Das Leben des Tacitus germanen


Das Leben des Tacitus

Vom Leben des Publius Cornelius Tacitus sind nur Bruchstücke bekannt. Er wurde im Jahre 56 n. Chr. geboren und wuchs entweder in Gallia Narbonensis (möglicherweise in Forum Iulii) oder Gallia Cisalpina auf. Seine Familie gehörte nicht zur Gens Cornelia, sondern hat durch das Patronat eines Corneliers das Bürgerrecht erhalten.

Er erhielt eine sehr gute rhetorische Ausbildung in Rom, unter anderem bei den Rednern Aper und Secundus, aber möglicherweise auch bei Quintilian. In seinem späteren Leben galt er als einer der begabtesten Redner, was auch seine politische Karriere gefördert haben muß. Im Jahr 77 wird er mit der Tochter des Agricola verlobt, die er ein Jahr später heiratet. Agricola ist in den Jahren darauf Statthalter von Britannien.

Tacitus begann seine politische Karriere 79 n.Chr. als Quästor unter Vespasian. 88 war er Prätor und Mitglied des Priesterkollegiums der quindecimviri sacris faciundis. Nach seiner Prätur verließ Tacitus Rom für vier Jahre. Möglicherweise verwaltete er die Provinz Belgien und sammelte hier seine Kenntnisse über die Germanen. Agricola starb 93 n. Chr. in Rom. Im Jahr 97 wurde Tacitus Konsul (suffectus für den verstorbenen Konsul Verginius Rufus) unter Kaiser Nerva.

Die meisten seiner Bücher entstanden während der Regierung des Kaisers Trajan (98-117): 98 verfaßte er die Lebensbeschreibung seines Schwiegervaters Agricola, 98/99 die Germania, ca. 102 den Dialogus de oratoribus und im Laufe des 1. Jahrzehnts des 2. Jahrhunderts die Historien.

Im Jahr 100 trat er zusammen mit Plinius dem Jüngeren als Redner in einem aufsehenerregenden Prozeß gegen Marius Priscus, einen ehemaligen Statthalter, auf. Seine politische Karriere wurde durch sein Prokonsulat über die Provinz Asia, in den Jahren 112 und 113, beendet. Danach widmete er sich der Arbeit an den Annalen. Sein Todesjahr kann nicht genau ermittelt werden, aber höchstwahrscheinlich starb er zwischen 117 und 120 n. Chr.

Inhalt des „Germania“

Der Inhalt der Germania besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil (Kap. 1-5) beschreibt Tacitus die Geographie Germaniens, die Ursprünge der Germanen und ihre wirtschaftlichen Verhältnisse. Im zweiten Teil (Kap. 6-27) folgt ein allgemeiner Überblick über das öffentliche Leben der Germanen. Tacitus beschreibt hier unter anderem Kriegssitten, Religion, Rechtswesen, Gefolgschaft und alltägliche Gewohnheiten wie z.B. Wohnung, Kleidung, Ehe und Trinksitten der Germanen. Danach (Kap. 28-46) beschreibt Tacitus die einzelnen germanischen Völker von Westen nach Osten und beschließt seinen Germanien - Exkurs mit einer germanischen Sage.

Wer waren die Germanen?

Die Germanen als einheitliches Volk hat es nie gegeben. Vielmehr ist die Bezeichnung ein Oberbegriff für bestimmte Stämme, die im Gebiet zwischen Rhein, Donau und Weichsel lebten. Diese Stämme bildeten keinen gemeinsamen Staat und hatten keine gemeinsame Identität. Vielmehr bekämpften sie sich regelmäßig untereinander. Zur Zeit der Hochkulturen der Griechen und Römer wusste man im Mittelmeerraum nur wenig von den Völkern des Nordens. Lange Zeit wurden sie unter dem Begriff der Barbaren (Menschen, die keine griechisch-römische Bildung genossen hatten) zusammengefasst. Erst um 80 vor Christus taucht der Begriff "Germanen" beim griechischen Geschichtsschreiber Poseidonios auf. Den Begriff verbreitet hat Gaius Julius Cäsar (100-44 vor Christus) in seinem Werk "De bello gallico". Seit dieser Zeit hatten die Römer einige Kontakte zu den germanischen Stämmen und Völkern, die zumeist kriegerischer Art waren. Der Begriff "Germanen" stammt auf keinen Fall von den Menschen, die damit bezeichnet wurden, denn sie fanden ihre Identität in ihren Stammes- oder Volksgemeinschaften.

