Bakunin Staatlichkeit und Anarchie

background image

Die Kernstellen aus Staatlichkeit und Anarchie

von Michail Alexandrowitsch Bakunin

(1873)

-thematisch geordnet-

Herausgegeben von der Bakunin Arbeitsgemeinschaft


Vorwort


Bakunins umfangreichste Schrift sollte revolutionärer Propaganda in Rußland dienen. Nach
H.Stuke (s.u. S.414) "förderte 'Staatlichkeit und Anarchie' wirkungsvoll die Ausbreitung
seiner Ideen in Rußland, obwohl es nirgends zur Bildung einer rein bakunistischen
Organisation kam." Die gleichzeitig in Westeuropa nahezu unbekannte Schrift behandelt stark
historische Inhalte; Bakunin nimmt diese jedoch öfters zum Anlaß, an ihnen seine Ideen zu
entwickeln. Diese Ideen einem größeren Kreis vorzustellen, ist der Zweck dieser Broschüre.
Dabei Bakunin selbst sprechen zu lassen, ist wohl der beste Weg, seine Anschauungen
deutlich zu machen. Die Auswahl der Textstellen richtete sich nach dem (sicher subjektiven)
Kriterium, Bakunins Schrift, soweit sie für heute interessant ist, wiederzugeben. Unter diesen
Umständen mußten beispielsweise nur geschichtlich interessante Stellen zugunsten von
programmatischen Äußerungen unter den Tisch fallen.

Ausgehend von der ersten deutschen Originalübersetzung in Michail Bakunin: Staatlichkeit
und Anarchie Herausgegeben und eingeleitet von Horst Stuke Ullstein Materialien 1972 sind
die wohl wichtigsten Textstellen - thematisch geordnet - im Folgenden wörtlich
wiedergegeben; hinzugefügt sind allein die Zwischenüberschriften und alles Eingeklammerte,
Hervorhebungen sind von der erwähnten Quelle übernommen worden.

Staatlichkeit


"Kein Staat, wie demokratisch auch immer seine Formen sein mögen, und sei es die röteste
politische Republik - was mit Volksrepublik Ja nur im Sinne jener unter dem Namen
Volksvertretung bekannten Lüge bezeichnet werden kann - kein Staat also kann dem Volk das
geben, was es braucht, nämlich die freie Organisation der eigenen Interessen von unten nach
oben, ohne jede Einmischung, Bevormundung oder Nötigung von oben, weil jeglicher Staat,
selbst der republikanischste und demokratischste, letzten Endes nichts anderes darstellt, als
die Beherrschung der Massen von oben nach unten, durch eine intellektuelle und eben
dadurch privilegierte Minderheit, die angeblich die wahren Interessen des Volkes besser
erkennt, als das Volk selbst.So ist es also für die besitzenden und herrschenden Klassen
entschieden unmöglich, den Leidenschaften und Bestrebungen des Volkes gerecht zu werden;
deshalb bleibt nur ein Mittel - staatlicher Zwang, mit einem Wort, der Staat , weil Staat
gleichbedeutend ist mit Zwang , Herrschaft durch Zwang, wenn möglich getarnt, notfalls aber
auch ohne Umschweife und offen." (S.439/40)" ... staatlich, und d.h. in all ihren inneren und
äußeren Erscheinungsformen mit legalem Zwang verbunden ... " (S.543)

"Das bedeutet, daß Gambettas Staat für das Volk ebenso drückend und verheerend sein wird,
wie alle vorhergegangenen, die zwar offener, aber keineswegs gewaltsamer verfahren sind;

background image

und eben weil er sich in weiterreichende demokratische Formen hüllt, wird er der gierigen,
reichen Minderheit eine ungestörte und unbeschränkte Ausbeutung der Arbeit des Volkes in
stärkerem und wesentlich zuverlässigerem Ausmaß garantieren. Als Staatsmann der neuesten
Schule fürchtet Gambetta weder weitreichende demokratische Formen noch das allgemeine
Wahlrecht. Er weiß besser als jeder andere, wie wenig Garantien sie für das Volk enthalten,
wie viele dagegen für die es ausbeutenden Personen und Klassen; er weiß, daß der
Despotismus der Regierung nie so schrecklich und so stark ist, wie wenn er sich auf die
Pseudo-Vertretung eines Pseudo-Volkswillens stützt." (S.440)

"Auf dieser Fiktion einer Pseudovolksvertretung und auf dem wirklichen Faktum, daß die
Volksmassen von einer kleinen Handvoll Privilegierter regiert werden. Gewählter oder sogar
nicht Gewählter durch die Menge des Volkes, das man zu den Wahlen zusammengetrieben
hat, und das nie weiß, wozu und wen es wählt; auf diesem vermeintlichen und abstrakten
Ausdruck dessen, was angeblich das ganze Volk denkt und will, wovon aber das lebendige,
reale Volk auch nicht die geringste Vorstellung hat, darauf basiert in gleicher Weise die
Theorie der Staatlichkeit und die Theorie der sogenannten revolutionären Diktatur. Der ganze
Unterschied zwischen revolutionärer Diktatur und Staatlichkeit besteht nur in den äußeren
Umständen Faktisch bedeuten sie beide das Gleiche: die Verwaltung einer Mehrheit durch
eine Minderheit im Namen der Angeblichen Dummheit ersterer und der angeblichen Weisheit
letzterer. Deshalb sind sie auch gleich reaktionär und haben, die eine wie die andere, als
unmittelbares und notwendiges Ergebnis die Sicherung politischer und ökonomischer
Privilegien für die herrschende Minderheit und die politische und wirtschaftliche Versklavung
der Volksmassen." (S.564/5)"Man muß schon ein Esel, ein Ignorant, ein Verrückter sein,
wenn man glaubt, daß irgendeine Konstitution, sogar die liberalste und demokratischste dieses
Verhältnis des Staates zum Volk zum Bessern ändern könnte; ... das Volk befreien, seine
Lage verbessern, das ist einfach Unsinn! Es kann nur eine nützliche Verfassung für das Volk
geben, nämlich die Zerstörung des Reiches." (S.481)"Solange es einen Staat gibt, muß es auch
Herrschaft geben und folglich auch Sklaverei; ein Staat ohne offene oder verborgene
Sklaverei ist undenkbar - das ist der Grund, weshalb wir Feinde des Staates sind." (S.612)
"Politische Freiheit ohne wirtschaftliche Gleichheit und überhaupt politische Freiheit, d.h.
Freiheit im Staate, ist eine Lüge." (S.465)

