Earl, Lea T Urban Warriors 03 Remus

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Lea T. Earl

Remus - Urban Warriors

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Remus – Urban Warriors
Text: © Lea T. Earl 2014
www.leatearl.wordpress.com

leatearl@yahoo.com

Deutsche Erstausgabe September 2014

Cover: © Lea T. Earl
unter Verwendung folgenden Motivs:
Paar: © Artem Furman - Fotolia.com

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder

eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher
Genehmigung der Autorin gestattet.

Alle Personen dieses Romans sind frei erfun-

den. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen
Personen sind rein zufällig.

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In der Nacht, in der Dr. Melanie Bright einen

Patienten

verliert,

wünscht

sie

sich,

niemals

wieder ins L.A. Memorial zurückkehren zu müssen.
Ihr Wunsch erfüllt sich auf viel schrecklichere
Weise, als sie es sich vorstellen kann: Auf dem
Heimweg wird sie Zeugin eines Deals der Drogen-
mafia, bei dem es um illegalen Medikamentenhandel
geht. Die Dealer haben es daraufhin auf ihr Leben
abgesehen, und nur dem Schutz eines gefährlichen
Fremden verdankt Melanie es, dass sie die Nacht
überlebt. Sie flieht mit ihrem unbekannten Retter
und eine Jagd quer durch den Westen der USA be-
ginnt.

Bald

wird

ihr

jedoch

klar,

dass

ihr

Beschützer der tödlichste Killer von allen ist …

Remus‘

Mission

lautet,

einen

Mafiaboss

zu

beschatten, als eine junge Frau durch Zufall in
einen Drogendeal hineinstolpert. Der Urban Warri-
or Krieger missachtet seine Befehle, bricht die
Beschattungsaktion ab und rettet der Frau das
Leben,

indem

er

die

Auftragskiller

des

Mafi-

abosses

umbringt.

Obwohl

die

junge

Frau

ihn

fürchtet, muss er sie jetzt dazu bringen, ihm ihr
Leben anzuvertrauen …

Thriller Romance – ein erotischer Liebesroman

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Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Bonuskapitel

Leseprobe aus Urban Warriors, Band 4: Hawke

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Prolog

Remus hat sein Leben riskiert, um mich vor

tödlichen Drogendealern zu beschützen. Aber er
hat noch viel mehr als das für mich getan.

Er hat mir gezeigt, wer ich wirklich bin.

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Kapitel 1

Das Blut des Mannes schießt aus seiner Ader

und spritzt mir mitten ins Gesicht.

„Verdammt nochmal!“ Ich habe die Arterie ver-

letzt. „Eine Klemme, schnell!“

Ich greife nach dem Instrument, das mir Sch-

wester Trisha reicht, während ich das Blutgefäß
mit meinen Fingern zusammendrücke. Dann klemme
ich die Ader ab, die Blutung ist gestillt, mein
Assistenzarzt Craig saugt das überschüssige Blut
ab.

Ich wische mir hastig über das Gesicht und

arbeite weiter. Seit sechs Stunden hänge ich über
dem Brustkorb dieses Patienten, setze den dritten
Bypass. Es ist weit nach Mitternacht.

Achtundfünfzig,

Raucher,

Arterienverstopfung,

ein Herzinfarkt. Mr Miller … George, James, ich
weiß es nicht mehr.

Ich spüre meine Beine kaum noch, aber wir

haben

es

fast

geschafft.

Trisha,

meine

unermüdliche OP-Schwester, tupft mir den Schweiß
von der Stirn.

„Sie machen das schon, Doc.“
Es

dauert

eine

gefühlte

Ewigkeit,

bis

der

dritte Bypass gesetzt ist. Dann die Probe … er
ist durchlässig.

Innerlich atme ich ebenso auf wie mein ges-

amtes Team. Ich lehne mich zurück.

„Machen Sie zu, Dr. Sanders.“

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Craig übernimmt eifrig. Ich weiß, dass er seit

sechs Stunden die Klemmen gehalten hat, weil er
auf diese Chance gehofft hat. Er ist einer dieser
eingebildeten,

selbstverliebten

Studienabgänger,

die meinen, als Chirurg geboren worden zu sein.

Niemand ist als Chirurg geboren. Es hat mich

acht Jahre harte Arbeit gekostet, um hier zu
stehen.

Aber Craig hat Talent. Eines Tages wird er ein

fähiger Chirurg sein. Ich blicke ihm über die
Schulter, während er den Brustkorb des Patienten
schließt.

Trisha macht einen Scherz, während sie begin-

nt, die Instrumente wegzuräumen, und ich bin in
Gedanken

schon

fast

auf

dem

Heimweg,

als

es

plötzlich geschieht. Kammerflimmern.

Sofort

sind

alle

in

Alarmbereitschaft.

Ich

spritze Mr Miller Adrenalin, Craig tritt bebend
zurück, bevor ich dem Patienten einen Elektros-
chock

verpasse.

Und

noch

einen.

Und

einen

dritten.

„Kommen Sie schon, wir haben nicht sechs Stun-

den hier geschuftet, damit Sie jetzt sterben“,
stoße ich zwischen den Zähnen hervor. Ich schocke
ihn ein letztes Mal.

Nichts.
Das EKG zeigt eine Nulllinie.
Das ist einer dieser Momente, in denen ich es

hasse, Ärztin zu sein. Der OP fühlt sich plötz-
lich nüchtern und leer an. Die Enttäuschung des
ganzen Teams liegt in der Luft, alle sind er-
schöpft und niedergeschlagen.

Ich werfe einen Blick auf die Uhr. „Ster-

bezeitpunkt: 1 Uhr 47.“

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Dr.

Craig

sucht

verunsichert

meinen

Blick.

Seine Coolness bröckelt.

„Herzversagen.“ Ich bemühe mich um einen neut-

ralen

Tonfall.

„Kommt

vor.

Sie

haben

gut

gearbeitet, Dr. Sanders.“

Ich verlasse den OP, um Mr Millers Familie

mitzuteilen, dass ihr geliebter Ehemann und Vater
es nicht geschafft hat. Die Worte kommen ruhig
und beherrscht über meine Lippen, während die
Familie um mich herum zusammenbricht.

So lange ich die kühle Fassade noch aufrech-

thalten kann, drehe ich mich um und gehe. Ich
ziehe

mich

in

einen

der

hinteren

Waschräume

zurück, die selten benutzt werden, und streife
mir die OP-Kleidung vom Körper. Meine Hände zit-
tern.

Meine

Finger

krampfen

sich

um

das

Waschbecken,

ich

beginne

zu

schluchzen.

Ich

möchte

gegen

die

Wand

treten,

um

meine

Wut

rauszulassen, möchte weinen und schreien, doch
ich habe keine Kraft mehr. Eine einzelne Träne
läuft über meine Wange und ich fühle mich, als
müsste ich mich übergeben.

So geht es mir jedes Mal, wenn ich einen Pa-

tienten

verliere.

Dann

schwöre

ich

mir,

nie

wieder in den OP zurückzukehren, und am nächsten
Tag tue ich es doch.

Ich rutsche an der Wand entlang hinunter, bis

ich auf dem kalten Fliesenboden sitze, schlinge
meine Arme um meine Beine und meine Schultern
beben, während ich lautlos weine.

Irgendwann ist mein Kopf leer. Ich weiß nicht,

wie lange ich schon hier auf dem Boden des Was-
chraums kauere. Ein Blick auf die Uhr sagt mir,
dass es kurz vor drei Uhr morgens ist.

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Der

Rest

des

Teams

ist

längst

nach

Hause

gegangen. Ich ziehe mich am Waschbecken auf die
Beine

und

schlurfe

nach

draußen,

um

mich

umzuziehen.

Die Spitalsgänge sind menschenleer und ruhig,

obwohl im L.A. Memorial eigentlich immer viel los
ist. Aber es ist mir Recht, dass mir kein Kollege
über den Weg läuft, mir ist nicht nach Smalltalk
zumute. Ich will einfach nach Hause, eine heiße
Dusche nehmen und schlafen.

Auf dem Weg nach draußen fällt mir auf, dass

im Vorratsraum des chirurgischen OPs noch Licht
brennt. Ich nähere mich dem Raum, öffne die Tür
und strecke schon die Hand nach dem Lichtschalter
aus,

als

ich

plötzlich

ein

Geräusch

aus

dem

hinteren Teil des Raums höre. Es kommt von ir-
gendwo hinter den Regalen.

Ich runzele die Stirn. „Hallo? Trisha, sind

Sie das?“

Stille.
Ich trete einen Schritt auf die Regale zu.

„Hallo?“

Nichts.
„Wer ist da? Ich rufe den Sicherheitsdienst.“
Ich bin drauf und dran, auf den Gang zu laufen

und den Alarm auszulösen, als plötzlich ein jun-
ger Mann zwischen den Regalen hervortritt. Ich
kenne ihn flüchtig, er ist einer der Pflegehelfer
auf der chirurgischen Station.

„Ramón! Was machen Sie denn hier?“
„Dr. Bright … nichts … die Abendlieferung ist

heute später gekommen als gewöhnlich, ich wollte
bloß sichergehen, dass alle Medikamente für mor-
gen vorrätig sind. Tut mir leid, falls ich Sie
erschreckt habe.“

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Sein Dienst scheint schon zu Ende zu sein,

denn er trägt Jeans und hat eine Sporttasche
dabei. Während er sich an mir vorbeischiebt, mur-
melt er einen Gruß und verschwindet dann in Rich-
tung der Aufzüge.

Ich werfe einen prüfenden Blick in den Vorrat-

sraum, dann lösche ich das Licht und versperre
die Tür.

Der Raum ist voller verschreibungspflichtiger

Medikamente und ich bin keine Idiotin. Morgen
früh werde ich als erstes mit dem verantwort-
lichen Lagerverwalter sprechen und eine genaue
Inventur empfehlen. Es wäre nicht das erste Mal,
dass

Krankenhausmitarbeiter

Medikamente

en-

twenden. Manche ziehen damit sogar ein lukratives
Geschäft auf, und ich hoffe für Ramón, dass er
die Wahrheit gesagt hat.

Mein Wagen steht in der Tiefgarage. Ich hasse

es, zu dieser Uhrzeit allein durch die einsamen
Gänge zu gehen. Meine Schritte hallen von den
Wänden, als ich die Garage durchquere und auf
meinen Wagen zugehe.

Niemand begegnet mir und ich lenke den Wagen

aus

der

Tiefgarage

hinaus.

Dabei

spiele

ich

bestimmt zum hundertsten Mal mit dem Gedanken,
nie wieder ins Memorial zurückzukehren, um nie
wieder einen Patienten verlieren zu müssen. L.A.
und das alles hinter mir zu lassen, einfach losz-
ufahren, ohne Ziel, ohne Plan, ohne zu wissen,
was mich erwartet.

Davon träume ich schon mein ganzes Leben. Doch

ich bin zu feig, um es zu wagen.

Bevor ich auf die Hauptstraße einbiege, er-

wecken ein paar Männer in der Seitengasse neben

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der

Garagenausfahrt

meine

Aufmerksamkeit.

Sie

stehen um einen Lieferwagen herum und diskutieren
in gedämpften Stimmen. Ich erhasche bloß einen
flüchtigen Blick auf sie, doch dann erkenne ich
Ramón unter ihnen. Er scheint eine Meinungsver-
schiedenheit

mit

einem

der

Männer

zu

haben,

während ein anderer Ramóns Sporttasche in den
Lieferwagen lädt.

Mir kommt der Gedanke, dass Ramón in Schwi-

erigkeiten stecken könnte, ich lasse den Wagen
langsamer rollen und beobachte die Szene. Ich
folge meinem Gefühl, ziehe mein Smartphone aus
der Tasche und schieße ein Foto.

Plötzlich bemerkt mich einer der Männer und

Ramón wendet sich mir zu. Da begreife ich, dass
sie Ramón nicht belästigen, sondern dass er zu
ihnen gehört. Mein Instinkt schreit mir zu, mich
so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen
und ich trete aufs Gas.

Noch während ich mich in den Hauptverkehr ein-

reihe und das Memorial hinter mir zurückfällt,
weiß ich, dass es zu spät ist. Die Männer haben
mich gesehen und Ramón hat mich erkannt. Was auch
immer in dieser Seitengasse gerade gelaufen ist,
die Männer wissen, dass ich sie beobachtet habe.

Ein klammes Gefühl breitet sich in meinem In-

neren aus. Ich werfe alle paar Sekunden einen
Blick in den Rückspiegel, in der Erwartung, dass
der Lieferwagen hinter mir auftaucht.

„Mach dich nicht verrückt“, murmele ich zu mir

selbst, um mich zu beruhigen. „Wahrscheinlich war
es gar nichts. Du bist überarbeitet. Sei nicht
paranoid.“

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Trotzdem schießt mein Blick alle paar Sekunden

zum Spiegel. Die Minuten vergehen, kein Lieferwa-
gen taucht auf.

Langsam beruhige ich mich wieder. Erleichter-

ung mischt sich mit der Müdigkeit, die jetzt
schwer über mir zusammenbricht. Niemand verfolgt
mich, alles ist gut.

Trotzdem nehme ich mir vor, am nächsten Tag

den Sicherheitsdienst zu informieren. Wenn Ramón
nichts getan hat, dann hat er nichts zu befürcht-
en, aber die ganze Sache kommt mir merkwürdig
vor.

In den letzten Monaten gab es immer wieder

Medienberichte über Banden, die illegalen Medika-
mentenhandel

betreiben.

Die

Medikamente

werden

aus Kliniken und Apotheken entwendet, auch das
Memorial war schon betroffen.

Ich werfe nochmal einen Blick in den Rück-

spiegel. Obwohl niemand hinter mir her ist, habe
ich noch immer ein ungutes Gefühl im Magen.

Nach einer halben Stunde bin ich endlich zu

Hause. Ich parke vor dem Haus und hole meine
Sachen

aus

dem

Kofferraum.

Die

Straße

ist

menschenleer, es ist halb vier Uhr morgens.

Ich laufe ins Haus und verriegele die Tür.

Drinnen ist es dunkel und still. Es hat mich nie
gestört, dass ich allein lebe, bis heute.

Heute wünsche ich mir zum ersten Mal, jemanden

zu haben, der mich beschützt. Mein Herz pocht,
ich schalte das Licht ein und kontrolliere die
Zimmer.

„Du bist paranoid“, murmele ich immer wieder.

„Überarbeitet und paranoid. Hier ist niemand.“

Als ich mich vergewissert habe, dass ich al-

lein bin, ziehe ich die Vorhänge im Schlafzimmer

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zu, schlüpfe aus meiner Jeans und dem T-Shirt und
drehe die Dusche auf.

Das heiße Wasser läuft über meinen Körper, ich

schließe die Augen und genieße den warmen Wasser-
strahl. Es ist wie ein Ritual, das Wasser wäscht
die Erinnerungen an die missglückte Operation von
mir, damit ich nach vorn schauen und weitermachen
kann.

Doch immer wieder kehren meine Gedanken zu

Ramón

und

den

Männern

hinter

dem

Krankenhaus

zurück. Mit einem flauen Gefühl im Magen schalte
ich das Wasser ab und steige aus der Dusche. Ich
wickele

mich

in

ein

Badetuch,

sammele

meine

Kleidung

vom

Boden

auf

und

trete

aus

dem

Badezimmer.

Dann sehe ich die fremden Männer in meinem

Schlafzimmer und schreie los.

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Kapitel 2

Ich lasse meine Kleidung fallen und renne auf

die Haustür zu. Zwei Schritte weit komme ich,
dann umklammern mich kräftige Hände und reißen
mich zurück.

Ich schreie und trete gegen den Mann, der mich

festhält. Er schleift mich zurück ins Schlafzim-
mer, wo seine Freunde warten. Sie sind zu dritt,
ich glaube zwei von ihnen wiederzuerkennen. Es
sind die Männer, die mit Ramón bei dem Lieferwa-
gen gestanden sind.

„Wer sind Sie?“, kreische ich. „Was wollen

Sie? Lassen Sie mich sofort los!“

Der Mann, der mich gepackt hat, hält mir den

Mund zu. Seine Finger graben sich so grob in
meine Haut, dass mir vor Schmerz die Tränen in
die Augen schießen.

„Halt die Schnauze, Schlampe.“ Einer seiner

Freunde tritt auf mich zu. Ich winde mich unter
dem harten Griff und reiße die Augen auf, als der
Mann ein Messer zieht.

Der dritte Mann, ein Kerl in einem blauen

Shirt, greift nach meiner Handtasche und leert
den Inhalt aufs Bett. Er fischt mein Smartphone
heraus und dreht es zwischen seinen Fingern.

„Du hättest kein Foto von uns machen sollen,

Süße.“

„Mach schon, Juan“, knurrt der Mann, der mich

festhält. „Schneide ihr die Kehle durch.“

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Mein Verstand rast. Ich bin tatsächlich in ir-

gendeinen

kriminellen

Deal

hineingestolpert.

Ramón muss den Männern verraten haben, wer ich
bin, und sie müssen mir doch gefolgt sein.

Jetzt werden diese Männer mich umbringen! Ich

wehre mich verzweifelt, die Todesangst verleiht
mir ungeahnte Kräfte. Es gelingt mir, den Mann,
der mich festhält, so heftig gegen das Bein zu
treten, dass er mich fluchend loslässt.

Ich stürze auf die Tür zu, doch sein Freund

mit dem Messer greift nach meinem Arm und reißt
mich

zurück.

Dabei

rutscht

das

Badetuch

von

meinem Körper.

Ich stehe nackt vor den Männern, und der Kerl

mit dem Messer bekommt glänzende Augen. Er packt
meine Handgelenke und starrt meinen Körper gierig
an.

„Wisst ihr was, wir werden uns vorher mit der

Kleinen amüsieren. Seht sie euch an, wäre doch
schade, so etwas verkommen zu lassen.“

Der

Dritte

steckt

mein

Smartphone

ein

und

schlendert zu uns, ein schmieriges Grinsen auf
den Lippen. „Wir werden sie alle durchficken, und
dann kannst du sie umbringen, Juan.“

Mein Magen dreht sich um, Tränen laufen über

meine Wangen. Ich wehre mich und trete nach Juan,
dabei schneidet er mich mit dem Messer. Ich bin
so sehr in Panik, dass ich den Schnitt nicht
spüre, ich sehe nur das Blut, das hellrot über
meinen Arm rinnt.

Der Kerl, der mich als Erster festgehalten

hat, tritt von hinten an mich heran und packt
grob meine Brüste. Ich schreie erschrocken auf,
die Männer lachen. Dann wirft mich Juan aufs
Bett, während sie beginnen, ihre Hosen zu öffnen.

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Ich krieche über die Matratze, greife wahllos

nach irgendetwas auf dem Nachttisch, das ich als
Waffe verwenden kann, erwische die Nachttisch-
lampe und schleudere sie den Männern entgegen.
Krachend prallt sie gegen meinen verspiegelten
Schrank, die Scherben splittern auf den Boden,
und im nächsten Moment ist Juan über mir.

Er hält mich fest und zwingt meine Schenkel

auseinander. Ich schreie und spucke ihn an, wehre
mich verzweifelt, doch ich habe keine Chance ge-
gen ihn. Seine Freunde lachen und feuern ihn an.

Ich bete, aus diesem Albtraum zu erwachen,

doch ich fühle Juans alkoholisierten, stinkenden
Atem

in

meinem

Gesicht.

Gleich

wird

er

mich

vergewaltigen, und dann werden seine Freunde über
mich

herfallen.

Wahrscheinlich

werde

ich

sie

danach anflehen, mich umzubringen.

Mein ganzer Körper ist verkrampft, ich höre

das Grölen der Männer – und plötzlich verstummen
sie.

Juan ist über mir, ich kann nichts sehen, aber

ich höre ein Röcheln und dann einen schweren
Körper zu Boden fallen. Einer der Männer stößt
einen Fluch aus, Juan dreht sich um und endlich
kann auch ich sehen, was geschieht.

Ein vierter Mann ist aufgetaucht, er steht in

meinem Schlafzimmer über einem von Juans Freun-
den, der leblos auf dem Boden liegt. Der fremde
Mann ist größer als Juan und die anderen, breit
und durchtrainiert. Er hat schulterlange, braune
Locken

und

ein

so

männliches,

attraktives

Gesicht,

dass

er

als

Model

Karriere

machen

könnte.

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In diesem Moment sieht er jedoch zum Fürchten

aus. Seine braunen Augen blitzen und er schwingt
in jeder Hand eine unterarmlange Klinge.

Noch bevor Juan sich vom Bett aufrappeln und

auf

den

fremden

Mann

stürzen

kann,

hat

der

bereits

dem

Kerl

im

blauen

Shirt

die

Kehle

durchgeschnitten – lautlos und blitzschnell. Der
Körper des Mannes fällt mit einem dumpfen Ger-
äusch zu Boden, ich schreie und Juan flucht. Er
zieht sein eigenes Messer und geht auf den frem-
den Mann los. Im Vergleich zu dem Hünen ist Juan
ein Zwerg, der fremde Mann ist mehr als einen
Kopf größer als er.

Trotzdem stürzt sich Juan auf ihn und ein

wilder Kampf beginnt. Juan scheint mit dem Messer
umgehen zu können, doch der langhaarige Mann ist
besser. Nach endlosen Sekunden schneidet er Juan
mit einer Klinge in den Messerarm und sticht ihm
gleichzeitig die andere Klinge ins Herz.