Die Gesellschaft der Germanen

Die Siedlungs- und Gesellschaftsstruktur der verschiedenen Germanenstämme war im Wesentlichen gleich. Die Familie bildete den Kern der germanischen Gesellschaft. Ihr gegenüber waren alle Mitglieder zu voller Loyalität verpflichtet. Das Oberhaupt hatte die Aufgabe die gesamte Familie zu schützen. Dies umfasste auch die Unfreien, die Knechte und Mägde waren. Eine Sippe umfasste alle Blutsverwandten. Zusammen siedelte man in einer Dorfgemeinschaft und kämpfte im Krieg als geschlossener Verband. Kam es zu Streitigkeiten, besaßen die Sippen das Recht ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Wurde ein Mitglied einer Sippe angegriffen, stand die ganze Sippe zusammen und verteidigte es.

Alle freien und kampffähigen Männer einer Stammes-Gemeinschaft bildeten zusammen den so genannten Thing, der als Versammlung des Stammes das Oberhaupt wählte. Ebenso schnell konnte ein Oberhaupt auch wieder abgesetzt werden, wenn es nicht verstand seine Pflichten im Sinne der Gemeinschaft zu erfüllen. Das Oberhaupt war eher ein Stammeshäuptling als ein König oder Konsul, wie es bei Römern und Griechen zu dieser Zeit üblich war. Erst als sich Auseinandersetzungen mit den Römern häuften, begannen die Germanen ihre Oberhäupter als Könige zu bezeichnen. Während des Thing, der meist im Freien an heiligen Stätten stattfand, galten strikte Regeln. Die Versammlung war den Göttern geweiht, eine Störung beleidigte diese und wurde von den Priestern hart bestraft. Jedes Mitglied des Rates hatte eine Stimme. Doch es wurde nicht nur über Krieg und Frieden entschieden. In der Vollversammlung wurde auch Gericht gehalten oder über die Aufnahme neuer Mitglieder in den Thing abgestimmt. So konnte ein Unfreier, der im Kampf zu Ruhm und Ehre gekommen war, den Status eines freien Mitgliedes des Thing erlangen.

Varusschlacht und Stammesfehden

Die relativ kleinen Gruppen der Stämme empfanden sich jeweils als selbständige Einheit. Den Germanen gelang es deshalb selten mehrere Stämme für ein Ziel zu vereinen. Genau dies hatten die Römer frühzeitig erkannt und machten es sich zu Nutze. Sie schlossen Bündnisse mit verschiedenen Stämmen und spielten die Germanen gegeneinander aus. Untypisch für germanisches Verhalten ist deshalb der so genannte Arminius-Aufstand im Jahre 9 nach Christus. Dem Cherusker Arminius war es während des Aufstandes gelungen zerstrittene Stämme, die immer wieder untereinander Streitigkeiten austrugen, unter seiner Führung zu einen. Gemeinsam versuchte man sich erfolgreich gegen die Römer zur Wehr zu setzen. Die Herrschaft der Römer über die germanischen Stämme rechts des Rheins wurde so verhindert. Hätten die am Aufstand beteiligten Germanen weiter zusammen agiert, wäre es ihnen vielleicht gelungen die Römer auch links des Rheins in Bedrängnis zu bringen. Doch die germanische Mentalität war eine andere. Arminius, der rund 100 Jahre später vom römischen Historiker Tacitus als Befreier der Germanen angesehen wurde, wurde von ihnen nur als einer von vielen betrachtet. Ziemlich schnell hatte er viele Neider, die begierig darauf waren seine Macht zu erlangen. Kaum waren die Römer vertrieben, brachen erneut Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Stämmen aus. Wäre Arminius ein Römer gewesen, wäre ihm aufgrund seiner Leistung der Stolz des gesamten Imperiums gewiss gewesen. Als Germane hingegen wurde Arminius im Jahr 21 nach Christus Opfer seiner eigenen Verwandten, die befürchteten, dass er zu mächtig würde.