"Der weise Staatsmann, Schüler Machiavellis und Lehrer Bismarks, (Friedrich II) glaubte nur
an seine ´Staatsraison´, wobei er sich aber wie eh und je auf die (Armee), auf die Wirtschaft
und auf eine möglichst perfekte Organisation der inneren Verwaltung stützte, die natürlich
eine mechanische und despotische war. In der Tat besteht darin nach seiner wie auch unserer
Meinung das eigentliche Wesen des Staates. Alles übrige sind lediglich unschuldige
Verzierungen ... (S.425)"Heutzutage kann ein ernstzunehmender starker Staat nur ein einziges
zuverlässiges Fundament haben - eine militärische und bürokratische Zentralisation.
Zwischen einer Monarchie und einer Republik, und sei es der demokratischsten, gibt es nur
einen einzigen wesentlichen Unterschied: in der ersteren wird das Volk im Namen des
Monarchen von der Beamtenschaft, zum großen Nutzen der privilegierten, besitzenden
Klassen, aber auch für ihre eigenen Taschen, unterdrückt und ausgeraubt; in der Republik
wird das Volk von derselben Seite, zum Nutzen derselben Taschen und Klassen unterdrückt
und ausgeraubt, jetzt nur im Namen eines Volkswillens. In der Republik ist es das Scheinvolk,
das legale Volk, das Volk, das angeblich durch den Staat repräsentiert wird, welches das
lebendige und reale Volk unterdrückt und untere drücken wird. Aber für das Volk wird es
keineswegs leichter, wenn der Stock, mit dem man es schlägt. Stock des Volkes genannt
wird." (S.439)

background image

"Regierung des Staates für das ganze Volk - dieses letzte Wort ... der demokratischen Schule
ist eine Lüge, hinter der sich der Despotismus einer herrschenden Minderheit verbirgt, und
zwar eine um so gefährlichere, als sie sich als Ausdruck des sogenannten Volkswillens gibt."
(S.613) "Die Bourgeoisie in allen Ländern Europas fürchtet die soziale Revolution am
meisten und weiß, daß es für sie vor dieser Gefahr keine andere Rettung gibt als den Staat und
deshalb will und fordert sie immer einen möglichst starken Staat oder einfach eine
Militärdiktatur. Um aber ihrer Eitelkeit zu genügen und auch um die Volksmassen leichter
betrügen zu können, wünscht sie, daß diese Diktatur in die Form einer Volksvertretung
gekleidet sei, die es ihr erlauben würde, die Volksmassen im Namen des Volkes selbst
auszubeuten." (S.538)

"Das ist das unvermeidliche Ergebnis des kapitalistischen Monopols, das immer und überall
die Stärkung und Ausweitung staatlicher Zentralisation begleitet. Das privilegierte und auf
wenig Hände konzentrierte Kapital ist heutzutage, man kann schon sagen, zur Seele jeden
politischen Staats geworden, der bei ihm, und nur bei ihm Kredit aufnimmt und ihm dafür
uneingeschränktes Recht auf Ausbeutung der Arbeit des Volkes einräumt." (S.630) "... weder
dem deutschen noch irgendeinem anderen Proletariat ist es möglich, sich von der
ökonomischen Sklaverei zu befreien, ohne das jahrhundertealte Gefängnis des sogenannten
Staates zu zerstören." (S.593/4)

"Das sind die Überzeugungen der sozialen Revolutionäre, und deshalb nennt man uns
Anarchisten. Wir 'protestieren nicht gegen diese Bezeichnung, denn wir sind in der Tat Feinde
jeglicher Macht, weil wir wissen, daß Macht ebenso zersetzend auf den wirkt, der sie hat, wie
auf den, der ihr gehorchen muß. Unter ihrem verderblichen Einfluß werden die einen zu
ehrgeizigen und habgierigen Despoten, Ausbeutern der Gesellschaft zum eigenen Vorteil oder
dem ihres Standes, und die anderen zu Sklaven." (S.564)

Staatskommunismus


"(Autoritäre Sozialisten) behaupten, daß ein ... staatliches Joch, eine Diktatur, ein
unvermeidliches und vorübergehendes Mittel zur vollständigen Befreiung des Volkes sei:
Anarchie oder Freiheit ist das Ziel, Staat oder Diktatur - das Mittel. So ist es also zur
Befreiung der Volksmassen erst nötig, sie zu knechten. ... Sie versichern, daß allein die
Diktatur, natürlich die ihre, die Freiheit des Volkes schaffen kann; wir dagegen behaupten,
daß eine Diktatur kein anderes Ziel haben kann, als nur das eine, sich zu verewigen, und daß
sie in dem Volk, das sie erträgt, nur Sklaverei zeugen und nähren kann; Freiheit kann nur
durch Freiheit geschaffen werden, d.h. durch einen allgemeinen Volksaufstand und durch die
freie Organisation der Arbeitermassen von unten nach oben." (S.615)

"Wenn sie (die Macht) erst erlangt haben werden, so werden sie unweigerlich zum Feind des
Volkes, .,. . und um die Macht zu halten, wenn auch nur befristet, sind sie gezwungen, nach
neuen Kraftquellen - nun bereits gegen das Volk - ... zu suchen." (S.619/20) "Und in der Tat
kann staatliche Macht nicht das Ergebnis einer Volksrevolution sein; möglicherweise kann sie
das Ergebnis eines Sieges sein, den irgendeine Klasse über einen Volksaufstand errungen hat
..." (S.547)

"Verfechter einer Vorherrschaft der Wissenschaft über das Leben, doktrinäre Revolutionäre,
sie alle verteidigen mit dem gleichen Feuer, wenn auch mit verschiedenen Argumenten, die-

background image

Idee des Staates und der Staatlichen Macht, weil sie darin, vollkommen logisch, das ihrer
Ansicht nach einzige Heil der Gesellschaft sehen. Vollkommen logisch deshalb, weil sie dann,
wenn sie einmal von der unserer Ansicht nach völlig falschen These ausgehen, daß das
Denken dem Leben vorausgeht, ... notwendigerweise zu dem Schluß kommen, daß deshalb,
weil Denken, Theorie und Wissenschaft wenigstens heute der Besitz nur einiger weniger sind,
eben diese wenigen die Anführer des gesellschaftlichen Lebens sein müssen, und nicht nur die
Initiatoren, sondern auch die Leiter aller Volksbewegungen, und daß am Tag nach der
Revolution die neue gesellschaftliche Organisation nicht durch die freie Vereinigung von
Volksassoziationen, Kommunen, Amtsbezirken und Distrikten von unten nach oben,
entsprechend den Bedürfnissen und Instinkten des Volkes geschaffen wird, sondern allein
durch die diktatorische Gewalt dieser gelehrten Minderheit, die angeblich dem Willen des
ganzen Volkes Ausdruck verleiht." (S.564)

