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Um das Jahr 1783 zeigt sich bei Schiiler, unter dem Einflusse Wielands, die erste Wendung zur franzosischen Tragódie. Diese Wendung vo!lzog sich wahrend der Arbeit am »Don Carlos«, sowohl in der Walii des Stoffes ais aucli in seiner Ausfiihrung. Der Dichter priift seinen dramatischen Stil und kommt zur IJberzeugung, dass er das Gleichgewicht zwisclien den beiden Extremen, dem onglischen und dem franzosischen Stil, erhalten mlisse.
Die Hauptmotive des »Don Carlos« schópfte er aus der Tragódie »Andronic« von J. Campistron nnd aus dem »Mithridates« von Racine. Konig Phihpp bat nicht melir die Ziige der un-menschlichen Grausamkeit der Tyrannen Senecas, sondern den Charakter des sentimeiitalen, verliebt6ii Tyrannen der franzósi-.schon Tragódie. Aus dem Schillerschen Drama yerschwindet nun-mehr das Brutale und Masslose, es yerschwindet aucli der derbe Shakespearische Kumor, die Prosa maclit den Jarriben Platz, ukerall zeigt sich die Tendenz das Pathos zu modifizieron und zu mildern. Trotz der prinzipiellen Abneigung gegen die franzó-sisclie Tragódie, eignct. sich doch Schiller ihre Form an und be-dient sich gerne ilirer erprobten Mittel. In ihre regelmassige Form sucht er aber einen poetischen Gehalt zu giessen, dessen Mangel er den Franzosen, ais den Manieristen in der Kunst, zum Vorwurf machte. Soiti Weg fiihrt von dem trockeneu, stark rhetorischen, eintónig pathetischen und stoischon Corneille, der noch sichtbar unter dcm Finflusse Senecas stand, zum milderen Racine, dem Schópfer des modernen Seelendramas.
Der Einfluss der Griechen zeigt sich bei Schiller am spate-sten. Dies hangt mit seiner Stellung zimi Hellenismus iiberhaupt zusammen. Schiller besass koine genauere Kenntnis der griechi-schen Sprache. Er bat die attischen Tragiker nie im Original gelosen, viele Eigentumlichkeiten der griechischen Sprache wa-ren ihm also entgangen. In don Griechen (ausser Kuripides) sah er »naive« Dichter und suchte durch das Studium ihrer Werke seinen Stil zu lautern und von dem tibertriebenen Pathos und der rhetorischen Manier zu befreien.
Wahrend seiner Yerbindung mit Goethe erstroben beide die Reinheit der poetisclien Gattungen, vor allem des Epos und des Dramas und sehen das Muster derselben eben bei den Griechen. Und wahrend Goethe ziun »letzten Ilomeriden« zu werden hofft