Ich bin vor Entsetzen wie gelähmt, kauere am

Kopfende

meines

Bettes,

während

Juans

Körper

leblos zu Boden fällt. Der fremde Mann steht vor
mir wie ein Rachegott, die Klingen in seinen
Händen blutbefleckt, und starrt mit blitzenden
Augen auf mich herunter.

Mir wird bewusst, dass ich nackt vor ihm auf

dem Bett kauere. Dieser tödliche Mann jagt mir
mehr Angst ein als Juan und seine beiden Freunde
zusammen, innerhalb weniger Sekunden hat er drei
Männer erstochen, und jetzt kommt er mit blutigen
Messern auf mich zu …

Ich dränge mich gegen das Kopfende des Bettes,

unfähig, zu fliehen. Instinktiv ziehe ich meine
Beine an und verschränke die Arme vor meinen

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Brüsten. Immer noch laufen mir Tränen über die
Wangen und die Wunde auf meinem Unterarm blutet.

„Sie sind verletzt.“ Seine Stimme klingt tief

und ruhig. Beherrscht, nicht wie die Stimme eines
Killers.

Er schiebt die beiden Klingen in seinen Gürtel

und kniet sich auf das Bett.

Ich

schreie

heiser

auf

und

wage

einen

sinnlosen Fluchtversuch, krieche vom Bett hin-
unter und presse mich mit dem Rücken gegen die
Wand, kauere mich in der Ecke des Zimmers zusam-
men. Ich zittere am ganzen Körper, als der Mann
langsam

um

das

Bett

herumgeht

und

vor

mir

niederkniet.

Er

ist

riesig,

sein

Oberkörper

breit,

und

unter seinem engen schwarzen Shirt zeichnen sich
muskulöse Schultern und Oberarme ab. Ich traue
mich kaum, ihn anzusehen, halte den Kopf gesenkt.

„Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben,

Melanie.“

Woher kennt er meinen Namen?
„Sind Sie einer von denen?“ Meine Stimme zit-

tert und ist kaum ein Krächzen. Ich stelle diese
Frage, obwohl die Antwort offensichtlich ist. Er
gehört nicht zu diesen Kerlen. Er ist sehr viel
gefährlicher als sie es waren.

„Nein.“
„Was wollen Sie dann von mir? Bitte … tun Sie

mir nicht weh.“

„Das habe ich nicht vor.“
Mein Blick flackert zu den tödlichen Klingen

an seinen Hüften. Er bemerkt es.

„Ist es das? Meine Waffen machen Ihnen Angst?“

Mit einer geschmeidigen Bewegung zieht er die
beiden Klingen aus dem Gürtel. Ich zucke zurück,

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doch

er

legt

sie

ruhig

neben

uns

auf

den

Nachttisch.

Langsam greift er nach dem Badetuch, das am

Boden liegt, und legt es behutsam um meine Schul-
tern. Ich zittere so heftig unter seiner Ber-
ührung, dass seine Augen schmal werden.

„Sie brauchen mich nicht zu fürchten.“
„Sie

haben

gerade

drei

Männer

umgebracht“,

flüstere ich und ziehe das Badetuch zusammen, um
meinen Körper zu bedecken.

„Diese Männer wollten Sie töten. Ganz zu sch-

weigen davon, was sie Ihnen noch antun wollten.“

Tränen

schießen

unkontrollierbar

aus

meinen

Augen. Meine Finger krallen sich in das Badetuch,
meinen

einzigen,

lächerlichen

Schild.

Meine

Stimme ist kaum noch ein Flüstern. „Wer sind
Sie?

Er greift unter meine Ellbogen und zieht mich

sanft auf die Beine. „Kommen Sie. Wir müssen Ihre
Wunde versorgen, und dann müssen wir hier weg.“

Mein Körper bebt so stark, dass ich nicht

sicher bin, ob meine Beine mich tragen werden.
Ich mache einen Schritt und meine Knie geben
nach, ich sinke zusammen. Der fremde Mann umfasst
meine Taille, zieht mich an sich und hebt mich
auf seine Arme.

„Was tun Sie?“, hauche ich erschrocken und

umklammere seinen Nacken. Er hält mich an sich
gedrückt, sein Körper fühlt sich warm und hart
an, er ist so stark, dass er mich mühelos trägt.

Er deutet auf meine bloßen Füße. „Der Boden

ist voller Scherben. Sie würden sich verletzen.“
Mit kraftvollen Schritten durchquert er mein Sch-
lafzimmer, steigt über die Körper der toten Män-
ner,

die

Scherben

des

zerbrochenen

Spiegels

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knirschen unter seinen Schuhen. Er trägt mich ins
Badezimmer, lässt sich mit mir auf den Rand der
Wanne sinken und platziert mich auf seinem Schoß.

„Wo ist Ihr Arzneischrank?“
„Dritte Lade“, murmele ich verwirrt.
Mein Bad ist so klein, dass er nur den Arm

auszustrecken braucht, um die Schublade neben dem
Waschbecken zu öffnen. Während er sie durchsucht,
spüre ich harte Gegenstände an seinem Körper. Ich
blinzele an mir herunter, bis auf das Badetuch
sitze ich praktisch nackt auf ihm.

Außer dem schwarzen Shirt trägt er eine dunkle

Cargohose, deren Taschen offenbar mit Metallge-
genständen gefüllt sind. Ich rutsche unbehaglich
auf seinem Schoß herum.

„Sie haben ja eine halbe Apotheke hier drin“,

schmunzelt er, während er Jod und Verbandsmateri-
al aus der Lade zieht und neben uns auf den
Waschtisch legt.

„Ich bin Ärztin“, murmele ich kaum hörbar.
Er bemerkt mein Unbehagen und schiebt unver-

mittelt seine Hand unter meinen Oberschenkel. Ich
erstarre, doch er leert nur den Inhalt seiner
Tasche und legt die harten Gegenstände auf den
Waschtisch.

Ein Schlagring, ein kleines Messer und … oh

mein Gott, sind das etwa Wurfsterne?

„Und Sie haben ein ganzes Waffenlager in Ihrer

Hose“, flüstere ich. Zu spät wird mir bewusst,
wie zweideutig meine Worte klingen, und die Röte
schießt mir ins Gesicht. „Ich, äh, meine …“

Seine Lippen verziehen sich zu einem attrakt-

iven Schmunzeln, das mir für einen Augenblick den
Atem raubt. Dann greift er nach meinem Unterarm

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und untersucht die Schnittwunde, die Juans Messer
hinterlassen hat.

„Die Wunde ist nicht tief. Ein wenig Jod und

ein Verband müssten genügen.“

Ich starre den blutigen Schnitt an und frage

mich, warum ich noch immer keine Schmerzen spüre.
Wahrscheinlich stehe ich unter Schock.

Ich lasse zu, dass er die Wunde mit Jod aus-

wäscht und dann einen Verband anlegt. Er arbeitet
so

rasch

und

professionell,

dass

es

mich

überrascht.

„Sie

machen

das

öfter,

nicht

wahr?“

Meine

Stimme zittert noch immer.

„Was? Einen Verband anlegen oder eine Frau vor

Vergewaltigern retten?“

Mein Blick flackert zu den Waffen auf dem

Waschtisch. „Wie Sie mit den Messer umgegangen
sind …“ Ich verdränge den Gedanken an die drei
Leichen, die nebenan liegen.

Er verknotet den Verband. Ich hätte es selbst

nicht besser machen können. „Fertig.“

Er lässt seine Hand an meiner Hüfte ruhen, so-

dass sein Arm meinen Körper locker umschlingt. Es
fühlt

sich

nicht

aufdringlich

an,

sondern

beschützend.

Verwirrt räuspere ich mich. „Ich nehme an,

wenn Sie mich hätten umbringen wollen, dann hät-
ten Sie es längst getan.“ Als ich die harten
Muskelberge

um

mich

herum

spüre,

zweifle

ich

keinen Augenblick daran, dass er dafür nicht ein-
mal eine Waffe bräuchte. Dieser Mann könnte mein
Genick brechen wie einen Zweig. Mir wird klar,
dass ich nur deshalb noch atme, weil er es so
will.

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„Wie kommen Sie auf den Gedanken, dass ich Sie

umbringen will?“

„Was soll ich denn sonst denken? Sie dringen

mitten

in

der

Nacht

in

mein

Haus

ein

und

produzieren

innerhalb

von

Sekunden

einen

Berg

Leichen … Sie scheinen kein Polizist zu sein, und
Sie sind auch keiner von denen …“ Ich nicke in
Richtung Schlafzimmer, wo Juan und die anderen
beiden liegen.

„Ich

habe

keine

Zeit,

Ihnen

das

jetzt

zu

erklären.

Wir

müssen

hier

weg,

und

zwar

so

schnell wie möglich. Wenn Sie überleben wollen,
dann müssen Sie mit mir kommen, Melanie.“

„Woher kennen Sie meinen Namen? Warum wissen

Sie, wer ich bin?“

„Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um …“
„Warum sind Sie in mein Haus gekommen, um

diese Männer aufzuhalten? Wie konnten Sie über-
haupt wissen, dass ich überfallen wurde?“

In seinen braunen Augen lodert ein dunkles

Feuer. Abrupt steht er auf und zieht mich auf die
Beine. Dann fasst er mich eindringlich an den
Schultern. „Wir haben keine Zeit. Ziehen Sie sich
an, packen Sie ein paar Sachen zusammen und dann
verschwinden wir hier.“

Ich muss den Kopf heben, um ihm in die Augen

sehen zu können. „Ich werde die Polizei rufen und
…“

Der Griff seiner Hände um meine Schultern wird

härter. „Die Polizei kann Ihnen nicht helfen.
Wenn diejenigen, die diese Kerle geschickt haben,
Wind davon bekommen, dass Sie nicht tot sind,
dann kann nicht einmal die Polizei Sie schützen.
Wir müssen den Vorsprung ausnützen und so schnell
wie möglich untertauchen.“

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Ich pralle zurück, doch er lässt mich nicht

los. „Sie wollen, dass ich mit Ihnen fliehe?“

„Sie

haben

keine

Ahnung,

in

was

Sie

da

hineingeraten sind. Hinter dem Deal, in den Sie
heute Abend geplatzt sind, steht die Drogenmafia.
Wo ist das Foto, das Sie gemacht haben?“

Verwirrt deute ich ins Schlafzimmer. „Der Kerl

im blauen Shirt hat mein Telefon eingesteckt.
Aber woher wissen Sie …?“

Ohne ein Wort zieht er mich zurück zur Sch-

lafzimmertür, steigt über die Scherben und kniet
neben der Leiche des Mannes nieder. Rasch durch-
sucht er dessen Taschen und zieht mein Smartphone
hervor.

„Davon spreche ich.“ Er kommt zu mir zurück

und hält mir das Bild unter die Nase. „Verdammte
Scheiße, sie sind alle drauf.“

Ich erkenne neben Ramón die drei Kerle, die

mich überfallen haben. Die anderen Männer kenne
ich nicht. „Wovon sprechen Sie eigentlich? Wer
sind diese Leute?“

Er fährt sich durch die braunen Locken. „Sie

wissen wirklich nicht, in was Sie da geraten
sind, nicht wahr? Das sind alles kleine Fische,
aber der Mann da, der Kerl mit dem Pferdeschwanz,
das ist Gonzales. Er ist die Nummer vier in der
Befehlskette des mächtigsten Drogenkartells der
Westküste, weiß der Teufel, warum er an diesem
Abend bei dem kleinen Deal dabei war, wahrschein-
lich war es bloß ein blöder Zufall. Aber Ihr Foto
beweist, dass er und seine Leute im illegalen
Medikamentenhandel drinstecken.“

Ich beobachte ihn mit schmalen Augen. „Woher

wissen Sie all das? Wer sind Sie? Polizei, CIA,
FBI?“

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Er schüttelt ungeduldig den Kopf und steckt

mein Telefon ein. „Ziehen Sie sich an, ich muss
Sie

schleunigst

von

hier

wegbringen.

Gonzales

wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Sie
umzubringen. Ich werde mein Bestes tun, um Sie
bis zur Verhandlung am Leben zu erhalten.“ Sein
Gesichtsausdruck

verdüstert

sich,

wird

entschlossen und hart. „Dieses Foto macht Sie zur
Kronzeugin des Staatsanwalts.“

Ich starre ihn an, zu verwirrt, um etwas zu

sagen. Er schiebt mich ungeduldig ins Schlafzim-
mer hinein.

„Packen Sie das Nötigste zusammen. Machen Sie

schnell, mit jeder Minute, die wir verlieren,
verringert sich unser Vorsprung.“ Seine Stimme
wird sanfter und sein Blick flackert zu meinen
nackten Füßen. „Schneiden Sie sich nicht an den
Scherben.“

Er zieht sich zurück, offenbar damit ich mich

umziehen kann.

Dabei gibt es nichts, was er nicht ohnehin

schon gesehen hat …

Wie in Trance taumle ich über die Scherben und

ziehe mich an. Ich werfe Unterwäsche und ein paar
T-Shirts

in

eine

kleine

Tasche

und

ignoriere

dabei die Leichen, die um mich herumliegen.

Mein Herz rast noch immer, ich habe keine Ah-

nung, was ich tun soll. Ich werfe einen Blick zum
Fenster. Soll ich davonlaufen? Die Polizei rufen?
Oder

soll

ich

mit

diesem

tödlichen

Fremden

fliehen?

Großer Gott, was sind denn das für Wahlmög-

lichkeiten? Vor ein paar Stunden war mein Leben
noch verdammt normal – und verdammt langweilig.

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Kann ich diesem Kerl vertrauen?
Wenn er die Wahrheit sagt und ich wirklich in

einen Deal der Drogenmafia gestolpert bin … kann
ich dann der Polizei vertrauen? Werden sie mir
glauben?

Wie

weit

reicht

der

Einfluss

dieses

Gonzales?

Meine Hände zittern, während ich Geld, Ausweis

und den restlichen Kram aus meiner Handtasche,
der noch immer verstreut auf meinem Bett liegt,
in die kleine Reisetasche stopfe.

Was soll ich nur tun? Soll ich meinem Bauchge-

fühl nachgeben und dem Fremden vertrauen?

Unsicher steige ich über die Scherben, die

Tasche an mich gedrückt, und gehe ins Bad, um
noch ein paar Sachen zu packen.

„Ich möchte Ihnen glauben“, sage ich leise.

„Aber Sie müssen mir etwas geben, damit ich Ihnen
vertrauen kann. Sie müssen mir sagen, wer Sie
sind und woher Sie das alles wissen …“

Ich verstumme. Der Fremde hat sein Shirt aus-

gezogen und steht mit nacktem Oberkörper vor mir.
Mächtige Muskelberge spielen unter seiner Haut,
während er über die Schulter in den Spiegel sieht
und versucht, Jod auf seinen Rücken zu träufeln.

Sein Anblick verschlägt mir für einen Augen-

blick die Sprache, so dass ich erst nach einigen
Momenten die Wunde an seinem Schulterblatt be-
merke.

Es

ist

ein

tiefer

Schnitt,

der

stark

blutet. Ich habe ihn bis jetzt nicht bemerkt,
weil das Blut auf dem schwarzen Shirt nicht zu
sehen war.

„Oh mein Gott! Hat Juan Sie mit dem Messer er-

wischt?“ Ich trete nah an ihn heran. Jetzt plötz-
lich

wieder

ganz

Ärztin,

umfasse

ich

seine

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breiten Schultern und drehe ihn um, damit ich die
Wunde untersuchen kann.

Seine Stimme klingt hart. „Es ist nichts. Sind

Sie bereit?“

„Das ist nicht nichts. Das muss genäht werden,

Sie verlieren zu viel Blut.“

Er flucht leise. „Dafür haben wir keine Zeit.“
„Wenn ich es nicht nähe, verbluten Sie mir

während der Flucht.“ Ich drücke ihn mit sanfter
Gewalt auf den Rand der Badewanne nieder. Zu
meiner Verwunderung lässt er es geschehen.

„Sie können das nähen?“
„Ich

bin

keine

Augenärztin,

falls

Sie

das

meinen. Ich bin Chirurgin. Und jetzt halten Sie
still.“

Ich

durchsuche

meine

Arzneilade

und

habe

binnen

weniger

Sekunden

einen

provisorischen

Mini-OP in meinem Badezimmer aufgebaut.

„Wenn Sie nicht wollen, dass ich Ihnen auf der

Flucht verblute, dann schließe ich daraus, dass
Sie mit mir kommen werden?“

„Habe

ich

eine

Wahl?

Mist.

Ich

habe

kein

Betäubungsmittel da.“ Ich durchsuche nochmals die
Lade. „Es wird ohne gehen müssen.“

„Machen Sie schon, Doc.“ Er zuckt nicht einmal

mit der Wimper, als ich die Wunde desinfiziere
und beginne, sie zu nähen.

Eine Weile arbeite ich schweigend, dann dreht

er plötzlich den Kopf in meine Richtung. „Ich
kann Ihnen nicht sagen, wer ich bin oder für wen
ich arbeite. Ich kann Sie nur bitten, mir zu
vertrauen.“

„Wenn ich mit Ihnen fliehen soll, dann werden

Sie mir schon mehr geben müssen als das.“ Ich
steche konzentriert die Nadel durch seine Haut

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und verschließe die Wundränder. Meine Finger zit-
tern erstaunlich wenig, mein Körper scheint auf
Chirurgen-Modus umgeschaltet zu haben und auto-
matisch zu funktionieren.

Mein Patient atmet langsam aus. Ich habe das

Gefühl, dass er nicht mit den Schmerzen ringt,
sondern mit der Entscheidung, ob er sein Geheim-
nis preisgeben soll.

„Die Organisation, für die ich arbeite, ist

schon

länger

an

der

Medikamenten-Mafia

dran.

Gonzales wird seit Monaten von uns beobachtet.
Irgendetwas ist heute schiefgegangen, so dass er
selbst beim Deal mit Ramón anwesend war. Als ich
gesehen habe, dass Sie den Deal beobachtet haben
und auch noch ein Foto davon geschossen haben
konnte ich es nicht fassen.“

„Sie waren dort?“
„Auf der anderen Straßenseite, unsichtbar für

Sie und die Dealer. Ich wusste, dass die Dealer
Ihnen folgen und Sie umbringen würden. Also habe
ich mich an Juan und seine Kumpane gehängt.“

Ich

beende

die

Naht

und

klebe

ein

großes

Pflaster auf die Wunde.

„Sie sind den Männern zu meinem Haus gefolgt?“

Plötzlich steckt ein Kloß in meinem Hals.

Er steht auf und dreht sich zu mir um, breit

und riesengroß. „Ich habe gesehen, dass sie in
Ihr Haus eingebrochen sind. Mir war klar, dass
Sie die Nacht nicht überleben würden, wenn ich
nichts unternehme.“

Meine

Hände

beginnen

wieder

zu

zittern,

während ich die Nadel wegwerfe und die Arzneien
einpacke. „Sie haben mir das Leben gerettet“,
flüstere ich, ohne ihn anzusehen. „Diese Männer
hätten Sie ebenfalls umbringen können.“

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Er lacht, kurz und hart. „Dieser Abschaum?

Nein, ich denke nicht. Dass mich einer von ihnen
mit dem Messer erwischt hat, war ein bedauerlich-
er Unfall.“ Dann wird seine Stimme leiser. „Ich
kann Sie beschützen, Melanie. Ich werde nicht zu-
lassen, dass Ihnen etwas geschieht.“

Ich weiß nicht, warum, aber in diesem Moment

glaube ich ihm.

Ich stecke die Arzneien in meine

Tasche und ziehe den Verschluss zu. „Die werden
wir auf unserer Flucht brauchen. Ich werde nach
Ihrer Wunde sehen müssen.“

Er wirft einen Blick in den Spiegel auf das

Pflaster auf seinem Schulterblatt. „Danke, Doc.
Jetzt lassen Sie uns hier verschwinden.“

Er greift wie selbstverständlich nach meiner

Hand und zieht mich mit sich. Ich zögere kurz.

„Warten Sie. Sie haben mir immer noch nicht

gesagt, wie Sie heißen.“

Ein

Lächeln

kräuselt

sich

in

seinen

Mund-

winkeln. Es lässt ihn so attraktiv aussehen, dass
plötzlich ein Gefühl der Hitze durch meinen Körp-
er schießt.

„Nennen Sie mich Remus.“ Seine große Hand um-

schließt

meine,

während

er

mit

mir

auf

die

Haustür zusteuert. „Und jetzt lassen Sie uns end-
lich von hier abhauen.“

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Kapitel 3

Die Straße ist still und menschenleer. Mit-

tlerweile steht der Sonnenaufgang kurz bevor, der
Himmel ist hellblau. Wir haben Ende Juli und die
Morgenluft ist angenehm kühl.

Vor meinem Haus steht ein fremder schwarzer

Wagen, zuerst denke ich, dass es Remus‘ Auto ist,
doch als er mich daran vorbeizieht begreife ich,
dass der Wagen Juan und seinen Freunden gehören
muss.

„Sollen wir mein Auto nehmen?“ Meine Stimme

klingt unsicher, ich frage mich, wie lang es wohl
dauern wird, bis die Leichen in meinem Haus ent-
deckt werden.

Remus

schüttelt

den

Kopf.

„Danach

werden

Gonzales‘ Männer zuerst suchen. Wir lassen Ihren
Wagen hier, das ist sicherer. So hinterlassen wir
keine Spuren.“

„Aber wie wollen wir …?“ Ich verstumme und re-

iße die Augen auf. „Das ist nicht Ihr Ernst!“

Wir stehen vor einer schwarzen Harley David-

son. Remus nimmt mir die Tasche aus der Hand und
verstaut sie in der Satteltasche, dann schwingt
er sich auf das Motorrad.

