Geschichte des Klosters auf dem Sankt Annaberg
Gute und schlechte Zeiten in der Geschichte des Klosters auf dem
Sankt Annaberg
Im Jahre 1631 kaufte Graf Melchior von Gaschin auf Zyrowa das ganze Terrain um den St. Annaberg.
Der Graf Melchior von Gaschin bemühte sich 20 Jahre lang vergebens Franziskaner aus der
benachbarten polnischen Ordensprovinz zu bewegen als Betreuer des Gnadenbildes und der Pilger auf
den St. Annaberg zu bekommen, wo er ihnen ein Kloster bauen wollte. Erst als im schwedisch-
polnischen Krieg die Franziskanerklöster in Lemberg und Krakau zerstört und die Ordensleute nach
Gleiwitz geflüchtet waren, erinnerten sie sich
an das Anliegen des Grafen von Gaschin und
waren froh, auf dem einsamen und unwirtlichen
Berg eine Bleibe zu finden. Am 01. November
kamen 22 Franziskaner in Leschnitz an. Alsbald
begannen sie auf dem Gipfel des Berges ein
hölzernes Kloster zu bauen, in welches sie im
Jahre 1666 einzogen. In den Jahren 1733-1749
wurde das hölzerne Kloster durch einen Steinbau
ersetzt. Eine bereits 1743 im Preußischen Staat
geplante Aneignung kirchlicher Güter fand im
Jahre 1803 die reichsgesetzliche Anerkennung.
König Friedrich III. von Preußen hatte schon für
das folgende Jahr den Einzug aller kirchlicher
Güter erwogen, ihn dann aber bis zum Eintritt
eines günstigeren Zeitpunktes verschoben. Als
Preußen durch den Tilsiter Friedensschluß schwere Kontributionen auferlegt worden waren, erließ der
König am 30. Oktober 1810 das seit 7 Jahren befürchtete Säkularisationsedikt. Es erklärte das
Breslauer Domstift, Abteien und Klöster samt ihrer Güter und Liegenschaften zum Staatseigentum.
Dem Säkularistionsdekret der preußischen Regierung fiel auch das Kloster und der St. Annaberg zum
Opfer. Die Franziskaner mußten den St. Annaberg verlassen und das Kloster wurde als Pulvermagazin
verwendet, später in ein Armen- und Obdachlosenheim umgestaltet. Bis zur Säkularistion besuchten
jährlich 50 bis 80 Tausend Pilger den St. Annaberg. Die Anzahl der Wallfahrer verringerte sich deutlich
und die Kapellen der Kalvarie verfielen. Dem Breslauer Fürsterzbischof Heinrich Förster gelang in den
Jahren 1856/62 der Ankauf des ganzen Klostergeländes mit allen Gebäuden und der gesamten
Kalvarie. Für die Betreuung des Heiligtums und für die gewaltige Seelsorgsarbeit im oberschlesischen
Raum er bat der Bischof Franziskaner aus der westfälischen Ordensprovinz. Am 13. August 1859
kamen die westfälischen Patres am Bahnhof in Gogolin an, von wo sie den Annaberg in dreistündigen
Fußmarsch erreichten. Nachdem das damals einzige Kloster in ganz Oberschlesien nach den
Verwüstungen wieder bewohnbar gemacht wurde, begann eine Periode erfolgreicher Seelsorge. In
großen Scharen pilgerten die Oberschlesier wieder zu ihrer Patronin Sankt Anna. Die westfälischen
Franziskaner waren zutiefst beeindruckt von der Glaubenskraft, der Opferbesinnung und Frömmigkeit
des oberschlesischen Volkes. Bald jedoch mußten die Franziskaner den St. Annaberg wiederum
verlassen. Infolge der unter dem Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck im Jahre 1873 ergangenen
sogenannten Maigesetz begann der "Kulturkampf", dessen Maßnahmen sich gegen die Katholische
Kirche richteten. Bischöfe und Priester wurden rechtlos gemacht, verhaftet und vertrieben. Bis zum
Jahre 1879 war die äußere Organisation der katholischen Kirche nahezu vernichtet. Im Jahre 1875
mußten die Franziskaner den Annaberg verlassen. Die Kulturkampfgesetze brachten eine 12-jährige
Unterbrechung der fruchtbaren Arbeit der Patres. Im Jahre 1887 kamen die Franziskaner aus Holland
und Amerika wieder auf den St. Annaberg zurück. Die schwere Zeit des Kulturkampfes vermochte
jedoch die tiefe Religiosität des oberschlesischen Volkes nicht zu brechen. Durch die kluge
Vermittlung des Bischofs Georg Kopp von Fulda, des späteren Fürstbischofs und Kardinals von Breslau,
wurde die Krise des Kulturkampfes beigelegt. Bismark ist mit seinem Kulturkampf einen
verhängnisvollen Irrweg gegangen. Es ist schon erstaunlich, daß der verfolgte Klerus in seiner
überwiegenden Mehrheit treu zu Deutschland hielt. Langsam bildete sich ein neues, freilich nicht
überall und zureichend von schmerzlichen Erinnerungen befreites Verhältnis der oberschlesischen
Katholiken zum preußischen Staat und das religiöse Leben nahm einen neuen, gewaltigen
Aufschwung. Es ist allgemein bekannt, daß die Folgen des Kulturkampfes Einfluß auf die
Volksabstimmung eines Teiles der Oberschlesier 20. März 1921 hatten. Nach dem 1. Weltkrieg sollte
das oberschlesische Volk nach dem Willen der Siegermächte in einer freien Abstimmung entscheiden,
ob es zu Polen gehören oder bei Deutschland verbleiben wolle. In drei Aufständen versuchten die
Polen die Abstimmung bzw. deren Ergebnis zu unterlaufen. Als im 3. Aufstand der von polnischen
Insurgenten besetzte St. Annaberg am 21. Mai 1921 von deutschen Widerstandskämpfern gestürmt
und die Aufständischen entscheidend geschlagen wurden, bekam der Wallfahrtsberg eine zusätzliche
Bedeutung im nationalen Bewusstsein der Deutschen. Der St. Annaberg blieb aber und wurde sogar
immer stärker das Zentrum der katholischen Aktion in Oberschlesien. Nach Hitlers Machtübernahme
im Jahre 1933 paßte den Nationalsozialisten dieses stark pulsierende religiöse Leben auf dem St.
