Merkmale der Rechtssprache
1.
Die Lexik der Rechtssprache stammt zu einem Großteil aus der Allgemeinsprache,
sehr oft weisen aber die Wörter unterschiedliche Bedeutungen auf,
z.B.: das Erkenntnis = das Urteil
Besitz = die tatsächliche Sachherrschaft, nicht synonym mit Eigentum.
Die Lexik kann auf folgende Weise eingeteilt werden:
- allgemeinsprachlicher Wortschatz
- Fachtermini, darunter verdeckte und offenbare Fachtermini
- Professionalismen
- Veraltete „kanzleisprachliche“ Wörter.
2.
Die Rechtssprache ist durch den Nominalstil gekennzeichnet
Eine Eigentümlichkeit des Nominalstils sind Funktionsverbgefüge, in denen das Substantiv
der bedeutungstragende Teil ist. Das häufige Vorkommen der Substantive hat auch ein
Übergewicht der Adjektive in der Funktion von Attributen
3.
Komposita, die ein Charakteristikum des Deutschen sind, erreichen in der
Rechtssprache oft eine überdurchschnittliche Länge
z.B. Grunderwerbssteuerbefreiung
4.
Der Stil ist oft unpersönlich. (Der Gebrauch des Passivs bewirkt, dass die Person
desHandelnden hinter dem normativ erwünschten bzw. unerwünschten Tun zurücktritt.)
Die Person des Handelnden wird oft durch ein substantiviertes Verb bezeichnet, z.B. der
Antragsteller
5.
Die Gesetzessprache schreibt ein bestimmtes Tun bzw. Unterlassen vor, sie ist durch
Gebote und Verbote gekennzeichnet.
Um die Notwendigkeit, Verpflichtung, Möglichkeit bzw. Unzulässigkeit ausdrücken
verwendet man z. B. Modalverben (müssen, sollen, dürfen…)
6.
Häufig kommen in der Rechtssprache formelhafte Wendungen vor, die sich zu ganzen
Sätzen ausdehnen können, z.B.:Im Namen des Volkes ergeht das Urteil ...
7.
Die Rechtssprache bedient sich oft des stilistischen Mittels der Emphase, insbesondere
in den Urteilsbegründungen sind solch kategorische Aussagen anzutreffen, z.B.: Mit
Nachdruck ist darauf hinzuweisen, dass…; es wäre unerträglich, wenn…; die unzweifelhafte
Rechtslage besagt…
8.
Häufig wird das Gerundivum verwendet, dies ist ein Verbaladjektiv mit passivischer
Bedeutung, welches eine Notwendigkeit ausdrücken kann. Es wird mit dem Partizip I und
„zu“ gebildet. Es kommt ausschließlich in attributiver Form vor, z.B. der Auszubildende, der
zurückzugewährende Gegenstand, einzureichende Schriftstücke…
9. Oft sind in der Rechtssprache Partizipialkonstruktionen anzutreffen, die als Satzklammer
verwendet werden. Partizipialattribute sind durch die Abstraktheit der Rechtssprache
begründet. Die Vorschriften sind abstrakt, sie finden nicht auf individuell bezeichnete,
sondern auf alle Rechtssubjekte Anwendung. Die Rechtsadressaten werden nicht durch
adjektivische Attribute bestimmt, sondern werden höchstens durch ihre Handlungen
bestimmt, die in den Partizipialattributen erkennbar werden, z.B.: Der Verein ist für den
Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer
verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden
Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten
zufügt. (§31BGB)
10. Besonders häufig sind aufgeblähte Präpositionalgefüge, z.B.: „Unter Hintanstellung von
Bedenken“ anstatt „trotz Bedenken“ oder „In Ermangelung von“ anstatt „ohne“.
11. Sehr oft treten in der Rechtssprache Genitivattribute oder sogar eine Aneinanderreihung
mehrer Genitive auf, z.B.: Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so erfolgt die
Beschlussfassung nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden
Vorschriften der §§ 32, 34. (§28 Abs. 1 BGB)
12. Kennzeichnend für Gesetzestexte sind vor allem komplizierte Schachtelsätze, z.B.:„Das
Übergangsgeld wird für die Zeit, die der Beamte das Amt, aus dem er entlassen worden ist,
innehatte, mindestens für die Dauer von sechs Monaten, längstens für die Dauer von drei
Jahren, gewährt.“ (Beamtenversorgungsgesetz, §47a, abs.2)