet haben und auch
seine Begleiter, dann können wir die Goldmine ausbeuten.
Vorerst aber müssen wir unsere Haut retten.«

Er zupfte Morgan am Ärmel, der noch immer regungslos

dastand, als habe er Coopers Worte nicht verstanden.

Der Bandit nickte plötzlich. »Wir besiegen diesen Apachen-

Bastard und holen uns dann das Gold. Nun ist alles doch nicht
umsonst gewesen.«

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Glenn Morgan folgte dem Banditenboß, der weiterlief, die

Angst im Nacken, von den Verfolgern eingeholt zu werden. Er
wollte es lieber im Freien auskämpfen, falls es einen Ausgang
gab und sich alles nicht als ein Trugschluß herausstellte.

Die Banditen hasteten weiter. Die Luft, die ihnen

entgegenwehte, wurde immer frischer. Einmal blieben sie
stehen und lauschten. Es schien ihnen, als hörten sie Schritte
hinter sich.

Morgan hob das Gewehr. Seine Lippen zuckten.
»Nicht schießen!« fauchte Cooper.
»Willst du, daß hier alles zusammenbricht?«
Morgan senkte den Lauf der Winchester. Er blickte auf die

Fackel in Coopers Hand, die ziemlich niedergebrannt war und
schon bald verlöschen mußte.

Sie liefen weiter, hofften von ganzem Herzen, Tageslicht zu

sehen und einen Ausgang zu finden, der ihnen die Rettung
bringen würde.

Minuten vergingen.
Kein größeres Hindernis stellte sich den flüchtenden Outlaws

mehr in den Weg. Ihre stampfenden Schritte klangen hohl von
den Höhlenwänden zurück. Der keuchende Atem erfüllte die
unheimliche Stille, die die Banditen umgab.

Die Fackel verlöschte plötzlich. Dunkelheit hüllte die

Männer ein. Morgan versuchte zwar, den Rest des Aststumpfes
nochmals anzuzünden, doch es gelang nicht.

»Wir müssen es so versuchen«, knurrte Morgan wütend.

»Mehr als den Schädel einrennen können wir uns nicht.«

Die Outlaws liefen weiter. Immer wieder stolperten sie über

Steinbrocken oder knallten gegen Felszacken, die tief in den
Gang ragten. Sie fluchten und tobten, gaben aber nicht auf.

Jeff Cooper zwinkerte plötzlich, als er einen vagen

Lichtschein in der Ferne sah. Die Helligkeit nahm bereits nach
wenigen Yards zu und wies den beiden Outlaws den Weg.

»Geschafft«, schrie Morgan und sprang vor Freude in die

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Luft. Er hätte es lassen sollen, denn er holte sich eine weitere
Beule an einem vorspringenden Felsen.

Fluchend folgte er Cooper, der nun dahinjagte, als wäre er

noch völlig frisch und munter. Der Banditenboß jubelte, als er
den Höhlenausgang erreichte und ins Freie spähte.

Sein Gesicht verzog sich vor Überraschung. Auch Glenn

Morgan staunte nicht schlecht, als er den Talkessel vor sich
liegen sah, von wo aus ihr Ausflug begonnen hatte.

Sie erkannten sogar ihre Pferde und auch die beiden

Mustangs ihrer Gegner. Der Höhleneingang, durch den sie das
Bergmassiv betreten hatten, lag ungefähr hundert Yards
entfernt. Die beiden Höhleneingänge waren miteinander
verbunden.

Von Cochise und anderen Indianern konnten die weißen

Banditen nichts entdecken. Sie glaubten nun noch mehr, daß
die Rothäute ihnen durch das Höhlenlabyrinth folgten.

»Los, zu den Pferden«, krächzte Morgan. »Wir hauen ab.«
Er lief los. Cooper holte ihn schon nach wenigen Schritten

ein und schrie zurück: »Wir suchen uns ein gutes Versteck,
Morgan. Cochise wird bald auftauchen. Wir haben leichtes
Spiel mit ihm. Wenn er aus dem Höhlengang raus will, knallen
wir ihn ab. Das höllische Spielchen ist ins Gegenteil
umgeschlagen. Nun sitzen wir am Drücker.«

Morgan blieb stehen und nickte heftig.
»Du hast recht, Cooper. Verdammt, das ist unsere große

Chance. Nun haben wir den roten King in der Falle.«

Die Outlaws suchten sich gute Deckungsmöglichkeiten, von

denen aus sie beide Höhleneingänge im Auge behalten
konnten. Sie konzentrierten sich aber auf den Mineneingang,
aus dem sie selbst vor wenigen Minuten getreten waren.

Sie wollten Cochise nun alles zurückzahlen. Mit Zins und

Zinseszins, wie es Cooper ausdrückte. Morgan hatte zwar nicht
die geringste Ahnung, was das bedeutete, doch er nickte.

Sein Haß auf den Apachenhäuptling war so groß, daß er alles

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akzeptierte, was Cochise schaden würde.

*

An der Goldader waren Cochise und Schwarzer Wolf nur kurz
verweilt, ehe sie weiterliefen. Der Häuptling der Chiricahuas
hatte von dem Gold nichts gewußt.

Er kannte aber die Gier der Bleichgesichter. Sie würden auf

den goldenen Segen unter keinen Umständen verzichten
wollen. Und dazu gehörte es, daß er und Schwarzer Wolf
starben und das Geheimnis mit in die Ewigen Jagdgründe
nahmen.

Cochises Herzschlag beschleunigte sich leicht, als er den

Lichtschein vor sich erkannte. Schwarzer Wolf löschte die
primitive Fackel und legte einen Pfeil auf die Sehne seines
Kriegsbogens.

Auch Cochise hielt sein Gewehr schußbereit. Er ahnte, daß er

und der Mescalero nun in der Falle saßen, sollten die Banditen
draußen vor dem Höhleneingang lauern.

Und wie er diese weißen Bastarde einschätzte, lagen sie

hinter sicherer Deckung und warteten nur darauf, einen
Bleihagel loslassen zu können, um ihn und Schwarzer Wolf zu
töten.

Cochise deutete dem Mescalero an, zurückzubleiben. Er

selbst legte sich auf den staubigen Boden und kroch langsam
auf den Höhleneingang zu.

Obwohl Cochise vorsichtig ins Freie spähte, wimmerten

sofort die ersten Kugeln heran, die klatschend gegen die
Stollenwand flogen. Der Häuptling der Apachen zog seinen
Kopf zurück.

»Narren«, murmelte er. »Was seid ihr Bleichgesichter nur für

Schwachköpfe. Ich an eurer Stelle hätte nicht sofort gefeuert,
sondern euch erst rauskommen lassen.«

Cochise kroch einig Yards zurück. Schwarzer Wolf kauerte

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sich neben dem Jefe nieder. Sein Blick drückte Sorge aus.

»Nun sitzen wir in der Falle, Schwarzer Wolf«, raunte

Cochise. »Niemand von uns konnte ahnen, daß wir wieder in
diesem Talkessel herauskommen würden. Als die
Bleichgesichter uns außerhalb nicht sahen, haben sie
angenommen, daß wir ihnen durch den Gang folgen würden.«

Der Mescalero nickte verstehend. »Was wird Cochise

unternehmen?«

Der Chiricahua antwortete nicht gleich. Obwohl sein Gesicht

unbewegt blieb, jagten sich seine Gedanken hinter der hohen
Stirn. Dann sagte er: »Ein Ausbruchversuch würde für uns
beide den sicheren Tod bedeuten. Wir müssen abwarten.
Vielleicht geben die Bleichgesichter auf und reiten weiter.«

Cochise glaubte selbst nicht an diese Möglichkeit. Seine

Worte sollten den jungen Krieger beruhigen. Er sah den
skeptischen Blick von Schwarzer Wolf.

»Die Schüsse werden gehört. Späher und Kundschafter der

Mescaleros durchstreifen das Land, um Beute für den
Jagdtrupp von Yemaspi aufzustöbern. Die tapferen Krieger der
Mescaleros werden Cochise und Schwarzer Wolf zu Hilfe
eilen.«

Cochise nickte nur, obwohl ihm dies nicht gefiel. Er wollte

nicht schon wieder auf die Hilfe von Yemaspi angewiesen sein,
nachdem er von dessen Kriegern schon einmal aus einer
gefährlichen Situation befreit worden war. Außerdem hatte er
das Angebot, ihm zu helfen, erst vor kurzer Zeit abgelehnt.

