Jagiellonen-Universität
Institut für Germanistik
WS 2004/2005
Vorlesung: Deskriptive Grammatik des Deutschen - Adjektiv
Leiter: Andrzej S. Feret Ph.D.
Wörter wie einsam, hässlich, gut nennt man Adjektive. Mit Adjektiven werden einer nominalen Größe, d. h. einem Substantiv bzw. Pronomen, Eigenschaften und Merkmale (Qualität und Quantität) zugeschrieben. Im Hinblick auf die Bedeutung unterscheidet man zwischen:
qualitativen Adjektiven - Sie drücken die Merkmale eines Objekts direkt durch die eigentliche Bedeutung aus: z. B. der alte Wein
relativen Adjektiven (Bezugsadjektive) - Sie drücken sie Merkmale eines Objekts durch dessen Beziehung zu einen anderen Objekt bzw. Realitätsfaktor (Raum, Zeit, Herkunft, Verwandtschaft usw.) aus: z. B. der französische Wein.
Im Hinblick auf die Art und Weise, wie Adjektive dem Substantiv bzw. Pronomen Eigenschaften zuschreiben, unterscheidet man zwischen zwei Funktionen, die Adjektive im Satz haben können - sie fungieren entweder als Attribute oder als Prädikative. Dabei lassen sich drei Gruppen nennen:
Adjektive, die sowohl attributiv als auch prädikativ verwendet werden können: z. B. die wichtige Aufgabe vs. Die Aufgabe ist wichtig.
Adjektive, die nur attributiv verwendet werden: z. B. die untere Wohnung, die Pariser Mode vs. *Die Wohnung ist unter. *Die Mode ist Pariser.
Adjektive, die nur als Prädikative fungieren. Sie sind weder deklinierbar noch komparierbar. In den meisten Fallen sind es Desubstantiva oder Fremdwörter: z. B. Die Frau ist mir feind. vs. *die mir feinde Frau.
Adjektive in der Funktion des Prädikativs bilden zwei Gruppen:
solche, die sich sowohl mit werden als auch mit sein verbinden: z. B. Das Mädchen ist / wird rot.
solche, die sich nur mit sein verbinden können: z. B. Das Mädchen ist tot. vs. *Das Mädchen wird tot.
Adjektive + werden bilden Prozessprädikate, während mit Adjektiven + sein stative Prädikate gebildet werden.
Beim attributiven Adjektiv kann es sich um zwei Fälle handeln:
In der Regel steht das adjektivische Attribut vor dem Substantiv, auf das es sich bezieht. In der Position wird das Adjektiv stets dekliniert: z. B. Das hübsche Mädchen lächelt uns an.
Zum Anderen kann das Adjektiv in der Funktion des Attributs postnominal verwendet werden, d. h. nach dem Substantiv, auf das es sich bezieht. In der Position wird das Adjektiv nicht dekliniert. In den meisten Fällen hat man es dabei mit zwei Adjektiven zu tun, die kopulativ verbunden sind. Darüber hinaus werden sie vom Substantiv durch ein Komma abgegrenzt, was darauf hinweist, dass dabei die sog. Apposition vorliegt: z. B. Das Mädchen, kess und hübsch, lächelt uns an.
Die meisten Adjektive sind deklinierbar. Dabei tragen sie dieselben Kategorien wie Substantive: Genus nominale, Kasus und Numerus. Zwischen den Kategorien des Substantivs und des Adjektivs besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied: Beim Substantiv handelt es sich jeweils um eine inhärente Kategorie, d. h. es gibt kein Substantiv, das außerhalb dieser Kategorien stehen würde. Dagegen im Falle des Adjektivs handelt es sich um selektive Kategorien, d. h. sie werden ausschließlich zum Ausdruck der Kongruenz zwischen Artikelwort, vorangestelltem Attribut (Adjektiv) und Substantiv verwendet. Dabei handelt es sich um die sog. Monoflexion, d. h. Suffixe, welche die Kategorien markieren, stehen nur einmal innerhalb der Nominalphrase: z. B. der neue Wagen, ein neuer Wagen, neuer Wagen.