Die germanischen Stämme

Bedeutung der Stämme

Wesentliches Element der politischen und gesellschaftlichen Ordnung auf germanischem Gebiet waren die Stämme. Ein Stamm verfügte als Siedlungsgemeinschaft über ein bestimmtes Siedlungsgebiet, auf dem auch Angehörige anderer ethnischer Gruppierungen leben konnten, wie beispielsweise in eroberten Gebieten. Der Stamm besaß eine einheitliche politische Führung und stellte eine Rechtegemeinschaft dar. Ebenso gab es natürlich eine gemeinsame Sprache, religiöse Riten und ein Identitätsbewusstsein, dessen deutlichster Ausdruck ein Mythos der gemeinsamen Abstammung war. Tatsächlich waren jedoch auch Stämme keine einheitlichen und stabilen Gebilde, sondern immer von Durchmischung, Neubildung, Abwanderung, Untergang und dergleichen betroffen.

Erstmals detaillierte Beschreibungen der Germanen finden sich bei Tacitus. Er beschreibt eine recht einheitliche germanische Kultur auf einem Gebiet ungefähr vom Rhein im Westen bis zur Weichsel im Osten und von der Nordsee im Norden bis zu Donau und Moldau im Süden. Hinzu kommen die - von Tacitus nicht beschriebenen - germanischen Siedlungsgebiete in Skandinavien. Tacitus legt dar, dass sich die germanischen Stämme in drei Gruppen gliedern und dass es zahlreiche Stämme gibt, die nicht in diese Gliederung passen. Nach Tacitus unterscheiden sich die einzelnen Stämme nach ihren Kultorten. Die germanischen Stämme zur Zeitenwende waren also vermutlich vor allem Kultgemeinschaften. Dieser Unterteilung lassen sich auch archäologischen Gruppierungen zuordnen.

Seit dem 2. Jahrhundert traten Großstämme als bedeutendste Akteure in der germanischen Welt auf. Sie wurden aggressive Gegner des römischen Imperiums und Träger der Völkerwanderungsreiche. Sie verflochten sich in unterschiedlicher Weise mit der mediterranen Hochkultur und beendeten die relative Einheit der Germanen zu Gunsten gesonderter Entwicklungen. Der Germanenname verschwand aus den antiken Quellen und wurde durch die Namen der Großstämme mit eigenen Traditionen ersetzt. Sie bestimmten das Geschehen der Völkerwanderungszeit und bildeten die Grundlage der europäischen Völker- und Nationalstaatengeschichte. Die diesen Vorgang analysierenden Untersuchungen von Wenskus[39] stellen den heutigen Forschungsstand zu diesem Thema dar. Es handelte sich um einen aus Bündnissen entstehenden Konzentrationsprozess, der politische und militärische Durchschlagskraft zum Ziel hatte. Gleichzeitig setzte eine zunehmende Differenzierung der sozialen Schichtung ein. Herrschaftsbildung auf personaler Grundlage, Land-, Menschen- und Beutegewinn auf der einen Seite und Instabilität der Ergebnisse auf der anderen Seite war auf engen Austausch mit imperialen und kulturellen Gegebenheiten im römischen Machtbereich angewiesen. Tiefgreifende politische und soziale Veränderungen waren Voraussetzung für stabile politische Formen.

Dabei ist ein fundamentaler Unterschied zwischen den Großstämmen des Westens (Franken, Alamannen) und den gentes des Ostens (Goten, Vandalen, Heruler, Gepiden) festzustellen. Die Großstämme des Westens sind erst im 3. Jahrhundert bezeugt, während sich die gentes des Ostens zunächst der antiken Wahrnehmung entzogen. Deren Wanderungsverbände bildeten sich nicht an der Peripherie des Reiches, sondern weit im Hinterland. Die Grenznachbarn des römischen Reiches wurden dann auf diesen Zügen integriert.



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