»Cochise wird es auch so gelingen, die weißhäutigen

Eindringlinge zu vertreiben«, fügte Schwarzer Wolf hinzu, als
er den abweisenden Blick des Apachen-Häuptlings sah.

Cochise lächelte.
»Wir werden die Bleichgesichter besiegen. Wenn sich erst

die Schatten der Nacht niedersenken, ist unsere Chance
gekommen. Dann werden die Weißhäute blind und taub sein.«

Morgan und Cooper hatten längst das Feuer eingestellt, um

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Muniton zu sparen. Cochise näherte sich erneut dem
Höhlenausgang und spähte hinaus.

Diesmal ging er geschickter vor und wurde von den weißen

Outlaws nicht entdeckt. Der Chiricahua überlegte, ob er einen
Ausbruch wagen sollte, verwarf dann aber diesen Gedanken,
denn das Risiko, getroffen zu werden, war einfach zu groß.

Er sah die Köpfe der Bleichgesichter für einen Moment

hinter grauen Felstrümmern auftauchen. Es war Glenn Morgan,
der den Apachen entdeckte und sofort zu schießen begann.

Cochise zog sich zurück. Er würde abwarten, bis sich eine

günstige Gelegenheit bot. Jetzt alles auf eine Karte zu setzen,
erschien dem Häuptling der Apachen nicht ratsam.

*

Glenn Morgan fielen immer wieder die Augen zu. Verzweifelt
kämpfte er gegen die Müdigkeit an, die wie schleichendes Gift
durch seinen Körper kroch.

Jeff Cooper erging es nicht anders. Der Banditenboß gähnte

mehrmals hintereinander und zeigte dabei seine nikotingelben
Zähne, die an das Gebiß eines Pferdes erinnerten.

»Einer von uns sollte eine Runde schlafen«, sagte Cooper

dann. »Es genügt, wenn du oder ich den Höhleneingang
beobachten.«

Glenn Morgan nickte zustimmend. »Okay, Cooper, ich

wecke dich in zwei Stunden. Und falls sich dort drüben etwas
tut, wirst du schon aufwachen, wenn ich zu schießen beginne.«

Cooper ließ sich das nicht zweimal sagen. Sekunden später

schloß er die Augen und fing auch bald an zu schnarchen, daß
es Morgan kalt über den Rücken lief.

Der großgewachsene Bandit spähte immer wieder zu den

beiden Höhleneingängen hinüber. Dort rührte sich nichts. Es
schien, als hätten sich die Rothäute in Luft aufgelöst.

Die Hitze und die Müdigkeit setzten dem Outlaw immer

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mehr zu. Außerdem verspürte er Hunger und Durst, traute sich
aber nicht, zu den Pferden zu schleichen.

Zwei Stunden vergingen. Morgans Aufmerksamkeit ließ

immer mehr nach. Vielleicht war es Zufall, daß er den Indianer
sah, der aus dem Stollengang spähte und herausschleichen
wollte.

Glenn Morgan schoß zu überhastet. Seine Kugeln fehlten.

Der Apache verschwand wieder in der Dunkelheit des Stollens.

Cooper fuhr hoch, als wäre er von einer Klapperschlange

gebissen worden. Im ersten Moment wußte er überhaupt nicht,
wo er sich befand. Mit dem irren Ausdruck in den Augen und
dem weit aufgerissenen Mund bot der Banditenboß einen
grotesken Eindruck.

»Was – was ist?« keuchte er und griff nach seiner

Winchester. »Hast du…«

Jeff Cooper richtete seinen Oberkörper auf.
»Einer der Bastarde wollte die Höhle verlassen«, sagte

Morgan. »Ich habe ihn zurückgetrieben. Nun bist du dran,
Cooper. Die zwei Stunden sind um. Ich kann kaum noch die
Augen aufhalten.«

»Okay, Morgan, nimm eine Mütze voll Schlaf. Ich passe

schon auf, daß keiner dieser stinkenden Rothäute verschwindet,
um uns dann an die Kehle zu fahren.«

Es dauerte nicht lange, dann schnarchte Glenn Morgan nicht

weniger lautstark. Cooper hatte die Pause gutgetan. Er
beobachtete voller Konzentration die Höhleneingänge.

Zwei Stunden später weckte er Morgan, der ihn verschlafen

ansah und das Gesicht verzog.

»Ich habe doch erst gerade vor einer Sekunde die Augen

zugemacht«, behauptete er. »Ich finde es nicht fair, mich so
schnell wieder aufzuwecken.«

»Sieh dir mal den Stand der Sonne an, du Penner. Du hast

über zwei Stunden geschlafen. Schleich dich zu den Pferden
und hole Wasser und Proviant. Laß dich aber von den Apachen

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nicht abknallen. Denen wird es gewaltig stinken, daß sie nichts
zu kauen und zu trinken haben. Es dauert bestimmt nicht mehr
lange, bis sie aus ihrem Mauseloch hervorgekrochen
kommen.«

Die Sonne verglühte an den Rändern des Talkessels. Die

Schatten wurden länger.

Jeff Cooper und Glenn Morgan hatten es sich schmecken

lassen und auch ihren Durst gestillt. Als sich die Dunkelheit
herantastete, verzog Morgan sein Gesicht zu einer verzerrten
Grimasse.

»Es wird gleich dunkel sein, Cooper. Wir sollten

verschwinden, ehe dieser Cochise über uns herfällt. In der
Dunkelheit können wir einen Ausbruch nicht verhindern.
Dieser Cochise hat nur so lange gewartet, bis er gefahrlos die
Höhle verlassen kann. Wir können uns nicht anschleichen und
davor ein Feuer entfachen.«

»Daran habe ich auch gedacht, Morgan. Wir müssen wirklich

verschwinden. Das wollte ich im Schutz der Dunkelheit tun.
Wir nehmen die Mustangs der Apachen mit. Dann ist an eine
Verfolgung nicht mehr zu denken.«

Jeff Cooper grinste tückisch.
»Wir lassen ein wenig Gras über alles wachsen und holen

uns in ein paar Wochen oder Monaten das Gold. Bis dahin hat
uns dieser Cochise längst vergessen. Mit dem Gold, das wir bei
dem Indianer gefunden haben, kommen wir für einige Zeit über
die Runden. Na, bist du mit meinen Vorschlägen
einverstanden?«

»Okay, Cooper«, antwortete der Outlaw. »Ich bin heilfroh,

wenn wir erst das Apachengebiet hinter uns gelassen haben. So
locker hat mein Skalp noch nie gesessen.«

Die Banditen schlichen zu den Pferden und zogen sich in die

Sättel. Die Dunkelheit war inzwischen so dicht geworden, daß
sie selbst nicht mehr viel sahen, aber auch kaum gesehen
wurden.

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Sie ritten auf die beiden Mustangs zu, die wieherten,

schnaubten und auf den Hufen tänzelten.

*

»Es ist soweit«, flüsterte Cochise und nahm sein Gewehr vom
Boden auf. »Die Weißhäutigen fliehen. Sie haben nicht den
Mut, bei Dunkelheit auf uns zu lauern.«

Der Chiricahua lächelte düster, als er auf den Ausgang der

Höhle zuschlich. Schwarzer Wolf folgte ihm dicht auf den
Fersen. Die Apachen spähten ins Freie und sahen die
Bleichgesichter auf ihre Pferde zulaufen.

Cochise preßte sein Gewehr an die Wange, ließ es dann aber

wieder sinken. Die Entfernung war bei den widrigen
Lichtverhältnissen bereits für einen sicheren Schuß zu groß
geworden.

Cochise und der Mescalero-Krieger sprangen ins Freie.

Beide waren froh, die Höhle verlassen zu können. Sie eilten auf
ihre Mustangs zu, die grell wieherten, als sich die Banditen
ihnen näherten.

Cochise blieb plötzlich stehen und jagte Kugel um Kugel zu

den Hellhäutigen hinüber. Er konnte es unter keinen
Umständen zulassen, daß die Weißen die Mustangs
mitnahmen, oder zusammenschossen, was er den Outlaws
zutraute.

Cochise hoffte, mit seinen Schüssen die Banditen zu

vertreiben. Er rechnete mit der Angst der Bleichgesichter.

