Technik
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Wasser
Im Schatten der Kirche entsteht im
Herzen von Vilsbiburg derzeit die
neue Kinderkrippe
Schutz vor Stagnationsrisiken
E
in historisches Gebäudeen-
semble in der gewachsenen
Ringbebauung des Dorfkerns
direkt an der Kirche zukunfts-
orientiert zu nutzen, ist nicht
einfach. Es einfach abzurei-
ßen, ist auch keine Lösung, vor
allem, wenn die Häuser unter
Denkmalschutz stehen. Also
entschloss man sich in Vilsbiburg
(bei Landshut), das Anwesen zu
einer modernen Kinderkrippe
mit entsprechenden Aufent-
halts-, Spiel- und Schlafräumen
um- und auszubauen. Das ist
zwar aufwendig, doch die Lage
mitten im Ort, die direkte Nähe
zur weiterführenden Schule
und die gute Infrastruktur in
Es gibt Konstellationen, die sind aus trinkwasserhygienischer Sicht kritisch, und das
von Anfang an. Dazu gehören beispielsweise unter Denkmalschutz stehende Objekte,
die aufwendig an- und umgebaut werden, um dann „öffentlich“ genutzt zu werden.
Dort kann schon die geringste Verkeimung des Wassers schlimme Folgen haben.
Aber auch diese Herausforderung ist in den Griff zu bekommen, wie der Umbau eines
Gebäudekomplexes in Vilsbiburg zu einer Kinderkrippe zeigt.
der Nachbarschaft gaben letztlich den Ausschlag für diese Ent-
scheidung. Auch wenn genau diese Punkte in Verbindung mit
einer dichten Bebauung zugleich die erste große Hürde waren,
die es bei der architektonischen und baulichen Realisierung des
etwa 2,4 Mio. € teuren Projektes zu stemmen galt.
Die zweite „Hürde“ ergab sich bei der technischen Gebäude-
ausrüstung generell aus dem Zusammenspiel „historischer
Bau kör per“ und „Nutzung als Kinderkrippe“: Auf der einen
Seite sollten die Wände aus Ziegelmauerwerk oder die Holzbal-
kendecken möglichst erhalten bleiben. Auf der anderen Seite
bestand aber der Anspruch, die Raumtemperierung und die
Sanitärinstallationen nutzungsgerecht auf dem aktuellen Stand
der Technik auszuführen. „Für die Trinkwasserinstallationen war
damit beispielsweise auch die VDI 6023 von Anfang an gesetzt“, so
Stephan Wallhöfer von der Delta Immotec GmbH aus Geisen hausen
(
www.delta-gruppe.de
), der als Fachplaner für die Haustechnik
der künftigen Kinderkrippe verantwortlich zeichnet. In der Praxis
be deutet das, bezogen auf die Trinkwasserinstallation, vor allem
drei entscheidende Punkte zu beachten:
Stefan Schulte
Produktmanager Systemarma-
turen, Viega GmbH & Co.KG.
Planung, Umsetzung und Betrieb einer Trinkwasserinstallation
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Den regelmäßigen Wasseraustausch im gesamten Rohrlei-
tungsnetz kalt mindestens alle drei Tage;
■
eine bis unmittelbar vor die Zapfstelle durchgeschliffene
Trinkwarmwasserzirkulation für kontinuierlichen Wasser-
austausch und
■
die konsequent hygieneerhaltende Temperaturführung im
gesamten Trinkwassernetz, also selbst in parallel geführten
Leitungen Kaltwasser immer unter 25 °C, Warmwasser nie
weniger als 55 °C.
Wasseraustausch abgesichert
Die Grundlage dafür, den regelmäßigen Wasseraustausch abzusi-
chern, wurde bereits in der Planungsphase mit der Viega-Software
„Viptool Engineering“ gelegt: Auf Basis der DIN 1988-300 gerech-
net, konnte die Nennweite der Rohrleitungen durchweg deutlich
kleiner gewählt werden, als es noch nach früheren Regelwerken
und Gleichzeitigkeiten der Fall gewesen wäre. Wie viel das aus-
macht, zeigt ein Blick auf die Hauptverteilleitungen: Statt des
65er-Rohres genügt eine 40er-Nennweite – das anstehende Volu-
men ist also allein in diesem Strangabschnitt auf etwa ein Drittel
verringert worden. Entsprechend gering sind das Stagnationsrisi-
ko bzw. der Aufwand, das Wasser regelmäßig auszutauschen.
