Lösung Fall 10: Investitionen in die Zukunft
A. Herausgabeanspruch aus § 985 BGB
Anmerkung: In der Praxis ist vorrangig der Grundbuchberichtigungsanspruch gem. § 894 BGB zu
prüfen.
G könnte gegen K einen Herausgabeanspruch bezogen auf das Grundstück aus § 985 BGB haben. G
ist laut SV geisteskrank, § 104 Nr. 2 BGB. Er wird daher von seinem Betreuer vertreten, der ihm vom
Vormundschaftsgericht bestellt wurde, §§ 1896, 1897, 1902 BGB. Anspruchsinhaber ist aber G.
I. Anspruch entstanden
1 Eigentum des G
Ursprünglich war G Eigentümer des Grundstücks. Er hat das Eigentum auch nicht durch Auflassung
und Eintragung (§§ 873, 925 BGB) an K verloren, da eine wirksame Einigung nicht vorliegt (§§ 925 I 1,
104 Nr. 2, 105 I BGB).
2. Besitz des K
K ist Besitzer des Grundstücks.
3. Ohne Recht zum Besitz
Hier könnte ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273 II oder 1000 BGB vorliegen. Fraglich ist, ob sich
hieraus ein Recht zum Besitz ableiten lässt. Ein Recht zum Besitz dient als rechtsvernichtende
Einwendung zur Abwehr einer Vindikationsklage, während ein Zurückbehaltungsrecht zur
Verurteilung Zug um Zug führt. Es lässt den Herausgabeanspruch also unberührt und schränkt nur
seine Vollstreckung ein. Weiterhin setzt ein Recht nach § 273 BGB und insbesondere nach § 1000
BGB einen Herausgabeanspruch des Eigentümers tatbestandsmäßig voraus und kann ihn deswegen
nicht ausschließen. Ein Zurückbehaltungsrecht kann daher kein Recht zum Besitz geben.
II. Anspruch durchsetzbar (nicht gehemmt)
1. Zurückbehaltungsrecht aus § 273 II BGB
K müsste gegen G ein Verwendungsersatzanspruch aus demselben rechtlichen Verhältnis zustehen,
der fällig ist.
a) Aus berechtigter GoA, §§ 670, 683, 677 BGB
Zwar handelte K bei der Dachreparatur und den anderen Maßnahmen im Rechts- und Interessenkreis
des Eigentümers G (objektiv fremdes Geschäft), er glaubt jedoch, ein eigenes Geschäft zu führen, da
er sich für den Eigentümer des Grundstücks hielt. Es liegt demnach eine Eigengeschäftsführung vor
und die § 677 ff. BGB finden keine Anwendung (vgl. § 687 I BGB). Dem K steht kein
Aufwendungsersatzanspruch zu.
b) Aus §§ 994 ff. BGB
aa) Eine Vindikationslage liegt vor (s.o.).
bb) Vorliegen von Verwendungen
Es wird ein weiter und ein enger Verwendungsbegriff vertreten. Nach dem engen
Verwendungsbegriff sind Verwendungen willentliche Vermögensaufwendungen, die zumindest auch
der Sache zugute kommen sollen, indem sie sie wieder herstellen, erhalten oder verbessern, ohne sie
grundlegend zu verändern. Nach dem weiten Verwendungsbegriff sind dagegen auch grundlegende
Veränderungen wie die Errichtung eines Gebäudes auf einem zuvor unbebauten Grundstück
Verwendungen. Die von K vorgenommenen Maßnahmen sind nach beiden Verwendungsbegriffen als
Verwendungen anzusehen.
cc) Kein Fall des § 994 II BGB
K war gutgläubig hinsichtlich seines Besitzrechts, so dass § 994 II BGB nicht zum Tragen kommt.
dd) Ersatzfähigkeit der Dachreparatur
Die Dachreparatur könnte eine notwendige Verwendung sein (§ 994 I BGB). Notwendige
Verwendungen sind solche, die zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung objektiv
erforderlich sind, die also der Besitzer dem Eigentümer, der sie sonst hätte machen müssen, erspart
hat. Dies ist bei einer Dachreparatur, die das Haus vor Feuchtigkeits- und anderen Schäden bewahrt
und seine Nutzbarkeit sichert, der Fall.
Die Ersatzfähigkeit ist jedoch ausgeschlossen, wenn ein Fall des § 994 I 2 BGB vorliegt. Hiernach
können gewöhnliche Erhaltungskosten nicht ersetzt verlangt werden, wenn dem Aufwender die
Nutzungen verbleiben. Bei Dachreparaturkosten die wg. der Ausbesserung üblicher
Verschleißschäden entstehen, handelt es sich um gewöhnliche Erhaltungskosten (anders bei
Vollsanierung des Daches), da es sich um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben handelt, die dem
Erhalt der Sache dienen.
Fraglich ist jedoch ob dem K, wie § 994 I 2 BGB fordert, die gezogenen Nutzungen verbleiben.