"Sie werden die Zügel der Regierung in einer starken Hand konzentrieren, weil das
unwissende Volk einer sehr starken Betreuung bedarf; sie werden eine einzige Staatsbank
gründen, die die ganze kommerziell-industrielle, landwirtschaftliche und sogar
wissenschaftliche Produktion auf sich konzentriert, und die Masse des Volkes in zwei Armeen
aufteilen: in eine industrielle und in eine landwirtschaftliche, unter dem unmittelbaren
Kommando von staatlichen Ingenieuren, die eine neue privilegierte, wissenschaftlich-
politische Klasse bilden werden." (S.617) "...und so werden sie bereits nicht mehr das Volk,
sondern sich selbst repräsentieren und ihren Anspruch darauf, das Volk zu regieren." (S.613)

Empirismus


"Wer vom abstrakten Denken ausgeht, der wird niemals das Leben einholen, denn von der
Metaphysik zum Leben führt kein Weg. ... Der lebendige, konkrete und vernünftige Weg, das
ist in der Wissenschaft der Weg vom realen Faktum zum Gedanken, der dieses Faktum
umfaßt, ausdrückt und damit auch erklärt; in der Welt der Praxis geht dieser Weg vom Leben
der Gesellschaft aus, mit dem Ziel, eben dieses Leben vernünftig zu regeln, seinen
Anweisungen, Bedingungen und Bedürfnissen und seinen mehr oder weniger
leidenschaftlichen Forderungen entsprechend." (S.560)

"Wir revolutionären Anarchisten und Kämpfer für Bildung, Emanzipation und volle
Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens des ganzen Volkes, die wir eben deshalb Feinde des
Staates und jeglicher Verstaatlichung sind, behaupten im Gegensatz zu ... allen gelehrten und
ungelehrten Anhängern der Göttin Wissenschaft, daß das natürliche und gesellschaftliche
Leben immer dem Denken vorausgeht, welches nur eine seiner Funktionen, nie aber sein
Resultat sein wird; daß sich dieses Leben aus seiner eigenen unerschöpflichen Tiefe heraus in
einer Reihe von verschiedenartigen Fakten, aber niemals abstrakten Reflexionen entfaltet, und
daß die letzteren, die immer vom Leben hervorgebracht werden und niemals selbst Leben
hervorbringen, nur als Marksteine auf seine Richtung und auf die verschiedenen Phasen einer
selbständigen und natürlichen Entwicklung hinweisen." (S.563)

"Selbst die rationalste und tiefsinnigste Wissenschaft kann nicht die Formen des zukünftigen
gesellschaftlichen Lebens erahnen. Sie kann nur die negativen Bedingungen definieren, die
sich logisch aus der strengen Kritik an der bestehenden Gesellschaft ergeben. So ist man in
der Sozialökonomie mit dieser Kritik zur Ablehnung des erblichen Privateigentums
gekommen und damit zu einer abstrakten und gleichsam negativen Konzeption vom

background image

Kollektiveigentum als notwendiger Voraussetzung der zukünftigen Gesellschaftsordnung.
Dieser Weg führte schließlich zur Ablehnung selbst der Idee des Staates und der Herrschaft,
d.h. zur Ablehnung einer Regierung der Gesellschaft von oben nach unten im Namen eines
wie auch immer gearteten Pseudorecht s, sei es theologisch oder metaphysisch, göttlich oder
wissenschaftlich-rational, und folglich zur entgegengesetzten und damit negativen Position -
zur Anarchie, d.h. zur selbständigen und freiheitlichen Organisation aller Einheiten oder
Elemente, die die Gemeinden bilden und zu deren freier Föderation von unten nach oben -
nicht auf Befehl irgendeiner Obrigkeit, und sei es einer gewählten, und nicht nach den
Richtlinien irgendeiner gelehrten Theorie, sondern infolge einer völlig natürlichen
Entwicklung von Bedürfnissen aller Art, die sich aus dem Leben selbst ergeben. Deshalb ist
kein Gelehrter in der Lage, das Volk zu lehren, oder auch nur für sich selbst zu bestimmen,
wie das Volk am Tag nach der sozialen Revolution leben wird und leben soll. Das wird sich
vielmehr erstens aus der jeweiligen Situation eines Volkes und zweitens aus den
Bestrebungen ergeben, die in ihm auftreten oder stärker wirken, keinesfalls aber durch
Richtlinien und Erläuterungen von oben und überhaupt durch keinerlei am Vorabend der
Revolution erdachte Theorien." (S.636)

"(Doktrinäre Sozialisten) verstehen nicht, daß das Denken sich aus dem Leben ergibt, und daß
man, um das Danken zu ändern, zunächst das Leben ändern muß. Gebt dem Volk die ganze
Weite des menschlichen Lebens, und es wird Euch durch die tiefe Rationalität seines Denkens
erstaunen." (S.645) "Man nehme ... den ungebildetsten und dümmsten Menschen; spürt man
in ihm nur wirklich Instinkte auf und ehrliche, wenn auch unbestimmte Bestrebungen im
Sinne der Idee der sozialen Revolution, dann soll man nicht erschrecken, wie wild auch
immer seine tatsächlichen Vorstellungen sein mögen, sondern sich ernsthaft und liebevoll mit
ihm befassen und dann sehen, wie umfassend und leidenschaftlich er unsere Idee aufnehmen
und sich zu eigen machen wird, oder vielmehr seine eigene Idee, denn sie ist nichts anderes,
als der klare, vollkommene und logische Ausdruck seines eigenen Instinkts; so hat man ihm
eigentlich nichts gegeben, nichts Neues gebracht, sondern nur das erklärt, was schon längst in
ihm gelebt hat, bevor er uns begegnet ist. Und deshalb sage ich, daß niemand irgend
jemandem irgend etwas geben kann. ... Leben, Entwicklung und Fortschritt verdankt das Volk
allein sich selbst. Dieser Fortschritt vollzieht sich selbstverständlich nicht auf dem Wege des
Buchstudiums, sondern durch das natürliche Anwachsen von Erfahrung ... " (S.643)