Der Apachen-Häuptling behielt recht. Als die ersten Schüsse

aufpeitschten und die Berghänge den rollenden Donner
zurückwarfen, jagten Glenn Morgan und Jeff Cooper davon.

Sie erreichten den Talausgang, wandten sich nicht mehr in

den Sätteln um, sondern trieben die Tiere nochmals brutal mit
den Sporen an.

Die Hufschläge verklangen. Die Indianer liefen auf die

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Pferde zu, die sich beruhigten, als sie die vertraute Witterung
aufnahmen. Schwarzer Wolf wollte sich auf den Pferderücken
schwingen und sofort losreiten, doch Cochise hielt den jungen
Krieger mit einer befehlenden Handbewegung zurück.

»Ich schleiche mich aus dem Tal, Schwarzer Wolf. Es könnte

sein, daß die Bleichgesichter uns einen Hinterhalt gelegt haben.
Wenn du den dreimaligen Schrei eines Nachtfalkens
vernimmst, kannst du mir folgen.«

Cochise schlich los, näherte sich schnell dem Canyon, durch

den er sich vorsichtig schob. Von den Pferden der
Weißhäutigen aufgewirbelter Staub hing noch in der Luft. So
wußte Cochise, daß die Outlaws nicht mehr in der Schlucht
steckten.

Bald ließ er den Canyon hinter sich, huschte von Deckung zu

Deckung und stellte bald fest, daß die Bleichgesichter die
Flucht ergriffen hatten.

Es dauerte nur kurze Zeit bis Schwarzer Wolf angeritten

kam, nachdem Cochise den Vogelschrei ausgestoßen hatte.

Der Chiricahua-Chief und auch der Mescalero-Krieger

erfrischten sich aus einem Wassersack. Der Durst hatte ihnen
im Innern der Höhle sehr zugesetzt.

»Was wird Cochise nun unternehmen?« fragte Schwarzer

Wolf. »Wird er die Bleichgesichter verfolgen?«

»Ich habe keine andere Wahl, Schwarzer Wolf. Sie haben das

Gold in der Mine gesehen. Und wenn sie es weitererzählen,
werden viele hundert weiße Männer in das Land der Apachen
einfallen und nicht nur hier, sondern auch im weiten Umkreis
nach dem gelben Metall zu suchen beginnen. Die
Bleichgesichter werden sich wie Maulwürfe in die Berge
graben, unser Wild abschießen und Jagd auf jeden meiner
Krieger machen. Den ersten hundert Diggern werden Tausende
weitere folgen. Viel Blut würde fließen. Das ist es aber nicht
allein. Ich habe diesen beiden Männern blutige Rache
geschworen. Es sind schlechte weiße Männer, die sogar von

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ihren Artgenossen gesucht und gejagt werden. Sie sind wie
eine schlimme Krankheit, die ausgerottet gehört.«

Schwarzer Wolf nickte und blickte den Häuptling der

Apachen fragend an.

»Ich danke dir für deine Hilfe, Schwarzer Wolf. Ich verdanke

dir sehr viel. Reite deines Weges und grüße Yemaspi von mir.«

Der Mescalero-Apache senkte den Kopf. Cochise sah ihm an,

daß er gern mit ihm geritten wäre. Aber der Chiricahua-Chief
wollte mit den beiden geflüchteten Bleichgesichtern allein
abrechnen.

Cochise hob seine Hand zum Gruß. Schwarzer Wolf ritt

davon, nicht ohne Cochise viel Glück auf seinem Rachetrail zu
wünschen. Einige Minuten später nahm Cochise die
Verfolgung auf.

Er durfte Glenn Morgan und Jeff Cooper nicht entkommen

lassen. Das war er sich, seinem Ruf und seiner Ehre schuldig.

*

»Wir hätten auf die Mustangs schießen sollen«, sagte Jeff
Cooper viele Stunden später. »Das ist unser Fehler gewesen.
Nun folgt uns dieser verdammte Cochise schon wieder. Der
Kerl läßt nicht locker, auch wenn wir unsere Pferde noch mehr
zuschanden reiten.«

Morgan sah sich unbehaglich um.
Seit Stunden befanden sich die beiden Banditen wieder auf

der Flucht. Und im ersten Morgengrauen hatten sie den
Verfolger auf ihren Fährten entdeckt.

»Ich habe auch nicht daran gedacht, auf die Indianerpferde

zu feuern«, gab Morgan mürrisch zurück. »Verdammt noch
mal, wir laufen schon wieder wie die Hasen davon. Es muß
doch möglich sein, mit einer einzigen Rothaut fertig zu
werden.«

Der untersetzte Banditenboß zügelte sein erschöpftes Pferd,

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wischte sich mit dem Handrücken über die Bartstoppeln und
blickte auf das hinter ihm liegende Gelände.

Von dem Verfolger war nichts zu sehen. Die

unübersichtliche und romantische Bergwildnis der Peloncillo
Mountains bot genügend Deckungsmöglichkeiten, um einen so
erfahrenen Kämpfer wie Cochise ausreichend Schutz gegen die
Blicke seiner Gegner zu bieten.

»Die Pferde benötigen eine Pause«, sagte Morgan

schleppend. »Außerdem gehen unsere Wasservorräte zur
Neige. Bis nach San Jose sind es noch viele Meilen. Außerdem
besteht die Gefahr, anderen Apachenrudeln über den Weg zu
reiten.«

»Hör mit deine verdammten Unkerei auf«, stieß Jeff Cooper

böse hervor. »Sag mir lieber, wie wir diesen Cochise in die
Ewigen Jagdgründe schicken? Eine noch längere Hetzjagd
stehen wir einfach nicht durch.«

»Wir können ihm nur eine Falle stellen«, entgegnete Morgan.

»Es ist natürlich ungewiß, ob dieser Indianer-King auf einen
Hinterhalt hereinfällt. Der Bursche ist clever und gerissen. Wir
haben ihn schon zu oft unterschätzt. Mann, o Mann, wenn ich
daran denke, daß wir ihn in unserer Gewalt hatten, dann könnte
ich verrückt werden. Wir wären fein raus, wenn wir ihn damals
umgelegt hätten.«

»Wenn, wenn, wenn«, äffte Cooper die Stimme seines

Banditenfreundes nach. »Okay, Morgan, wir müssen in den
bitteren Apfel beißen und Cochise einen Hinterhalt legen. Wir
reiten weiter und suchen uns einen geeigneten Platz. Es wird
uns schon gelingen.«

Jeff Cooper lächelte siegessicher und trieb sein müdes Pferd

an, das sich nur widerwillig in Bewegung setzte und keuchende
Laute ausstieß.

Morgans Wallach erging es nicht viel besser. Die beiden

Pferde waren an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angelangt. Sie
würden eine noch längere Hetzjagd nicht mehr durchstehen.

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*

Cochise ritt auf den Fährten der beiden Banditen. Er kannte
weder gegen sich noch gegen seinen Mustang die geringste
Schonung. Er wollte so schnell wie möglich den
unvermeidbaren Kampf hinter sich bringen und dann wieder zu
seinem Stamm zurückreiten.

Er dachte an die vielen ungelösten Probleme, die ihn und die

Chiricahuas betrafen. Viel konnte in den vergangenen Wochen
und Tagen geschehen sein. Außerdem fragte er sich, wie es
seinem Sohn Naiche ging, der von Morgan, Cooper und den
anderen weißen Banditen so übel zugerichtet worden war.

Der Häuptling der Apachen wußte aber auch, daß John

Haggerty, den er den Falken nannte, seinen Sohn wohlbehalten
in die Apacheria zurückbringen würde.

Die dunklen Schleier der Nacht trübten sich, wurden schnell

zu einem milchigen Grau und ließen die Konturen der
Bergwildnis deutlicher werden.

Bald zeigten sich die ersten Lichtexplosionen im Osten, die

einen neuen Tag verkündeten. Es wurde nun rascher hell.
Bodennebel waberten zwischen Felsen, Büschen und Bäumen,
ehe die ersten Sonnenstrahlen hineinstachen. Schon bald waren
die Nebelschwaden verschwunden. Goldener Sonnenschein
legte sich über das Land. Der Himmel wurde immer blauer.
Kein Wölkchen zeigte sich.

Cochise orientierte sich, tätschelte seinem Pferd den

schweißigen Hals und ritt dann auf eine Felsformation zu, der
Wildapfelbäume und Pinien vorgelagert waren.