Dies ist nicht der Fall, wenn er die Nutzungen herausgeben muß bzw. für die erlangten Nutzungen
Ersatz leisten muss.
aaa) Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen gemäß §§ 987, 990 BGB
Nach §§ 987, 990 BGB muß er die Nutzungen nicht herausgeben (K ist weder verklagt noch
bösgläubig hinsichtlich seines Besitzrechts).
bbb) Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen gemäß §§ 988 BGB
Möglicherweise muss er sie jedoch nach § 988 BGB analog herausgeben (so der BGH). Fraglich ist, ob
§ 988 BGB auf den rechtsgrundlosen Erwerb entsprechend anwendbar ist, da auch der
rechtsgrundlose Besitzer keine Gegenleistung zu erbringen braucht. Die herrschende Lehre lehnt dies
ab: Dieser Weg führe zwar im Zwei-Personen-Verhältnis zu billigen Ergebnissen, liefere aber in Drei-
Personen-Verhältnissen unbefriedigende Lösungen, wenn der Besitzer für die Besitzerlangung ein
Vermögensopfer gebracht hat, da er dieses nicht dem Eigentümer entgegenhalten könne.
Der geeignete Weg sei daher, die Leistungskondiktion als umfassenden Schutz des gutgläubig die
Gegenleistung erbringenden Besitzers als Ausnahme von § 993 I 2. HS BGB zuzulassen (teleologische
Reduktion).
Ein Anspruch aus § 988 BGB analog ist daher abzulehnen.
ccc) Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen gemäß §§ 812 I 1 Alt. 1 BGB
Folgt man der letztgenannten Ansicht, könnte K aber gemäß §§ 812 I 1 Alt. 1, 818 I BGB zur
Herausgabe der Nutzungen bzw. zum Wertersatz gemäß § 818 III BGB an G verpflichtet sein. Fraglich
ist jedoch, ob hier überhaupt die Voraussetzungen der Leistungskondiktion gemäß § 812 I 1 Alt. 1
BGB vorliegen.
(1) Leistung des G
Dann müsste der G etwas an geleistet haben, mithin bewusst und zweckgerichtet dessen Vermögen
gemehrt haben. Hier hat G dem K den Besitz übertragen. Fraglich ist ob dies auch Zweckgerichtet
geschehen ist. Dies setzt eine im Sinne von § 812 I 1 Alt. 1 BGB zulässige Zweckbestimmung voraus.
Ob K eine solche vornehmen kann, hängt maßgeblich von der Rechtnatur dieser ab. Nach
überwiegender Meinung handelt es sich hierbei nicht um eine Willenserklärung, sodass auch ein
Geschäftsunfähiger eine Zweckbestimmung vornehmen kann. G konnte daher eine solche
vornehmen. Dies hat auch getan, da er den Besitz zum Zweck der Erfüllung der Verbindlichkeit aus
dem vermeintlich wirksamen Kaufvertrag übertragen hat. Eine Leistung des G ist mithin gegeben.
(Folgt man der Auffassung, dass die Zweckbestimmung zumindest eine rechtsgeschäftsähnliche
Handlung ist, kann sie durch K nicht vorgenommen werden (vgl. § 105 I BGB analog). In einem
solchen Fall liegt dann keine Leistung vor. Die Herausgabe erfolgt dann im Rahmen der
Nichtleistungskondiktion gemäß § 812 I 1 Alt. 2 BGB.)
(2) Ohne Rechtsgrund
Die Leistung erfolgte auch ohne Rechtsgrund, da der KV unwirksam war.
(3) Umfang der Bereicherungsanspruchs, § 818 BGB
K ist demnach zur Herausgabe des Besitzes verpflichtet und nach § 818 I BGB grds. auch zur
Herausgabe der gezogenen Nutzungen. Da die Nutzung des Hauses für den in Rede stehenden
Zeitraum nicht mehr herausgegeben werden kann, ist für diese nach § 818 II BGB Wertersatz zu
leisten.
K kann sich insoweit auch nicht auf den Einwand der Entreicherung berufen, § 818 III BGB. Zwar
verbleibt die Nutzung, hier Wohnen im Haus, als solche nicht im Vermögen des K, doch hat er durch
das unentgeltliche Wohnen Aufwendungen erspart, die er sonst für eine vergleichbare Unterkunft
hätte aufbringen müssen. Dieser Vermögensvorteil ist im Vermögen des K verblieben.
Nach § 818 III BGB führt jedoch nicht nur der Wegfall des Bereichungsgegenstandes bzw. dessen
Wertes zu einer Entreicherung, sondern auch anderweitige Vermögenseinbußen. Nach der Rspr.
müssen diese nur in adäquat kausalem Zusammenhang mit dem Bereicherungsvorgang stehen. Nach
anderer Ansicht müssen die Vermögenseinbußen gerade auf Grund des Vertrauens auf das
Behaltendürfen der Sache entstanden sein. Dies ist hier in Bezug auf die von K getätigten
Verwendungen der Fall. K tätigte die Verwendungen gerade im Vertrauen auf das Behaltendürfen
der Sache, zudem hätte er die Verwendungen bei hinweggedachtem Erwerb des Grundstücks und
des Hauses nie getätigt. Hiernach ist also K um die Verwendungen entreichert.