Soziale Revolution


"Auch das entsetzliche Elend, selbst wenn es viele Millionen Proletarier ergreift, ist noch
keine ausreichende Gewähr für eine Revolution. ... Wenn man sie erst zur Verzweiflung
gebracht hat, dann wird es schon eher möglich, daß sie sich empören ... (das) setzt (aber) ein
mehr oder weniger klares Bewußtsein von der Möglichkeit einer besseren Lage voraus ...
Aber auch Armut und Verzweiflung sind zu wenig, um die Soziale Revolution hervorzurufen.
Sie können private oder höchstens lokale Revolten auslösen, aber sie reichen nicht aus zur
Erhebung ganzer Volksmassen. Dazu bedarf es außerdem noch eines Volksideals ...
notwendig ist ferner eine allgemeine Vorstellung vom eigenen Recht und ein tiefer,
leidenschaftlicher... Glaube an dieses Recht. Wenn sich ein solches Ideal und ein solcher
Glaube im Volk findet, dazu noch Armut, die es zur Verzweiflung treibt, dann ist die Soziale
Revolution unabwendbar und nahe, und keine Macht der Welt kann sie verhindern." (S.447/8)

"Um erfolgreich gegen militärische Gewalt kämpfen zu können, die künftig vor nichts mehr
Achtung hat und zudem noch mit den schrecklichsten Vernichtungswaffen ausgerüstet und

background image

bereit ist, bei der Zerstörung nicht nur von Häusern und Straßen, sondern von ganzen Städten
mit all ihren Bewohnern von ihnen Gebrauch zu machen, um also gegen eine so wilde Bestie
ankämpfen zu können, muß man eine andere, nicht weniger wilde, dafür aber gerechtere
Bestie haben: die organisierte Revolte des ganzen Volkes, die soziale Revolution, welche
genauso erbarmungslos ist wie die militärische Reaktion und vor nichts zurück* schreckt."
(S.591)

"Diese destruktive Leidenschaft reicht zwar als Grundlage einer revolutionären Tat bei
weitem nicht aus, aber ohne sie ist eine Revolution undenkbar, unmöglich, denn es kann keine
Revolution geben ohne weitreichende, leidenschaftliche Zerstörung, ohne rettende und
fruchtbringende Zerstörung, weil nämlich aus ihr und nur durch sie neue Welten entstehen."
(S.444)" Zerstören wollten (die Deutschen) nichts. Damals hatten sie dazu ebensowenig Lust
wie heute, obwohl das die unbedingte und wichtigste Voraussetzung jeder ernsthaften
Revolution ist." (S.546/7)

"Der allgemeine, öffentliche und private Bankrott - die erste Bedingung für eine sozial-
ökonomische Revolution .,. (S.445) "Es ist klar, daß die Volksmassen die Freiheit, nach der
sie dürsten, nicht von einem theoretischen Sieg abstrakten Rechts erwarten können; sie
müssen die Freiheit mit Gewalt erobern, wozu sie ihre elementaren Kräfte außerhalb des
Staates und gegen ihn organisieren müssen." (S.604)

"Aus der Bourgeoisie schließen sich diesen Kreisen nur die Wenigen an, die die derzeitige
politische, ökonomische und soziale Ordnung von Herzen hassen und der Klasse, aus der sie
hervorgegangen sind, den Rücken gekehrt haben, um sich ganz der Sache des Volkes zu
widmen. Solche Leute sind nicht sehr zahlreich, dafür aber sehr wertvoll, allerdings nur dann,
wenn sie aus Haß gegen das allgemeine Herrschaftsstreben der Bourgeoisie die letzten Reste
persönlichen Ehrgeizes in sich ausgemerzt haben; in diesem Fall, ich wiederhole, sind sie
wirklich wertvoll. Das Volk gibt ihnen Leben, elementare Kraft und ein Betätigungsfeld;
dafür bringen sie ihm Sachkenntnis sowie Abstraktions- und Analysierungsvermögen mit und
die Fähigkeit, sich zu organisieren und zu verbünden und schaffen somit jene bewußte
kämpferische Kraft, ohne die ein Sieg undenkbar ist." (S.421)

"In Italien überwiegt jenes bettelarme Proletariat, von dem Marx und Engels ... mit tiefster
Verachtung als vom Lumpenproletariat sprechen und das ganz zu Unrecht, denn in ihm, und
nur in ihm, nicht in jener ... verbürgerlichten Schicht der Arbeitermasse, ist der ganze Geist
und die ganze Kraft der zukünftigen sozialen Revolution." (S.422/3)

"Das Alte wiederholt sich nie. Der moderne Staat, der erst die alte Idee der Herrschaft
vollkommen verwirklicht hat, ebenso wie das Christentum die letzte Form des theologischen
Glaubens oder der religiösen Knechtschaft verwirklicht, - der bürokratische, militärisch-
polizeiliche und zentralistische Staat, der aus der Notwendigkeit seines inneren Wesens
danach strebt alles, was um ihn herum existiert, lebt, sich bewegt und atmet, an sich zu reißen,
zu unterwerfen und zu ersticken - dieser Staat ... liegt in den letzten Zügen. Seine Tage sind
gezählt, und von seinem Fall erwarten alle Völker ihre endgültige Befreiung." (S.458/9)

"Das ist der breite Weg des Volkes, der Weg zur wirklichen und vollkommenen Befreiung,
jedem erreichbar und daher wahrhaft volkstümlich, der Weg einer anarchistischen sozialen
Revolution, die ohne Anstoß von außen aus dem Volk selbst entsteht und alles zerstört, was

background image

das gewaltige Überströmen des Volkslebens hindern könnte, um dann aus der Tiefe des Seins
eines Volkes neue Formen einer freien Gesellschaft zu schaffen." (S.560/1)