Die attributiven Adjektive werden dekliniert, wobei sich drei unterschiedliche Deklinationstypen bestimmen lassen:
Typ I (starke Deklination) - nach Nullartikel, endungslosen Zahladjektiven sowie endungslosen Formen wie manch, solch, welch, wenig, etwas, mehr: z. B. drei neue Fahrräder, manch kleiner Junge
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Maskulinum |
Femininum |
Neutrum |
Plural |
Nominativ |
blau-er Rock |
kalt-e Suppe |
frisch-es Obst |
jung-e Leute |
Genitiv |
blau-en Rock(e)s |
kalt-er Suppe |
frisch-en Obst(e)s |
jung-er Leute |
Dativ |
blau-em Rock |
kalt-er Suppe |
frisch-em Obst |
jung-en Leuten |
Akkusativ |
blau-en Rock |
kalt-e Suppe |
frisch-es Obst |
jung-e Leute |
Typ II (schwache Deklination) - nach dem bestimmten Artikel, nach Demonstrativpronomen (derselbe, derjenige, dieser, jeder, jener), nach Indefinitpronomen (welcher, jeglicher) sowie im Plural nach Possessivpronomen und alle, beide, sämtliche, solche, keine
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Maskulinum |
Femininum |
Neutrum |
Plural |
Nominativ |
der blau-e Rock |
die kalt-e Suppe |
das frisch-e Obst |
keine jung-en Leute |
Genitiv |
des blau-en Rock(e)s |
der kalt-en Suppe |
des frisch-en Obst(e)s |
keiner jung-en Leute |
Dativ |
dem blau-en Rock |
der kalt-en Suppe |
dem frisch-em Obst |
keinen jung-en Leuten |
Akkusativ |
den blau-en Rock |
die kalt-e Suppe |
das frisch-e Obst |
keine jung-en Leute |
Typ III (gemischte Deklination) - nach dem unbestimmten Artikel, im Singular nach Possessivpronomen und Indefinitpronomen (manch ein, solch ein, welch ein, irgendein), nach Negativpronomen kein sowie im Plural nach Indefinitpronomen (einige, etliche, mehrere)
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Maskulinum |
Femininum |
Neutrum |
Plural |
Nominativ |
ein blau-er Rock |
eine kalt-e Suppe |
ein hart-es Metall |
einige jung-e Leute |
Genitiv |
eines blau-en Rock(e)s |
einer kalt-en Suppe |
eines hart-en Metall(e)s |
einiger jung-er Leute |
Dativ |
einem blau-en Rock |
einer kalt-en Suppe |
einem hart-en Metall |
einigen jung-en Leuten |
Akkusativ |
einen blau-en Rock |
eine kalt-e Suppe |
ein hart-es Metall |
einige jung-e Leute |
Bei der Deklination lassen sich außerdem einige Besonderheiten feststellen:
Bei Adjektiven auf -el wird das unbetonte e der Endsilbe getilgt: z. B. dunkel - ein dunkler Stoff.
Bei Adjektiven auf -er und -en bleibt das e gewöhnlich erhalten: z. B. finster - ein finsteres Gesicht.
Bei hoch wird der Auslautkonsonant verändert: z. B. das hohe Haus.
Bei zusammengesetzten Adjektiven mit Bindestrich wird der letztstehende Teil dekliniert: z. B. das polnisch-deutsche Wörterbuch.
Bei der Komparation (Steigerung, Graduierung) des Adjektivs werden verschiedene Grade einer Eigenschaft bzw. eines Merkmals ausgedrückt. Daraus geht hervor, dass nur jene Adjektive komparierbar sind, welche eine Eigenschaft ausdrücken, die in verschiedener Intensität auftreten kann. Dabei wird zwischen drei Vergleichsstufen unterschieden:
Positiv gilt als Grundstufe der Komparation. Sie dient zum Ausdruck des gleichen Grades bzw. der Gleichheit: z. B. groß.
