Abb. 201 wcise der Robę blieb der armellose, mit »Teufelsfenstern« versehene Surkol beliebt ebenso gehorte das kurze, korsettartige Jackchen weiterhin zur hófischen Tracht.
Eine geradezu phantastische Entwicklung nahmen die Schleppen der Frauengewander, waren sie doch im besonderen Mafie dazu geeignet, hófisches, aber auch persónlidies Geltungsbediirfnis zum Ausdruck zu bringen. So soli Agnes Sorel, die Geliebte Karls Vl| von Frankreicb, ihren Ehrgeiz dareingesetzt haben, langere Schleppen ais die Hofdamen zu tragen. Staat und Kirche fiihrten weiterhin ihren vergeblichen Kairipf gegen die Schleppe, obgleich die Kirche dabei so weit ging, den Frauen und sogar Agnes Sorel ihrer das Seelenheil gefahrdenden verfiihrerischen Kleidung und nicht zuletzt der »Teufels. schweife« wegen die Absolution zu versagen. Andererseits hóren wir, dafi im Jahre 1467 Damen am burgundisdien Hof die Schleppe aufgaben und dafur den unteren Saum der Kleider mit einem breiten Pelzbesatz schmiickten. Die Kunstwerke bezeugen jedoch, dafi sich diese fiir die hófische Modę revolutionierende Neuerung nicht allgemein durchzu: setzen vermochte und dafi die Schleppe noch wahrend des ganzen 15. Jahrhunderts so gut wie unentbehrlich blieb.
Das Untergewand, die Cotte, wurde von den geschlossenen Obergewandern fast vóllig verdeckt. Ais Erganzung zum langen und kurzeń Surkot spielte das Untergewand aber audi modisdi eine nicht unwiditige Rolle; es war ebenfalls stets eng tailliert und mit einem Gurtel versehen.
Mćintel wurden von den Frauen ebenfalls wenig getragen, die reprasentativen Ober-gewander machten sie iiberfliissig; nur die Zeremonialtracht der Fiirstinnen behielt den stets in einer aufierordentlidi langen Schleppe endenden Schultermantel bei.
Haartracht Das Haar der Frauen blieb am burgundisdien Hofe vo!lig unter den Kopfbedeckungen und Kopf- verborgen und wurde — soweit es auf Stirn und Schlafen zum Vorschein kam — weiterhin bededcungcn ausrasiert. Sehr beliebt war die Hórnerfrisur, dereń an beiden Seiten kiinstlich aufge= bauschte Haarwiilste der Haartracht ihren Namen und der dariiber getragenen Haube ihre Form verliehen. Wie alle neuen Moden fand die Hórnerfrisur nicht nur eifrige Nadi= ahmung, sondem auch scharfste Ablehnung; zu ihren Kritikern gehorte Johann Hus, der in seiner Sdirift »De Sacerdotum et Monachorum carnalium abominatione« auch gegen den Kleiderluxus seiner Zeit zu Felde zog. Die Frauen, heifit es dort, »wollten durch eine wunderbare Anordnung selbst gehórnt sein in ihrer aufieren Erscheinung, damit sie gleichfalls óffentlich zeugten, dafi sie dem Tiere zugehóren; denn auf ihren Kópfen gestalten sie die Sdileier mit einer gewissen Kunst und nicht ohne grofie Miihe so, dafi mindestens drei Hórner, eins iiber der Stirn, die anderen auf dem Scheitel des Hauptes emporragen*. Die Kopfbedeckungen nahmen allerdings oft geradezu monstrose Formen an, zumal wenn iiber den Hauben noch auf Drahtgestelle gespannte Schleier getragen wurden, so dafi die Damen kaum noch ungehindert die Tiiren passieren konnten und spottende Zeitgenossen diese Haubenungeheuer mit Segelsehiffen verglichen. Kaum weniger bizarr ais die Hórnerhaube waren die aus zwei riesigen Wtilsten bestehenden Hauben, die den Kopf ebenfalls weit iiberragten. Am charakteristischsten fiir die burgun= dische Fraucnmode war jedoch der Hennin, jene zuckerhutfórmige Kopfbedeckung, dereń hohe und spitze Form ganz dem auf das Schlanke und Spitze gerichteten Zeitgeschmack entsprach; ein langer, von der Spitze des Hennins bis zur Erde herabfallender Schleier griff das Schleppenmotiv der Gewander auf.
Minia)2 Paul'J°hann und Hermann von Limburg: Das Mahl des Herzogs (Monatsbild des Januar). nr aus en »Tres r ich es Heures du Duc de Berry*. Chantilly. Musee Conde. Um 1411—1416