Annaberg nicht in ihre ideologischen Vorstellungen. Vor allem störten sie die von Jahr zu Jahr stärker
werdenden Männerwallfahrten am Sonntag vor dem Fest der Apostel Peter u. Paul, an welchen
regelmäßig Fürsterzbischof Adolph Kardinal Bertram teilnahm. Es reizte die Nationalsozialisten bis
aufs Äußerste, als im Jahre 1937 über 80.000 pilgernde und betende Männer den St. Annaberg
besetzten. Nun sollte eine offene geistige Auseinandersetzung die ideologische Überlegenheit der
Nationalsozialisten beweisen. Der Oppelner Gauleiter erklärte damals: "An der selben Stelle, wo das
Volk religiös verseucht wird, soll es nun politisch erzogen werden". Den markierten Großwanderweg
Saarland - Schlesien ließ man auf dem St. Annaberg enden und einmünden in die modernste
Jugendherberge des "Dritten Reiches", die der Reichsjugendführer Baldur von Schirach im Herbst 1937
persönlich einweihte. In den Jahren von 1934 bis 1938 wurde mit Hilfe des Reichsarbeitsdienstes und
einiger Firmen das Mausoleum für die 51 beim Kampf um den St. Annaberg gefallenen
Freikorpskämpfer und eine Freilichtbühne, die sogenannte Thingstätte für 60.000 Zuschauer erbaut.
Diese profanen Objekte sollten ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Wallfahrten werden. Zur
Einweihung der Thingstätte kamen statt der erwarteten 100.000 Teilnehmer nur 20.000 befohlenen
Statisten, meist SA-Männer. Die Eröffnungsfeier fand bei strömendem Regen statt, was zu einem
gewaltigen Fiasko für die Nationalsozialisten war. Fünf Wochen später, am 26. Juni 1938 trotz Verbot
des Einsetzen von Sonderzügen und eingeführten Erschwernissen im normalen Zugverkehr drängten
sich Tausende vollbesetzter Fahrzeuge, Pilger auf Rädern und Fußgänger den Annaberg hinauf. An
dieser Männerwallfahrt nahmen 120.000 Männer und Jungmänner teil. Als alle Schikanen die
Wallfahrten nicht zu ersticken vermochten, wurde am 19. Juni 1941 ein Verbot für Wallfahrten auf
dem Annaberg erlassen. Die Franziskaner wurden erneut vom Annaberg und aus dem ganzen Kreis
Groß-Strehlitz vertrieben. Nach dem 2. Weltkrieg zerstörten die Polen zunächst den deutschen
Heldentempel er Gefallenen und erbauten genau an der selben Stelle einen von Prof. Dunikowski
entworfenes Denkmal für ihre Aufständischen. Eigenartig, wenn man bedenkt, daß gerade dort die
Insurgenten am 21. Mai ihre totale Niederlage erlitten haben. Unmittelbar nach Ende des 2.
Weltkrieges konnten sich die Franziskaner wieder auf dem St. Annaberg niederlassen und ihre
seelsorgliche Arbeit zum Segen des oberschlesischen Volkes aufnehmen. Dem Beispiel der
Nationalsozialisten folgend, haben auch die kommunistischen Machthaber in Polen mit allen zur
Verfügung stehenden Mitteln versucht, die Wallfahrten der oberschlesischen Katholiken auf dem St.
Annaberg massiv gestört, die Anreise der Pilger erschwert, sogar das Trinkwasser auf dem Berg
abgesperrt. Fahrzeuge aller Art, die sich in Richtung des St. Annaberges bewegten, wurden in kurzen
Abständen von Funktionären der Bürgermiliz streng kontrolliert und immer wurde etwas
unbedeutendes gefunden, wofür die Fahrer erhebliche Bußgelder zahlen mußten. Ebenso wurden
Geistliche und Vorbeter, die Pilgergruppen anführten mit hohen Bußgeldern bestraft. So wiederholt
sich die Geschichte des Kampfes gegen die Kirche. Verfolgung und Schikanen vermochten den
Glauben und die Liebe der Oberschlesier zu ihrem St. Annaberg nicht brechen. Viel mehr als je zuvor
pilgern Oberschlesier, auch Landsleute aus der Bundesrepublik Deutschland hinauf auf den St.
Annaberg zum religiösen Zentrum der Heimat. "... auf diesem Felsen werde ich meine Kirche bauen
und die Mächte der Hölle werden sie nicht überwältigen." Matheus 16, 18-19.
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