Er fand die Wasserstelle sehr schnell, an der die beiden

flüchtenden Banditen vorbeigeritten waren.

Es war nun einmal Cochises großer Vorteil, dieses Land gut

zu kennen. Er erfrischte sich selbst vom klaren Quellwasser
und rieb sein Pferd erst trocken, ehe er es zur Wasserstelle
führte.

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Der Mustang trank verhalten, wußte instinktiv, daß ein zu

schnelles Saufen ihm nur schaden würde. Cochise legte sich in
den Schatten eines Felsens und schlief eine Stunde.

Anschließend trank er nochmals, füllte seinen fast leeren

Wassersack und fand auch bald wieder die Hufspuren der
Banditenpferde. Erfrischt und ausgeruht trabte sein Pferd
dahin. Die Wasseraufnahme wirkte Wunder bei dem Mustang.

Die verlorene Stunde holte Cochise schnell wieder auf, denn

er sah an den Fährten, daß die Bleichgesichter nur langsam
vorwärtskamen, immer wieder anhielten und größere Pausen
einlegten.

Zwei oder drei Meilen liefen die Outlaws neben ihren

Pferden her, um die Tiere zu schonen.

Eine weitere Stunde später konnte der Apachen-Chief seine

beiden Gegner vor sich entdecken. Sie ritten im Schritt auf ein
Tal zu, das einen Bergrücken wie ein Axthieb kerbte.

Cochise trieb seinen Mustang nochmals an, der sich auch

willig streckte. Es gab ausreichend Deckungsmöglichkeiten,
um von den Outlaws nicht gesehen zu werden.

Morgan und Cooper verschwanden in dem Taleinschnitt.

Eine halbe Meile vor dem Eingang des Valleys sprang Cochise
vom Pferderücken, ließ das Tier zurück und schlich auf den
Taleingang zu.

Er rechnete damit, daß die Banditen ihm einen Hinterhalt

legen wollten. An eine längere Flucht der beiden war nicht
mehr zu denken, dazu waren die Pferde zu sehr erschöpft.

Der Häuptling der Chiricahuas nutzte jede

Deckungsmöglichkeit und näherte sich schnell dem Tal. Einige
Yards vor dem Einschnit in den Bergrücken blieb Cochise
regungslos liegen.

Scharfäugig beobachtete er das vor ihm liegende Gelände,

konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. Und doch fühlte
der erfahrene Krieger instinktiv, daß ihm Gefahr drohte.

Die beiden Bleichgesichter mußten sich wie in die Enge

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getriebene Wölfe fühlen, die sich wehren mußten, um noch
eine kleine Chance des Überlebens zu haben.

*

»Wir müssen durch dieses Tal«, sagte Jeff Cooper. »Ich bin
hier schon einmal vor einigen Jahren durchgeritten. Auch
damals wurden wir von Apachen verfolgt. Wir waren aber ein
Dutzend harter Burschen, die den Rothäuten so viel Blei zu
schmecken gaben, daß sie es bald aufgaben, hinter uns
herzujagen.«

Der Banditenboß grinste, ehe sein Lächeln schnell

verwischte. Er dachte an die jetzige Situation, die alles andere
als erfreulich war und nur mit einer Niederlage enden konnte,
wenn sie sich nicht wie der Teufel wehrten.

Glenn Morgan drehte sich im Sattel um. Aus

zusammengekniffenen Augen suchte er das hinter ihm liegende
Gelände nach dem Verfolger ab, konnte aber niemanden
entdecken.

»Vielleicht hat dieser verdammte Cochise aufgegeben«,

sagte er hoffnungsvoll. »Wir haben ihn seit Stunden nicht mehr
gesehen. Was kann ihm noch groß daran liegen, unsere Skalps
zu holen?«

Jeff Cooper sah seinen Gefährten an, als habe er einen

Narren vor sich. »Cochise gibt nicht auf, Morgan. Einmal hat
er uns die Sache mit dem gefangenen Indianer nicht verziehen
und zweitens weiß auch er, daß wir die Goldmine entdeckt
haben. Er will verhindern, daß wir mit einer starken
Mannschaft zurückreiten, um die Mine auszubeuten. So sieht
es aus. Außerdem geht es um die Ehre des Apachen-Chiefs. Er
muß uns vernichten, denn wir haben ihn öfters in große Nöte
gebracht. Das ist er sich und seinen Kriegern schuldig. Wenn
du ein wenig nachdenkst, wirst du meiner Meinung sein.«

Glenn Morgan antwortete nicht. Die beiden Männer ritten ins

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Tal hinein, hielten sich nach rechts und zügelten die Pferde auf
einer Lichtung inmitten einer Waldinsel.

»Was hast du vor?« fragte Morgan.
»Wir veranstalten ein Picknick, saufen uns voll und suchen

uns noch ein paar Squaws, mit denen wir uns prächtig
amüsieren werden«, antwortete der Banditenboß sarkastisch.
»Du bist doch schlimmer behämmert, als ich angenommen
habe, Morgan. Wir schleichen natürlich zum Taleingang
zurück und warten auf diesen Cochise. Vielleicht gelingt es
uns, ihn mit einigen Kugeln zu erledigen.«

Glenn Morgan knirschte mit den Zähnen. Er fühlte sich

mächtig auf den Arm genommen. Ihm blieb keine andere
Wahl, als seinem Partner zu folgen, der sein Gewehr aus dem
Scabbard gezogen hatte und auf den Taleinschnitt zulief.

Morgans Atem keuchte, als er Cooper erreichte.
»Wir klettern die Anhöhe hoch. Dort oben ragen einige

Felsbrocken hervor, die uns gute Deckung bieten werden.
Außerdem gibt es genügend Büsche und auch Bäume. Dann
brauchen wir nur abzuwarten, ob sich der Apachen-King
blicken läßt. Hast du vielleicht einen besseren Vorschlag,
Morgan?«

Der großgewachsene Bandit war noch immer beleidigt. Er

brummte etwas, das Jeff Cooper nicht verstehen konnte. Die
Outlaws erreichten nach wenigen Minuten den Bergsattel, von
dem sie einen guten Ausblick auf das vor dem Tal liegende
Gelände hatten.

Sie waren wie in Schweiß gebadet und schnauften. Durst

brannte in ihren Kehlen. Längst waren die Wasserflaschen bis
auf die letzten Tropfen geleert worden.

Das mit Bodenwellen durchzogene Gelände lag ruhig vor

ihnen. Es gab viele Büsche, Bäume und Kakteen. An einigen
Stellen war das Gras kniehoch.

»Wenn sich der rothäutige Bastard anschleicht, sieht es

schlecht für uns aus«, sagte Jeff Cooper. »Dieser Cochise ist

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mit allen Wassern gewaschen. Wir müssen höllisch aufpassen,
damit wir ihn entdecken, sollte er wie ein Puma angekrochen
kommen.«

»Nun fängst sogar du mit dieser verdammten Unkerei an«,

sagte Morgan nicht gerade begeistert. »Okay, okay, okay, wir
werden dem roten Halunken einheizen, daß ihm Hören und
Sehen vergeht. Von hier oben können wir ihn überhaupt nicht
verfehlen. Und sehen werden wir ihn rechtzeitig, denn noch
kann sich dieser Bursche nicht unsichtbar machen.«

Voller Konzentration hielten die Banditen Ausschau, hofften,

daß der Apachenhäuptling nichtsahnend angeritten käme und
sie mit einigen Schüssen wie einen Hasen abschießen konnten.

Sie ahnten aber insgeheim, daß sich Cochise eine derartige

Blöße nicht geben würde.

*

Cochise schlich noch näher an den Taleingang heran. Sein
Gesicht wirkte wie versteinert. Fest schraubten sich seine
Hände um den Schaft seines Gewehres.

Nun blieb er in einer Bodenwelle liegen, die von

Mesquitebüschen umsäumt wurde. Er blickte zuerst in den
Taleinschnitt und ließ dann seinen Blick an den beiden
Berghängen emporgleiten.

Dort irgendwo mußten die Bleichgesichter lauern, sollten sie

ihm einen Hinterhalt legen wollen.

Cochise blieb einige Minuten liegen, ehe er weiterschlich. Je

mehr er sich dem Taleinschnitt näherte, um so größer wurde
die Gefahr, entdeckt zu werden.