Kollektivismus


"... das ökonomisch notwendige Prinzip der kollektiven Bebauung des gemeinsamen Bodens
... das Prinzip, nach dem der Ertrag oder sein Gegenwert gleichmäßig verteilt wird, und zwar
nach strengster Gerechtigkeit, nicht einer juristischen, sondern einer menschlichen
Gerechtigkeit, welche von den Fähigen und Starken mehr, von den Unfähigen und Schwachen
weniger Arbeit verlangt und den Lohn nicht nach dem Arbeitsmaß, sondern nach den
Bedürfnissen jedes einzelnen verteilt." (S.652)"Die Vernichtung des Staats und des
juristischen Rechts wird notwendig die Vernichtung des persönlichen Erbeigentums und der
juristischen Familie, die ja auf diesem Eigentum basiert, zur Folge haben, da beide keinerlei
menschliche Gerechtigkeit zulassen. Allein die Vernichtung des Staats, des Eigentumsrechts
und der juristischen Familie macht es möglich, das Leben des Volks von unten nach oben auf
der Basis der kollektive Arbeit und des kollektiven Eigentums zu organisieren ... (S.657)
"Kooperation in jeder Gestalt ist zweifellos die rationale und gerechte Form der zukünftigen
Produktion. Um aber ihr Ziel erreichen zu können - die Befreiung der arbeitenden Massen und
ihre volle Entlohnung und Zufriedenstellung - ist es unerläßlich, daß Land und Kapital in
jeder Hinsicht zum Kollektivbesitz gemacht werden. Solange das nicht geschieht, wird die
Kooperation in den meisten Fällen von der allmächtigen Konkurrenz des Großkapitals und
des Großgrundbesitzes unterdrückt werden; in den seltenen Fällen, wenn es zum Beispiel der
einen oder anderen, notwendig mehr oder weniger beschränkten Produktivgenossenschaft
gelingt, diesen Kampf auszuhalten und zu überleben, ist das Resultat dieses Erfolgs nur die
Entstehung einer neuen privilegierten Klasse von kollektiven Glücklichen in der Masse des
notleidenden Proletariats. So kann also bei den herrschenden Bedingungen der sozialen
Ökonomie die Kooperation der Arbeitermassen nicht befreien, nichtdestoweniger bietet sie
jedoch den Vorteil, daß sie sogar in der jetzigen Zeit den Arbeiter lehrt, sich
zusammenzuschließen, sich zu organisieren und ihre eigenen Angelegenheiten selbständig zu
verwalten." (S.639)

"Kooperation kann deshalb ... nur in unbedeutendstem, um nicht zu sagen winzigem Ausmaß
gedeihen, und auch das nur, solange das alles erdrückende Kapital und die noch stärker
drückende Regierung nichts bemerken noch spüren." (S.640) ... kooperative Versuche, die nur
kurzfristigen und kaum anhaltenden Nutzen, und auch den höchstens einer kleinen Anzahl
von Arbeitern bringen werden." (S.608) " ... und darin sind sich alle modernen, zwar
bourgeoisen, aber doch seriösen Ökonomen einig, wenn sie anscheinend widerwillig die
Schwäche des kooperativen Systems aufdecken, in dem sie doch, und das wohl zurecht,
gleichsam den Blitzableiter sehen, der sie vor dem Gewitter der sozialen Revolution schützt."
(S.639)

Analyse von Machteinflüssen


"(Die bourgeoisen Sozialisten) waren so sehr von der Wirksamkeit ihrer parlamentarischen
Entscheidungen und Verordnungen überzeugt, daß sie das einzige Mittel vernachlässigten, der
staatlichen Macht der Reaktion die revolutionäre Macht des Volkes entgegenzustellen, indem
sie diese Macht organisierten." (S.588) "Die ... Radikalen waren ganz vom parlamentarischen

background image

Spiel absorbiert und verloren jeden Sinn für alles Übrige. Sie glaubten allen Ernstes an die
Kraft parlamentarischer Entscheidungen ... " (S.586)

"Größtenteils sind (diese bourgeoisen Sozialisten) nämlich schlechte Revolutionäre und
einfach eitle Egoisten und Feiglinge. Dazu kommt noch, daß sie ihrer Stellung nach zu den
gebildeten Klassen gehören und den Komfort, den erlesenen Luxus und den eitlen geistigen
Genuß außerordentlich schätzen, wovon das Leben dieser Klassen so erfüllt ist. Sie begreifen,
daß die Volksrevolution, ihrem Wesen und Ziel nach grob und rücksichtslos, vor der
Zerstörung der bourgeoisen Welt nicht haltmachen wird, in der es sich so gut lebt; so haben
sie keineswegs die Absicht, größere Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen, wie sie mit dem
ehrlichen Dienst an der Sache der Revolution verbunden sind, noch wollen sie Zweifel an sich
bei den zwar nicht so liberalen und beherzten, aber dennoch wertvollen Beschützern
aufkommen lassen, bei den Verehrern, Freunden und Genossen nach Bildung,
Lebensumständen, Luxus und materiellem Komfort; nein, sie wollen ganz einfach für sich
keine solche Revolution und fürchten sie, da diese Revolution sie von ihrem Piedestal
(Denkmalsockel) herunterholen und sie plötzlich aller Vorteile ihrer gegenwärtigen Situation
berauben würde." (S.645/6)

"Wegen dieses Hasses und dieser Furcht haben sie die ganze Arbeiterbevölkerung auf den
Weg der sogenannten legalen und friedlichen Agitation, deren Ergebnis gewöhnlich zu sein
pflegt, daß ein oder zwei Arbeiter oder sogar ein literarisierender Bourgeois aus der
sozialdemokratischen Partei in das ... Parlament gewählt wird. Das ist aber für den deutschen
Staat nicht nur ungefährlich, sondern im Gegenteil als Blitzableiter, als Ventil, sogar höchst
nützlich." (S.631/2) " ... (dann) bleibt nur Betrug: für die ehrlosen und ehrgeizigen
Parteiführer Ehrungen und Gewinn für die eigene Tasche, für die Masse der einfachen
Arbeiter Sklaverei." (S.477)

"Sehen wir einmal den mit seinem Schicksal zufriedenen Bourgeois an, - besteht denn auch
nur die geringste Hoffnung, daß man ihm jemals das Recht des Proletariats auf volle
Entfaltung seiner Persönlichkeit und auf den gleichen Anteil an allen Annehmlichkeiten und
Segnungen des gesellschaftlichen Lebens erklären, oder daß man ihm die Rechtmäßigkeit und
heilsame Notwendigkeit einer sozialen Revolution beweisen könnte? Nein, man wird das
nicht einmal versuchen, ... weil man sich davon überzeugen wird, daß dieser Bourgeois ...
nicht verstehen und auch nicht zum Sozial-Revolutionär werden würde ... aus dem einfachen
Grunde, weil das Leben nicht jenes instinktive Streben in ihm herausgebildet hat, welches
unserem sozial-revolutionären Denken entspräche." (S.642)