Komparativ gilt als Höher- bzw. Mehrstufe der Komparation. Sie dient zum Ausdruck eines ungleichen Grades bzw. einer Ungleichheit zweier miteinander verglichener Größen. Der Komparativ wird gebildet, indem an die Grundform das Suffix -er angehängt wird z. B. größer. Bei einsilbigen Adjektiven mit einem umlautfähigen Vokal (a, o, u) tritt im Komparativ (und Superlativ) zusätzlich der Umlaut auf: z. B. grob - gröber, jung - jünger, arm - ärmer aber bunt - bunter. Beide Möglichkeiten gibt es bei dumm, glatt: z. B. dummer vs. dümmer. Bei Adjektiven auf -el fällt im Komparativ das e aus: z. B. dunkel - dunkler.
Superlativ gilt als Höchst- bzw. Meiststufe der Komparation. Sie dient zum Ausdruck des höchsten Grades. Der Superlativ wird durch das Anhängen von -st bzw. -est an die Grundstufe gebildet. Beim prädikativen Adjektiv wird der Superlativ mit am -sten bzw. aufs -ste ausgedrückt: z. B. der kürzeste Tag vs. Der Tag ist am kürzesten.
Bei Adjektiven wie gut, viel, wenig werden der Komparativ und Superlativ mit Suppletiven gebildet: z. B. gut - besser - best-.
Darüber hinaus existiert in der Sprache der sog. Elativ (absoluter Superlativ), der zum Ausdruck eines sehr hohen Grades (ohne Vergleich) dient. Der Elativ stimmt in der Form mit dem Superlativ überein: Liebste Mutter! Der Elativ kann auch mit dem Nullartikel verwendet werden: z. B. Wir servieren nur beste Weine.
Daneben gibt es die Möglichkeit der sog. Steigerungsinversion, d. h. kein höherer Grad wird ausgedrückt, sondern ein geringerer als Positiv. Dies kann zweierlei ausgedrückt werden als:
Komparativ ohne Vergleich: z. B. eine ältere Frau
Komparation mit Hilfe der Partikel weniger: z. B. angemessen - weniger angemessen - am wenigsten angemessen.
Die Komparation kann auch mit Partikeln: z. B. angemessen - mehr angemessen - am meisten angemessen, sehr / überaus / besonders stark sowie mit Wortbildungsmitteln: z. B. bärenstark, superstark ausgedrückt werden.
Bei zusammengesetzten Adjektiven wird in der Regel das letztstehende Glied gesteigert: leselustig - leselustiger - am leselustigsten. Wenn aber die beiden Teile eines zusammengesetzten Adjektivs als relativ selbständig, bzw. voneinander unabhängig angesehen werden, wird das erststehende Glied gesteigert: z. B. leichtfasslich - leichterfasslich - am leichtesten fasslich / leichtestfasslich.
Die meisten Adjektive lassen sich komparieren. Dennoch gibt es auch solche, bei denen die Vergleichstufen nicht üblich sind. Dazu zählen:
Adjektive, deren Inhalt Vergleiche ausschließt: z. B. schriftlich, ledig, tot, stumm
deverbale Adjektive, mit denen das im Stamm Ausgedruckte verneint wird (Präfix un-): z. B. unrettbar, unüberhörbar vs. ein unordentlicherer Mensch, die unempfindlichsten Menschen
Adjektive, mit denen im Stammwort ein Fehlen ausgedrückt wird: z. B. kinderlos, obdachlos
Zahladjektive: letzt, halb
(indeklinierbare) Farbadjektive: oliv, lila
Viele Adjektive verfügen über die syntaktische Valenz, d. h. sie eröffnen Leerstellen die von anderen Elementen besetzt werden können oder müssen z. B. stolz auf seine Leistungen, seinem Vater ähnlich. Aus dem Grund können sie im Satz als sekundäre Valenzträger auftreten: z. B. Er ist seinem Vater ähnlich.
