Obraz5 (6)

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Und wenn Sie so, wie Sie sind, in das Theater traten, so sa-hen Sie alles mit den Augen Harrys, alles durch die alte Brille des Steppenwolfes. Sie werden darum eingeladen, sich dieser Brille zu entledigen und diese sehr geehrte Per-sónlichkeit freundlichst hier in der Garderobę abzulegen. wo sie auf Wunsch jederzeit wieder zu Ihrer Verfiigung steht. Der hiibsche Tanzabend, den Sie hinter sich haben, der Traktat vom Steppenwolf, schliefilich noch das kleine Anregungsmittel, das wir eben zu uns genommen haben. diirfte Sie geniigcnd vorbereitet haben. Sie, Harry, werden nach Ablegung Ihrer werten Persónlichkeit die linkę Seite des Theaters zu Ihrer Verfugung haben, Hermine die rechte, im Innem kónnen Sie sich beliebig wieder treffen. Bitte, Hermine, geh einstweilen hinter den Vorhang, ich móchte erst Harry einfiihren."

Hermine verschwand nach rechts, an einem riesengrofien Spiegel vorbei, der die Riickwand vom Boden bis zur Wól-bung bedeckte.

„So, Harry, nun kommen Sie und seien Sie recht guter Laune. Sie in gute Laune zu bringen, Sie lachen zu lchren ist der Zweck dieser ganzen Veranstaltung - ich hoffe, Sie machen es mir leicht. Sie fiihlen sich doch wohlPJa? Haben nicht etwa Angst? Also gut, sehr gut. Sie werden jetżt, ohne Angst und mit herzlichem Vergnugen, in unsre Schcinwelt eintreten, indem Sie sich durch einen kleinen Scheinselbst-mord einfuhren, wie das so Sitte ist.“

Er zog wieder den kleinen Taschenspiegel hervor und hielt ihn mir vors Gesicht. Wieder blickte mir der wirre, wolkige, von der ringendcn Wolfsgestalt durchflossene Harry entge gen, ein mir wohlbekanntes und wahrlich nicht sympathi sches Bild, dessen Vernichtung mir keine Sorgen bereiten konnte.

„Dieses entbehrlich gewordene Spiegelbild werden Sie jetzt auslóschen, lieber Freund, mehr ist nicht vonnóten. Es ge nugt, dafi Sie, wenn Ihre Laune es zulafit, dieses Bild mit ei nem aufrichtigen Lachen betrachten. Sie sind hier in einei Schule des Humors, Sie sollen lachen lernen. Nun, aller hó here Humor fangt damit an, dafi man die eigne Person nicht mehr crnst nimmt."

Fest blickte ich in das Spiegelein, Spiegelein in der Hand, in dem der Harrywolf seine Zuckungen vollfuhrte. Einen

Augenblick zuckte cs in mir, tief innen, leise, aber schmerz-lich, wie Erinnerung, wie Heimweh, wie Reue. Dann wieli die leichte Beklemmung einem neuen Gefiihl, jenem iihn lich, das man empfindet, wenn aus dem mit Kokain betaub-ten Kiefer ein kranker Zahn gezogen worden ist, ein Gefiihl von Erleichterung und tiefem Aufatmen und zugleich von Verwunderung, dafi es so gar nicht weh getan hat. Und zu diesem Gefiihl gesellte sich eine frische Aufgeraumtheit und I^achlust, der ich nicht widerstehen konnte, so dafi ich in ein erlósendes Gelachter ausbrach.

Das triibe Spiegelbildchen zuckte auf und erlosch, die kleine rundę Spiegelflache war plótzlich wie verbrannt, war grau und rauh und undurchsichtig geworden. Lachend wari Pablo die Scherbe weg, rollend verlor sie sich am Boden des unendlichen Korridors.

„Gut gelacht, Harry", rief Pablo. „du wirst noch lachen ler-nen wie die Unsterblichen. Nun hast du endlich den Step-penwolf umgebracht. Mit Rasiermessern geht das nicht. Pafi auf, dafi er tot bleibt! Gleich wirst du die dumme Wirklich-keit verlassen kónnen. Wir werden beim nachsten Anlafi Briiderschaft trinken, Lieber, nie hast du mir so gut gefallcn wie heut. Und wenn du dann noch Wen darauf legst, dann kónnen wir auch miteinander philosophieren und disputie-ren und iiber Musik und iiber Mozart und Gluck und Plato und Goethe sprechen, soviel zu willst. Du wirst jetzt be-greifen, warum es friiher nicht ging. - Hoffentlich gliickt es dir, und du wirst den Steppenwolf fur heute los. Denn na-tiirlich ist dein Selbstmord kein endgultiger; wir sind hier in einem magischen Theater, es gibt hier nur Bilder, keine Wirklichkeit. Suche dir schóne und heitere Bilder aus und zeige, dafi du wirklich nicht mehr in deine fragwiirdige Per-sónlichkeit verliebt bist! Solltest du sie aber dennoch zu-riickbegehren, so brauchst du nur wieder in den Spiegel zu schauen, den ich dir jetzt zeigen werde. Du kennst ja aber das alte weise Wort: Ein Spiegelein in der Hand ist besser ais zwei an der Wand. Haha!“ (Wieder lachte er so schón und schrecklich.) - „So, und jetzt ist blofi noch eine ganz kleine, lustige Zeremonie zu vollziehen. Du hast jetzt deine Persónlichkeitsbrille weggeworfen, nun komm einmal und schaue in einen richtigen Spiegel! Es wird dir Spafi ma-.hen."

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