Im Hinblick auf den Umfang der Entreicherung sind alle Verwendungen und nicht nur solche die ggf.
nach §§ 994 ff. BGB ersatzfähig sind, einzustellen (wohl h.M.). Da die Verwendungen des K
wertmäßig die von ihm ersparten Aufwendungen durch die Nutzung übersteigen dürften, ist K
jedenfalls in deren Höhe entreichert. Dem G steht mithin kein Anspruch auf Nutzungsersatz gemäß §
812 I 1 Alt. 1 BGB zu.
Verbleiben die Nutzungen daher bei K, kann dieser auch nicht den Ersatz der gewöhnlichen
Erhaltungskosten, als der Kosten für die Dachreparatur, verlangen, § 994 I S. 2 BGB.
ee) Errichtung der Stützmauer
Die Errichtung der Stützmauer ist ebenfalls als notwendige Verwendung anzusehen, aber kein Fall
gewöhnlicher Erhaltungskosten (§ 994 I 2 BGB), so dass eine Ersatzpflicht besteht.
ff) Mosaik
Das Mosaik könnte eine nützliche Verwendung sein. Das sind gemäß § 996 BGB solche
Verwendungen, die den Verkehrswert der Sache objektiv steigern oder die Gebrauchsmöglichkeiten
erhöhen. Fraglich ist, ob die Mosaikgestaltung den Wert des Gebäudes erhöht oder ob eine bloße
Luxusaufwendung vorliegt, deren Ersatz nicht verlangt werden kann. Für letzteres könnte sprechen,
dass die alte Fassade noch gut erhalten war. Allerdings handelte es sich um die Arbeit eines
bekannten Künstlers, die demnach schon werterhöhend wirken könnte. (Beide Ansichten sind
vertretbar)
gg) Erneuerung der Heizung
Da im Haus zum Zeitpunkt des Einbaus der neuen Heizung noch eine funktionsfähige Heizung
vorhanden war, ist das Vorliegen einer notwendigen Verwendung abzulehnen. Auch eine nützliche
Verwendung liegt nicht vor, da die Wertsteigerung zum Zeitpunkt der Herausgabe noch vorhanden
sein muß, was hier nicht der Fall war.
hh) Ergebnis
K hat einen Anspruch auf Verwendungsersatz für die Stützmauer und das Mosaik.
c) Konnexität
Die Konnexität hinsichtlich Herausgabeanspruch und Verwendungen auf die Sache wird von § 273 II
BGB angenommen.
d) Fälligkeit des Gegenanspruchs
Fälligkeit tritt erst mit Genehmigung der Verwendung oder Wiedererlangung der Sache durch den
Eigentümer ein, § 1001 S. 1 , 3 BGB. Beides ist nicht erfolgt.
e) Ergebnis
K steht kein ZBR nach § 273 II BGB zu.
2. Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 BGB
§ 1000 BGB macht das ZBR nicht von der Fälligkeit des Verwendungsersatzanspruchs abhängig. Da K
den Besitz nicht durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung erlangt hat (§ 1000 S. 2 BGB), kann er
sich auf ein ZBR aus § 1000 BGB berufen. Der auch hier notwendige Gegenanspruch auf Herausgabe
der Verwendungen, besteht aus den benannten Gründen.
B. Herausgabeanspruch des G gegen K aus § 812 I 1 Alt. 2 BGB (bzw. § 812 I 1 Alt. 2 BGB)
1. Anwendbarkeit
Die bereicherungsrechtlichen Vorschriften über die Sachherausgabe sind neben § 985 BGB
anwendbar. Die Vindikationslage sperrt andere Ansprüche nur soweit diese auf Nutzungs- und/oder
Schadensersatz gerichtet sind.
2. Sonstige TB-Voraussetzungen
G hat einen Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB (oder nach § 812 I 1
Alt. 2 )(s.o.).
3. Umfang der Herausgabepflicht
Gemäß § 818 I BGB ist K zur Übertragung des Besitzes (Herausgabe) am Grundstücks und auf Grund
teleologischer Reduktion des § 943 I 2. Halbs. BGB zum Wertersatz der gezogenen Nutzungen
verpflichtet (§§ 818 I, II BGB). K ist im Hinblick auf diese aber entreichert. (vgl. zum Ganzen oben). Im
Ergebnis hat G daher nur einen Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks.
4. Durchsetzbarkeit
K kann dem G jedoch auch hier sein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 1000 BGB entgegenhalten.
C. Gesamtergebnis
K ist zur Herausgabe des Grundstücks verpflichtet. Ihm steht jedoch ein ZBR zu und der
Herausgabeanspruch ist nicht durchsetzbar.