Er dreht sich zu mir um und streckt mir seine

Hand entgegen.

„Kommen Sie.“
Ich bin noch nie auf einem Motorrad gefahren.

Mein Leben lang war ich das behütete Mädchen,

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nicht die Rockerbraut! Jetzt klettere ich zöger-
lich auf die Maschine und schlinge meine Arme um
den gefährlichen Killer vor mir.

Remus startet den Motor, er kontrolliert die

schwere

Maschine

mühelos.

Als

wir

aus

meiner

Straße brausen, werfe ich einen letzten Blick
zurück.

Dann

verschwinden

mein

Haus

und

mein

altes Leben, ich klammere mich an Remus‘ mächti-
gen Oberkörper und blinzele gegen den Fahrtwind.
Adrenalin schießt durch meine Adern, ich weiß
nicht, ob es vor Angst oder vor Aufregung ist.
Ich weiß nur, dass mein Herz heftig schlägt und
dass der tödliche Mann vor mir in diesem Moment
mein einziger Verbündeter ist.

Remus bringt uns so schnell wie möglich aus

der Stadt hinaus. Wir verlassen L.A. in nördlich-
er Richtung und halten auf Bakersfield zu.

Nach einiger Zeit geht die Sonne auf und der

Highway füllt sich mit dem morgendlichen Verkehr.
Ich halte Remus fest umklammert und lege meine
Wange

an

seinen

breiten

Rücken.

Die

harten

Muskeln unter seinem Shirt fühlen sich seltsam
tröstlich an. Es fühlt sich an, als könnte Remus
mich vor jeder Gefahr beschützen.

Wir fahren stundenlang den Highway entlang.

Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist oder wie
lange wir schon unterwegs sind, aber die Sonne
steht mittlerweile hoch am Himmel. Ich muss mich
zwingen, wach zu bleiben, aber hin und wieder
nicke ich für einen kurzen Moment ein. Die Er-
schöpfung nach dem langen Arbeitstag im Memorial
und nach allem, was danach geschehen ist, ist zu
groß.

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Bei

einem

Roadhouse

irgendwo

hinter

Bakersfield fährt Remus vom Highway ab. Er parkt
das Motorrad, steigt ab und bietet mir seine Hand
an. Außer uns stehen noch ein paar LKWs auf dem
Parkplatz,

das

Roadhouse

scheint

ein

Trucker-

Treffpunkt zu sein.

Remus

mustert

mich

besorgt.

„Wie

geht

es

Ihnen?“

Ich reibe mir die Augen. „Es geht schon. Es

war einfach … eine beschissene Nacht. Und zwar
schon vor dieser ganzen Drogendealer-Sache.“

Er zieht die Augenbrauen hoch. „Sie wurden in

Ihrem eigenen Schlafzimmer von drei Dealern fast
vergewaltigt und umgebracht. Was kann denn noch
schlimmer sein?“

„Lange

Geschichte.

Jetzt

brauche

ich

einen

starken, schwarzen Kaffee.“ Ich marschiere auf
den Eingang des Roadhouses zu, selbst überrascht
darüber, wie ruhig ich bin. Müsste ich nicht hys-
terisch sein? Verrückt vor Angst? Oder zumindest
eine Panikattacke kriegen?

Wahrscheinlich

stehe

ich

noch

immer

unter

Schock. Oder aber, ich bin einfach zu erschöpft,
um durchzudrehen. Remus verzieht anerkennend die
Lippen und hält mir die Tür auf.

Im Roadhouse hängen ein paar Trucker an einem

langen Bartresen herum, sie drehen sich nach mir
um als wir an ihnen vorbeigehen und uns an einen
Tisch am Fenster setzen. Ich habe das Gefühl,
dass Remus den Tisch absichtlich ausgewählt hat,
denn sein Blick scannt unablässig die Bar, er
scheint sowohl die Gäste als auch die Ausgänge im
Auge zu behalten.

„Sie sehen aus, als ob Sie einen Fluchtplan

schmieden.“ Ich spreche leise, obwohl die Musik

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aus einer alten Jukebox es unmöglich macht, dass
die

anderen

Gäste

unsere

Unterhaltung

hören

könnten.

Eine Kellnerin um die fünfzig kommt an unseren

Tisch. Remus bestellt schwarzen Kaffee und die
Spezialität des Hauses, was auch immer das sein
mag. Als die Frau in Richtung Küche davonzieht,
lehnt er sich über den Tisch zu mir.

„Berufskrankheit.“ Er schmunzelt.
Ich spiele nervös mit einem Untersetzer aus

Pappe. „Meinen Sie, dass Gonzales uns bereits auf
den Fersen ist?“

„Das hoffe ich nicht. Wir können mit ziemlich-

er Sicherheit davon ausgehen, dass er die Leichen
seiner Männer entdeckt hat und weiß, dass Sie ge-
flohen sind. Aber er weiß nicht, dass Sie bei mir
sind oder wohin wir unterwegs sind. Sie dürfen
auf keinen Fall Ihre Kreditkarte benutzen, haben
Sie verstanden? Zahlen Sie nur noch mit Bargeld.
Und Sie dürfen niemanden anrufen.“

„Das

kann

ich

gar

nicht.

Sie

haben

mein

Handy.“

„Ich habe es abgeschaltet, damit Gonzales uns

nicht darüber ortet.“

Ich nicke stumm.
Als er weiterspricht, klingt seine Stimme san-

fter. „Haben Sie Familie? Gibt es jemanden, der
sich um Sie sorgen und nach Ihnen suchen wird?“

„Meine Mutter lebt in San Francisco. Wir tele-

fonieren ein-, zweimal in der Woche. Sie wird
nicht gleich die Polizei einschalten, wenn ich
mich ein paar Tage lang nicht melde. Sie weiß,
dass ich manchmal lange Dienste im Krankenhaus
habe.“

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Plötzlich wird sein Blick forschender. „Keine

eigene Familie? Keinen … Freund oder Ehemann?“

Ich schüttele den Kopf und fühle, wie mir eine

sanfte Röte in die Wangen steigt.

Remus lehnt sich zurück und lächelt.
Die Kellnerin kommt zurück und schenkt uns

Kaffee ein. Der Duft weckt meine Lebensgeister
und ich nehme einen großen Schluck.

„Erzählen Sie mir von dem schrecklichen Tag,

den Sie gestern hatten.“ Remus‘ Arm ruht auf dem
Fensterbrett, er beobachtet mich mit Augen, die
denen eines Raubtiers gleichen. Die zurückhal-
tende

Stärke

und

Gefährlichkeit,

die

er

aus-

strahlt,

lassen

meinen

Puls

schneller

werden.

Seine Messer sind unter seiner Kleidung verbor-
gen, nur ich weiß, dass er bis an die Zähne be-
waffnet ist.

„Ich

musste

nach

einem

Acht-Stunden-Dienst

noch eine OP machen.“ Ich starre auf meinen Kaf-
feebecher und denke an Mr Miller, an Dr. Craig
und Schwester Trisha. All das scheint unendlich
weit entfernt zu sein, als gehörte es zu einem
anderen Leben. „Dreifacher Bypass. Keine einfache
Sache.“

Remus nickt. „Was ist passiert?“
Ich seufze. „Wir haben die Operation erfol-

greich hinter uns gebracht. Nach über sechs Stun-
den

am

OP-Tisch

ist

der

Patient

trotzdem

gestorben.“

„Das tut mir leid.“ Es ist keine leere Flo-

skel. Seine Hand streift meine, seine Berührung
schießt wie ein Stromstoß durch meinen Körper und
kribbelt auf meiner Haut.

„Manchmal hasse ich meinen Job. An Tagen wie

diesen

ganz

besonders.“

Ich

halte

den

Blick

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gesenkt, weil ich nicht will, dass er die Tränen
in meinen Augen glitzern sieht.

„Sie sind eine hervorragende Ärztin.“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„In einer Situation, in der die meisten Frauen

hysterisch weinend in der Ecke gekauert hätten,
haben Sie mich zusammengeflickt. Mitten in Ihrem
Badezimmer,

nachdem

ich

nebenan

drei

Menschen

getötet hatte.“

Er senkt die Stimme, denn die Kellnerin bringt

unser Essen.

Die Spezialität des Hauses stellt

sich als Cheeseburger mit Pommes Frites heraus,
fettig und heiß. Erst als mir der Duft der Speis-
en in die Nase steigt, merke ich, wie ausgehun-
gert ich bin. Ich fische ein Pommes frites von
meinem Teller, knabbere daran, dann greife ich
nach dem Cheeseburger und beiße herzhaft hinein.

Remus schmunzelt. „Wann haben Sie zum letzten

Mal etwas gegessen?“

„Gestern“,

nuschele

ich

durch

einen

vollen

Mund. „Vor der OP. Einen halben Müsliriegel.“

„Und davor?“
Ich

zucke

mit

den

Schultern.

„Schwarzen

Kaffee?“

„Oh Gott.“ Er verzieht das Gesicht und schiebt

mir

seinen

Teller

hin.

„Bitte

essen

Sie,

Mädchen.“

Ich unterdrücke ein Schmunzeln. „Es war eben

eine harte Schicht. Da kommt es oft vor, dass wir
keine Zeit zum Essen haben.“

„Das erklärt, warum Sie so mager sind.“
Mager? Schlank, vielleicht, aber mager? Woher

will er das überhaupt wissen? Oh … plötzlich
fällt mir wieder ein, dass er mich vor wenigen
Stunden nackt gesehen hat. Ich senke meinen Kopf

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über den Burger, als könnte ich mich dahinter
verstecken.

Remus scheint meine Verlegenheit richtig zu

deuten. „In Ihrem Schlafzimmer, nachdem ich … Sie
gerettet habe …“, beginnt er.

„Ich weiß“, sage ich schnell. Meine Wangen

glühen.

„Ich habe Sie getragen“, sagt Remus sanft.

„Erinnern Sie sich?“

Natürlich

erinnere

ich

mich.

Ich

habe

mit

nichts als einem

Badetuch um meinen Körper in

seinen Armen gelegen.

„Sie waren zerbrechlich und leicht wie eine

Feder. Das wollte ich damit sagen.“ Seine Stimme
klingt rau, fast wie eine Liebkosung. Ich presse
die Lippen zusammen und halte den Blick gesenkt.

„Ich hätte damals nicht gedacht, dass so viel

Stärke in Ihnen steckt, Doc.“

Jetzt hebe ich überrascht den Kopf. „Und ich

hätte nicht gedacht, dass in Ihnen so viel …“

„Zivilisiertheit steckt?“
Ich senke meine Stimme. „Was hätte ich denn

sonst von Ihnen halten sollen? Als ich Sie das
erste Mal gesehen habe, haben Sie drei Männer mit
Messern umgebracht.“

„Und als ich Sie das erste Mal gesehen habe,

waren Sie vollkommen …“

„Schon gut!“, unterbreche ich ihn hastig.
„… verängstigt, wollte ich sagen.“ Er legt den

Kopf schief. „Wann haben Sie aufgehört, sich vor
mir zu fürchten, Melanie?“

„Als

ich

begriffen

habe,

dass

Sie

nicht

vorhatten, mich umzubringen.“ Ich senke den Kopf.
„Oder mir … wehzutun. So, wie Gonzales‘ Männer es
tun wollten.“

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Ich

spüre

seine

große

Hand,

die

sich

beschützend auf meine legt.

„So

etwas

würde

ich

einer

wehrlosen

Frau

niemals antun. Diese Männer waren Schweine.“

Hitze prickelt über meinen Handrücken, dort,

wo er mich berührt. Die Kellnerin kommt an unser-
en Tisch und Remus zieht seine Hand fort.

„Noch etwas Kaffee, Schätzchen?“
Ich räuspere mich. „Ja, bitte.“
Als ich ihr meine Tasse reiche, fällt ihr

Blick auf den Verband auf meinem Unterarm und sie
keucht erschrocken. Die Trucker am Tresen sehen
zu uns rüber.

„Sie bluten ja, Liebes!“
Tatsächlich – auf dem Verband ist ein großer,

dunkler Blutfleck zu sehen. Erst jetzt fällt mir
auf, dass sich außerdem Blutergüsse auf meinen
Armen und Handgelenken gebildet haben, die von
meiner

Gegenwehr

gegen

Juan

und

seine

Männer

stammen. Ich bedecke den Verband rasch mit der
Hand. „Es ist nichts.“

Die Kellnerin runzelt argwöhnisch die Stirn

und wirft Remus einen bösen Blick zu. Ohne ihm
ebenfalls Kaffee anzubieten, füllt sie schweigend
meine Tasse und verschwindet dann ohne ein Wort
in der Küche hinter dem Tresen.

„Sie denkt, dass ich Ihnen das angetan habe.“

Etwas Dunkles klingt in Remus‘ Ton mit, während
sein Blick auf meinen Verletzungen ruht. „Haben
Sie Schmerzen?“

Ich

schüttele

den

Kopf.

„Wenn

Sie

nicht

gewesen wären, dann wäre ich jetzt tot. Ich kann
ein paar blaue Flecken ertragen.“

Er nickt knapp, dann erhebt er sich plötzlich.

„Ich muss kurz telefonieren. Bitte warten Sie

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hier auf mich.“ Er legt genug Geld auf den Tisch,
um unsere Rechnung zu begleichen, und verlässt
die Bar. Die Trucker bemerken, dass er gegangen
ist, und schielen zu mir rüber.

Ich umklammere meine Tasse und nippe an dem

heißen Kaffee. Die Blessuren auf meinen Armen se-
hen wirklich schlimm aus. Ich ahne, dass ich
blass bin und schwarze Ringe unter den Augen
habe, weil ich die ganze Nacht nicht geschlafen
habe. Ich muss erbärmlich aussehen, kein Wunder,
dass die Kellnerin Mitleid mit mir hat.

Ich blicke mich nach ihr um, doch sie ist

nicht wieder aus der Küche zurückgekehrt. Dafür
stehen

die

vier

Trucker

vom

Tresen

auf

und

schlendern an meinen Tisch.

Es sind grobschlächtige Burschen, raue Gesel-

len, deren Nähe mich nervös macht. Mein Blick
flackert in Richtung Tür, doch von Remus fehlt
jede Spur. Die Trucker bauen sich vor mir auf.

„Hat Ihr Liebhaber Sie misshandelt, Lady?“
„Nein.“ Ich bemühe mich, höflich und selbstbe-

wusst zu klingen. „Es geht mir gut, wirklich.“

„Sieht aber nicht so aus. Sollen wir ihm eine

Lektion erteilen, was hier mit Typen passiert,
die einer so hübschen Lady wehtun?“

„Das ist wirklich nicht notwendig. Das ist

alles ein Missverständnis.“

Die Trucker stehen zu dicht vor mir. Die Art,

wie sie mich mit ihren Blicken ablecken, ekelt
mich an und macht mir Angst. Ich stehe auf.

„Danke

für

Ihre

Besorgnis.

Ich

muss

jetzt

gehen.“

Die Männer rühren sich nicht von der Stelle.

Sie stehen mir im Weg, so dass ich den Tisch
nicht verlassen kann.

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Ich versuche, meiner Stimme einen festen Klang

zu geben. „Lassen Sie mich vorbei.“

„Wisst ihr, vielleicht gefällt es ihr ja, was

er mit ihr gemacht hat“, murmelt einer von ihnen
plötzlich. Seine Freunde grinsen. Die Stimmung
schlägt um.

„Sie sieht aus wie ein zerbrechliches Püppchen

… aber das bist du nicht, nicht wahr?“ Er fasst
in mein langes, dunkles Haar und befühlt es zwis-
chen seinen Fingern.

Ich schlage seine Hand von mir weg und sehe

mich hilfesuchend um. Von Remus fehlt jede Spur,
auch die Kellnerin bleibt verschwunden.

„Wenn du auf Kerle stehst, die es dir auf die

harte Tour besorgen, dann würde ich dir gern
meinen

harten

Freund

vorstellen.“

Der

Trucker

leckt sich anzüglich über die Lippen und greift
sich in den Schritt.

Sein Freund packt mich am Handgelenk. „Nehmen

wir sie mit nach draußen, da ist ein Plätzchen
hinter den Trucks …“ Er gafft mich mit gierigen
Augen an. „Schnell, so lange Dotty noch hinten im
Lager ist … wir wären mit ihr durch, bevor ihr
Freund zurückkommt …“

„Und

wenn

er

kommt,

dann

machen

wir

ihn

fertig.“

„Lassen Sie mich sofort los!“ Ich versuche,

ihm meine Hand zu entziehen, aber er ist zu
stark.

Reflexartig

verpasse

ich

ihm

eine

Ohrfeige.

Die Kerle werden wütend, einer von ihnen packt

mich und zerrt mich an den Haaren hinter dem
Tisch hervor. Er hält mir den Mund zu, damit ich
nicht schreien kann, und schleift mich auf den
Hinterausgang zu. Panik steigt in mir auf, ich

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trete nach dem Mann und kämpfe gegen ihn an. War-
um hilft mir denn niemand? Wo ist Remus? Wo ist
die Kellnerin?

Wir haben die Hintertür fast erreicht, gleich

werden sie draußen auf dem Parkplatz über mich
herfallen! Es gelingt mir, den Trucker in die
Hand zu beißen, und er gibt für einen Moment
meinen Mund frei. In meiner Verzweiflung schreie
ich den Namen des einzigen Mannes, der mich jetzt
noch beschützen kann.

Remus!“
Bevor mich die Trucker durch die Hintertür

zerren können, wird die Eingangstür der Bar auf-
getreten. Die Silhouette eines riesigen, breit-
schultrigen

Mannes

zeichnet

sich

gegen

das

Sonnenlicht ab.

Die Trucker halten inne.
Mit einem Blick hat Remus die Situation er-

fasst. Sein Knurren hallt durch die Bar, ich
sehe, wie sich seine Hände zu Fäusten ballen, und
dann bricht die Hölle los.

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Kapitel 4

Schneller

als

ich

es

wahrnehmen

kann,

hat

Remus den Raum durchquert und sich auf die Truck-
er gestürzt. Sie sind kräftig und stämmig gebaut,
doch Remus ist zu schnell für sie. Er versetzt
dem Ersten einen Kinnhaken, schleudert den Mann
gegen den Tresen, und tritt dem Zweiten in den
Magen. Während die beiden Trucker keuchend zu
Boden gehen, wehrt Remus die Faustschläge des
Dritten ab und schmettert ihn mit blitzartigen,
heftigen Schlägen gegen die Wand.

Ich fühle wie die Hand des Truckers, der mich

festhält, sich um meine Kehle schließt, und umk-
lammere sein Handgelenk panisch. Er hat so viel
Kraft, dass ich kaum noch atmen kann, und ich
stoße ein gurgelndes Röcheln aus.

Remus

wirbelt

herum,

ich

sehe

etwas

auf-

blitzen, dann höre ich den Schmerzensschrei des
Truckers und er lässt mich los. Ich stolpere von
ihm weg und sehe zwei von Remus‘ Wurfsternen tief
im Arm des Mannes stecken.

Blitzartig zieht Remus mich hinter sich in

Sicherheit, dann tritt er auf den Trucker zu und
bricht ihm mit einem heftigen Schlag die Nase.
Blutend sinkt der Mann zusammen, Remus kniet über
ihm, packt seinen Schopf, reißt seinen Kopf hoch
und schmettert er ihn gegen den Boden, und der
Mann bleibt reglos liegen.

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Ich beobachte die Szene wie erstarrt, alles

geschieht so wahnsinnig schnell, plötzlich ist
Remus neben mir, ergreift meine Hand und zieht
mich mit sich aus der Bar.

„Alles in Ordnung mit Ihnen?“
Ich bringe bloß ein verstörtes Nicken zus-

tande, mein Blick hängt an den vier Truckern, die
blutüberströmt k.o. gegangen sind. Remus schiebt
mich durch die Tür und drängt mich, auf die Har-
ley zu steigen.

Ich umklammere seinen breiten Brustkorb und

Sekunden später jagt er die Maschine vom Park-
platz zurück auf den Highway.

Remus rast weiter nach Norden. Erst fast zwei

Stunden später, kurz vor Fresno, hält er bei ein-
er Tankstelle an.

Mein Körper ist steif vom verkrampften Sitzen

auf dem Motorrad. Ich klettere ungelenk von der
Maschine und lockere meine Beine aus.

Remus tankt die Harley auf, er arbeitet sch-

weigend und schnell. Währenddessen scannt er mit
einem düsteren Ausdruck im Gesicht die Umgebung.

Ich räuspere mich. „Danke … dass Sie mir in

der Bar geholfen haben. Schon wieder.“

Breitschultrig und mit glühenden Augen starrt

er auf mich herunter. „Wie ist es dazu gekommen?
Ich war kaum drei Minuten draußen.“

Ich beiße mir auf die Unterlippe und senke den

Kopf. „Diese Typen sind zu mir gekommen und haben
gefragt, ob Sie mich misshandeln … dann schien
ihnen das plötzlich selbst eine gute Idee zu
sein.“

Remus‘ Hand fasst unter mein Kinn. Ich bin so

überrascht von der Sanftheit seiner Berührung,

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dass ich den Kopf hebe. In seinem Blick glitzert
plötzlich noch etwas anderes, das mir für einen
Moment den Atem raubt.

„Sie sind bei mir in Sicherheit, Melanie. Ich

werde nicht zulassen, dass Ihnen jemand wehtut,
so lange Sie unter meinem Schutz stehen.“

Ein Gefühl der Hitze breitet sich in meinem

Bauch

aus

und

kribbelt

durch

meinen

ganzen

Körper.