"Eine solche (revolutionäre) Zerstörung ist mit dem bourgeoisen Bewußtsein, mit der
bourgeoisen Zivilisation, unvereinbar, da diese Zivilisation ganz auf der fanatischen
Vergötterung des Eigentums beruht. Der Bürger oder Bourgeois wird eher Leben, Freiheit
und Ehre opfern, als daß er auf sein Eigentum verzichtete. Ein Anschlag auf sein Eigentum
oder dessen Zerstörung zu welchem Zweck auch immer - ja schon der bloße Gedanke daran -
erscheint ihm als Sakrileg (Gotteslästerung) ." (S.444)

"Die Slawische Sektion (der IAA), die sich zum Materialismus und Atheismus bekennt, wird
alle Arten von Gottesdienst und alle offiziellen und inoffiziellen Konfessionen bekämpfen
und wird, indem sie in Wort und Tat voll für die Gewissensfreiheit aller und für das heilige
Recht jedes einzelnen, seine Ideen zu verkünden, eintritt, alles daran setzen, die Idee einer
Gottheit in all ihren religiösen, metaphysischen, doktrinär-politischen und juristischen

background image

Erscheinungsformen zu vernichten in der Überzeugung, daß diese gefährliche Idee immer
noch jegliche Art von Sklaverei gerechtfertigt hat." (S.657)

"Die bürgerlich gebildete Welt muß die entfesselten Kräfte des Volkes bezwingen und
unterwerfen, um dann mit Bajonetten, Peitsche und Knüppel, die natürlich von irgendeinem
Gott gesegnet und von der Wissenschaft für vernünftig erklärt werden, wie früher die Masse
der einfachen Arbeiter zur Arbeit zu zwingen ... " (S.436) "Wir werden die Gelehrten um ihrer
Verdienste willen ehren, aber zur Rettung ihres Verstandes und ihrer Moral sollte man ihnen
keinerlei gesellschaftliche Privilegien geben, und ihnen keine anderen Rechte zugestehen, als
das allgemeine Recht auf Freiheit, ihre Überzeugung, Gedanken und Kenntnisse zu
verkünden. Macht darf weder ihnen noch auch sonst jemandem gegeben werden, denn wer
Macht besitzt, der wird nach dem unwandelbaren sozialistischen ... Gesetz unweigerlich zum
Unterdrücker und Ausbeuter der Gesellschaft." (S.562)

"Unter den größten Genies hat es bisher nur wenige gegeben, die wirklich etwas für das Volk
getan haben; die Genies' in einem Volk sind besonders aristokratisch, und alles, was sie bisher
getan haben, diente nur dazu, einer ausbeutenden Minderheit zu Bildung, Stärke und
Reichtum zu verhelfen ... " (S.643)

"Der moderne Staat, dessen einziges Ziel in der organisierten, größtmöglichen Ausbeutung
der Arbeit des Volkes zugunsten des in wenigen Händen konzentrierten Kapitals besteht: und
das bedeutet nichts anderes als den Triumpf ... der Hochfinanz, unter dem mächtigen Schutz
von Finanz-, Verwaltungs- und Polizeigewalt, welche sich in erster Linie auf das Militär
stützt, ihrem Wesen nach also despotisch ist, auch wenn sie sich gleichzeitig hinter dem
parlamentarischen Spiel eines Scheinkonstitutionalismus verbirgt. Für die heutige
Kapitalbildung und Bankspekulation bedarf es zu ihrer weiteren und vollständigen Entfaltung
jener gewaltigen Zentralisation durch den Staat, wodurch es überhaupt erst möglich wird, die
Millionen und Abermillionen des einfachen arbeitenden Volkes ihrer Ausbeutung zu
unterwerfen ... Kapitalbildung und Bankspekulation kommen ... glänzend mit der sogenannten
repräsentativen Demokratie aus; denn diese moderne Staatsform, die auf der Pseudo-
Herrschaft eines Pseudo -Volkswillens basiert, welcher angeblich durch sogenannte
Volksvertreter in Pseudo-Volksversammlungen zum Ausdruck gebracht wird, vereinigt in
sich die beiden Voraussetzungen, die Kapitalbildung und Bankspekulation zur Erlangung
ihrer Ziele benötigen, nämlich staatliche Zentralisation und die Tatsache, daß der
Herrschaftsanspruch des Volkes einer intellektuellen Minderheit unterworfen wird, die das
Volk unter dem Vorwand, es zu vertreten, regiert und unweigerlich ausbeutet ...Jede
Ausbeutung der Arbeit des Volkes ist bitter für das Volk, ganz gleich, mit welchen politischen
Formen von Pseudovolksherrschaft und Pseudovolksfreiheit sie auch verbrämt sei. Kein Volk
wird sich ihr gern unterwerfen, auch wenn es von Natur aus noch so fügsam ist oder noch so
gewohnt, der Gewalt zu gehorchen; deshalb ist ständiger Zwang, also Polizeiaufsicht und
Militärgewalt, unumgänglich." (S.428/9)

"Wenn man irgendeine politische Macht ungefährlich machen will, wenn man sie befrieden,
bezwingen will, so gibt es dazu nur ein Mittel - sie vernichten. Die Philosophen haben nicht
verstanden, daß es gegen politische Macht keine anderen Garantien geben kann, als die
völlige Vernichtung, daß in der Politik, wo Mächte und Fakten gegeneinander kämpfen, wie
in einer Arena, Worte, Versprechungen und Eide nichts bedeuten, und das schon allein
deshalb, weil jede politische Macht, solange sie wirklich Macht bleibt, sogar ohne und gegen
den Willen der Obrigkeit und der Herrscher, die sie lenken, von Natur aus und bei Gefahr der

background image

Selbstvernichtung unbeirrbar und um jeden Preis die Verwirklichung ihrer Ziele anstreben
muß." (S.581)

"Alles, was in der Sprache der Politik Recht genannt wird, ist nur die Heiligung eines durch
Gewalt geschaffenen Faktums." (S.604) "Solange (Reformer) jung und noch nicht durch den
Staatsdienst korrumpiert sind, zeichnen sich diese Leute meistens durch ihren ...
Demokratismus und Sozialismus aus. Aber kaum haben sie den Dienst angetreten, so fordern
eherne Logik der Position und Sachzwänge, die charakteristisch sind für gewisse
hierarchische und politisch günstige Beziehungen, das Ihre, und die jungen Patrioten werden
von Kopf bis Fuß Beamte ...

