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Ironie an, wenn, wie Prokop es behauptet, Tribonian Justinian schmei-chelte, er, der Kaiser, werde wegen seiner Frómmigkeit eines Tages unver-sehens zum Himmel auffahren 11 ?
Aueh der Leiter der Reichsverwaltung Justinians, der Pratorianer-prafekt Johannes von Kappadokien, stand in dem Rufę eines lauen Chris-ten 12. Von den Feldherren des Kaisers wollte Belisar nur Soldat sein und hielt sich in politicis zuriick 13, und man darf annehmen, daB er auch in ideologischen Fragen nicht von der offiziellen Linie abwich. Sein zeitwei-liger Gegenspieler Narses galt ohnehin ais fromm, ohne daB er sieh frei-lich, kluger Diplomat, der er war, in den innerkirchlichen Streitigkeiten der Epoche engagiert hatte 14. Weder er noch Belisar durften uber ihren militarischen Beruf hinaus Bildung und Bildungsinteressen besessen haben.
Es waren somit keineswegs uniforme Persónlichkeiten, so zeigten unsere Andeutungen, die Justinian fair die Konzipierung und Realisierung seines Restaurationsprogramms heranzog, und noch vielgestaltiger wird das Bild, wenn wir in unsere Betrachtung die Ideologen und Propagan-disten jener an der Vergangenheit orientierten staatlichen Neugestaltung einbeziehen, dereń Aktivitaten in sehriftstellerischen Leistungen ihren Niederschlag fanden. Wir beschranken uns darauf, die besonders charak-teristischen Gestalten herauszugreifen.
Zu den fruhesten Propagandisten der Justinianischen Politik ge-horte Johannes Laurentios Lydos, ein rhetorisch gebildeter Jurist, der im Zivil- und Militardienst Karriere machte und es bis zum Comes brachte, moglicherweise in einer gewissen Rivalitat zu Johannes von Kappadokien 15. Er ist ais naiver Jasager gekennzeichnet worden i6, eine Charak-teristik, die jedoch sein Wirken nur oberflaehlich erfaBt; denn eine jede Politik, und vollends eine solche, die neue Wege einschlagt, bedarf der diffe-renzierten propagandistischen Beeinflussung, und in bezug auf die Kreise, auf die Lydos zu wirken bestimmt war, namlich die konservative Oberschieht Altroms, ist er dieser Aufgabe augenscheinlich gerecht geworden. Denn sein verlorener Panegyrikus auf den Kaiser fand in den genannten Kreisen Anklang und war ebenso in Justinians unmittelbarem Auftrag abgefaBt wie der gleichfalls verlorene Report iiber den Perserkrieg bzw. die Schlacht von Dara. In unserem Zusammenhang wichtiger ist jedoch die Sehrift „tiber die Behorden des romischen Staates“ (Ilepl apx<Sv Tyję 'Pco[i.aicov TOAlTetaę17), die bereits mit der Wahl des Themas auf das Restaura-tionswerk hinweist. Zwar verzichtet der Autor auf ein den Gegenstand begrimdendes Proomium, dessen Abfassung aller Wahrscheinlichkeit nach seine geistigen und sehriftstellerischen Fahigkeiten iiberstiegen haben
11 Anecd. 13, 12 (Prokop, Anekdota, griechisch-deutscb ed. Otto Veh, Munchen, 1961,
110).
12 Wilhelm Schubart, Justinian und Theodora, Munchen, 1943, 67.
13 Ilartinann in : RE, 3, 1899, 238 ff. ; A. Lippold in : Der Kleinc Pauhj, 1, Stuttgart, 1964, 856.
14 Lippold, a.a.O. 3, 1969, 1576.
15 Die neuvorgesclilagenen biographisclien Daten bei T. F. Carney in . Der Kleine Pauhj, 3, 801 f. bedurfen noch der kritischen Oberprufung.
16 Berthold Rubin, Das Zeilalter Justinians, 1, Berlin-West, 1960, 168, der selbst die Korrektur vorninirnt.
17 Ioannes Lydus, De magistratibus populi Romani hbri tres, ed. Ricardus Wuensch, Leipzig, 1909, 8.