„Wo

haben

Sie

gelernt,

so

zu

kämpfen?“,

flüstere

ich.

„Warum

können

Sie

vier

Männer

gleichzeitig besiegen?“

Remus schweigt. Sein Daumen streichelt über

meine Wange und hinterlässt eine glühende Spur
auf meiner Haut.

„Ich habe mit dem Büro der Staatsanwaltschaft

telefoniert“, sagt er schließlich. „Die Polizei
hat die Leichen in Ihrem Haus gefunden, und sie
wissen von dem Foto. Sie werden Gonzales wegen
versuchten Mordes an Ihnen anklagen, und auch we-
gen seiner Beteiligung an den illegalen Medika-
mentengeschäften – falls Sie bereit sind, gegen
ihn auszusagen.“

„Wenn dieser Gonzales wirklich so gefährlich

ist, wie Sie behaupten, dann werde ich nicht
lange

genug

leben,

um

gegen

ihn

aussagen

zu

können.“

„Es ist möglich, dass Gonzales seine Spitzel

bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft hat,
aber meine Kontakte sind vertrauenswürdig, das
garantiere ich Ihnen. Sie brauchen keine Angst zu
haben.“

Ich lächele schwach. „Ist das Ihr Ernst? Vor

zwölf

Stunden

war

ich

noch

eine

unbedeutende

Chirurgin in irgendeinem Krankenhaus, und jetzt

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bin ich die Kronzeugin der Staatsanwaltschaft und
soll gegen einen Boss der Drogenmafia aussagen.
Remus, ich habe eine Scheißangst.“

Unvermittelt zieht er mich in seine Arme. Ich

lasse es überrascht geschehen, lasse mich von ihm
an seine breite, harte Brust drücken. Sein Körper
ist wie aus Stahl. Ich spüre die Halfter der
Messer, die unter seinem Shirt verborgen sind und
sich gegen meinen Bauch pressen.

„Ich verspreche, dass ich auf Sie aufpassen

werde. Wir werden untertauchen, bis die Staatsan-
waltschaft die Anklage vorbereitet hat und Sie
Ihre Aussage machen. Ich werde nicht von Ihrer
Seite

weichen.

Ich

werde

Sie

beschützen,

Melanie.“

Ich glaube ihm. Keine Ahnung, woher dieses Ge-

fühl kommt, aber tief in meinem Innern weiß ich,
dass ich ihm vertrauen kann.

Wer sind Sie?“, wispere ich fast unhörbar.
Sein

Körper

verspannt

sich,

seine

Lippen

streichen über mein Haar. Dann lässt er mich
langsam los.

„Brauchen Sie noch etwas?“ Er deutet mit dem

Kopf auf den Tankstellenshop. „Wir werden eine
Weile nicht mehr anhalten.“

Ich erkenne, dass es zwecklos ist, ihm weitere

Fragen zu stellen, die er doch nicht beantworten
wird. Also beschließe ich, es dabei zu belassen.

Vorerst.
Ich gehe zum Shop hinüber, um die Toilette zu

benutzen, und kaufe zwei Flaschen Wasser. Als ich
zurückkomme, lehnt Remus mit verschränkten Armen
an der Harley, dunkel und gefährlich, sein Blick
unablässig auf mich gerichtet.

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Plötzlich fühle ich mich ebenso nackt, wie ich

bei unserer ersten Begegnung in meinem Schlafzim-
mer gewesen bin, und die paar Meter zwischen dem
Shop und ihm scheinen endlos zu sein.

Endlich erreiche ich ihn, er nimmt mir die

Flaschen

ab

und

verstaut

sie

in

den

Sat-

teltaschen. Ich schiebe schnell meine Hände in
die Taschen meiner Jeans, um zu verstecken, dass
sie beben.

Remus schwingt sich auf die Harley, wartet,

bis ich hinter ihm sitze, und braust los. Während
ich

mich

an

seinen

Rücken

presse

und

der

Fahrtwind durch meine Haare streicht, klopft mein
Herz wie verrückt. Vor Aufregung, und weil ich
mich lebendig fühle wie noch nie zuvor in meinem
Leben.

Bin ich denn verrückt? Ich wurde überfallen,

die Drogenmafia ist hinter mir her, und meine
einzige Hoffnung ist ein tödlicher Fremder, über
den ich nichts weiß, außer, dass er andere Männer
umbringt, um mich zu beschützen - ich sollte auf
der Stelle vom Motorrad springen und die Polizei
rufen. Stattdessen schmiege ich mich an Remus‘
breiten Rücken, spüre, wie sich seine Muskeln an-
spannen, während er die schwere Maschine lenkt.

Melanie, du bist vollkommen übergeschnappt.
Und wenn schon. Es fühlt sich verdammt gut an.
Ich wurde aus meinem alten Leben gerissen, und

plötzlich

taucht

dieser

Fremde

auf,

dieser

Killer, der so brutal zu meinen Angreifern ist
und gleichzeitig so sanft mit mir umgeht.

Ich fühle, wie mein altes Leben hinter mir

zurückfällt, und ich lasse es bereitwillig los.
Ich habe keine Ahnung, was Remus vorhat oder

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wohin wir fahren. Alles, was ich weiß, ist, dass
ich ihm vertraue.

Remus

fährt

weiterhin

nach

Norden.

Hinter

Fresno

nimmt

er

eine

Landstraße

bis

nach

Oakhurst, die Gegend wird immer menschenleerer,
und langsam kommt mir ein Verdacht, wohin Remus
mich bringt.

Bewaldete Hügel und dichte Wälder tauchen vor

uns auf, und als wir uns der Einfahrt nähern,
verlangsamt Remus die Maschine. Ich lehne mich
nach vorn, bis meine Lippen dicht an seinem Ohr
sind.

„Yosemite?

Du

bringst

mich

in

einen

Nationalpark?“

Er wendet mir den Kopf zu, sein Dreitagbart

streicht rau über mein Gesicht. „Niemand wird uns
hier finden. Vertrau mir.“

Er lenkt die Maschine die kurvige Strecke in

den

Nationalpark

hinein.

Remus

scheint

das

Gelände zu kennen, denn er fährt ohne zu zögern
direkt in den nördlichen Teil des riesigen Natur-
parks, immer tiefer in die Wälder hinein. Nach
einer Weile sehen wir kaum noch andere Autos,
auch keine Wanderer, nichts als die unberührte
Natur.

Ich begreife, dass Remus Recht hat. Das Areal

ist so groß, dass wir uns hier problemlos ver-
stecken können.

Die

Forststraße

ist

kurvig

und

schmal,

es

dauert ein paar Stunden, bis wir das Herz im
Norden des Parks erreicht haben. Die Sonne steht
bereits tief, als Remus schließlich das Motorrad
anhält.

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Ich steige ab und sehe mich um. Wir sind

umgeben von uralten Wäldern, das einzige Geräusch
ist das Gezwitscher der Vögel.

„Werden wir uns hier verstecken?“
„Nein. Wir lassen das Motorrad hier und gehen

zu Fuß weiter.“ Remus lässt die Maschine ein
Stück in den Wald hineinrollen, bis sie hinter
Sträuchern verschwindet. Dann steigt er ab, holt
meine Reisetasche und einen großen Rucksack aus
der Satteltasche hervor, und zieht eine Machete
aus dem Rucksack. Die Klinge ist unterarmlang,
ebenso riesig wie die Messer an seinen Hüften,
aber viel massiver. Ich mache große Augen, als er
beginnt, Zweige von nahen Bäumen und Sträuchern
abzuschneiden. Dabei hantiert er so geschickt mit
der großen Waffe, dass ich vor Verblüffung nur
den Kopf schütteln kann.

„Was

ist

das

bloß

mit

Ihnen

und

diesen

Messern?“

Mit wenigen Schlägen trennt er einen Ast nach

dem anderen ab und reicht sie mir, damit ich die
Harley damit bedecke. „Ich ziehe sie Schusswaffen
vor. Sie sind lautloser.“

„Sie meinen, sie töten lautloser.“ Plötzlich

wird meine Kehle eng.

Remus hält inne und wirft mir über die Schul-

ter einen Blick zu. „Mache ich Ihnen immer noch
Angst?“

Ich hätte am liebsten hysterisch losgelacht.

„Fragt ein eins neunzig großer Mann, der mit ein-
er Machete bewaffnet vor mir steht, mutterseelen-
allein mitten im Wald.“

Remus schweigt einen Augenblick, dann kräuseln

sich seine Mundwinkel nach oben. Grübchen er-
scheinen auf seinen Wangen, und schließlich lacht

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er

und

entblößt

dabei

eine

Reihe

perfekter,

weißer Zähne.

Mir schießt der verrückte Gedanke durch den

Kopf, dass er sich bei seiner Berufswahl wahr-
scheinlich zwischen Killer und Model entschieden
hat. Aber dann lache ich auch, zum ersten Mal
seit einer Ewigkeit, und es fühlt sich wunderbar
befreiend an.

Plötzlich wirbelt Remus die Machete in seiner

Hand herum und hält mir den Griff entgegen. „Wol-
len Sie es lieber selbst versuchen?“

Ich schüttele den Kopf und greife stattdessen

nach einem Ast, den ich über die Harley ziehe.
„Die Messer, mit denen ich gewöhnlich umgehe,
sind sehr viel kleiner.“

Remus wendet sich wieder dem Baum zu, ein

schiefes Grinsen im Gesicht, und hackt auf den
nächsten

Ast

ein.

„Warum

sind

Sie

Ärztin

geworden?“

Weil Model oder Killerin nicht zur Auswahl

standen.

„Ähm … ich weiß nicht. Es erschien mir damals

eine gute Idee zu sein.“

„Sind Sie nicht gern Ärztin?“
„Doch.“ Und das ist die Wahrheit. „Aber ich

denke manchmal, dass das nicht alles gewesen sein
kann. Dass es mehr im Leben geben muss.“ Ich er-
röte, als ich meine eigenen Worte höre. „Klingt
das lächerlich für Sie?“

Remus hält mir ruhig einen Ast hin. Jetzt

lacht er nicht mehr. „Nein.“

Ich nehme den Ast schweigend und bedeckt das

Motorrad damit. Jetzt ist fast nichts mehr von
der Maschine zu sehen.

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„Was meinen Sie mit ‚mehr‘?“ Remus‘ dunkle

Stimme erklingt hinter mir. Ich zupfe an den
Ästen herum, nur, um ihn nicht ansehen zu müssen.

„Das weiß ich selbst nicht. Das ist ja das

Verrückte.“ Dann überwinde ich mich und lächele
ihn scheu an. „Sie denken bestimmt, dass ich
spinne, oder?“

Er lässt die Machete sinken und tritt auf mich

zu, bis er direkt vor mir steht. Ich reiche ihm
kaum bis zum Hals und muss den Kopf heben, um ihn
anzusehen.

Die

Kraft

und

Wärme,

die

mir

von

seinem

breiten

Körper

entgegenströmen,

beschleunigen meinen Puls.

„Ich denke nicht, dass Sie spinnen“, sagt er

leise.

Dann legt er seine große Hand an meine Wange,

streicht behutsam über meine Haut. Seine Finger
schlingen sich in mein Haar, die Berührung ist so
sanft, dass ich nicht glauben kann, dass sie von
diesem gefährlichen Mann kommt.

Ich weiche nicht zurück, lasse zu, dass er

mich streichelt. Ein Kribbeln schießt über meinen
Nacken und läuft meine Wirbelsäule hinunter.

„Nein.“ Meine Stimme ist ein leises Flüstern.

„Ich habe keine Angst mehr vor dir.“

Er

senkt

den

Kopf,

langsam,

gibt

mir

die

Chance, ihn zu stoppen – doch ich wünsche mir,
dass er weitermacht. Seine Lippen nähern sich
meinen, dann gibt er mir einen sanften Kuss. Sein
Bart kratzt über meine Haut, aber seine Lippen
fühlen sich weich und warm an, und seine unerwar-
tete Zärtlichkeit lässt meine Knie zittern.

Ich lege meine Hände auf seine Brust, als sich

unsere Lippen voneinander lösen. Mein Kopf dreht
sich, ich fühle mich, als würde ich schweben.

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„Wir müssen so tief wie möglich in den Wald,

so lange es noch hell ist“, murmelt er rau. Er
hält mich noch einen Moment in seinen Armen, dann
löst er sich von mir und schultert den Rucksack.

Ich schnappe mir meine Tasche, wir stellen

sicher, dass die Maschine vollständig unter dem
Blättermantel verborgen ist, dann greift Remus
meine Hand und beginnt, uns einen Weg durch das
Dickicht zu bahnen.

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Kapitel 5

„Du

bist

schon

einmal

hier

gewesen,

nicht

wahr?“ Ich stolpere hinter Remus her, während er
sich zielsicher durch das Unterholz bewegt. Die
Sonne ist bereits untergegangen, im Zwielicht der
Abenddämmerung bleibe ich ständig an Wurzeln hän-
gen. Wir stapfen seit Stunden immer tiefer in den
Wald hinein, ich habe längst die Orientierung
verloren und folge Remus blind. Er hat in all der
Zeit

meine

Hand

nicht

losgelassen

und

mich

mehrmals davor bewahrt, unsanft auf dem Boden zu
landen.

„Das ist viele Jahre her.“ Trotzdem scheint er

genau zu wissen, wohin er mich führt.

„Hatte es … etwas mit deiner Arbeit zu tun?“

Die Worte kommen zögernd aus meinem Mund, weil
ich nicht weiß, wie ich die Frage formulieren
soll.

„Du willst wissen, ob ich hier jemanden umgeb-

racht habe?“

Ich zucke scheu mit den Schultern. Remus‘ Au-

gen glitzern in der Dämmerung. In dem schwarzen
Shirt und der Cargohose sieht er aus wie ein
Raubtier,

das

durch

die

Dunkelheit

schleicht,

lautlos und tödlich.

Er wendet sich wieder nach vorn, ein träges

Lächeln auf den Lippen. „Es war während meiner
Kindheit. Mein Vater hat mich oft hierher zum
Wandern mitgenommen.“

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„Oh.“ Die Vorstellung, dass Remus einmal ein

unschuldiger kleiner Junge gewesen ist, ist ir-
gendwie seltsam. Ebenso, dass er Eltern hat, oder
eine Familie. Bis zu diesem Augenblick war er für
mich ein gefährlicher Killer ohne Vergangenheit.

„Erzähl mir davon“, bitte ich.
„Wir waren jeden Sommer hier, bis ich ungefähr

acht war. Mein Vater hat mir das Spurenlesen bei-
gebracht, wie man in der Wildnis überlebt, all
diese Dinge.“

„Was ist dann passiert?“
„Nichts. Er ist gestorben, und damit war es

vorbei.“ Ein harter Ton liegt plötzlich in seiner
Stimme. „Kinder aus staatlichen Pflegeheimen wer-
den

nicht

oft

auf

Ausflüge

in

Nationalparks

geschickt, weißt du.“

Ich schweige betroffen.
„Du bist in einem Heim aufgewachsen?“
„Die ersten paar Jahre. Dann war ich bei eini-

gen Pflegefamilien, aber ich habe es nirgends
lang ausgehalten. Die meisten wollten nur das
Geld für meinen Unterhalt, ich war ihnen egal.
Ich

habe

früh

gelernt,

mich

allein

durchzuschlagen.“

„Das tut mir so leid“, flüstere ich.
„Mir nicht. Es hat mich stärker gemacht. Es

hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin.“

Es wird schnell dunkler und bald kann ich kaum

noch etwas sehen. Remus bleibt bei einem Felsvor-
sprung stehen, dessen Wölbung eine Art Höhle bil-
det, und lässt seinen Rucksack zu Boden gleiten.
„Hier werden wir übernachten.“

Ich lehne mich erschöpft gegen den Felsen. Der

Stein ist kalt und ich frage mich, wie weit die
Temperatur in der Nacht fallen wird. Obwohl es

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Juli

ist,

sind

wir

am

Pass

an

Schneehaufen

vorbeigefahren. Der schattige Waldboden speichert
die feuchte Kühle, und jetzt, da ich nicht mehr
in Bewegung bin, beginne ich, zu frösteln.

Remus baut einen niedrigen Scheiterhaufen aus

trockenen Hölzern.

Ich

lächele

schwach.

„Wirst

du

jetzt

zwei

Steine

gegeneinander

schlagen,

um

Feuer

zu

machen?“

Er schmunzelt. „Ich habe etwas Besseres.“ Dam-

it zieht er ein Gasfeuerzeug hervor und hält die
Flamme an das trockene Gehölz. Es dauert nicht
lang,

bis

es

sich

in

ein

knisterndes

Feuer

verwandelt.

Remus holt einen Schlafsack aus dem Rucksack,

breitet ihn aus und macht es sich darauf gemüt-
lich. Ich lasse mich neben ihm am Feuer nieder.
„Wird man uns nicht entdecken?“

„Hier ist weit und breit niemand. Ich glaube,

wir können es riskieren. Außerdem siehst du aus,
als würdest du frieren.“

Ich reibe mir die Arme. „Ich bin todmüde, das

ist alles.“

„Und hungrig?“
Der Cheeseburger scheint eine Ewigkeit her zu

sein. Mein Magen knurrt wie zur Bestätigung.

Remus kramt in seinem Rucksack, zum Vorschein

kommen

eine

Packung

Trockenfleisch

und

zwei

Wasserflaschen.

Verwundert nehme ich das Wasser entgegen. „Das

sind nicht die Flaschen, die ich gekauft habe.“

„Du glaubst doch nicht, dass ich ohne Proviant

unterwegs bin.“ Er reißt die Packung Trocken-
fleisch auf und bietet es mir an. „Pepper and
Spice
. Kein Fünf-Gänge-Menü, aber …“

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„Ich bin nicht wählerisch. Danke.“ Ich ziehe

ein paar Streifen Fleisch aus der Packung und
knabbere daran.

Das Feuer flackert und knistert, und wirft

Schatten auf die Bäume um uns. Der Wald ist so
dicht, dass man den Schein des Feuers bestimmt
keine zwanzig Meter weit sehen kann. Das Licht
lockt Insekten an, und um uns herum rascheln die
Tiere der Nacht im Unterholz. Ich sehe mich jedes
Mal um, wenn hinter uns ein Zweig knackt.

„Hast du Angst?“, fragt Remus.
„Ich weiß nicht …“ Ich fahre zusammen, als et-

was hinter mir raschelt. „Was war das?“

„Irgendein

kleines

Tier.

Hier

ist

niemand

außer uns.“

„Ich habe das noch nie gemacht.“ Ich reibe mir

verunsichert die Hände. „Draußen schlafen, meine
ich, Camping und so. Ich bin etwas …“

„Nervös?“
Ich nicke. Und komme mir blöd vor. Wir haben

weiß Gott schlimmere Probleme, und ich jammere
herum wegen ein bisschen Blätterrascheln …

Remus sitzt entspannt neben mir, im Schein des

flackernden Feuers wirkt er noch größer. Er sieht
aus, als könnte ihn nichts erschüttern. Doch er
lacht mich nicht aus, sondern streckt seine Hand
nach mir aus. „Komm her.“

Unsicher rutsche ich näher, lasse mich von ihm

an sich ziehen, bis ich zwischen seinen Beinen
sitze. Seine Arme sind sanft um mich geschlungen.

In seiner Umarmung fühle ich mich sicher. Als

ich mich an seine breite Brust lehne, kräuselt
sich ein zufriedenes Lächeln auf seinen Lippen.

Seine

Fingerspitzen

streicheln

über

meinen

Arm. „Wie geht es deinen Verletzungen?“

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Die Blessuren auf meinen Unterarmen verfärben

sich langsam dunkelblau, und das getrocknete Blut
auf meinem Verband ist fast schwarz.

„Sieht schlimmer aus, als es ist.“ Ich drehe

mich in seinen Armen, um ihn anzusehen. „Wie geht
es deinem Rücken? Soll ich mir die Wunde nochmal
ansehen?“

Er

schüttelt

ruhig

den

Kopf.

Das

Feuer

spiegelt sich in seinen Augen. „Nicht nötig. Ich
wurde von einer sehr guten Ärztin versorgt.“

Seine unmittelbare Nähe und die ruhige Zurück-

haltung, mit der er mich beschützt, lassen mein
Herz schneller schlagen. Ich muss an Juan und
seine Kumpane denken, und an die Trucker in der
Bar, und senke den Blick. Da sitze ich nun, in
tiefster Nacht mitten im Wald in den Armen eines
Killers – und fühle mich vollkommen sicher.

Ich muss wirklich den Verstand verloren haben.

Remus könnte mir hier die schrecklichsten Dinge
antun, niemand würde meine Schreie hören. Niemand
würde mich jemals finden.

Aber seltsamer Weise fürchte ich mich nicht.

Ich spüre, dass ich Remus vertrauen kann.

„Was ist mit dir?“ Sanft berührt er meine

Wange.

Ich presse die Lippen zusammen. „Ich frage

mich nur die ganze Zeit … warum tust du das alles
für mich?“ Mein Blick flackert scheu zu ihm. „Du
hast mich vor Gonzales‘ Männern gerettet, bist
mit mir geflohen und hast mich in der Bar vor
diesen Truckern beschützt. Ich weiß, dass du mir
nichts darüber erzählen wirst, wer du wirklich
bist oder was du tust, aber bitte sag mir wenig-
stens, warum du mich beschützt.“

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Remus sieht mich lange an. Seine Finger ruhen

gedankenverloren an meiner Wange. „Hätte ich Juan
nicht aufgehalten, hätte er dich vergewaltigt und
getötet. Wäre ich nicht mit dir geflohen, hätte
Gonzales dich jetzt mit Sicherheit schon gefunden
und umgebracht. Das konnte ich doch nicht zu-
lassen. Und was diese Trucker in der Bar betrifft
…“ Seine Kiefermuskeln arbeiten. „Ich kann Män-
ner, die sich an einer wehrlosen Frau vergreifen,
einfach nicht ausstehen.“

Das sind keine leeren Worte. Ich habe wirklich

das Gefühl, dass es seine Überzeugung ist. Ein
Killer und Gentleman?