Zudem erweisen sich die Erfordernisse einer gewissen Position immer stärker als Gefühle,
Pläne und gute Absichten." (S.470) " ... der Patriarchalismus ... ein Übel ... gegen das mit
allen Kräften zu kämpfen, wir verpflichtet sind ... Es hat das ganze ... Leben verformt, hat ihm
jenen Charakter starren Stumpfsinns und hoffnungsloser Verkommenheit verliehen, den
Charakter jener tiefverwurzelten Lüge und gierigen Heuchelei und schließlich jener
sklavischen Servilität, der dieses Leben so unerträglich macht. Die Familie, die schon von
ihrer rechtlichwirtschaftlichen Basis her unmoralisch ist, wurde durch den Despotismus des
Ehemanns, des Vaters und dann des älteren Bruders zur Schule triumphierender Gewalt und
Rücksichtslosigkeit, tätlicher Niedertracht und Unzucht zu Hause ... gewohnt, in der Familie
widerspruchslos zu gehorchen, fährt er auch in der Gesellschaft fort, zu gehorchen, und sein
Mäntelchen nach dem Wind zu hängen; er ist geschaffen, Sklave zu sein und zu bleiben ... "
(S.643)

"Im (Staat) ist alles dem einen Interesse unterworfen, nämlich der Größe einer alles
bezwingenden Macht ... alles übrige, das Volk, selbst Standesinteressen, die Blüte der
Industrie, des Handels und der sogenannten Zivilisation sind nur Mittel, dieses einzige Ziel zu
erreichen. Ohne eine gewisse Zivilisationsstufe, ohne Industrie und Handel kann kein Staat
und besonders nicht der moderne existieren, weil der sogenannte nationale Reichtum, der
nicht im entferntesten das Volk betrifft, sondern den Reichtum der privilegierten Stände,
Macht ist." (S.520) ... jene Wahrheit, die durch die ganze vergangene und gegenwärtige
Geschichte der menschlichen Gesellschaft, der Völker und Staaten gestützt wird, daß nämlich
das ökonomische Faktum immer dem juristischen und politischen Recht vorausgegangen ist."
(S.571)

"Andererseits strebte diese Regierung unmittelbar ihr Hauptziel an - nämlich zunächst die
Grundlage für eine preußische Hegemonie in Deutschland zu schaffen ... auf einem Wege, der
ihr selbst ungleich vorteilhafter und angenehmer erschien als der Weg liberaler Reformen
oder gar der Förderung der deutschen Wissenschaft - nämlich auf dem Wege der Wirtschaft;
dabei mußte sie auf wärmste Sympathien der ganzen reichen Handels- und
Industriebourgeoisie, der ganzen Welt der ... Finanziers in Deutschland stoßen, denn das
Gedeihen aller dieser Gruppen verlangte unbedingt eine staatliche Zentralisation in weitestem
Maße." (S.566)

Internationalismus


"Es gibt nichts Unsinnigeres und zugleich Schädlicheres, nichts Verderblicheres für das Volk,
als das Pseudoprinzip der Nationalität als Ideal aller Bestrebungen des Volkes aufzustellen.

background image

Die Nationalität ist kein allgemein menschliches Prinzip, sondern eine historische, lokale
Tatsache, die wie alle wirklichen und harmlosen Tatsachen unbezweifelbar ein Anrecht auf
allgemeine Anerkennung hat. Jedes Volk oder sogar jedes ganz kleine Volk hat sein seinen
Charakter, seine besondere Art zu existieren, zu sprechen, zu fühlen, zu denken und zu
handeln; und dieser Charakter, diese Art, die gerade das Wesen der Nationalität ausmachen,
ergeben sich aus dem gesamten historischen Leben und aus allen Lebensbedingungen des
Volkes. Jedes Volk ist genau wie jedes Individuum nolens volens (ob es will oder nicht) das,
was es ist, und hat das unbestreitbare Recht, es selbst zu sein. Darin besteht das ganze
sogenannte nationale Recht. Wenn aber ein Volk oder ein Individuum nur auf eine Art und
nicht anders existieren kann, so folgt daraus noch nicht, daß das Volk oder das Individuum
das Recht oder gar einen Nutzen davon hätte, Nationalität bzw. Individualität als besondere
Prinzipien hinzustellen, und daß sie sich damit ewig herumschlagen müßten. Im Gegenteil, je
weniger sie an sich selbst denken, und je mehr sie von allgemein- menschlicher Substanz
durchdrungen sind, um so mehr belebt sich die Nationalität des einen und die Individualität
des anderen und um so mehr bekommen beide Sinn." (S.463/4)

"Aber die Soziale Revolution kann nicht eine Einzelrevolution eines einzigen Volkes sein; sie
ist ihrem Wesen nach eine internationale Revolution, d.h. die Slawen, die ihre Freiheit
suchen, müssen um dieser ihrer Freiheit willen ihre Bemühungen und die Organisation ihrer
nationalen Kräfte mit den Bemühungen und der Organisation der nationalen Kräfte aller
anderen Länder verbinden. Das slawische Proletariat muß massenhaft der Internationalen
Arbeiterassoziation beitreten." (S.466)

"Die Slawische Sektion (der IAA), die die Befreiung der slawischen Völker anstrebt,
beabsichtigt dabei jedoch keineswegs die Organisation einer besonderen slawischen Welt, die
aus Nationalgefühl Völkern anderer Rasse feindlich gesinnt wäre. Es wird im Gegenteil ihr
Bestreben sein, die slawischen Völker in die Gesamtfamilie der Menschheit zu überführen."
(S.558)

