In der Ausfiihrung einfache Gegenstande, meistens aus Knochen, wie Nadeln Ahien, Stichel, Schlittschufae betrachten wir ais Erzeugnisse der Heiraarbeit. Diese Einteilung in Handwerkserzeugnisse und Heimarbeit miissen wir jedoch sehr vor-sichtig handhaben.
Die Handwerkserzeugnisse suggerieren, dass die Ursachen einer Absonderung des Handwerks von der Heimarbeit auf dem Gebiete der Homverarbeitung, ausser in den allgemeinen Bedingungen der Entwicklung der menschlichen Geseli-schaft, bei der grossen Hartę des Hornmąterials, vor allen in der Notwendigkeit zu suchen sind, vom Erzeuger ganze Satze von Werkzeugen zu besitzen, was bei der durchschnittiichen Heimarbeit durchaus nicht notwendig ist. Eine grosse Rolle spielte hier auch sicher die Schwierigkeit der Verarbeitung und im Zusammen-hang damit der Besitz grosser Sachkenntmsse auf diesem Gebiete.
Die Anfange des Hornverarbeitungshandwerks sind sicher in den romischen Zeiten zu suchen, in welchen sich eine grosse Anzahl von Kammen zeigte. Zu einer grosseren Ausbildung des Handwerks kam es jedoch erst in den friiheren Phasen des Mittelalters. Die Absonderung innerhalb des Handwerks vollzog sich, wie die Fundę in Kołobrzeg zeigen, zusammen mit dem Prozesse der Entstehung der Stadte.
Mit aller Sicherheit kann festgestellt werden, dass wir es mit Hornverarbei-tung ais Handwerk schon in den friihesten Zeiten der Entwicklung Szczecins und Wolins zu tun haben. Anfangs ist die Homverarbeitung kein selbstandiges Handwerk, tritt aber zusammen mit der Bernsteinyerarbeitung (Kołobrzeg) auf. Im Zeitraume bis zum X. Jahrhundert miissen wir mit der Einfuhr von Kammen rechnen, oder mit dem Einfluss auf eine Erzeugung dieser an Ort und Stelle von Seiten der Haarschneider. Die Kamme des IX. und X. Jahrhunderts, lSnger und breiter, sehr sorgfiltig ausgefiihrt, sind hinsichtlich der Form nicht so stark dif-ferenziert, wie die spateren Kamme. Schon von der Halfte des X. Jahrhunderts, an, erscheinen neue Kammformen (Futterale) und von der Halfte des XI. Jh. be-girtnen sich, wenn auch in geringer Anzahl, zweiseitige Kamme zu zeigen. Im XI. und besonders im XIL Jahrhundert trifft man neben sehr sorgfaltig ausgefiihrten, auch sehr nachlassig verąrbeitete, oft ohne Verzierungen. Es erscheinen auch in grosserer Mange andere Gegenstande, wie Fassungen, BelŚge, Hefte usw. Dass alles beweisst, dass das Hornverarbeitungshandwerk in dieser Zeit seine grosste Blute erlebte. In dieser Zeit konnen wir mit seiner vollstandigen Selbstandigkeit rechnen. Diese Entwicklung miissen wir mit der grossen Entwicklung der pommerschen Stadte in Verbindung bringen und der Steigerung des Bedarfs auf dem lokalen Markte. Diese Zeit der Konjunktur bewirkte, dass z. Bsp. der sich mit der Verar-beitung des Bernsteins befassende Handwerker begann, sich der Hornverarbedtung zuzuwenden (Wolin) und dass in manchen Hauswirtschaften begonnen wurde, sich raehr, wie bisher mit der Verarbeitung von Horn und Knochen zu beschaftigen. Nicht ausgćschlossen ist es dabei, dass es sich hier um eine halb handwerkm&s-sige Beschaftigung handelte. Das Erloschen der Verarbeitung des Horns ais Handwerk erfolgte im Mittelalter.
Auf Grund des Abfallmaterials wurde der Versuch unternommen, die Grosse der Produktion (an der Zahl der Kimme) des Homhandwerkśrs in Wolin festzu-
setzen. Ais Ergebnds der Berechnungen erhielten wir 216 — 324 Kamme fiir eine Werkstatt aus Schicht IX b in Wolin (zweite Halfte des XI. Jahrhunderts). Fiir das ganze XI. Jahrhundert erhielten wir 822 —1253 Kamme; zu ihrer Produktion wurde 64,86 m Horn yerwendet.
Die Erzeugnisse setzten die Handwerker selbst auf den Mftrkten ab, welche in grosseren Stadten abgehalten wurden. Moglicherweise gelangte ein gewisser Teil von den lokalen Erzeugnissen auf ausl&ndische Markte; schliesslich fanden fremde Erzeugnisse auch ihren Weg in unsere Lander, z. Bsp. die Homkisten aus dem Kamminer Domschatz — (die eine aus Skandinavien, die andere aus den siidslavischen Landem). Die Erzeugnisse hatten abhangig von ihrer Ausfiih-rung, verschiedene Preise und somit yerschiedene Abnehroer.
Die Handwerker versorgten sich mit Hohmaterial durch die Bevolkerung der benachbarten Heidegegenden im Handelswege (vielleicht war dies in vielen Fallen ein Austauschhandel).
Die vorliegende Arbeit ist der erste Versuch das mit der Hornverarbeitung in Verbindung stehende Handwerk in Westpommerti zu erfassen. Es wurde fest-gestellt, dass dieses Handwerk schon im IX. Jahrhundert bestand, und dass es eng mit der Stódteentwicklung verbunden ist. Die Entwicklung dieses Handwerks fdllt auf das X. bis XII. Jahrhundert (selbstverstandlich mit lokalen Abweichungen). Es gruppierte sich hauptachlicb in Stadten. Zur Zeit seiner gróssten Entwicklung war es eine selbstandige und vererbliche Beschaftigung (Wolin).
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