Seine dunkle Stimme rollt wie eine Liebkosung

über meinen Körper. „Darf ich dir jetzt eine
Frage stellen?“

„Was möchtest du denn wissen?“
„Warum vertraust du mir?“
Ich blinzele verwirrt.
Sein Tonfall wird intensiver. „Nach allem, was

du durchgemacht hat, was du mich hast tun sehen …
warum vertraust du mir und lässt mich dich hier-
her bringen?“

Meine Stimme klingt heiser. „Wenn du mich um-

bringen

wolltest,

dann

hättest

du

es

längst

getan.“

„Du weißt, dass ich dir niemals wehtun werde.“
Ich nicke. Ich weiß nicht, woher ich es weiß,

aber ich weiß es. „Du hast mehrmals dein Leben
riskiert, um mich zu beschützen. Ohne dich wäre
ich nicht mehr hier.“

Er zieht mich ganz langsam an sich und küsst

mich. Zärtlich, und er lässt sich dabei alle Zeit
der Welt. Ich spüre seine Bartstoppeln auf meinem
Gesicht und auf meinen Handflächen, als ich meine

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Hände an seine Wangen lege. Seine Lippen sind
warm und fordernd, sein Kuss voller zurückge-
haltener,

männlicher

Stärke.

Ich

spüre

seine

Kraft, fühle, wie er sich beherrscht, um mich
nicht zu bedrängen. Es ist wie eine Warnung, ein
Schimmer

dessen,

was

unter

seiner

Oberfläche

schlummert, und was er nicht entfesseln will.

Langsam teilen sich meine Lippen, ich spüre

seinen Atem, schmecke ihn, als seine Zunge in
meinen Mund eindringt. Er erforscht mich sanft,
intensiv, und seine Zärtlichkeit lässt mich alles
um uns herum vergessen – Juan, Gonzales, die
Trucker … ja, selbst der Wald versinkt neben den
Gefühlen, die seine Berührung in mir weckt.

Als sich unsere Lippen voneinander lösen und

ich mit flatterndem Puls Atem hole, sind seine
Augen tief und dunkel, voll besitzergreifender
Leidenschaft.

„Frag

mich

noch

einmal,

warum

ich

dich

beschütze“ murmelt er rau.

Mein Herz schlägt wie verrückt. Ich bringe die

Worte nicht über die Lippen, da greift er in
meinen Nacken, schlingt seine Hand in mein Haar
und küsst mich erneut.

Diesmal lässt er mich etwas von dem Raubtier

in ihm erahnen. Dieser Kuss ist nicht vorsichtig
und zärtlich, er ist fordernd und leidenschaft-
lich. Ich merke, wie sein Körper sich mir entge-
gendrängt, spüre den Schlafsack unter mir, als
Remus mich auf den Rücken drückt.

Sein mächtiger Körper ist über mir, er stützt

sich mit einem Arm auf, während seine Hand meinen
Nacken umschlungen hält und er mich weiterhin
hungrig

küsst.

Er

schiebt

sein

Knie

zwischen

meine Schenkel, so dass ich sein Becken an meinem

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spüre, seine Waffen, die gegen mich drücken … und
den

unmissverständlichen

Beweis,

dass

er

mich

begehrt. Unser Kuss erregt ihn ebenso sehr wie
mich, ich fühle seine Erektion, der sich gegen
mein

Becken

presst

und

noch

etwas

anderes

Hartes, das sich schmerzhaft gegen meinen Körper
bohrt.

Ich beginne, Remus abzuwehren, natürlich ist

es lächerlich, ich habe gegen seine Kraft keine
Chance.

Doch

sobald

er

meine

Abwehrreaktion

spürt, hält er inne. Das Feuer, das in seinen Au-
gen brennt, macht mich atemlos.

„Warte …“, murmele ich. „Nicht, bitte …“
Er glaubt, zu verstehen. Seine Stimme klingt

rau, fast wie das Knurren eines Wolfs. „Ich werde
dich nicht zwingen, Melanie.“

„Ich habe keine Angst“, flüstere ich. „Es ist

dein Messer … der Griff bohrt sich in meine Hüfte
…“

Er

zieht

mit

einer

schnellen

Bewegung

die

Klinge hervor, das Metall blitzt im Licht des
Feuers auf, bevor er es mit einem Stoß neben uns
in der Erde versenkt. Augenblicke später folgt
die zweite Klinge. Selbst in dieser Position und
mit nur einer freien Hand beherrscht er die Waf-
fen mit tödlicher Geschwindigkeit und Präzision.

Dann fährt er fort, mich zu küssen, und die

einzige Härte, die sich jetzt gegen meinen Körper
drängt, ist der Beweis seines Verlangens. Ich
fühle deutlich, wie sehr er mich begehrt, und ob-
wohl seine Küsse mir den Verstand rauben, bin ich
noch nicht bereit, weiter zu gehen. Allerdings
ist mir klar, dass ich ihn nicht aufhalten kann,
falls er es mir nicht gestattet … Wird er sein
Versprechen, mich nicht zu zwingen, halten? Ich

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erwidere

seinen

Kuss,

aber

meine

Schenkel

verkrampfen sich. Remus spürt die Abwehrreaktion
meines Körpers und rückt ein wenig von mir ab,
presst seine Erektion nicht mehr gegen mein Beck-
en. Ich erwarte, gierige Hände auf meinem Körper
zu spüren, aber nichts dergleichen geschieht. Er
küsst mich weiterhin leidenschaftlich, streichelt
mein Gesicht und meinen Hals, aber er bedrängt
mich nicht weiter.

Als er mich schließlich ansieht, sind seine

Augen fast schwarz und so wild wie die eines
Wolfs. Die Hitze der Erregung, die mir von seinem
mächtigen

Körper

entgegen

strahlt,

könnte

mir

Angst machen, würde er mich nicht so zärtlich
halten.

Langsam hebe ich meine Hand und streiche über

sein Gesicht, seine Wangen, seine Nase, fahre die
Konturen

seiner

Lippen

nach.

Er

schließt

bei

meiner Berührung schmerzlich die Augen, scheint
sie aufzusaugen wie ein Ertrinkender.

Schließlich fängt er meine Hand mit einer so

schnellen

Bewegung

ein,

dass

ich

erschrocken

aufkeuche. Er dreht sie um und haucht einen Kuss
auf die Innenfläche.

„Ich will, dass du dich bei mir sicher fühlst,

Melanie.“

Ich

schlucke

schwer,

meine

Lippen

zittern.

„Das tue ich.“

Er streicht über mein Gesicht, schiebt mir

eine Haarsträhne hinters Ohr und lässt seine Hand
an meinem Hals ruhen. „Gut.“

Langsam streckt er sich neben mir aus und

schmiegt sich an meinen Rücken, sein Arm um mich
geschlungen.

Ich

spüre

seinen

harten,

warmen

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Körper

dicht

an

meinem,

und

seinen

Atem

auf

meinem Hals.

Ich starre ins Feuer, während meine Gedanken

und Gefühle chaotisch durcheinanderwirbeln.

Es ist alles so schnell geschehen, dass ich

nicht weiß, was ich empfinde. Begehre ich Remus?
Seine Berührungen und Küsse setzen meinen Körper
in Flammen, soviel ist sicher. Ich vertraue ihm,
obwohl ich keine Ahnung habe, wer er ist. Ich
vertraue ihm sogar mein Leben an, obwohl ich
weiß, dass er mich binnen eines Augenblicks töten
könnte.

Mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb, ich

weiß nicht, was ich denken soll. Remus‘ Erektion
drückt von hinten gegen meinen Körper, und ich
bin unendlich dankbar dafür, dass er meinen Wun-
sch

respektiert

und

nicht

versucht,

sich

mir

aufzudrängen.

Ich hätte nicht den Hauch einer Chance, mich

gegen ihn zu wehren. Ich konnte mich weder gegen
Juan und seine Leute, noch gegen die Trucker ver-
teidigen, und Remus spielt in einer ganz anderen
Liga.

„Danke.“ Mein Flüstern verschmilzt mit dem Kn-

istern des Feuers.

Remus scheint mich zu verstehen. Er drückt

einen

Kuss

auf

meinen

Hinterkopf,

sein

Arm

schließt sich enger um mich.

„Darf ich dich um einen Gefallen bitten?“,

murmele ich nach einer Weile.

„Was möchtest du?“
„Bring mir bei, zu kämpfen.“
Er schweigt überrascht, dann dreht er mich zu

sich um. „Du willst kämpfen lernen?“

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„Warum verwundert dich das? Nach allem, was

ich heute erlebt habe, möchte ich mich nie wieder
so wehrlos fühlen. Wenn du nicht gewesen wärst …“

„Aber ich war da.“
„Du wirst nicht immer da sein.“
Er

scheint

etwas

erwidern

zu

wollen,

entscheidet

sich

aber

im

letzten

Moment,

zu

schweigen.

„Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so

kämpfen kann wie du. Bringst du es mir bei?“

Er lässt seine Finger nachdenklich an meinem

Arm

entlang

gleiten,

über

mein

schmales

Handgelenk und die Blessuren auf meinem Unterarm.
Dann schließt sich seine mächtige Hand um mein
Handgelenk,

das

völlig

in

seiner

Pranke

ver-

schwindet. Ein Druck seiner kraftvollen Muskeln,
und

er

könnte

mir

die

Knochen

brechen.

Ein

schmerzliches

Lächeln

erscheint

auf

seinen

Lippen.

„In Ordnung. Wenn das dein Wunsch ist.“
„Danke“, flüstere ich.
„Schlaf

jetzt.

Du

bist

vollkommen

überanstrengt.“

Ich drehe mich zurück auf die Seite und lege

meinen Kopf auf seinen mächtigen Bizeps. Remus
schlingt seinen Arm um mich und zieht mich an
sich, wärmt und beschützt mich.

Von bleierner Müdigkeit übermannt schlafe ich

ein.

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Kapitel 6

Am

nächsten

Morgen

werde

ich

durch

das

Gezwitscher

der

Vögel

geweckt.

Das

Feuer

ist

niedergebrannt, es sind nur noch verkohlte Reste
übrig.

Die

Sonne

ist

längst

aufgegangen

und

glitzert durch die Bäume.

Ich

liege

in

Remus‘

Armen

an

seine

Brust

geschmiegt. Er hat mich in den Schlafsack gewick-
elt, ich fühle mich warm und sicher an seinem
harten Körper.

„Guten Morgen.“ Seine Stimme so nah an meinem

Ohr zu hören, fühlt sich so intim an, dass mein
Herz schneller schlägt.

„Wie lange bist du schon wach?“, murmele ich

an seiner Brust.

„Eine Weile.“
Ich blinzele ihn an. „Warum hast du mich nicht

geweckt?“

„Vielleicht habe ich es ja genossen, dich in

meinen Armen zu halten.“

Ich spüre, dass ich erröte. Dieser Mann hat

mich nackt gesehen, warum erröte ich jetzt wegen
so einer Kleinigkeit?

Ich setze mich auf, der Schlafsack rutscht von

meinem Körper. Die Luft ist angenehm frisch, die
Kälte der Nacht ist verschwunden. Remus richtet
sich

ebenfalls

auf,

er

bewegt

sich

mit

der

Geschmeidigkeit eines Raubtiers.

„Was werden wir jetzt tun?“

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„Wir werden uns hier versteckt halten, bis die

Dämmerung einbricht. Dann fahren wir weiter.“

„Wohin?“
Remus packt den Schlafsack zurück in den Ruck-

sack. „Das hängt davon ab, wie schnell die Staat-
sanwaltschaft arbeitet.“

Ich reiße die Augen auf. „Du meinst, du bring-

st mich zurück nach L.A.?“

„Erst wenn der Staatsanwalt bereit für die

Anklage ist. Sonst werden wir in einem anderen
Bundesstaat untertauchen.“

Remus vergräbt die Reste unseres Feuers und

verwischt unsere Spuren, bis nichts mehr darauf
hindeutet, dass jemand hier übernachtet hat.

Wir wandern den ganzen Vormittag durch den

Wald, weit von der Straße und den Wanderwegen
entfernt. Schließlich erreichen wir eine Lich-
tung, auf der wir Rast machen.

Remus wirft seinen Rucksack in den Schatten

der Bäume und tritt auf die freie Wiese ins
Sonnenlicht. Ein herausforderndes Lächeln spielt
um seine Lippen.

Ich runzele misstrauisch die Stirn. „Was hast

du vor?“

„Du wolltest kämpfen lernen.“ Er streckt seine

Hand aus und winkt mich zu sich.

Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, während

ich meine Tasche neben seine lege und dann un-
sicher auf ihn zutrete. Er legt den Kopf schief
und fixiert mich wie ein Wolf seine Beute.

„Bitte … ich habe das noch nie gemacht …“
Noch bevor ich den Satz beenden kann, packt er

meinen Arm und dreht ihn mir auf den Rücken.
Dabei zieht er mich an sich und presst mich an
seinen Körper. Sein Griff ist fest, aber nicht

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schmerzhaft, doch ich kann mich nicht rühren.
„Was jetzt, Doc?“

Ich winde mich unter seinen Muskeln, doch er

ist zu stark.

„Setz deine Beine ein“, flüstert er. Seine

Lippen streichen über mein Ohr, während er mich
mühelos unter Kontrolle hält.

Ich versuche, gegen sein Schienbein zu treten,

hole aus und erwische nach mehreren Versuchen
sein Knie. Ich glaube nicht, dass ich ihm wirk-
lich wehgetan habe, aber er lässt mich mit einem
Schmunzeln los.

„Nicht schlecht. Nochmal.“
Ich erwarte, dass er mir wieder den Arm ver-

dreht, doch seine Hand schießt nach vorn und
packt meine Kehle. Seine Finger graben sich in
meinen

Hals,

wenn

er

nur

ein

wenig

fester

zudrückt, bekomme ich keine Luft mehr. Instinktiv
klammere ich mich an seinen Arm und versuche, ihn
von mir wegzureißen.

„So viel Kraft hast du nicht, meine Kleine.

Versuch etwas anderes.“

Ich hole mit dem Bein Schwung und ramme ihm

mein Knie zwischen die Beine – das heißt, ich
versuche, ihn zu treffen, aber er fängt mein Knie
ab, bevor es auch nur in die Nähe seiner empfind-
lichen Teile kommt.

„Keine schlechte Idee. Und dann?“
Ich ziehe und zerre an seinem Arm, um meine

Kehle zu befreien, doch ich habe keine Chance.

„Du musst es von dieser Seite versuchen. Hi-

er.“ Er zeigt mir, was er meint, und gestattet
mir, seine Hand von meinem Hals wegzuschlagen. Es
fühlt sich an, als wäre sein Arm aus Stahl, und
ich reibe mir das Handgelenk.

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„Das

schaffe

ich

nie,

wenn

du

es

nicht

zulässt.“

„Du musst versuchen, meine Schwachstellen zu

erwischen.“ Er greift nach meiner Hand und legt
sie an seinen Kehlkopf. Ich spüre seinen kräfti-
gen Hals, die Sehnen, die wie Stahlseile unter
seiner Haut liegen. Seine Stärke schüchtert mich
ein, ich muss mich zusammenreißen, um meine Hand
an seiner Kehle zu lassen.

Er legt sie an den weichen Punkt unter seinem

Kehlkopf und lässt seine Finger auf meinen ruhen.
„Jetzt drück zu.“

Meine Hand beginnt zu kribbeln, mir wird heiß,

während er mich mit diesen gefährlichen Wolfsau-
gen anblickt. Irrationale Angst schießt in mir
hoch, davor, dieses Raubtier zu reizen, indem ich
den lächerlichen Versuch wage, mich mit ihm zu
messen.

Wie bin ich nur auf die verrückte Idee gekom-

men, diesen Mann herauszufordern?

Ich zögere, meinen Finger in seinen Hals zu

bohren.

Doch

Remus

gibt

mir

nur

diese

eine

Chance, im nächsten Moment packt er mich plötz-
lich und wirbelt mich herum, ich spüre, wie mir
der Boden unter den Füßen weggerissen wird und
liege einen Augenblick später auf dem Rücken.

Remus ist über mir, seine Hand umfasst meinen

Kopf und schützt mich bei dem Aufprall, aber dann
hält er meine Handgelenke über meinem Kopf fest
und

kontrolliert

mich

mit

dem

Gewicht

seines

Körpers. Ich spüre seine Muskeln, die mich ins
Gras drücken, seinen großen Körper auf mir und
seine

Kraft,

der

ich

nichts

entgegenzusetzen

habe.

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Ich winde und wehre mich, so gut ich kann.

Bald beginne ich, vor Anstrengung zu keuchen,
meine Muskeln brennen, doch alles Kämpfen ist
sinnlos. Remus hält mich erbarmungslos fest. Er
tut mir nicht weh, sondern beobachtet aufmerksam
meine Gegenwehr und verlagert sein Gewicht, um
die Kontrolle über mich zu behalten.

Als

er

merkt,

dass

ich

schwächer

werde,

richtet er sich plötzlich auf und setzt sich rit-
tlings auf mich. Seine Dominanz ist so über-
mächtig, dass mir die Situation auf einmal real
erscheint. Er hält meine Arme mit nur einer Hand
über meinem Kopf fest und holt mit der anderen
Hand aus.

Plötzlich schießen die Erinnerungen an Juan

und seine Freunde in mir hoch, ich zucke zusam-
men,

drehe

mein

Gesicht

von

Remus

fort

und

zittere in Erwartung eines Schlags.

Remus erstarrt. „Melanie.“ Seine Stimme klingt

unendlich sanft. Er blickt mich an, ungläubig und
beinahe

schockiert.

„Ich

tue

dir

nichts.“

Er

nähert seine Hand langsam meinem Gesicht, statt
mich zu schlagen streicht er zart über meine
Wange. „Das ist doch nur Training.“

„Ich weiß. Ich dachte bloß einen Moment lang

…“

„Ich verstehe.“ Er gibt meine Arme frei, dann

beugt er sich ganz langsam zu mir herunter, lässt
mir Zeit, ihn zu stoppen … ich zittere, aber ich
will ihn nicht aufhalten.

Er ist nicht Juan. Er ist Remus, der mich

beschützt und für meine Sicherheit sorgt. Seine
Lippen drücken einen Kuss auf meine, sie fühlen
sich sanft und warm an.

„Du bist unglaublich“, murmele ich.

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„Warum?“ Sein Atem streicht über mein Gesicht.

Seine Augen glitzern, tief und dunkel.

„Ein Teil von dir ist so gefährlich … trotzdem

bist du mir gegenüber so sanft.“

„Ich will dir keine Angst einjagen. Ich will

nicht, dass du mich jemals wieder so ansiehst wie
bei unserer ersten Begegnung.“

Ich erinnere mich, wie ich starr vor Furcht in

der Ecke meines Schlafzimmers gekauert bin, nackt
und ihm völlig ausgeliefert.

Seine Lippen streichen über mein Gesicht, er

atmet meinen Duft ein. „Das nächste Mal, wenn du
nackt in meinen Armen liegst, will ich keine
Angst in deinen Augen sehen.“

Seine Worte schießen wie flammende Hitze durch

meinen Körper. Er streckt sich geschmeidig über
mir aus, stützt seine Arme auf, so dass ich
vollkommen unter seinem Körper verschwinde. Es
ist ein überwältigendes Gefühl, das Gewicht sein-
er Muskeln auf mir zu spüren, sein Becken, das
gegen meins drängt, sein Gesicht, das meinem ganz
nah ist …

„Du bist dir deiner Sache wohl sehr sicher.“

Meine Worte klingen atemlos. Seine dominante Nähe
lässt mein Herz schneller schlagen, ich genieße
seine Stärke und seine körperliche Überlegenheit
viel mehr, als ich mir selbst eingestehe.

Er küsst mich, lässt seine Zunge neckend über

meine

Lippen

gleiten.

„Dann

halte

mich

auf,

Melanie.“

Seine Küsse auf meinem Gesicht rauben mir den

Verstand, ich schließe die Augen und versinke in
seiner zärtlichen Liebkosung. Seine Lippen ziehen
eine Spur von Küssen über meine Wange, mein Ohr
und dann entlang meines Halses. Dabei kratzt sein

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Bart rau über meine Haut, ich fühle das Spiel
seiner Muskeln, als er sein Gewicht verlagert, um
mein Schlüsselbein zu küssen.

Seine

Hand

streichelt

über

meine

Seite,

gleitet meinen Rippenbogen entlang, bis er meine
rechte Brust sanft umfasst. Das Gefühl, von sein-
er großen Hand berührt zu werden, erregt mich so,
dass ich leise aufstöhne. Ich fange einen Blick
von ihm auf, flammend und wild wie der eines
Wolfs. Seine Stimme ist ein dunkles Knurren. „Sag
mir, dass du das nicht willst.“ Er streichelt
meine

Brust

durch

mein

T-Shirt

hindurch.