Und sollten sich die Weißhäutigen wirklich auf der Anhöhe

versteckt halten, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn
einfach sehen mußten.

Das Ziel des Apachen-Chiefs waren einige Felsbrocken, die

wie angefaulte Zähne aus dem Boden ragten. Sie würden ihm

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gute Deckung bieten, sollte er von dem Bergsattel unter
Beschuß genommen werden.

Dann ging es auch schon los, noch bevor der legendäre

Apachen-Häuptling die schützenden Felsen erreichte.

Zwei Winchestergewehre brüllten auf. Heißes Blei flog dem

Apachen wie ein wütender Hornissenschwarm um die Ohren.
Rechts und links von ihm stäubte es auf.

Cochise lief wie ein flüchtender Hase im Zick-Zack und

hatte nur einen Gedanken, die Felsgruppe so schnell wie
möglich zu erreichen, um sich vor dem wütenden Gewehrfeuer
in Sicherheit zu bringen.

Es gelang Cochise in letzter Sekunde. Er hatte es nur seiner

Schnelligkeit zu verdanken, daß er von keinem Geschoß
getroffen wurde. Aufatmend und mit hämmernden Pulsen warf
er sich mit einem mächtigen Satz hinter die Felsen.

Die hämmernden Schußexplosionen verstummten. Cochise

konnte sich gut die enttäuschten Gesichter der beiden weißen
Höllenhunde vorstellen, deren hinterhältiger Plan nicht
geglückt war.

Der Indianer-Chief kroch weiter, hielt auf einen mannshohen

Felsen zu, hinter dem er sich aufrichtete.

Die Outlaws schossen erneut, vergeudeten aber nur ihre

Muniton, denn der heiße Bleisegen klatschte nur schmatzend
gegen die Felsen. Einige Geschosse surrten mit giftigen
Geräuschen als Querschläger heran.

Cochise spähte zwischen zwei Felsspitzen hindurch. Er sah

die aufblitzenden Mündungsfeuer ungefähr fünfzig Yards von
sich entfernt auf dem linken Hügelkamm.

Die Outlaws waren im Vorteil, denn sie hatten von oben ein

besseres Schußfeld, als es sich dem Apachen bot.

Der Chiricahua erwiderte das Feuer nicht. Er sparte seine

Muniton, lauerte geduldig hinter seiner Deckung und wartete
darauf, daß sich einer der Banditen eine Blöße gab.

Dann war es soweit.

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Jeff Cooper wagte sich zu weit aus seiner Deckung hervor.
Cochise feuerte.

*

Während einer Feuerpause sagte Jeff Cooper heiser: »Nun
haben wir die Rothaut doch nicht überraschen können. Wir
haben viel zu überhastet geschossen. Damned, manchmal
benehmen wir uns wirklich wie blutige Anfänger.«

Morgan antwortete nicht, sondern jagte Schuß um Schuß aus

seiner Winchester. Der Erfolg war aber gleich Null.

»Das bringt nichts ein«, brüllte der Banditenboß. »Hör mit

diese sinnlosen Ballerei auf. Der Hundesohn wartet doch nur
darauf, daß uns die Munition ausgeht.«

Morgan senkte das Gewehr und kramte neue Patronen aus

seiner Jackentasche.

»Weißt du etwas Besseres?« fauchte er.
Jeff Cooper nickte entschlossen.
»Ich schleiche dort zu der Baumgruppe hinüber. Der

Einschußwinkel zu Cochise wird dann besser. Wenn ich
angelangt bin, beginnst du wieder zu schießen. Ist das klar?
Vielleicht erwische ich den roten Halunken mit einer gut
gezielten Kugel!«

Jeff Cooper richtete seinen Oberkörper ein wenig auf, um

loszuschleichen, als ein Schuß aufbrüllte, der die Stille zerriß.

Cochise hatte gefeuert.
Jeff Cooper wurde wie von einem Huftritt zurückgestoßen.

Ein markerschütternder Aufschrei gellte von seinen Lippen.
Der Banditenboß fiel auf den Rücken und blieb stöhnend
liegen.

Sein Hemd färbte sich dicht in der Nähe seines Herzens rot.

Coopers Aufschrei ging in ein Röcheln über. Er preßte eine
Hand auf die Einschußwunde. Seine Finger färbten sich blutig.

Jeff Morgan stand wie erstarrt da und blickte auf seinen

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Partner, den es schwer erwischt hatte. Er kroch zu Cooper
hinüber und kniete neben ihm nieder.

Mit letzter Kraft versuchte der Verwundete, seinen

Oberkörper aufzurichten. Blut sickerte zwischen den
zuckenden Lippen hervor. Fahl wirkte das bärtige Gesicht.

Morgan stützte den Banditenboß, der stöhnte und röchelte.

Rasender Schmerz furchte dessen Stirn. Cooper wollte etwas
sagen, doch er schaffte es nicht.

Glenn Morgan ließ den Verwundeten auf den Rücken

zurückfallen und nahm Coopers Hand von der Einschußwunde.
Er sah sofort, daß jede Hilfe zu spät kam. Keine Macht dieser
Welt konnte das Leben des Banditenbosses retten oder
verlängern. Zu nahe am Herzen war die Kugel in Jeff Coopers
Brust eingedrungen.

Der Outlaw atmete zitternd aus. Sein Körper streckte sich in

einem letzten Aufbäumen. Blicklose Augen starrten in das
Blau des Himmels, in dem ein paar kleine Punkte kreisten, die
sich rasch näherten und als Geier entpuppten.

Morgan fluchte, kroch zu seiner Deckung zurück und spähte

dahinter hervor. So sehr er auch nach Cochise Ausschau hielt,
es gelang ihm nicht, den Chiricahua zu entdecken. Heiße Angst
pulsierte schlagartig durch den großgewachsenen Banditen.
Der Häuptling der Apachen mußte längst sein Versteck
verlassen haben. Bestimmt schlich er sich an. Ihm war
keineswegs entgangen, daß seine Kugel ein Ziel gefunden
hatte.

Glenn Morgan hielt noch zwei Minuten Ausschau, warf noch

einen letzten Blick auf den toten Jeff Cooper, ehe er den
Hügelkamm verließ und auf die Pferde zueilte.

Während seines raschen Spurtes zu der Waldinsel sah sich

der Outlaw immer wieder um und rechnete damit, daß Cochise
auftauchen und auf ihn schießen würde.

Morgan hechtete in den Sattel. Das erschöpfte Pferd taumelte

einige Schritte und stieß ein grelles Wiehern aus. Der Bandit

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trieb den Wallach mit heiserem Geschrei an.

Das Tier brach durch die Büsche. Glenn Morgan sah sich

gehetzt im Sattel um. Noch war von dem legendären
Indianerhäuptling nichts zu sehen.

Er würde aber nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Noch mehr trieb Morgan sein erschöpftes Pferd an, das durch

das Tal galoppierte, aber schon schnell langsamer wurde, weil
ihm einfach die Kraft fehlte, dieses Tempo durchzuhalten.

Glenn Morgan dachte in diesen Sekunden nicht mehr an die

Goldmine. Sie war vergessen.

Der Bandit hatte nur noch einen Gedanken: Er wollte sich in

Sicherheit bringen und sein Leben retten.

Cochise sah, daß seine Kugel ein Ziel gefunden hatte. Schon

wie Cooper zurücktaumelte, deutete ohne Zweifel daraufhin,
von dem Geschoß getroffen worden zu sein.

Die beiden Bleichgesichter schossen auch nicht mehr,

obwohl der Chiricahua seine Deckung verließ und auf den
Taleingang zulief. Natürlich handelte Cochise nicht
leichtsinnig, suchte immer wieder Deckungsmöglichkeiten, um
nicht ohne Schutz dazustehen, sollte der andere Outlaw wieder
das Feuer eröffnen.

So dauerte es einige Zeit, bis Cochise den Taleinschnitt

erreichte und in das Valley eindrang. Sein Verdacht
bewahrheitete sich. Er sah Glenn Morgan davonreiten, als wäre
nicht nur ein Indianer, sondern ein ganzes Apachenrudel hinter
ihm her.

Einem ersten Impuls folgend, preßte Cochise das Gewehr an

seine Schulter, schoß aber nicht, denn die Entfernung zu dem
Flüchtenden war schon zu groß geworden.