Stehendes Wasser im Leitungsnetz verhindert darüber hinaus
die durchgeschliffene Rohrführung bis unmittelbar vor die ein-
zelnen Zapfstellen. Selbst bei längerer Nichtbenutzung einzelner
Zapfstellen wird, im Gegensatz zur Anbindung mit Stichleitungen,
also immer auch dieser Rohrabschnitt mit durchströmt.
In Kombination mit einer hinreichenden Dämmung der aus dem
Edelstahlsystem „Sanpress Inox“ ausgeführten Trinkwasserleitungen
gegen Erwärmung bzw. Auskühlung sowie thermisch gesteuerten
„Easytop“-Strangregulierventilen ist damit planerisch und installa-
tionsseitig alles für den Erhalt der Trinkwassergüte während des
bestimmungsgemäßen Betriebs der Krippe in Vilsbiburg getan.
Dokumentierter Wasseraustausch
Was aber bleibt, ist das Restrisiko bei Nutzungsunterbrechungen,
zum Beispiel an langen Wochenenden oder in Ferienzeiten. Dann
Fachgerechte Planung ist generell die Voraussetzung für den dauer-
haften Erhalt der Trinkwassergüte, waren sich (v.l.n.r.) Günter Hofbauer
(Geschäftsführung Bernkopf Versorgungstechnik), Dipl.-Ing. Stephan
Wallhöfer (Delta Immotec GmbH), Viega-Verkaufsberater Anton Stangl
und Viega-Planerberater Sven Teich bei der Begehung der Baustelle ohne
Diskussion einig
Info
Kernsaniertes Gebäudeensemble
Das denkmalgeschützte Gebäudeensemble in Vilsbiburg war
eine ehemalige Mädchenschule. Es besteht aus drei Objek-
ten, errichtet zwischen 1750 und 1845. Da der Nordflügel
gegenüber den anderen beiden Bauteilen in sehr schlech-
tem Erhaltungszustand und teilweise schon eingestürzt
war, wurde er durch einen Neubau ersetzt. Die Wärmever-
sorgung der Kinderkrippe geschieht künftig über einen
Fernwärmeanschluss. Die Wärmeverteilung erfolgt über vier
Heizkreise: eine Fußbodenheizung, Heizkörper (für Lager,
Windfang etc.), Bauteiltemperierung und einen gesonderten
für die Warmwasserbereitung. Hier wird ein Speicherlade-
system eingesetzt, um die zirkulierenden Wasservolumina
möglichst gering zu halten. Die Warmwassertemperatur ist
an den für die Kinder zugänglichen Zapfstellen mit Thermo-
staten auf 42 °C begrenzt. Die Trinkwasserleitungen sind bis
an die Zapfstellen durchgängig in Edelstahlrohren („San-
press Inox“) ausgeführt.
Eine Ausführung „wie aus dem Lehrbuch“ kennzeichnet die trinkwasser-
führenden Sanitärinstallationen in der künftigen Kinderkrippe – von der
Rohrdimensionierung und -führung bis hin zur Dämmung gegen Schallü-
bertragung und Temperaturveränderung
händisch über einen Spülplan
für den notwendigen Wasser-
austausch zu sorgen, ist nicht
zielführend, sagt Planer Stephan
Wallhöfer: „Erstens ist es frag-
lich, ob seitens der Gemein-
de dafür überhaupt Personal
zur Verfügung gestellt werden
kann und ob so ein Einsatz wirt-
schaftlich ist. Zweitens bleibt die
zentrale Frage der Dokumenta-
tion, auch bezüglich der für den
vollständigen Wasseraustausch
notwendigen Spülmenge.“
Statt solcher Hilfskonstruk-
tionen wurden daher in der
Kinderkrippe von Anfang an
zwei Spülstationen mit „Viega
Hygiene+-Funktion“ vorgese-
hen: In die Kaltwasserstränge
eingebunden sind sie so pro-
grammiert, dass entweder nach
einer definierten Zeitspanne oder
bei Überschreiten von Tempe-
raturgrenzwerten automatisch
so lange gespült wird, bis das
stagnierende Wasservolumen
vollständig ausgetauscht ist.