Die

langsamen, kreisenden Bewegungen seines Daumens
machen mich verrückt. „Sag mir, dass ich aufhören
soll.“

Anstelle einer Antwort kralle ich meine Finger

in seinen Rücken und dränge mich seiner Lieb-
kosung entgegen. Ich erkenne mich selbst nicht
wieder, das Feuer, das er in mir entfacht, ist
unbeherrschbar.

Seine Augen glühen, mit einem sehr männlichen

Lächeln auf den Lippen beginnt er, mir das T-
Shirt über den Kopf zu ziehen. Ich helfe ihm,
damit ich seine Berührung endlich auf meiner Haut
spüren kann …

Er zieht meinen BH zur Seite und küsst die

Knospe meiner rechten Brust. Seine Zunge reizt
und neckt mich, ich winde mich wimmernd unter
ihm, so herrlich sind die Gefühle, die er in mir
auslöst. Er zieht meinen BH weiter hinunter, wid-
met sich der anderen Brust, küsst und leckt meine
Knospen, bis sie sich ihm hart entgegendrängen.

Meine

Stimme

klingt

heiser

vor

Verlangen.

„Zieh dein Shirt aus. Ich will dich spüren.“

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Mit einer schnellen Bewegung erfüllt er meinen

Wunsch. Dann senkt sich sein mächtiger Brustkorb
auf mich, ich spüre die Härte seiner Muskeln und
die Hitze, die von ihm ausstrahlt. Seine Haut ist
straff und glatt, sein Körper so viel stärker als
meiner.

Ich

lasse

meine

Hände

über

seinen

Brustkorb

gleiten,

fahre

bewundernd

über

die

breiten Brustmuskeln und das harte Sixpack. Er
zieht die Luft ein, als ich mit der Hand die
Haarlinie entlang streiche, die sich von seinem
Nabel

abwärts

zieht

und

in

seiner

Hose

verschwindet.

„Sag mir, dass ich aufhören soll“, flüstere

ich neckend.

Er schmunzelt, seine Augen stehen in Flammen.

„Niemals, meine Kleine.“

Dann küsst er mich, presst seinen Brustkorb

gegen meine Brüste, es ist ein herrliches Gefühl,
ihn auf mir zu spüren, seine Haut an meiner zu
fühlen. Mit einer kraftvollen Bewegung spreizt er
meine Schenkel und drängt sich zwischen meine
Beine. Ich fühle seine Erektion, die er gegen
meine Scham drückt, die männliche Stärke, mit der
er sich an mich schmiegt. Er schafft es, dass ich
mich vollkommen sicher und beschützt fühle.

Und dann kracht der Schuss.

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Kapitel 7

Remus

erstarrt

für

den

Bruchteil

einer

Sekunde, dann geschieht alles rasend schnell.

Er reißt mich mit sich hoch und jagt mit mir

auf den Wald zu, während er mich mit seinem Körp-
er

abschirmt.

Binnen

weniger

Augenblicke

er-

reichen wir den Schutz der Bäume, Remus drängt
mich zwischen den Wurzeln eines alten Riesen zu
Boden und kauert sich neben mich.

Mein Herz hämmert, mein Atmen geht schnell und

flach. Gehetzt blicke ich mich um. Remus ist
ebenso in Alarmbereitschaft wie ich, doch er hat
auf einen tödlichen Jägermodus umgeschaltet. Sys-
tematisch scannt er die Umgebung, seine Augen
sind

schmal,

seine

Bewegungen

lautlos

und

beherrscht.

„Was sollen wir -?“
Er hält mir die Hand vor den Mund, bevor ich

die Frage beenden kann. Seine Augen blitzen warn-
end auf, er deutet mir, leise zu sein, dann lässt
er mich los.

„Wir wissen nicht, wie viele es sind.“ Seine

Stimme gleicht einem Atemhauch, ist kaum lauter
als das Rascheln der Blätter. „Der Schuss wurde
aus

dieser

Richtung

abgefeuert,

aber

wenn

es

mehrere sind, könnten sie hier überall sein.“

„Gonzales‘ Männer?“
„Diese Kerle haben ihre Spitzel überall, doch

ich dachte, dass uns mehr Zeit bleiben würde,

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bevor

sie

unsere

Spur

aufnehmen.“

Er

flucht

leise. „Manchmal kommen aber auch Jäger hierher,
die gerade diese Abgeschiedenheit suchen. Meist
sind es Einzelgänger, verschrobene Typen, aber
man kann nie wissen. Bleib hier, ich sehe mir die
Sache an.“

Ich

kralle

meine

Finger

in

seinen

nackten

Oberkörper, als er davonschleichen will. Unsere
Shirts liegen irgendwo auf der Wiese. „Du willst
mich hier allein lassen?“

„Ich muss herausfinden, in welche Richtung wir

fliehen können. Ich bin gleich wieder da.“

Keine gute Idee.
„Remus! Remus!“ Meine Stimme wird zu einem

Zischen, doch er ist bereits lautlos zwischen den
Bäumen verschwunden.

Oh mein Gott. Was, wenn das Gonzales‘ Männer

sind? Wie um alles in der Welt haben die uns
gefunden?

Ich schlinge die Arme um meinen Körper und

kauere mich nieder, verstecke mich so gut es geht
zwischen den Wurzeln, wobei ich mich bemühe, die
Käfer und kleinen Insekten zu ignorieren, die
über meine nackte Haut krabbeln.

Ich überlege kurz, ob ich unsere Shirts von

der Wiese holen soll, doch das erscheint mir zu
riskant. Aber was ist mit unseren Rucksäcken?
Vorsichtig spähe ich über das Wurzelwerk hinweg.
Die Rucksäcke liegen nur ein paar Meter weiter im
Schatten eines Baums, leider gibt es dazwischen
nicht viele Sträucher, ich werde keine Deckung
finden.

Was soll ich nur tun? Ob ich es riskieren

soll? Mein Geld und die Medikamente sind da drin

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Da kracht plötzlich ein zweiter Schuss.
Jetzt bekomme ich es wirklich mit der Angst zu

tun. Ob sie auf Remus geschossen haben? Was, wenn
er verletzt ist und meine Hilfe braucht? Eiskalte
Furcht schließt sich wie Klammern um mein Herz.

Was, wenn sie ihn erschossen haben?
Nein. Das ist einfach unmöglich. Ich kenne

niemanden, der so gut auf sich aufpassen kann wie
Remus. Aber trotzdem …

Ich harre mit gespitzten Ohren aus und lausche

in den Wald, wage nicht, mich zu bewegen. Jedes
Blätterrascheln, jedes Knacken eines Zweigs lässt
mich zusammenfahren.

Plötzlich glaube ich Schritte zu hören, die

sich nähern. Jemand kommt direkt auf mein Ver-
steck zu. Es muss Remus sein! Im ersten Augen-
blick durchströmt mich Erleichterung, doch dann
wird mir bewusst, das es unmöglich Remus sein
kann … er hätte sich mir genähert, ohne dass ich
auch nur einen Laut wahrgenommen hätte. Wer auch
immer da durch den Wald auf mich zukommt, ist
bestimmt nicht Remus.

Ich springe auf und haste los. Im Schatten der

Bäume kämpfe ich mich durch das Unterholz, es ist
mir egal, dass ich dabei Lärm mache, denn mein
Verfolger scheint ohnehin zu wissen, dass ich
hier bin. Wenn ich nicht schnell genug fliehe,
wird er mich erwischen.

Immer wieder halte ich inne und lausche, ob

die Schritte hinter mir noch zu hören sind. Jedes
Mal scheinen sie näher an mir dran zu sein, doch
mit einem Mal ist es plötzlich still, und ich
höre nichts als meinen eigenen, keuchenden Atem.

Ich wende mich zum Weiterlaufen - und pralle

zurück, als hätte mich ein Blitz getroffen.

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Vor mir steht ein fremder Mann und hält den

Lauf

seines

Gewehrs

direkt

auf

meine

Brust

gerichtet.

Er ist nicht so groß wie Remus, stämmig ge-

baut,

hat

wirres

Haar

und

einen

ungepflegten

Vollbart.

Es

ist

schwierig,

sein

Alter

zu

schätzen, aber ich glaube, dass er nur ein wenig
älter

ist

als

ich

selbst.

Er

trägt

ein

rot

kariertes Holzfällerhemd und eine Baseballkappe,
und seine kleinen Augen erinnern mich an die
eines Schweins.

Ich

pralle

zurück

und

erstarre.

Instinktiv

hebe ich die Arme, während der Lauf der Waffe im-
mer noch auf mich zielt.

„Bitte nicht schießen …!“ Meine Stimme klingt

schrill und überschlägt sich.

Der Typ starrt mich an. Es dauert einen Mo-

ment, bis ich begreife, dass ich in Jeans und BH
vor ihm stehe und es meine Brüste sind, die er
angafft.

Zu

der

Scheißangst,

die

ich

ohnehin

schon

habe, gesellt sich noch eine ganz andere Art von
Panik. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was
im Kopf dieses Kerls vor sich geht.

„Was tust du hier? Das ist … ist mein Wald!“

Seine Stimme klingt trotzig wie die eines Kindes.

Ich schweige vor Verblüffung. Sein Wald? „Das

ist ein Nationalpark …“ Ich verstumme, als er mit
dem Gewehrlauf vor mir herumwedelt.

„Nein! Das ist Kurts Wald! Kurts Wald!“ Dabei

schlägt er sich auf die Brust.

„Schon gut, schon gut!“ Ich zucke zusammen,

traue mich aber nicht, vor ihm zu fliehen. Er ist
vielleicht

nicht

der

Hellste,

aber

er

kann

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garantiert mit dem Gewehr umgehen. „Es ist Ihr
Wald! Ich habe es nicht gewusst, hören Sie, es
tut mir leid. Lassen Sie mich einfach gehen, ich
verspreche, ich betrete Ihren Wald nie wieder …“

„Nein. Ich lasse dich nicht gehen. Du bist in

meinem Wald, ich habe dich gefangen, also gehörst
du mir.“

Mein Magen krampft sich zusammen. „Sie irren

sich. Bitte, lassen Sie mich einfach gehen …“

„Du bist hübsch. Ich werde dich mitnehmen.“
Oh mein Gott. Ein Verrückter. Ein Psychopath!
„Bitte, ich werde auch niemandem davon erzäh-

len, bitte, lassen Sie mich doch …“

„Sei still! Los, beweg dich!“ Er deutet mir

mit dem Gewehr, mich in Bewegung zu setzen.

Was soll ich nur tun? Er wird mich erschießen,

wenn ich ihm nicht gehorche! Mir bleibt nichts
anderes übrig. Ich gehe langsam voran, während er
mir folgt, und bete innerlich, dass Remus mich
findet,

bevor

dieser

Wahnsinnige

über

mich

herfällt.

Wir kommen an unseren Rucksäcken vorbei und

Kurt bleibt plötzlich stehen.

„Sind das deine Sachen?“
Ich sehe keinen Sinn darin, es abzustreiten,

also nicke ich.

„Warum sind da zwei Taschen?“
Oh, Mist.
„Ich wollte campen, da braucht man einiges an

Ausrüstung …“

„Du lügst! Du bist nicht allein! Wer ist noch

hier?“ Er tritt auf mich zu und drückt mir den
Lauf der Waffe zwischen die Rippen. „WER?“

Ich zucke zusammen. „Niemand! Niemand, ich bin

allein.“

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„Lüge! Lüge, Lüge, Lüge!“ Er stampft mit dem

Fuß auf. Dann packt er mich an den Haaren und
zerrt mich zwischen den Bäumen hinaus auf die
Lichtung. Ich schreie vor Schmerz und stolpere
hinter ihm her, falle zu Boden, doch er schleift
mich einfach weiter. Der Kerl hat Bärenkräfte.

Mitten auf der Lichtung bleibt er stehen und

zerrt

mich

auf

die

Füße.

Dann

zieht

er

ein

riesiges Jagdmesser hervor und drückt es unter
meinen Brüsten gegen meine Rippen. Ich halte vor
Panik die Luft an, wage nicht, mich gegen seinen
Griff

zu

wehren,

spüre

das

kalte

Metall

der

Klinge an meiner Haut.

„Komm raus!“, brüllt Kurt. „Oder ich weide sie

aus wie ein Reh!“

Oh Gott, meint er das etwa ernst? Mein Blick

flackert

über

die

Lichtung

zum

Waldrand,

ich

suche verzweifelt ein Anzeichen von Remus, hoffe,
dass er mich sieht und mir zu Hilfe kommt … doch
wir stehen viel zu weit draußen auf der Lichtung,
Remus‘ Wurfmessern könnten uns nicht erreichen.
Verdammt, warum hat Remus keine Schusswaffe?

„Ich zähle bis drei!“, brüllt Kurt. „Eins,

zwei …“ Dann zieht er die Klinge plötzlich über
meine Haut, ich fühle einen brennenden Schmerz
und schreie auf. Hellrotes Blut rinnt warm über
meinen Oberkörper. „Drei -“

„Warten Sie!“ Remus‘ Stimme hallt über die

Lichtung. Kurt hält inne, als Remus unter den
Bäumen hervortritt und mit erhobenen Händen auf
uns zukommt. Er strahlt eine tödliche Ruhe aus,
doch seine Augen stehen in Flammen, als er meine
Verletzung sieht. „Lassen Sie sie gehen!“

„Nein! Sie kommt mit mir!“
Lassen Sie sie gehen.“

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„Bleib stehen!“
Remus erstarrt auf halben Weg mitten auf der

Lichtung. Ich spüre, wie mir vor Angst Tränen
über die Wangen laufen. Kurt hält sein Jagdmesser
weiterhin an meinen Brustkorb gedrückt.

„Ich habe sie gefangen, sie gehört mir.“
Remus Stimme klingt eindringlich, beschwörend.

Mit erhobenen Händen macht er langsam einen Sch-
ritt auf uns zu. „Ich kann nicht zulassen, dass
Sie sie mitnehmen.“

Kurt windet sich wie in einem Wutanfall. Vor

Zorn

wird

er

rot

im

Gesicht.

„Ich

will

sie

haben!“

„Das kann ich nicht erlauben.“ Remus kommt uns

immer näher. Ich traue mich kaum noch, zu atmen.
Remus bleibt beherrscht und ruhig, während Kurt
immer mehr die Kontrolle verliert. Er strampelt
und windet sich.

Jetzt trennen uns noch nur noch wenige Meter

von Remus. Er macht einen weiteren Schritt auf
uns zu. Sein nackter Oberkörper glänzt in der
Sonne, er hält Kurt seine leeren Hände entgegen,
doch ich weiß, dass er nur auf den richtigen Mo-
ment wartet, um seine Klingen zu ziehen. Nur noch
ein paar Schritte näher …

„Nein!“, brüllt Kurt plötzlich und reißt das

Gewehr hoch. „Ich will sie haben!“

Dann kracht ein Schuss, und Remus stürzt zu

Boden.

Mein gellender Schrei hallt über die Lichtung.

Ich renne auf Remus zu, werfe mich neben ihm auf
die Knie, verschwende keinen Gedanken daran, dass
dieser Wahnsinnige mir in den Rücken schießen
könnte.

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Remus

ist

bewusstlos,

aus

einer

Wunde

auf

seinem

Oberschenkel

schießt

ein

fingerdicker

Blutstrahl.

„Oh mein Gott, Remus! Remus!“ Ich presse so-

fort meine Hand auf die Wunde, um die Blutung zu
stoppen. „Remus, bitte! Oh Gott!“

Ich merke gar nicht, dass Kurt neben mich

getreten

ist,

bis

ich

plötzlich

seine

Stimme

höre.

„Ist er dein Mann?“
„Was? Nein -“
Daraufhin zielt Kurt mit dem Gewehr auf Remus‘

Kopf.

„Ja!“, schreie ich verzweifelt. „Ja, er ist

mein Mann! Bitte nicht schießen!“ Meine Stimme
überschlägt sich vor Angst. Ich weiß nicht, was
dieser Verrückte von uns will, ich bete nur, dass
es die richtige Antwort war und –

Kurt lässt die Waffe sinken. „Er ist … ist

dein Mann?“ Plötzlich klingt er wieder unsicher
wie ein Kind.

„Ja“, flüstere ich hohl. „Bitte erschießen Sie

ihn nicht.“

Kurt

scheint

unschlüssig

zu

sein,

aber

er

lässt die Waffe sinken.

„Dann nehme ich euch beide mit.“
„Ich muss zuerst seine Wunde versorgen.“
Kurt runzelt verständnislos die Stirn. Er gre-

ift nach meinem Arm und will mich auf die Beine
ziehen, doch ich wehre mich gegen seinen Griff.

„Sehen Sie nicht, wie stark er blutet? Ich

muss die Blutung stillen, oder er stirbt, ver-
stehen Sie?“

Kurt zögert. „Er stirbt?“
„Bitte … lassen Sie mich ihn retten.“

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Kurt

lässt

meinen

Arm

los

und

deutet

auf

Remus. „Mach ihn gesund!“

„Ich brauche meine Tasche. Darin sind Medika-

mente und … ohne die Tasche kann ich ihm nicht
helfen. Bitte holen Sie sie!“

Kurt scheint unsicher zu sein, dann wendet er

sich aber dem Waldrand zu und läuft los, um meine
Tasche

zu

holen.

Währenddessen

reiße

ich

den

Stoff

von

Remus‘

Cargohose

auf

und

lege

die

Schusswunde frei. Kaum nehme ich den Druck von
der Wunde, schießt mir ein neuer Blutschwall ent-
gegen. Die Ärztin in mir analysiert die Situation
ruhig und beherrscht, doch die Frau in mir ist in
heller

Panik.

Ich

weiß,

dass

mir

nur

wenige

Minuten bleiben, um Remus‘ Leben zu retten, bevor
er verblutet.

Endlich kehrt Kurt mit meiner Tasche zurück.
„Die blaue Reiseapotheke! Finden Sie sie, na

los!“

Er kramt in der Tasche und zieht einen blauen

Beutel hervor. Ich reiße ihn Kurt aus der Hand,
suche nach dem Desinfektionsmittel und schraube
es

mit

den

Zähnen

auf.

Dann

schütte

ich

es

großflächig über die Schusswunde, greife mir ein
kleines Skalpell und öffne die Wunde weiter. Ich
habe keine Zeit, um vorsichtig zu sein, ich muss
mir schnell Zugang verschaffen, um die Blutung zu
stoppen. Es ist der Albtraum jedes Arztes, unter
solchen Umständen eine Notoperation durchführen
zu müssen – noch dazu an jemandem, der einem
wichtig ist.

Ein weiterer Blutschwall strömt mir aus der

Wunde entgegen, ich erkenne das verletzte Gefäß,
zum Glück ist es nur gerissen und nicht völlig
zerfetzt. Ich kann die Kugel nicht entdecken, es

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war wohl ein glatter Durchschuss, aber mir bleibt
nicht

viel

Zeit,

die

fingerdicke

Arterie

zu

nähen, bevor Remus verblutet. Hastig ziehe ich
Nadel und Faden aus der Tasche und mache mich an
die Arbeit.

Ich bin so konzentriert, dass ich Kurt und

alles um uns herum vergesse. Ich arbeite, so
schnell ich kann, obwohl immer wieder frisches
Blut aus der Wunde strömt und mir die Sicht er-
schwert.

Ich

bete

ununterbrochen

dafür,

dass

Remus es übersteht.

Irgendwann

gelingt

es

mir

schließlich,

das

Loch in der Gefäßwand zu verschließen und die
Blutung zu stoppen. Ich weiß nicht, wie viel Blut
Remus verloren hat, aber ich knie in einer Blut-
lache. Außerdem bin ich selbst von oben bis unten
voll mit Blut, es stammt von Remus und aus meiner
eigenen Wunde, die Kurt mir mit dem Messer zuge-
fügt hat. Geistesgegenwärtig schütte ich etwas
von dem Desinfektionsmittel auf den Schnitt an
meinem Brustkorb, es brennt höllisch und ich un-
terdrücke ein Keuchen.

Kurt

tritt

gegen

Remus‘

Körper.

„Wird

er

wieder gesund?“

Ich hoffe es. Gott, wie ich es hoffe.
„Ich habe mein Bestes getan.“
„Steh auf.“ Er lässt mir keine Zeit, reißt

mich auf die Beine. Ich lasse das Skalpell in
meiner

Hosentasche

verschwinden

und

ziehe

die

Arzneitasche an mich, dann bückt sich Kurt und
schultert Remus‘ bewusstlosen Körper. Er richtet
sich mit erstaunlicher Kraft auf, das Gewehr hält
er jetzt mit nur einer Hand auf mich gerichtet.
„Vorwärts.“

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Als würde Remus nichts wiegen, trägt Kurt ihn

hinter mir her. Wie stapfen durch die Wildnis,
ich halte meine Hand auf den Schnitt auf meinem
Brustkorb gedrückt, um die Blutung zu stoppen.
Dabei kreisen meine Gedanken immer nur um Remus,
ich bete, dass er es übersteht, bete, dass er
überhaupt noch atmet.

Nach einer Ewigkeit erreichen wir eine Hütte

am Rand des Parks. Niemand sonst wohnt hier weit
und breit, ich sehe bloß eine verwilderte Schot-
terstraße, die zu dem Grundstück führt. Das Haus
ist alt und heruntergekommen, es gibt eine Sch-
eune, einen Schweinekoben und einen Hühnerstall.

Hier wohnt Kurt also? Das könnte aus einem

Horrorfilm sein …

„Los, da rein!“ Er stößt mir den Gewehrlauf in

den Rücken und ich stolpere in die Scheune. Was
ich dort sehe, verschlägt mir vor Entsetzen den
Atem.