Der Apache sah aber auch, daß das Pferd des Weißhäutigen

schon nach wenigen hundert Yards wieder langsamer wurde.
Das Tier mußte sehr erschöpft sein.

Cochise reckte seine Faust über den Kopf.
»Das Bleichgesicht wird mir nicht entkommen«, erklang die

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Stimme des Apachen-Häuptlings auf. »Es wird nur eine Frage
der Zeit sein, bis Cochise ihn gestellt haben wird!«

Der Chiricahua kletterte den Berghang hoch und fand bald

den toten Jeff Cooper. Starr und mit unbewegtem Gesicht stand
der Indianer-Chief vor dem Toten.

Er konnte kein Mitleid mit dem Bleichgesicht empfinden. Zu

gut wußte Cochise, daß dieser Mann viele Tränen und noch
mehr Blut über seine Mitmenschen, egal ob weiß oder rot,
gebracht hatte. Wirklich niemand würde Jeff Cooper eine
einzige Träne nachweinen, Cochise wandte sich ab und blickte
in das Tal hinein. Er konnte Glenn Morgan sehen, dessen Pferd
nun nur noch im Schritt lief und schon bald kein Huf mehr vor
den anderen setzen konnte, so müde und entkräftet war das
Tier.

So beeilte sich Cochise auch nicht besonders, als er seinen

Mustang vor dem Tal holte. Das Pferd wieherte ihm freudig
entgegen, als es die Witterung seines Herrn aufgenommen
hatte.

Der Apachen-Jefe zog sich auf den Pferderücken, ritt in das

Tal hinein und nahm die Verfolgung auf. Zuerst hielt er auf die
Waldinsel zu, denn von dort hatte er ein Pferd wiehern hören.
Es konnte nur das Tier des toten Cooper sein.

So war es auch.
Cochise fand in den Satteltaschen das Gold, das Schwarzer

Wolf gehörte. Da der Jefe auch Bill Barns' nach dem
Zweikampf abgenommen hatte, fehlte nur noch Glenn Morgans
erbeutetes Gold.

Und auch das wollte sich der Häuptling der Apachen wieder

zurückholen.

Er löste dem Pferd den Sattel und ließ es laufen. Dann folgte

er Glenn Morgan, den er noch sehen konnte und der das Tal
noch immer nicht hinter sich gelassen hatte.

*

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»Lauf schon, du verdammte Schindmähre«, schimpfte Glenn
Morgan und schlug auf sein keuchendes Pferd ein, das grell
aufwieherte, aber nicht schneller wurde.

Der Bandit fluchte sich die Kehle heiser. Er wandte sich

wieder einmal im Sattel um. Eine heiße Angst ließ Morgan
verstummen, als er den Verfolger sah, der ihm folgte und
ständig aufholte.

Der Mustang des Apachen wirkte frischer und ausgeruhter

und legte ein flottes Tempo vor. Glenn Morgans Hoffnungen,
Cochise entkommen zu können, schmolzen zusammen wie ein
Schneeball in einer Pfanne, unter der man ein Höllenfeuer
entzündet hatte.

Erneut schlug er brutal auf das Pferd ein und gab dem

erschöpften Tier gleichzeitig die Sporen.

Der Wallach reagierte, aber nicht so, wie es der flüchtende

Outlaw erwartet hatte.

Das Pferd steilte schmerzerfüllt wiehernd. Damit hatte

Morgan nicht gerechnet. Ehe er sich versah, flog er im hohen
Bogen aus dem Sattel und fand sich im Gras wieder.

Das Pferd aber trabte davon, schien froh zu sein, seinen

Peiniger abgeschüttelt zu haben.

Glenn Morgan quälte sich auf die Beine, schüttelte

benommen den Kopf und atmete auf, als er feststellte, daß er
sich beim Sturz nichts gebrochen hatte.

Er hob seine Winchester vom Boden auf, blickte auf den

näherreitenden Cochise und rannte dann seinem Pferd nach,
das schon etwa fünfzig Yards zurückgelegt hatte und überhaupt
nicht daran dachte, stehenzubleiben, obwohl sich Glenn
Morgan die Lunge aus dem Leib schrie.

Morgan blieb stehen. Er sah ein, daß er es nicht schaffen

würde, sein Pferd einzuholen. Mutlosigkeit drohte den einst so
harten Burschen zu übermannen. Er schluckte, schloß die
Augen und wünschte sich in diesen Sekunden ein Mauseloch,
um sich dort verkriechen zu können.

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Als Glenn Morgan die Augen öffnete, glaubte er im ersten

Moment zu träumen. Er starrte auf über 15 Indianer, die aus
dem Boden gewachsen zu sein schienen und sich ungefähr 30
Yards von ihm befanden.

Die Rothäute richteten Gewehre und Bogen auf den

zusammenzuckenden Weißen, der sich über die Augen wischte
und wie versteinert stehenblieb, als der Spuk nicht weichen
wollte.

»Heiliger Rauch«, murmelte Glenn Morgan, nachdem er den

ersten Schock verdaut hatte. »Das darf nicht wahr sein. Nun ist
es aus und vorbei mit mir. Gegen dieses Rudel habe ich keine
Chancen.«

Der Bandit wußte, daß er von Kugeln durchsiebt und von

Pfeilen gespickt sein würde, sollte er auch nur den Lauf seines
Gewehres um ein Zoll anheben.

Hinter sich vernahm er die Hufschläge von Cochises

Mustang, der sich unaufhaltsam näherte.

Glenn Morgan aber hatte nur Augen für die Apachen, die

noch immer regungslos standen! Nur die langen Haare, von
Schweißtüchern und Stirnbändern gehalten, wehten im leichten
Wind.

Buntes Zierat funkelte unter den gleißenden Sonnenstrahlen.

Nackte, schweißige Oberkörper glänzten. Wild und verwegen
wirkten die Mescalero-Krieger.

Über das sonst so ernste Gesicht von Yemaspi glitt die

Andeutung eines Lächelns, als er die Angst im Gesicht des
Bleichgesichts sah, die sich immer mehr verstärkte.

Nun spannte sich Glenn Morgans Körper. Wenn er schon

verloren war, dann wollte er im Kampf sterben und sich nicht
von den Rothäuten langsam zu Tode martern lassen.

Morgen riß sein Gewehr hoch und wollte sich zur Seite

werfen. Ehe er aber den Boden erreichte und abdrücken konnte,
streifte ihn ein blitzschnell und sehr präzise geworfenes
Kriegsbeil am Kopf.

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Morgan stöhnte, rollte zur Seite und versuchte nochmals auf

die Beine zu gelangen. Er schaffte es nicht. Eine dunkle Wolke
senkte sich auf den Outlaw, riß ihn in unbekannte Tiefen und
ließ sein Bewußtsein erlöschen.

*

Yemaspi, der Häuptling der Mescaleros, war neben den
Bewußtlosen getreten. Er starrte auf die blutende Wunde am
Kopf des Bleichgesichts und nickte zufrieden.

Dann wandte er sich Cochise zu, der sich bis auf wenige

Schritte genähert hatte und mit einem Satz vom Rücken seines
Mustangs sprang. Der Chiricahua lief langsam näher.

Sein Gesicht drückte Verärgerung aus. Es schien, als ducke

sich Yemaspi unter dem harten Blick des Apachen-Chief.

»Cochise hatte dich gebeten, nicht in diesen Kampf

einzugreifen. Es ist sein Kampf.«

Ehe der Mescalero etwas entgegnen konnte, fuhr Cochise

grollend fort: »Cochise hatte seine Beute fast gestellt. Sie
konnte ihm nicht mehr entkommen.«

Yemaspi machte eine abwehrende Handbewegung, die

Beschwichtigung und auch Entschuldigung ausdrücken konnte.

»Wir wissen, daß Cochise der tapferste und mutigste Krieger

aus dem Volke der Apachen ist. Sein Ruhm kennt keine
Grenzen«, sagte der Mescalero guttural. »Weil wir sahen, daß
er sein Wild gestellt hatte, wollten wir ihm einen Gefallen
erweisen und ihm das Bleichgesicht vor die Füße legen. Wir
haben den Hellhäutigen nicht getötet, weil das die
Angelegenheit des großen Chiricahua ist. Es geschah aus
reinem Zufall, daß sich unsere Wege hier in diesem Tal
kreuzten. Cochise soll nicht länger verärgert sein und mit
Yemaspi die Pfeife des Friedens und der Freundschaft
rauchen.«

Cochises düsteres Antlitz hellte sich nach diesen Worten ein

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wenig auf. Er blickte auf den noch immer bewußtlosen
Banditen, der von einigen Mescalero-Kriegern umringt wurde.
Längst hatten sie Morgan das Gewehr, Revolver und auch sein
Messer weggenommen.