Für Günter Hofbauer vom aus-
führenden Fachunternehmen
„Bernkopf Versorgungstechnik“
aus Arnstorf (
www.bernkopf-
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10/2013
Für die Bauteiltemperierung wurde
im Sockelbereich an den Außen-
wänden der bestehenden Gebäude
ein eigener Heizkreis (waagerecht
laufend) vorgesehen, als Teilmaß-
nahme zum Schutz vor aufstei-
gender Feuchte
Fotos: Viega
Die individuelle Programmierung
ist ein zentraler Vorteil der Spül-
stationen für einen wirtschaftlich
sicheren Betrieb der Anlagen, so
Verkaufsberater Stangl (re.) im
Gespräch mit SHK-Fachmann Gün-
ther Hofbauer
Zum Schutz vor Stagnation hat
TGA-Fachplaner Wallhöfer (links)
selbstverständlich auch die Ent-
nahmestellen durchgeschliffen; für
Viega-Planerberater Sven Teich
nicht minder wichtig: die konse-
quente Dämmung der Rohrlei-
tungen gegen Wärmeübergang
bzw. Auskühlung
Die Spülstationen mit „Viega
Hygiene-Funktion“ sind etagen-
weise in die Trinkwasser-Installa-
tion integriert und konnten dank
kompakter Bauweise komplett ins
Mauerwerk eingelassen werden;
der Zugang erfolgt später über
eine Revisionsklappe
Für die saubere Temperaturhaltung
in den Trinkwarmwasserführenden
Rohrleitungen wurden thermisch
gesteuerte „Easytop“-Strangregu-
lierventile installiert
Erhalt der Trinkwassergüte von
Anfang an: Zum Schutz vor
eindringendem Schmutz wurden
in der Rohbauphase die offenen
Rohrenden mit Kappen versehen
versorgungstechnik.de
) ist
das die wirtschaftlichste und si-
cherste Form, Stagnationsrisiken
verlässlich und wirtschaftlich zu
vermeiden: „Die Spülstationen
werden von uns nach Inbetrieb-
nahme der Trinkwasserinstalla-
tion exakt so programmiert, dass
sie bedarfs- und volumengerecht
spülen. Das heißt, es wird tat-
sächlich nur bei Notwendigkeit
und dann auch nur im wirtschaft-
lichsten Umfang gespült. So
halten wir die Betriebskosten
niedrig und entlasten die Um-
welt. Gleichzeitig dokumentiert
die Spülstation absolut präzise
jeden Spülvorgang, von der Spül-
menge bis hin zu den jeweiligen
Wassertemperaturen. Damit ist
in jeder Hinsicht belastbar do-
kumentiert, dass der Betreiber
seinen Pflichten zum Erhalt der
Trinkwassergüte nachkommt.“
Entscheidend könnte das wer-
den, wenn es in der Folge von
Trinkwasserverkeimungen zu
Erkrankungen käme. Dann muss
auf der Grundlage der aktuellen
Trinkwasserverordnung (Trink-
wV) der Betreiber nachweisen
können, dass er gemäß den
allgemein anerkannten Regeln
der Technik alles zum Erhalt
der Trinkwassergüte getan hat. Und dazu zählt eben, neben der
fachgerechten Planung und Installation, auch der bestimmungs-
gemäße Betrieb der Trinkwasseranlage.
Hohes Verantwortungsbewusstsein
Dass im Sanierungs-Neu-Erweiterungsbau der künftigen Kinder-
krippe das Thema „Erhalt der Trinkwassergüte“ so mustergültig
durchdekliniert wurde, ist nicht zuletzt dem hohen Bewusstsein
um die möglichen Gesundheitsrisiken bei allen an diesem Pro-
jekt Beteiligten zu verdanken: Schon bei der Stadt Vilsbiburg als
Auftraggeber war die Notwendigkeit entsprechender Schutzmaß-
nahmen ganz hoch aufgehängt – und wurde zusätzlich durch
eine entsprechende Planung und Ausschreibung durch die
verantwortlichen Fachplaner unterstützt. Das reichte bis hin zur
klaren Beschreibung der einzusetzenden Rohrleitungsmaterialien,
Ventile oder Spülstationen. „Nur so kann verhindert werden,
dass in der Ausschreibungsphase über den Entscheidungszwang
für den günstigsten Anbieter die ursprünglichen Schutzziele
aufgeweicht werden“, lobt Dipl.-Ing. Stephan Wallhöfer die hier
praktizierte Vorgehensweise.
Er sieht die selbstverständlich immer noch regelkonforme Aus-
schreibung wie das gesamte in Vilsbiburg umgesetzte Konzept als
beispielhaft an für die Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen,
bei denen im Lande Handlungsbedarf besteht: Nach Einschätzung
des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) gibt es in
Deutschland etwa 40 000 Schulen und rund 50 000 Kindergärten,
von denen über die Hälfte dringend sanierungsbedürftig sind.
In der Mehrzahl der Objekte dürfte es dabei unmöglich sein,
die Trinkwasserinstallationen komplett auszutauschen. Umso
dringender sind daher im Zuge von schrittweisen Sanierungen
Konzepte, die zum Beispiel über reduzierte Rohrdimensionen,
durchgeschliffenen Ringleitungen und Spülstationen den Erhalt
der Trinkwassergüte bestmöglich unterstützen.