Es ist ein Käfig aus Metallstreben, vielleicht

drei mal drei Meter groß, der Boden ist mit
schmutzigem Stroh bedeckt. Die Gitterstäbe sind
rostig, der Käfig scheint fast genauso alt zu
sein wie die Scheune, und die ist bloß noch eine
Bruchbude.

Kurt zwingt mich in den Käfig, dann wuchtet er

Remus von seiner Schulter hinunter auf den Boden
und verschließt die Tür unseres Gefängnisses.

Ich sinke neben Remus auf die Knie und unter-

suche ihn auf Lebenszeichen. Gott sei Dank - ich
kann seinen Puls fühlen! Ein schneller Blick auf
sein Bein sagt mir, dass seine Wunde nicht wieder
aufgerissen ist, wie durch ein Wunder hat er den
Transport unbeschadet überstanden.

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„Was wollen Sie von uns?“ Meine Stimme klingt

tränenerstickt. „Was haben Sie mit uns vor?“

Anstelle einer Antwort lächelt Kurt diabol-

isch, entblößt dabei faulende Zähne und winkt uns
mit den Fingern, wie ein Kind es tun würde. Der
Anblick jagt mir einen grausigen Schauer über den
Körper.

Ohne ein Wort verlässt Kurt die Scheune und

knallt die Tür hinter sich zu.

Sonnenstrahlen schimmern durch die lose zusam-

mengenagelten

Bretter

der

Scheune

und

brechen

sich an der staubigen Luft. Ich nehme Remus‘ Kopf
in meinen Schoß und streiche sein Haar aus dem
Gesicht.

„Bitte stirb nicht“, wispere ich verzweifelt.

„Oh Gott, bitte stirb nicht …“

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Kapitel 8

Es

macht

mich

verrückt,

nichts

weiter

für

Remus tun zu können. Vor Wut und Hilflosigkeit
schießen mir Tränen in die Augen.

Wenn er jetzt hier in meinen Armen stirbt,

dann bin ich daran schuld. Er ist angeschossen
worden, weil er mich vor Kurt beschützen wollte.
Verdammt, er ist überhaupt nur meinetwegen in
dieser beschissenen Lage!

Weil er mich vor Juan und Gonzales beschützt

hat, weil er mit mir geflohen ist und sich mit
mir in den Wäldern versteckt hat.

Wenn er jetzt stirbt, ist das alles nur meine

Schuld. Ich würde mir das nie vergeben.

Ich streichle über seine Wange, meine Tränen

fallen auf sein Gesicht.

„Bitte“, flüstere ich immer wieder. „Bitte,

bleib bei mir …“

Es ist mir egal, dass ein Wahnsinniger mich in

seiner Gewalt hat, irgendwo in einer gottver-
lassenen

Hütte

am

Ende

der

Welt.

Alles,

was

zählt, ist, dass ich Remus nicht verlieren darf.

Es darf einfach nicht geschehen. Dafür ist mir

dieser verschlossene, tödliche Krieger viel zu
wichtig. Es erschreckt mich selbst, wie sehr sich
mein Herz bei dem Gedanken zusammenkrampft.

„Bitte … Remus …“ Meine Worte ersticken unter

einem Schluchzen.

„Hey … Doc.“ Remus‘ Stimme klingt schwach.

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Ich reiße die Augen auf. „Oh mein Gott!“ Ich

breche auf seiner Brust zusammen und heule los.

Er hält mich fest und streichelt über meinen

Kopf.

„Als ich dich das erste Mal gehalten habe,

hattest du Todesangst vor mir … jetzt heulst du
dir bloß noch die Augen aus dem Kopf … unsere
Dates

werden

besser,

findest

du

nicht?“

Ein

mattes Lächeln klingt in seinen Worten mit.

Ich hebe den Kopf und sehe ihn verweint an.

„Remus, ich dachte … oh Gott, ich dachte, dass du
…“

Er wischt mir die Tränen von den Wangen. „So

schnell wirst du mich nicht los.“

Dann richtet er sich langsam auf, ich rutsche

von seinem Brustkorb und knie mich neben ihn.

„Was zur Hölle ist passiert? Wo sind wir?“
„Woran erinnerst du dich?“
„An diesen Kerl mit dem Gewehr … er hat dich

mit einem Messer bedroht.“ Remus untersucht hast-
ig meinen Körper. Als er die Schnittwunde an
meinem Brustkorb und all das getrocknete Blut
entdeckt, erstarrt er.

„Melanie!“ Ein Ausdruck glühenden Zorns tritt

in sein Gesicht. „Was hat er dir angetan? Hat er
dich angerührt?“

Seine Wut schlägt mir entgegen wie ein Orkan.
„Nein. Er hat … er hat auf dich geschossen.“

Ich deute auf die Wunde an seinem Oberschenkel.
Meine Stimme klingt erstickt. „Ich konnte ihn
dazu überreden, mich dir helfen zu lassen. Aber,
ganz ehrlich, es war verdammt knapp.“

Remus zieht den Stoff seiner Hose zur Seite

und betrachtet die verkrustete, blutige Naht. „Du
hast mich zusammengeflickt?“

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Ich nicke stumm.
„Aber was ist mit deiner Wunde? Der Schnitt

sieht übel aus.“

„Nicht so schlimm.“ Ich bringe es fertig, den

Kopf zu schütteln, obwohl mir schon wieder Tränen
in die Augen steigen.

Remus zieht mich an sich, behutsam, um mir

nicht wehzutun. Er drückt mich an seine nackte
Brust und streichelt mich.

„Ich werde uns hier rausholen“, murmelt er

rau. „Ich verspreche dir, dass der Kerl dafür
bezahlen wird, was er dir angetan hat.“

Es dauert bis zum Sonnenuntergang, ehe Kurt

zurückkommt. Meine Zunge klebt an meinem Gaumen,
weil wir kein Wasser haben und es in der Scheue
brütend

heiß

ist.

Kurt

hat

mir

meine

Tasche

gelassen, also habe ich wenigstens die Möglich-
keit,

meine

und

Remus‘

Wunden

regelmäßig

zu

desinfizieren.

Die

Schusswunde

sieht

erstaunlich

gut

aus,

aber mein Schnitt brennt und pocht.

„Die Wunde hat sich entzündet.“ Remus betastet

vorsichtig das Gewebe um meine Verletzung.

„Weiß Gott, was das für ein schmutziges Messer

war.“ Wenn Kurt damit erlegte Tiere ausgeweidet
hat … dann brauche ich dringend ein verdammt
starkes Antibiotikum, oder ich werde ein Wund-
fieber entwickeln.

„Wir müssen hier raus.“ Remus lässt seinen

Blick zum tausendsten Mal über die Gitterstäbe
und die Käfigtür schweifen. Sie sind so massiv,
dass sie seinen Ausbruchsversuchen standgehalten
haben. „Du brauchst medizinische Versorgung.“

„Noch geht es mir gut.“

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„Das ist nicht wahr. Du glühst.“ Er legt seine

Hand an meine Stirn, sie fühlt sich kühl auf
meiner Haut an. „Du hast Fieber.“

„Ich habe solchen Durst …“
Im nächsten Moment wird die Tür zur Scheune

aufgerissen und Kurt kommt herein. Er baut sich
vor dem Käfig auf, in einer Hand hält er eine
Wasserflasche, in der anderen sein Gewehr. Er be-
trachtet uns, als wären wir Vieh.

„Wir brauchen Wasser“, sagt Remus mit erstaun-

lich ruhiger Stimme. „Sie ist krank.“

Kurts Blick flackert zu mir, dann wieder zu

Remus. „Ich habe Wasser hier“, erwidert er in
kindlichem Singsang.

Remus knirscht hörbar mit den Zähnen, seine

Nasenflügel blähen sich vor Wut. „Was wollen Sie
von uns? Warum haben Sie uns hergebracht?“

Kurt zieht die Wasserflasche an den Gitter-

stäben

entlang,

es

erzeugt

ein

ratterndes

Geräusch.

„Was wollen Sie, Mann?“, stößt Remus zwischen

den Zähnen hervor.

„Ich habe euch gefangen, und ihr gehört mir.“

Kurts widerlicher Singsang jagt mir einen Schauer
über den Körper. „Ihr könnt das Wasser haben …“

Er streckt die Flasche zwischen den Gitter-

stäben hindurch, doch als Remus danach greift,
zieht er sie wieder zurück.

Kurt lacht und beginnt, auf den Fußballen auf-

und abzuwippen. „Wenn du das Wasser willst, dann
musst du etwas dafür tun!“

Remus ballt seine Hand zu einer Faust und

starrt Kurt glühend an. Seine Stimme ist ein
heiseres Knurren. „Was soll ich tun?“

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Kurt deutet mit glänzenden Augen auf mich und

kichert. „Fick sie.“

Ich glaube, mein Herz erstarrt. Remus wirkt

wie vom Blitz getroffen. „Was?

Kurt hüpft vor unserem Käfig auf und ab. „Fick

sie, fick sie, fick sie …“ Er singt es, als wäre
es ein Kinderlied.

Als Remus sich nicht rührt, wirft sich Kurt

gegen das Gitter, krallt sich an den Stäben fest.
„Hühner ficken Hühner … Schweine ficken Schweine
… Menschen ficken Menschen …“ Der Singsang dreht
mir den Magen um. „Ich halte Hühner, ich halte
Schweine, und ich halte Menschen!“

Meine Augen sind vor Entsetzen übergroß. Die

schreckliche Ahnung steigt in mir auf, dass Remus
und ich nicht das erste Paar sind, das in diesem
Käfig gefangen gehalten wird. Dieser Kerl ist ab-
solut wahnsinnig! Ich starre Remus an, er sieht
die Angst in meinen Augen.

„Ich habe es im Fernsehen gesehen! Die Weiber

wollen es hart!“ Kurt steigert sich immer weiter
hinein. „Schweine quieken, wenn sie ficken. Ich
will, dass sie auch vor Schmerzen schreit, also
fick sie hart, hörst du? Dann ist es richtig.“

Remus knurrt voller Verachtung. „Du bist das

Abscheulichste -“

Kurt wird ungeduldig und stößt einen Wutschrei

aus. Plötzlich reißt er die Waffe hoch und zielt
auf Remus. „Tu, was ich sage!“

„Nein.“
„Remus!“, flüstere ich, meine Stimme erstickt

vor

Verzweiflung.

„Remus,

er

wird

dich

erschießen!“

„Ich werde dir nicht wehtun, Melanie, egal,

was dieser Scheißkerl verlangt.“

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„Remus.“ Ich flehe vor Angst. „Er wird dich

erschießen und selbst über mich herfallen … bitte
…“

„Tu es!“ Kurt zielt mit der Waffe auf mich.

„Oder soll ich lieber sie erschießen?“

Remus tritt zwischen Kurt und mich, schildet

mich

mit

seinem

Körper.

Seine

Hände

sind

zu

Fäusten geballt, seine Knöchel treten weiß her-
vor. „Rühr sie nicht an!“

„Dann fick sie endlich, oder ich erschieße

euch beide!“ Kurt lädt die Waffe durch, lässt
keinen Zweifel daran, dass er es ernst meint. Er
wird uns umbringen und hinter dem Haus verschar-
ren und keiner wird jemals erfahren, was mit uns
geschehen ist … „Eins … zwei …“

Ganz langsam, als würde eine Tonne Gewicht auf

seinen Schultern lasten, dreht Remus sich zu mir
um.

Mein ganzer Körper fängt zu zittern an, erneut

schießen mir Tränen in die Augen. „Schon gut“,
wispere ich. „Es ist schon gut …“

Remus kommt auf mich zu, bis er dicht vor mir

steht. In seinen Augen lodert kaltes Feuer, seine
Kiefermuskeln

spannen

sich

an,

er

hasst

sich

selbst.

Dann hebt er seine Hand und streichelt über

meine Wange.

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Kapitel 9

Sein Arm schlingt sich um mich, zieht mich an

seinen Körper.

Ich wehre mich nicht, lasse es

geschehen, aber es fühlt sich falsch an, so an-
ders als noch vor wenigen Stunden auf der Wiese,
als

mein

Körper

sich

nach

Remus‘

Berührung

verzehrt hat.

Ich

höre,

wie

Kurt

um

den

Käfig

herum-

schleicht, sehe, wie er den Kopf reckt, um ja
nichts zu verpassen. In diesem Augenblick hasse
ich nichts und niemanden auf der Welt mehr als
diesen widerlichen Kerl.

„Sie soll schreien! Warum schreit sie nicht?“
Remus Hand verkrampft sich an meinem Rücken,

dann reißt er mir mit einer einzigen Bewegung den
BH runter. Ich schreie tatsächlich, allerdings
vor Schreck, nicht vor Schmerz.

Kurt klatscht begeistert in die Hände, während

er unruhig an den Gitterstäben entlang wieselt.
„Fick sie, fick sie, fick sie …!“

Remus lehnt sich so dicht an mich, dass es

aussieht, als würde er mein Ohr küssen, aber
plötzlich höre ich sein Flüstern. „Vertraust du
mir?“

Ich nicke kaum merklich, so dass Kurt keinen

Verdacht schöpft.

Remus drückt einen sanften Kuss auf mein Ohr.

Dann verspannt sich sein Körper plötzlich, er
dreht mich herum, presst mich mit dem Rücken an

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seine Brust, so dass Kurt freie Sicht auf meine
nackten Brüste hat.

Ich schreie auf, will mich losreißen, doch

Remus lässt es nicht zu. Er hält mich fest und
beginnt, grob meine Brüste zu kneten.

Im ersten Moment bin ich schockiert, begreife

nicht, was er damit bezweckt, und wehre mich in-
stinktiv. Ich kämpfe gegen Remus an, doch er hält
mich fest, und Panik steigt in mir auf. Kurt
hängt sabbernd an den Gitterstäben und macht mit
seiner Zunge obszöne Gesten.

„Weißt du, wie sich das anfühlt?“, fragt Remus

Kurt, während er meine Brüste massiert. „Hast du
schon einmal eine Frau so angefasst?“

Kurt klebt förmlich an den Gitterstäben und

bringt vor Erregung kein Wort heraus, nur ein
Kopfschütteln und ein unverständliches Grunzen.

„Willst du sie nicht anfassen?“
Was?

Großer

Gott,

was

bezweckt

Remus

nur

damit?

„Darf das nicht“, grunzt Kurt. „Du bist … ihr

Mann.“

Remus packt mein Becken. „Ich werde sie mit

dir teilen. Kannst du dir vorstellen, wie es sich
anfühlt, ihr deinen Schwanz reinzustecken?“

Ich winde mich unter Remus‘ Griff, bekomme es

jetzt wirklich mit der Angst zu tun. Kurt rüttelt
an den Gitterstäben, seine Augen sind vor Geil-
heit weit aufgerissen.

Remus‘ Stimme klingt, als würde er es ernst

meinen. „Warum soll nur ich sie ficken? Komm
rein, ich halte sie für dich fest, dann kannst du
deinen Schwanz in sie hineinrammen, so hart und
so oft du willst.“

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Oh Gott, wird er mir das wirklich antun? Mein

Körper verkrampft sich, ich beginne zu zittern …
dann wird mir mit einem Schlag klar, was Remus
bezweckt. Wenn wir Kurt dazu bringen können, die
Gittertür aufzuschließen …

Kurt scheint unschlüssig zu sein. Zwar kann er

seine Augen nicht von mir nehmen, aber er zögert,
die Tür zu öffnen. „Warum schreit sie nicht?“

Remus packt meine Brüste und ich stoße ein

verzweifeltes

Wimmern

aus.

Ich

weiß,

dass

er

nicht seine ganze Kraft einsetzt, er könnte sehr
viel brutaler zu mir sein, also bemühe ich mich,
damit es sich echt anhört. Ich muss einfach da-
rauf vertrauen, dass Remus einen Plan hat.

„Was glaubst du, wie laut sie schreien wird,

wenn du es ihr besorgst?“, fragt er Kurt. „Ist
dein Schwanz nicht schon zum Platzen hart?“

Kurt nickt mit offenem Mund. Er gafft mich an,

greift sich in den Schritt und streicht über
seinen Schwanz.

„Komm schon“, lockt Remus, während er meine

Jeans

aufreißt

und

über

meine

Schenkel

hinunterzieht.

Kurts

Blick

schießt

sofort

zwischen

meine

Beine.

„Komm herein, ich spreize ihre Schenkel für

dich …“

Mit

bebenden

Händen

sucht

Kurt

nach

dem

richtigen

Schlüssel

an

seinem

Schlüsselbund,

sperrt die Käfigtür auf und steht mit wenigen
Schritten vor mir. Ich sehe die Beule in seiner
Hose,

den gierigen Glanz in seinem Blick, und

mir wird vor Übelkeit fast schwarz vor Augen.
Remus hält meine Arme auf meinem Rücken fest, und
Kurt streckt die Hände nach meinen Brüsten aus.

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Es ist der Moment, auf den Remus gewartet hat.

Schneller als Kurt reagieren kann, zieht Remus
mich hinter sich, packt Kurt und schleudert ihn
quer durch die Zelle. Kurt ist voll roher, prim-
itiver Kraft, er rappelt sich wieder auf und
stößt einen zornerfüllten Schrei aus, als Remus
sich auf ihn stürzt.

Ein

Zweikampf

beginnt,

die

beiden

Männer

ringen auf Leben und Tod miteinander. Ich presse
mich gegen die Gitterstäbe und wage kaum, zu at-
men. Der Kampf ist so brutal und von solcher
Geschwindigkeit, dass ich nichts tun kann, um
Remus

zu

helfen,

mir

bleibt

nichts

anderes

übrig, als zu beobachten, wie die beiden Männer
aufeinander einschlagen. Ich zweifle nicht daran,
dass Remus Kurt unter normalen Umständen überle-
gen wäre – obwohl Kurt beängstigende Kräfte an
den Tag legt. Aber jetzt ist Remus verletzt und
geschwächt, er hat viel Blut verloren, und die
Wunde an seinem Bein ist frisch … Panisch sehe
ich mich im Käfig nach irgendetwas um, das ich
als Waffe verwenden könnte, mein Blick rast durch
die Scheune, doch ich sehe nur alten Unrat, ver-
rostetes, sperriges Metall, nichts, was ich gegen
Kurt einsetzen könnte.

Ich taste nach dem Skalpell in meiner Jeans,

meiner einzigen Waffe, und vertraue darauf, dass
Remus ihn besiegt, sonst wird Kurt uns beide um-
bringen. Was er mir davor antun wird, daran wage
ich gar nicht zu denken.

Remus versetzt ihm einen heftigen Kinnhaken,

der

Kurt

zu

Boden

schleudert.

Bevor

er

sich

aufrappeln kann ist Remus über ihm, schlägt mit
fliegenden Fäusten auf ihn ein, doch Kurt bäumt

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sich

mit

einem

Wutschrei

auf

und

die

beiden

ringen auf dem Boden weiter.

Und dann passiert es - Kurt versetzt Remus

einen so heftigen Schlag gegen das Bein, dass die
Naht aufreißt und die Wunde aufbricht. Hellrotes
Blut schießt in einem fingerdicken Strahl hervor,
Remus flucht und presst die Hand auf die Wunde,
um die Blutung zu stoppen.

Kurt rappelt sich auf und kommt auf mich zu.

Ich drücke mich gegen die Gitter, doch im näch-
sten Augenblick steht er schon vor mir, keuchend
vor Wut und Erregung wie ein rohes Tier.

„Ihr habt mich reingelegt!“
Hinter ihm sehe ich, wie Remus sich auf die

Beine stemmt, doch das Blut rinnt wie ein Bach
über seinen Schenkel. Uns bleibt weniger als eine
Minute Zeit, dann werde ich ihn nicht mehr retten
können.

„Ich werde dich ficken, bis du tot bist!“ Kurt

reißt seine Hose runter und holt seinen Schwanz
heraus. Dann packt er mich, will mich umdrehen,
aber meine Hand schießt blitzschnell nach vorn
und Kurt schreit vor Schmerz auf.

Er taumelt zurück, hält seine Hände vor seinen

Penis, Blut quillt zwischen seinen Fingern her-
vor. Er flucht und schreit, während ich ihn mit
dem Skalpell auf Abstand halte.

Im nächsten Moment ist Remus über ihm und ver-

setzt ihm einen so heftigen Schlag auf den Kopf,
dass Kurt wie ein gefällter Baum zu Boden stürzt
und reglos liegenbleibt.

Remus drückt immer noch auf seine Wunde und

sinkt neben Kurt zu Boden. Er keucht, der Stoff
seiner Hose ist blutgetränkt, uns läuft die Zeit

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davon. Ich werfe mich neben Remus auf den Boden,
suche

hastig

das

Desinfektionsmittel

und

eine

Nadel aus der Arzneitasche hervor, und beginne zu
arbeiten.

„Versuch, stillzuhalten“, zische ich.
„Mach schon, Doc. Ich habe nicht mehr viel

Blut übrig.“

So schnell ich kann flicke ich die Arterie

wieder

zusammen.

Remus

stöhnt

vor

Schmerz,

während ich an der offenen Wunde arbeite, aber er
zuckt kein einziges Mal. Schließlich versiegt der
Blutschwall.

Ich lehne mich zurück, jetzt beginnen meine

Finger zu zittern.

„Verdammt, ich dachte, ich schaffe es nicht.“

Meine Stimme bebt. „Du brauchst dringend Antibi-
otika, bei all dem Dreck hier hätte ich dich auch
in

Desinfektionsmittel

baden

können,

es

würde

nicht reichen.“

Remus lehnt sich zu mir und legt seine Hand an

meine Wange. Sie fühlt sich warm und stark an,
und bevor ich es verhindern kann, breche ich
wieder in Tränen aus.