»Komm mit mir in den Schatten der Bäume«, sagte Yemaspi.

»Ein langer und harter Ritt liegt hinter dem Häuptling der
Apachen. Er hat gut gekämpft, wie mir berichtet wurde. Drei
der Hellhäutigen sind tot. Nur dieser weiße Bastard lebt noch.
Auch er wird der Rache Cochises nicht entgehen.«

Der Chiricahua folgte dem Mescalero-Jefe zu einigen

Ahornbäumen, die Schatten vor der heiß herniedersengenden
Sonne boten. Die beiden Männer setzten sich.

Die übrigen Krieger der Mescalero verschwanden, tauchten

aber schon bald wieder mit ihren Pferden auf, die sie in einer
Bodensenke zwischen Büschen versteckt hatten.

Sturmvogel, Schwarzer Wolf und Grüne Schlange

übernahmen die Bewachung des Gefangenen, der noch immer
im Reich der Träume weilte und wohl auch so schnell nicht
wieder erwachen würde.

Die drei Krieger hatten Cochise freundlich zugenickt.
»Es sind tapfere Apachen«, sagte Cochise und deutete zu

ihnen hinüber.

Nun lächelte Yemaspi, was für den sonst so düster

erscheinenen Apachen eine Seltenheit war.

»Cochise spricht die Wahrheit. Was will er mit dem

Bleichgesicht tun, wenn es wieder erwacht.«

»Cochise weiß es noch nicht. Vielleicht übergibt er ihn den

Pferdesoldaten.«

Yemaspis Mundwinkel zuckten für den Bruchteil einer

Sekunde. Die Antwort schien ihn nicht zu befriedigen.

Der Mescalero schüttelte den Kopf.
»Zastee!« rief er. »Töte diesen weißen Kojoten. Die

Hellhäutigen werden ihm nichts tun. Eine Krähe hackt der
anderen kein Auge aus, Cochise.«

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Der Chiricahua antwortete nicht sofort. Er blickte zu Glenn

Morgan hinüber, der sich nun schwach bewegte, röchelte, aber
noch nicht die Augen aufschlug.

»Wir rauchen die Pfeife des Friedens, der Freundschaft und

der Verständigung, Yemaspi, so wie du es gesagt hast. Dann
wird Cochise weitersehen.«

Und so geschah es auch.

*

Glenn Morgans Schädel dröhnte, als würde er mit einem
Gewehrkolben bearbeitet. Es summte in ihm, als hätte sich ein
Bienenschwarm angesiedelt.

Mit einem Schlag überfiel den Banditen die Erinnerung. Sein

Körper versteifte sich unwillkürlich. Nur vorsichtig öffnete
Morgan die Augen.

Was er sah, entsprach seinen schlimmsten Befürchtungen. Er

blickte auf drei verwegene und wild entschlossene Apachen,
die dicht neben ihm standen. Gewehrläufe waren auf seine
Brust gerichtet. Der Atem des Todes ließ Morgan erzittern.

Als er sich stöhnend auf den Händen aufstützte und seinen

Oberkörper hochschwang, wichen die drei Indianer einige
Yards zurück. Morgan las gnadenlosen Haß in ihren Augen.
Und er fragte sich in diesen Sekunden, warum ihn diese wilden
Teufel noch nicht umgebracht hatten.

Morgan stützte den Kopf in beide Hände und fühlte seine

Finger feucht werden. Er verbiß sich ein weiteres Stöhnen.
Brechreiz stieg in ihm hoch, doch in seinem Magen gab es
nichts, was dieser hätte von sich geben können.

Das Schwindelgefühl wurde stärker, als sich Morgan auf die

Beine quälte. Schwankend stand er da. Unwillkürlich tastete
seine Rechte zum Halfter.

Natürlich war es leer. Der Hoffnungsstrahl in seinen Augen

erlosch. Als der Bandit Schritte hinter sich vernahm, wandte er

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sich langsam um. Diese Bewegung riß den so stark
angeschlagenen Mann beinahe von den Beinen.

Es war Cochise, der eine Pferdelänge vor dem Gefangenen

verhielt und ihn anstarrte.

Es war, als mustere eine Schlange ein Kaninchen. Und so

ähnlich fühlte sich Glenn Morgan auch.

»Warum bringst du mich nicht um?« schrie er plötzlich in

einem Anflug trotziger Verzweiflung. Er riß sich Hemd und
Jacke vorn auseinander und hielt dem Apachen-Chief seine
entblößte Brust entgegen.

Cochise nickte langsam. »Das wird bald geschehen,

Bleichgesicht. Dein Leben ist verwirkt. Nichts kann dich mehr
retten.«

Glenn Morgan sackte ein wenig in sich zusammen.

Mutlosigkeit ergriff von ihm Besitz. Er wußte selbst, daß es
keine Rettung mehr für ihn geben konnte. Hier in dieser
Wildnis war er den Apachen hilflos ausgeliefert.

Morgan leckte sich über die Lippen.
»Läßt du mir von deinen Kriegern einen Schluck Wasser

geben?« fragte er krächzend.

Cochise hob die Hand.
Es war Schwarzer Wolf, der einen Wasserbeutel brachte, den

Morgan ihm gierig aus den Händen riß. Er trank keuchend.
Wassertropfen perlten über sein Kinn, als er zu hastig
schluckte.

Der Mescalero-Krieger nahm ihm den Wasserbeutel wieder

ab und trat zu seinen Gefährten zurück.

Yemaspi und die anderen Mescaleros saßen unbeweglich im

Schatten der Bäume und blickten den Weißhäutigen wie ein
seltenes Insekt an. Schweißtropfen überzogen Morgans Gesicht
wie ein feines Netz aus Spinnweben. Er konnte dem harten
Blick des Apachen-Häuptlings Cochise nicht standhalten.

»Danke«, murmelte er und hätte sich früher niemals träumen

lassen, sich bei einem Indianer zu bedanken.

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»Nun kannst du mich umbringen, Cochise«, fuhr Glenn

Morgan heiser fort. »Los, worauf wartest du noch?«

*

»Du wirst dich ausruhen, Bleichgesicht, damit du wieder zu
Kräften gelangst«, antwortete Cochise ruhig. »Dann wird dich
der Häuptling der Apachen zu einem Zweikampf fordern. Die
Wahl der Waffen überlasse ich dir.«

Der Bandit starrte den Chiricahua wie eine übernatürliche

Erscheinung an. Mit allem hatte er gerechnet, nur nicht mit
diesem fairen Angebot, das der Apachen-Chief so ruhig
ausgesprochen hatte.

Morgan kniff die Augen zusammen. »Du willst mich wohl

auf einen Besen laden, was?« fragte er.

Cochise zuckte mit den Achseln. Er verstand diese Redensart

des Weißen nicht. »Es soll so geschehen, wie Cochise gesagt
hat«, ließ sich der Jefe nochmals vernehmen. »Wir kämpfen,
wenn die Sonne wieder aufgeht. Wenn es dir gelingt, mich zu
besiegen, dann wirst du frei sein, Bleichgesicht. Cochise gibt
dir sein Wort.«

Glenn Morgan staunte immer mehr. Der fassungslose

Ausdruck in seinem Gesicht reizte Cochise zu einem Lächeln.
Dann wandte sich der Apache um, lief auf Yemaspi zu und
richtete von dort aus nochmals sein Augenmerk auf den
Gefangenen.

»Wenn du zu fliehen versuchst, wirst du sterben. Die

tapferen Krieger der Mescaleros werden dir zu essen und zu
trinken geben und auch deine Verletzungen versorgen. Wenn
du sie aber angreifst, werden sie dich töten.«

Glenn Morgan setzte sich auf den Boden. Er mußte das alles

erst verdauen. Noch vor wenigen Minuten hatte er geglaubt,
wie ein Stück Vieh abgeschlachtet zu werden. Nun aber bot
sich ihm die Chance eines Zweikampfes auf Leben und Tod.