Eine Besonderheit unter Adjektiven stellen die sog. Zahladjektive dar. Dazu zählen:
Mit Kardinalia (Grundzahlen) wird eine Menge oder Anzahl von (Nicht-)Personen angegeben. Sie werden sowohl attributiv als auch prädikativ verwendet, wobei sie weder deklinierbar noch komparierbar sind. Die Zahlen von null bis zwölf sind Simplizia (genuin einfache Wörter), die Zehner sind Ableitungen (Derivate): z. B. zwanzig, fünfzig. Höhere Zahlen sind dagegen Komposita (Zusammensetzungen mindestens zweier Wörter): z. B. dreizehn oder aber Verbindungen: z. B. dreiundzwanzig. Kardinalzahlen werden mit Wie viel? erfragt.
Mit Ordinalia (Ordnungszahlen) wird eine Stelle in einer Reihe von (Nicht-)Personen angegeben. Sie werden nur attributiv verwendet, wobei sie deklinierbar aber nicht komparierbar sind. Die Odrinalzahlen werden aus Kardinalia gebildet durch das Anhängen von -t (2 - 19) bzw. -st (von 20 an). Dagegen erst-, dritt-, acht- werden unregelmäßig gebildet. Bei zusammengesetzten Zahlen wird lediglich das letztstehende Glied zur Ordnungszahl und als eine solche wird es dekliniert: z. B. am einundzwanzigsten Mai. Ordinalia können auch substantiviert werden: z. B. Sie ist die Dritte in unserer Reihenfolge. Ordnungszahlen werden mit Der wievielte? erfragt.
Mit Gattungszahlen wird eine bestimmte Anzahl verschiedener Arten von (Nicht-)Personen angegeben. Sie werden meistens mit dem Nullartikel verwendet, wobei sie weder deklinierbar noch komparierbar sind. Gattungszahlen werden aus Kardinalia gebildet durch das Anhängen von -erlei: z. B. einerlei, allerlei.
Mit Wiederholungs- und Vervielfältigungszahlen wird eine bestimmte Anzahl von (Nicht-)Personen in einer zeitlichen (WZ) und nichtzeitlichen (VZ) Reihenfolge angegeben: z. B. der zweimalige Nobelpreisträger vs. der zweifache Nobelpreisträger. Sie werden meistens attributiv verwendet, wobei sie deklinierbar aber nicht komparierbar sind. Die beiden werden aus Kardinalia mit Hilfe von Suffixen gebildet: -malig (WZ), -fach (VZ).
Mit Bruchzahlen wird ein Teil des Ganzen bezeichnet. Sie werden nur attributiv verwendet, wobei sie weder deklinierbar (mit Ausnahme von ein und halb) noch komparierbar sind. Bruchzahlen sind Verbindungen, bestehend aus Zähler (Kardinalzahl) und Nenner (Ordinalzahl auf -el): z. B. ein drittel, zwei viertel, vier einviertel Stunden.
Mit unbestimmten (indefiniten) Zahladjektiven wird eine nicht näher bestimmte Menge von (Nicht-)Personen angegeben. Einige davon wie einzeln können sowohl attributiv als auch prädikativ verwendet werden, wobei sie deklinierbar, jedoch nicht komparierbar sind. Dagegen ander- und folgend- werden nur attributiv verwendet, und sie sind dabei deklinierbar aber nicht komparierbar. viel und wenig lassen sich zwar deklinieren, doch nach dem Nullartikel treten sie auch in unflektierter Form auf: z. B. Er klagt über das wenige Gepäck. vs. Er klagt über wenig Gepäck. Unbestimmtes Zahladjektiv etwas, das nur mit dem Nullartikel auftritt, ist nicht deklinierbar und nur auf den Singular beschränkt: z. B. Mit etwas Glück gelingt dir alles.
5
sein
(Kopulaverb, Hauptvalenzträger)
er
(Nominativ, Subjekt)
ähnlich
(Prädikativ, sekundärer Valenzträger)
seinem Vater
(Dativ, Objekt zum Prädikativ)