Zukunft


"Trotz der ungeheuren Entwicklung der modernen Staaten, ja als Folge dieser endgültigen
Entwicklung, die übrigens vollkommen logisch und mit unbedingter Notwendigkeit gerade
das Prinzip der Staatlichkeit ad absurdum geführt hat, wurde klar, daß die Tage des Staates
und der Staatlichkeit gezählt sind, und daß sich die Zeiten für eine völlige Befreiung der
Arbeitermassen nähern: die Zeiten ihrer freien gesellschaftlichen Organisation von unten nach
oben, ohne jede "'Einmischung einer Regierung; einer Organisation, die auf freien
wirtschaftlichen Bündnissen unter den Völkern, ungeachtet aller alten Staatsgrenzen und aller
nationalen Unterschiede auf der einen Grundlage beruht, und zwar der Grundlage produktiver,
ganz vermenschlichter und bei aller Vielfalt völlig solidarischer Arbeit." (S.463)

"Es wird die Zeit kommen, da es keine Staaten mehr gibt, - auf ihre Zerstörung sind alle
Anstrengungen der Sozialrevolutionären Partei in Europa gerichtet - eine Zeit, da sich auf den
Trümmern der politischen Staaten das völlig freiheitliche und von unten nach oben
organisierte, unabhängige brüderliche Bündnis der unabhängigen Produktivassoziationen,
Gemeinden und regionalen Föderationen erheben wird, die unterschiedslos, da freiheitlich,
Menschen aller Sprachen und Nationen umfassen." (S.511)

background image

"Entsprechend dieser unserer Überzeugung haben wir weder die Absicht noch die geringste
Lust, unserem oder einem anderen Volk ein beliebiges Ideal einer Gesellschaftsstruktur
anzuhängen, das wir uns angelesen oder selbst ausgedacht haben, sondern wir suchen dieses
Ideal im Volk selbst, in der Überzeugung, daß die Volksmassen in ihren mehr oder weniger
historisch entwickelten Instinkten, in ihren täglichen Bedürfnissen und in ihren bewußten und
unbewußten Bestrebungen alle Elemente ihrer zukünftigen normalen Organisation tragen; und
da jegliche staatliche Macht, jede Regierung ihrem Wesen und ihrer Stellung nach außerhalb
des Volkes, über ihm steht und unbedingt danach streben muß, es einer Ordnung und Zielen
zu unterwerfen, die ihm fremd sind, so erklären wir uns zu Feinden jeglicher Macht einer
Regierung und eines Staates, zu Feinden staatlicher Ordnung überhaupt, und glauben, daß das
Volk nur dann glücklich und frei sein kann, wenn es sich selbst sein Leben schafft in einer
Organisation von unten nach oben, mit selbständigen und völlig freien Vereinigungen ohne
jede offizielle Überwachung, nicht aber ohne vielfältige und gleich unabhängige Einflüsse
von Personen und Parteien." (S.563)

"Die durchgehend föderative Organisation von unten nach oben der Arbeiterassoziationen,
Gruppen, Gemeinden, Bezirke und schließlich Provinzen and Nationen - diese einzige
Vorraussetzung für eine wahre und nicht fiktive Freiheit ... (S.428) "Wir sind davon
überzeugt, daß sie undenkbar ist und eine Lüge bleibt, solange die Menschheit in eine
Minderheit von Ausbeutern und eine Mehrheit von Ausgebeuteten unterteilt ist. Wenn ihr die
Freiheit für alle wollt, dann müßt ihr mit uns die Gleichheit aller wollen." (S.624)

Zerstörung aller Staaten , Vernichtung der bourgeoisen Zivilisation , freie Organisation von
unten nach oben durch freie Bündnisse , Organisation des von den Fesseln befreiten
einfachen Arbeitervolks , der ganzen befreiten Menschheit und Aufbau einer neuen Welt für
die ganze Menschheit ."
(S.635)

Nachwort


Errico Malatesta in "Pensiero e Volonta" am 1.Juli 1926

Ich war Bakunist, wie es alle meine Genossen jener- leider - nun soweit zurückliegenden
Generationen waren. Heute, ja schon seit vielen Jahren, würde ich mich nicht mehr als
solchen bezeichnen. Die Ideen haben sich weiterentwickelt und verändert. Heute bin ich der
Ansicht, daß Bakunin in der politischen Ökonomie und in der Geschichtsinterpretation zu
marxistisch war;| finde ich, daß seine Philosophie ausweglos im Widerspruch zwischen der
mechanischen Weltauffassung und dem Glauben an die Fähigkeit des menschlichen Willens,
auf die Geschicke des Menschen und der Menschheit einzuwirken, befangen war. Aber all
dies ist von geringer Bedeutung. (...) Immer noch lebendig ist seine radikale Kritik des
Prinzips der Autorität und des Staates, der sie verkörpert; lebendig ist immer noch der Kampf
gegen die beiden Lügen, die beiden Formen, mit denen die Massen unterdrückt und
ausgebeutet werden: die Demokratie und die Diktatur; lebendig ist die vorbildliche
Ablehnung jenes falschen Sozialismus, den er als einschläfernd bezeichnete und der, bewußt
oder unbewußt, darauf abzielt, die Herrschaft der Bourgeoisie zu befestigen, indem er die
Arbeiter durch fruchtlose Reformen einschläfert. Und lebendig sind v.a. der starke Haß gegen
alles, was den Menschen herabwürdigt und erniedrigt und die grenzenlose Liebe für die
Freiheit, die ganze Freiheit, (aus: Gesammelte Schriften 2; Kramer 1980; S.50/51)


Wyszukiwarka

Podobne podstrony:
09 Absichten und Möglichkeiten (B)
Ausgewählte polnische Germanismen (darunter auch Pseudogermanismen und Regionalismen) Deutsch als F
Powerprojekte mit Arduino und C
Glottodydaktyka, Traditionelle und alternative Unterrichtsmethoden
Ich und meine?milie
Petterson Und Findus Malvorlagen Windowcolor
138318439 The Anarcho Positivist Perspective
45 Progression Stufen der Sprachfertigkeit ( variationsloses, gelenkt varrierendes und freies Sprech
Interpretacja wymagań normy ISO, SONS OF ANARCHY SEZON 5, domy pasywne, zarządzanie jakością
Libia pogrążyła się w anarchii, Ideologie totalitarne
36 Mind Maps und ihre Verwendung im FSU ( Wortschatzarbeit, Textarbeit, andere Anwendungsbereiche)
Kabale und Liebe
Alles über Lernen und Gedächtnis german deutsch Klasse exzellent(1)
Hyperkinetische Stoerungen0 dgn und Therapie
PC gesteuerter 32 Kanal Dimmer Luxus Regler fuer ohmsche und induktive Lasten
Anarchist Cookbook
Die Judenbuche und Erzählungen

więcej podobnych podstron