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Der Bandit spähte zu Cochise hinüber, der sich mit einem

schon älteren Indianer unterhielt, der anscheinend der
Häuptling dieser Krieger war. Über seinen Rücken lief ein
kalter Schauer, als er Cochise näher in Augenschein nahm.

Würde er überhaupt eine Chance im Kampf gegen diesen

kräftigen und so erfahrenen Indianer haben?

Morgan wußte es nicht.
Er zuckte zusammen, als eine Hand seine Schulter berührte.

Es war Schwarzer Wolf, der sich der Verletzung des
Bleichgesichtes annahm, die Wunde säuberte und anschließend
verband.

Später erhielt der Bandit auch zu essen und so viel Wasser,

wie er nur trinken konnte. Langsam ging es ihm besser. Und
Glenn Morgan zeigte Nervenstärke, als er sich niederlegte und
trotz seiner hämmernden Kopfschmerzen einzuschlafen
vermochte.

Schwarzer Wolf, Sturmvogel und Grüne Schlange saßen im

Halbkreis um den Gefangenen. Sie würden ihm keine Chance
geben, die Flucht zu ergreifen. Cochise konnte sich voll und
ganz auf die drei tapferen Mescaleros verlassen.

*

Ein Lagerfeuer kämpfte gegen die grauen Schatten des
beginnenden Tages an. Die ersten Vögel zwitscherten in den
Zweigen der Bäume und Büsche.

Morgan lag mit geschlossenen Augen am Boden. Er war

schon seit längerer Zeit wach, denn der bevorstehende
Zweikampf mit dem Apachen-Häuptling beunruhigte ihn nun
doch mehr, als er sich selbst eingestehen wollte.

Seine Kopfschmerzen waren fast verschwunden. Auch sonst

fühlte sich der Outlaw ausgeruht und bei Kräften. Die lange
Ruhepause hatte wie ein Wunder gewirkt. Er drehte sich auf
die Seite und öffnete die Augenlider einen Spalt. Er sah das

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fast niedergebrannte Lagerfeuer, das an das Auge eines
Zyklopen erinnerte.

Morgan erkannte auch die drei Wächter, die nur wenige

Schritte von ihm entfernt saßen und jede seiner Bewegungen
verfolgten.

Mehr als einmal hatte der Bandit überlegt, ob er einen

Fluchtversuch riskieren sollte, hatte es aber nicht gewagt. Die
Krieger hätten ihn gnadenlos getötet. Er hatte es in ihren
Augen gelesen.

Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Sonne hinter

einem Berggipfel aufsteigen würde. Ein erster rötlicher
Schimmer zeigte sich am Horizont.

Glenn Morgan fühlte die schleichende Angst, die durch

seinen Körper kroch und ihm die Kehle abzudrücken drohte.
Schritte erklangen, die dicht vor ihm verhielten.

Dann sagte auch schon Cochise: »Steh auf, weißer Mann.

Die Stunde des Kampfes ist gekommen. Bald wird die
leuchtende Scheibe am Himmel den neuen Tag verkünden.«

Glenn Morgan erhob sich. Er begegnete unsicher dem harten

Blick des Chiricahuas.

»Hast du die Art der Waffe gewählt, mit der du gegen

Cochise kämpfen willst?«

»Wie ist die Auswahl?« fragte Morgan und konnte ein

leichtes Beben in seiner Stimme nicht verhindern.

»Tomahawk, Messer oder Schädelbrecher.«
Morgan erschauerte noch mehr bei dem letzten Wort.
»Messer«, flüsterte er. »Zu einem richtigen Revolverduell

kann ich dich wohl nicht fordern?«

»Messer«, sagte Cochise bestimmt. »Du kannst mit deinem

eigenen kämpfen. Wenn die Sonne aufgeht, werden wir es
austragen.«

Cochise wandte sich ab. Schweigend versammelten sich die

Krieger zu einem Halbkreis. Schwarzer Wolf brachte Glenn
Morgan dessen Bowie-Messer. Er wog es in der Hand. Der

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kalte Stahl stärkte sein Selbstvertrauen.

Auch der Häuptling der Apachen hatte sich nur mit seinem

Büffelmesser bewaffnet. Schweigend standen sich die beiden
Kontrahenten gegenüber.

Noch lagen die Schatten der Nacht über dem Tal. Tautropfen

funkelten auf den Gräsern und Farnen.

Es dauerte nur noch wenige Minuten, ehe die Helligkeit

rasch zunahm und dann fast übergangslos zum Tageslicht
wurde. Die Sonne kam hinter dem Talrand hervor.

Der Kampf konnte beginnen.

*

Glenn Morgan hielt das Bowie-Messer so fest in der Faust, daß
sich die Knöchel weiß färbten. In seinem Gesicht arbeitete es.
Angst und Furcht wechselten mit Selbstvertrauen und
Zuversicht…

Cochise sah es. Er wußte, daß er einen Gegner vor sich hatte,

der ihm alles abverlangen würde. Cochise war nun einmal ein
Mann, der niemals einen Gegner unterschätzte.

Der Kampf begann.
Tänzelnd umkreisten sich die beiden Gegner, lauerten auf

jede Bewegung des anderen, blickten sich in die Augen,
wagten Ausfälle, um den Kontrahenten zu verwirren.

Schon bald wurden den zuschauenden Mescaleros klar, daß

Cochise reaktionsschneller, gewandter und vor allem der
mutigere Angreifer war.

Beifälliges Gemurmel ging durch die versammelten Krieger,

als der Chiricahua einen Ausfall wagte und sein Büffelmesser
die breite Brust des Bleichgesichtes nur knapp verfehlte.

Glenn Morgan warf sich in letzter Sekunde zur Seite. Sein

Schrei zerriß den jungen Morgen. Schweiß glänzte auf seinem
verzerrten Gesicht. Er keuchte, taumelte einige Yards zur Seite
und stellte sich erneut zum Kampf. Hart prallten die beiden

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Männer gegeneinander. Jeder umklammerte mit stählernem
Griff die Messerhand des anderen.

Ein verbissenes Ringen setzte ein. Cochises Kraft setzte sich

immer mehr durch. Stetig näherte sich die breite Klinge seines
Büffelmessers der Brust des Gegners.

Glenn Morgans Augen drohten aus den Höhlen zu fallen.

Sein keuchender Atem verstärkte sich. Dann zog er plötzlich
sein Knie hoch und traf den Häuptling der Apachen
empfindlich unterhalb der Gürtellinie.

Cochise mußte seinen Griff lockern, befreite sich von seinem

Gegner und taumelte zurück. Sein Gesicht verzog sich vor
Schmerzen.

Glenn Morgan glaubte nun, die Chance seines Lebens zu

erhalten. Er warf sich nach vorn, hatte die messerbewehrte
Faust wie eine Lanze ausgestreckt und wollte den Apachen-
Chief töten.

Ein Aufschrei ging durch die umstehenden Indianer.

Yemaspis Gesicht wurde hart.

Die beiden unerbittlichen Gegner prallten aufeinander.
Ein greller Schrei ertönte, der nichts Menschliches mehr an

sich hatte. Die Mescaleros traten zögernd näher, denn beide
Kämpfer lagen am Boden.

Es war Cochise, der legendäre Häuptling der Apachen, der

sich nach wenigen Sekunden erhob. Er hatte den Kampf zu
seinen Gunsten entschieden.

Glenn Morgan würde niemals wieder Tod und Verderben

über seine Mitmenschen bringen. Seine seelenlosen Augen
starrten zum Himmel, dessen Blau immer intensiver wurde.

»Will Cochise nicht den Skalp des Bleichgesichts nehmen?«

fragte Yemaspi. Seine Augen leuchteten vor Freude, daß der
Chiricahua diesen Kampf auf Leben und Tod gewonnen hatte.

Cochise schüttelte den Kopf. »Er hat tapfer gekämpft. Ich

will ihm diese letzte Ehre erweisen. Lebe wohl, Yemaspi.«

Cochise schritt auf seinen Mustang zu, schwang sich auf den

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Pferderücken und winkte den Mescalero-Kriegern zu. Dann ritt
er langsam davon. Er wollte zurück zu seinem Stamm.

Bald verlor sich der legendäre Apache in der Weite des

Tales. Stumm blickten ihm Schwarzer Wolf, Sturmvogel und
Grüne Schlange nach. Und sie waren stolz darauf, einige Zeit
an der Seite Cochises gekämpft zu haben.

ENDE


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