Er

zieht

mich

an

sich,

ich

vergrabe

mich

schluchzend an seiner Brust. Er streichelt mich,
während er beruhigende Worte flüstert.

„Es ist vorbei. Alles wird gut.“ Seine raue

Stimme ist wie eine Liebkosung. „Er kann dir
nichts mehr tun, nie wieder.“

Es dauert eine Weile, bis ich mich ein wenig

beruhige. Remus hebt meinen Kopf sanft an, damit
ich ihn ansehe.

„Das, was ich vorhin gesagt und getan habe …

all diese schrecklichen Dinge …“

„Schon gut“, murmele ich schnell.

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„Nein. Ich will, dass du weißt, dass es mir

leid tut. Es war der einzige Weg, ihn dazu zu
bringen, in die Zelle zu kommen. Ich würde dir
nie so etwas antun. Niemals.“

„Das weiß ich.“
Remus nickt. „Danke, dass du mich zusammenge-

flickt hast. Zum zweiten Mal.“

„Eigentlich zum dritten Mal, wenn wir deine

Schulter mitzählen.“

Ein schwaches Lächeln durchbricht seine ern-

sten Züge. „Du hast Recht. Du solltest mir eine
Rechnung stellen.“

„Du hast mich drei Mal gerettet. Wir sind

quitt.“

Ich blicke zögernd zu Kurt, der noch immer re-

glos auf dem Boden liegt. Remus stemmt sich hoch,
kniet neben Kurt nieder und dreht ihn auf den
Rücken. Kurts Kopf rollt willenlos zur Seite, die
offenen Augen sind leer. Kurts Penis hängt aus
seiner Hose, die Wunde, die ich ihm mit dem
Skalpell zugefügt habe, blutet noch immer.

„Womit hast du ihn verletzt?“
„Mit einem Skalpell. Ich habe es in meine

Hosentasche gesteckt, nachdem ich dich auf der
Lichtung zusammengeflickt hatte.“

„Wir lassen die Behörden die Sache regeln.“

Remus erhebt sich und bietet mir seine Hand beim
Aufstehen.

„Ich

werde

den

Staatsanwalt

informieren.“

Verwirrt folge ich Remus aus dem Käfig und

versuche

dabei,

Kurts

Leiche

nicht

anzusehen.

Remus hat getötet, um mich zu beschützen. Schon
wieder.

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Im schwindenden Tageslicht irren wir durch den

Wald. Wir müssen Remus‘ Rucksack finden, und dann
so schnell wie möglich zurück zum Motorrad gelan-
gen. Meine Wunde hat sich entzündet, mein Fieber
steigt stetig an und es ist nur eine Frage der
Zeit, bis es Remus ähnlich ergehen wird.

Wir kommen nur mühsam voran, weil mein Orien-

tierungssinn miserabel ist und ich die Richtung
nur erraten kann, aus der Kurt uns hergebracht
hat.

Fiebernd setze ich einen Fuß vor den anderen,

mein Arm um Remus‘ Hüfte geschlungen, während er
sich auf meine Schultern stützt, um sein verlet-
ztes Bein zu entlasten.

Remus runzelt die Stirn. „Ich weiß, dass wir

nicht aus dieser Richtung gekommen sein können,
und ich war bewusstlos.“

„Der Typ hatte sein Gewehr auf mich gerichtet

und

ich

hatte

eine

Scheißangst,

dass

du

tot

bist“, zische ich zurück. „Tut mir leid, dass ich
nicht besonders auf die Umgebung geachtet habe.“

„Wenn das hier vorbei ist, bringe ich dir bei,

wie man sich im Wald orientiert.“

„Wenn

das

hier

vorbei

ist,

setze

ich

nie

wieder einen Fuß in einen Wald, das schwöre ich.“

Remus schmunzelt.
Irgendwie

schaffen

wir

es

tatsächlich,

die

Lichtung

zu

finden.

Inzwischen

ist

es

völlig

dunkel geworden, wir ziehen uns rasch etwas an,
und Remus holt eine Taschenlampe aus seinem Ruck-
sack hervor.

„Wir müssen weiter. Schaffst du es?“
Ich nicke, obwohl sich alles in meinem Kopf

dreht. Remus befühlt meine Stirn. „Dein Fieber

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steigt. Wir müssen dich dringend zu einem Arzt
bringen.“

„Ich bin selbst Ärztin“, murmele ich benommen.

„Ich habe Paracetamol in meiner Tasche … ich habe
schon welches genommen, um das Fieber zu senken
…“

„Dann nimm noch mehr. Du glühst.“
„Es

ist

die

infizierte

Wunde.

Ich

brauche

Antibiotika.“

„Ich bringe dich zu einem Arzt“, verspricht er

heiser.

„Kein

Arzt“,

flüstere

ich.

„Ich

will

das

Risiko nicht eingehen, dass Gonzales uns auf-
spürt.

Wir

müssen

ein

Breitband-Antibiotikum

auftreiben, für uns beide …“ Dann sinke ich in
seinen Armen zusammen.

Remus stützt mich und bewahrt mich davor, zu

Boden zu sinken.

Im fiebrigen Delirium fühle

ich, wie Remus mich auf seine Arme hebt und durch
den dunklen Wald trägt … ich lehne meinen Kopf an
seine Schulter, hin und wieder streift sein Bart
mein Gesicht, ich fühle seine kräftigen Arme um
mich, die mich an seine Brust drücken.

Irgendwann lässt Remus mich zu Boden gleiten,

ich fühle, wie er meine Lippen benetzt und mir
Wasser einflößt. Ich höre seine Worte, aber ich
kann ihn nicht verstehen, gleite wieder ab in
einen dumpfen Dämmerzustand. Remus hebt mich hoch
und trägt mich weiter, es scheint eine Ewigkeit
zu

dauern,

bis

wir

endlich

die

versteckte

Maschine erreichen.

„Melanie. Melanie.“ Remus rüttelt mich sanft,

bis ich zu Bewusstsein komme. „Du musst jetzt
aufwachen, verstehst du, meine Kleine?“

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Ich zwinge mich, die Augen offenzuhalten. Es

ist stockdunkel, nur Remus‘ Taschenlampe wirft
einen Lichtkegel um uns herum. Remus hat die
Maschine bereits aus dem Versteck gezogen, sie
steht fahrbereit neben uns.

„Du

musst

dich

auf

dem

Motorrad

an

mir

festhalten,

Melanie.“

Seine

Stimme

klingt

eindringlich.

„Verstehst

du,

was

ich

sage?

Schaffst du das?“

Ich nicke benommen. Ich weiß, dass wir den Na-

tionalpark verlassen müssen, und der einzige Weg
führt über die Forststraße. Ich werde durchhalten
müssen, mir bleibt keine Wahl.

Remus hilft mir auf die Harley, er schlingt

meine Arme um sich und hält sie mit einer Hand
fest,

während

er

den

Motor

startet

und

die

Maschine über die verlassene Straße durch die
Nacht jagt.

Es ist die längste Fahrt meines Lebens. Ich

weiß,

dass

ich

wachbleiben

muss,

halte

mein

Gesicht in den Fahrtwind und umklammere Remus‘
Oberkörper.

Er

spürt,

dass

ich

mich

an

ihm

festhalte, aber trotzdem lässt er mich nicht los.
Keine Ahnung, wie er es schafft, die Maschine
einhändig zu lenken, aber irgendwie kriegt er es
hin und schließlich fällt der Nationalpark hinter
uns zurück.

Auf der Bundesstraße wird es leichter, sie ist

breiter und weniger kurvig. Die vorbeifahrenden
Autos helfen mir, wach zu bleiben, weil sie mich
daran erinnern, dass ein Sturz tödlich wäre.

Irgendwann erreichen wir endlich einen kleinen

Ort.

Remus

hält

die

Harley

vor

einem

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zweistöckigen, langgezogenen Gebäude, ich glaube,
es ist ein Motel.

Er steigt ab und sagt etwas zu mir, ich ver-

stehe ihn kaum und sinke auf dem Sitz zusammen.
Dann verlässt er mich, nur um kurz darauf zurück-
zukehren und mich auf seine Arme zu heben. Er
trägt mich in den ersten Stock und legt mich in
einem Zimmer auf ein Bett.

„Ich

bin

gleich

zurück“,

flüstert

er

und

streicht über mein Haar.

Das Bett ist weich und warm, ich dämmere zwis-

chen Bewusstsein und Ohnmacht. Irgendwann geht
die Tür auf, jemand kniet sich auf das Bett, es
ist Remus, er schiebt mir eine Tablette in den
Mund und flößt mir Wasser ein, damit ich sie
schlucke.

Dann streckt er sich neben mir aus, zieht mich

in seine Arme, und alles wird schwarz.

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Kapitel 10

Als ich erwache, fühle ich mich wie erschla-

gen. Ich höre Remus‘ gedämpfte Stimme von irgend-
wo neben mir und sehe mich blinzelnd um.

Wir befinden uns in einem schäbigen Motelzim-

mer,

Remus

steht

am

Fenster

und

telefoniert

leise.

„… geben Sie uns Bescheid, sobald Sie soweit

sind. Und kümmern Sie sich um diese … andere
Sache.“ Er bemerkt, dass ich ihn ansehe und legt
auf.

„Wie fühlst du dich?“ Er setzt sich zu mir ans

Bett und streichelt zärtlich über mein Haar.

„Schon viel besser.“
„Dein Fieber ist gesunken. Hier, meine Kleine,

Frühstück.“ Er hält mir schmunzelnd eine Tablette
und eine Wasserflasche hin.

Ich werfe einen Blick auf die Packung, die auf

dem Nachttisch liegt. Es ist ein Breitband-Anti-
biotikum. „Woher hast du das?“

„Aus der Apotheke an der Ecke. 24 Stunden

geöffnet.“

Ich

schlucke

die

Tablette

und

leere

die

Flasche

in

einem

Zug.

Sie

löscht

meinen

brennenden Durst und ich fühle mich etwas besser.
Dann ziehe ich mein Shirt hoch, um meine Schnit-
twunde zu begutachten.

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„Hast

du

Schmerzen?“

Seine

besorgte

Stimme

jagt

mir

ein

Kribbeln

über

den

Körper.

Ich

genieße es, wie er sich um mich kümmert.

Was stimmt nicht mit mir? Muss am Wundfieber

liegen. Wie kann ich in so einer Situation auf
einen Kerl anspringen?

Vielleicht, weil Remus nicht irgendein Kerl

ist.

Er streckt sich neben mir aus und zieht mich

sanft an seine Brust.

„Nicht so schlimm“, lüge ich. „Wie geht es

deinem Bein?“

„Es heilt. Die Antibiotika helfen.“
„Und deiner Schulter?“
Er lacht. „Sieh uns an, reden über unsere Ver-

letzungen! Wie ein altes Ehepaar.“

Warum wird mir bei dieser Bemerkung ganz warm?

Das muss wohl auch am Fieber liegen.

Ich räuspere mich. „Wo sind wir?“
„In einem Motel in Bishop. Wir sind noch in

Kalifornien,

aber

sobald

es

dir

besser

geht,

müssen wir weiter. Ich habe gerade mit dem Staat-
sanwalt telefoniert, er braucht noch etwas Zeit.“

„Der

soll

sich

mal

ein

bisschen

beeilen“,

brumme ich.

„Er will, dass die Anklage Gonzales‘ Anwälten

standhält. Ich habe ihm auch von dem Kerl in der
Hütte erzählt, die Einsatzkräfte sind schon auf
dem Weg dorthin.“

Ich schweige eine Weile.
„Remus?“
„Mh?“
„Ich weiß, dass du mir nicht erzählen willst,

wer du wirklich bist, und ich bin sicher, du hast
deine Gründe dafür. Aber bitte, lüg mich nicht

101/221

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an. Das war doch nicht der Staatsanwalt, mit dem
du gerade telefoniert hast.“

Ich weiß nicht, woher ich das weiß. Es ist

einfach so ein Gefühl, und seine Reaktion be-
stätigt mir, dass ich damit richtig liege. Seine
Hand,

die

meinen

Rücken

streichelt,

erstarrt.

Dann schiebt er mich plötzlich von sich weg und
richtet sich auf. Ich erwarte, ihn verärgert zu
haben, denke, dass er sich von mir abwenden wird
– doch er blickt mich an, seine Augen ruhig und
tief.

„Du hast Recht. Es wird Zeit, dass du die

Wahrheit erfährst.“

Ich schweige verblüfft. Bin ich etwa drauf und

dran,

zu

erfahren,

was

hinter

diesem

geheim-

nisvollen Krieger steckt?

Remus atmet tief durch. „Du weißt, dass ich

in jener Nacht nicht zufällig den Deal zwischen
Gonzales und Ramón beobachtet habe. Ich war seit
Monaten auf den Fall angesetzt.“

„Bist du Polizist?“
Er schüttelt den Kopf. „Ich gehöre zu einer

Spezialeinheit,

dem

Urban

Warrior

Corps.

Wir

arbeiten mit allen Behörden zusammen, der Pol-
izei, dem FBI … und der Staatsanwaltschaft.“

„Deshalb genügte ein Anruf von dir, um die

Sache mit drei Leichen in meinem Haus zu regeln?“

Er lächelt freudlos. „Mein Chef ist ein sehr

einflussreicher Mann. Unsere Einheit verfügt über
Sonderrechte und Möglichkeiten, die mit keinem
anderen

Spezialeinsatzkommando

vergleichbar

sind.“

Ich

versuche,

meinen

Verstand

zusammen-

zureißen. „Willst du damit sagen … du bist so et-
was wie ein Superagent?“

102/221

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„Nein.

Wir

sind

wie

Geister,

Melanie.

Wir

erledigen den Job, egal wie unmöglich er scheint,
und dann verschwinden wir.“

„Kannst du deshalb so gut kämpfen und mit Waf-

fen umgehen?“

„Die

Ausbildung

hat

dazu

beigetragen,

aber

meine Vorliebe für Messer hatte ich schon früher.
Das war nützlich, als ich nach all den Pflegefam-
ilien irgendwann auf der Straße gelandet bin und
mich allein durchschlagen musste.“

Ich schweige und beiße mir auf die Lippe. Ich

sitze

hier

also

mit

einem

tödlichen

Spezialagenten.

Remus hat mir bewiesen, wozu er fähig ist, und

die innere Ruhe, mit der er meine Reaktion abwar-
tet, zeigt mir, dass er es ernst meint.

„Das ist kein Scherz, oder? Du bist wirklich …

so eine Art Geheimagent?“

Er zuckt mit den Schultern. „Wenn du es so

nennen willst.“

„Und

du

kannst

vier

Gegner

gleichzeitig

erledigen.“

Ein Schmunzeln erscheint auf seinen Lippen.

„Sieben sind mein Rekord, aber wer zählt schon …“

Ich schnappe nach Luft und suche nach den

richtigen Worten. „Du … bringst Menschen um. So
wie Juan und seine Leute.“

„Wenn es sein muss, ja.“
Ich nicke und starre auf die Bettdecke, die

sich um meine Hüften schlingt.

„Siehst du, deshalb habe ich es dir nicht

erzählt.“ Seine Stimme klingt resigniert. „Weil
ich wusste, dass es alles zwischen uns ändern
würde.“

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„Gilt

für

euch

nicht

so

etwas

wie

eine

Schweigepflicht?“

Remus nickt langsam. „Es gibt Ausnahmen.“
„Und ich bin so eine Ausnahme?“
„Dafür gibt es drei Gründe. Erstens, du hast

mir auf der Lichtung das Leben gerettet, sonst
wäre ich verblutet. Zweitens, du hast mir in
Kurts Scheune das Leben gerettet, sonst wäre ich
verblutet.“

„Und drittens?“
Er greift nach meiner Hand und führt sie sch-

weigend an sein Herz.

Ich erstarre, für einen Moment scheint die

Welt stehenzubleiben. Sein Herzschlag ist stark
und kräftig.

„Warum?“, flüstere ich heiser. „Warum ich?“
Das Feuer in seinen raubtierhaften Augen flam-

mt

auf.

„Als

ich

gesehen

habe,

wie

dieser

Scheißkerl

dich

in

deinem

Schlafzimmer

verge-

waltigen wollte, bin ich durchgedreht - viel mehr
noch, als ich es erwartet hätte. Ich wusste, ich
würde ihn dafür umbringen, dass er dich angerührt
hat.

Und

als

du

dann

voller

Angst

vor

mir

gekauert bist … du hast etwas in mir berührt,
Melanie. Ich kann es mir nicht erklären, aber ich
habe diesen unbändigen Wunsch, dich bei mir zu
haben und dich zu beschützen.“ Seine Stimme wird
leiser. „Es war schrecklich für mich, als du mich
gefürchtet hast.“

„Ich wusste damals nicht, wer du bist.“
„Jetzt weißt du es. Du weißt viel mehr von

mir, als sonst ein Mensch auf der Welt.“

Ich streiche über seine Hand. „Du vertraust

niemandem?“

104/221

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„Das ist Teil des Jobs. Freunde und Familie

machen

uns

verwundbar,

angreifbar

für

unsere

Feinde.“

„Ein sehr einsames Leben.“
„Meine Kameraden von der Einheit sind meine

Familie. Sie würden jederzeit ihr Leben für mich
einsetzen, und ich würde dasselbe für sie tun.“

„Ich würde sie gern kennenlernen.“
„Vielleicht wirst du das eines Tages.“ Er nim-

mt meine Hand und drückt einen Kuss auf meine
Handfläche. Mein Herz beginnt zu flattern. „Ich
glaube, dein Fieber ist gesunken.“

Tatsächlich fühle ich mich besser. Vielleicht

liegt es auch an der Nähe, die Remus zwischen uns
hergestellt hat, indem er mir sein Vertrauen ges-
chenkt hat.

„Meinst du, du schaffst es unter die Dusche?“
Mein Körper ist immer noch voller getrocknetem

Blut und Schmutz. „Eine Dusche klingt großartig“,
stöhne ich. „Aber ich weiß nicht, ob ich …“

„Ich

helfe

dir.“

Remus

zieht

mir

behutsam

Shirt und Jeans aus. Als ich nur noch mit meiner
Unterwäsche bekleidet bin, hebt er mich auf seine
Arme und trägt mich ins Bad.

Er stellt mich vor der Badewanne auf die Füße

und stützt mich. Ich bin ein wenig befangen, als
seine Hände um meinen Brustkorb gleiten und den
BH öffnen. Langsam streift er ihn von meinen
Schultern, entblößt meine Brüste.

Seine

Augen

brennen

wie

die

eines

Wolfs,

während er seine Hände an meine Hüften legt und
meinen Slip über meine Schenkel nach unten zieht.

Seine Berührung kribbelt auf meiner Haut. Die

Art, wie er sich dabei Zeit lässt, erregt mich.

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Jetzt stehe ich nackt vor ihm, in dem engen
Badezimmer, verletzt, geschwächt und wehrlos.

Mit einer raschen Bewegung zieht er sein Shirt

über

den

Kopf

und

entblößt

seinen

muskulösen

Oberkörper. Dann reicht er mir die Hand, damit
ich in die Wanne steige.

Schweigend greift er nach dem Brausekopf und

dreht das Wasser auf. Dabei nimmt er keinen Mo-
ment lang seinen Blick von mir, doch es ist nicht
mein

nackter

Körper,

den

er

anstarrt.

Sein

glühender Blick ist auf mein Gesicht gerichtet,
er sieht mir in die Augen.

„Halt dich an mir fest“, murmelt er rau.
Ich

fasse

ihn

mit

bebenden

Händen

an

den

Schultern, während er beginnt, das warme Wasser
über meinen Körper laufen zu lassen. Seine Schul-
tern sind trainiert und hart, ich spüre das Spiel
seiner Muskeln, wenn er sich bewegt.

Behutsam

wäscht

er

die

Spuren

des

letzten

Tages von meiner Haut, streicht sanft über meinen
Bauch, mein Becken und meine Beine. Dabei achtet
er darauf, meine Wunde nicht zu benetzen.

Das warme Wasser und seine zärtlichen Ber-

ührungen fühlen sich gut an. Ich schließe die Au-
gen und stöhne leise, während ich seine Lieb-
kosungen genieße.

Seine Hände gleiten sanft an der Innenseite

meiner Oberschenkel hinauf. Ich wünsche mir, dass
er mich zwischen den Beinen berührt, doch ich
wage es nicht, ihn darum zu bitten. Es überrascht
mich

selbst,

wie

sehr

er

mich

erregt,

trotz

meines geschwächten Zustands entzündet Remus ein
Feuer in mir.

Seine

Fingerspitzen

streicheln

über

meine

Innenschenkel, meine Leisten und meinen Bauch.

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Die

sanften

Berührungen

machen

mich

verrückt,

doch er berührt nicht meine Scham. Ich spüre, wie
ich vor Verlangen feucht werde, wünsche mir, dass
er

seine

Finger

auch

über

meine

Weiblichkeit

gleiten lässt … ob ich ihn doch darum bitten
soll? Bei dem Gedanken steigt mir die Röte in die
Wangen, aber seine Liebkosungen machen mich so
an, dass ich nicht weiß, wie lange ich noch
widerstehen kann. Ich wünsch mir mehr, ich …

Plötzlich spüre ich etwas, das mich so über-

rascht, dass ich vor Lust aufkeuche.

Seine Lippen an meiner Klitoris.
Er drückt sanft seinen Mund an meine Scham,

ich

möchte

im

ersten

Augenblick

vor

Schreck

zurückweichen, doch er umgreift meinen Po und
lässt es nicht zu.

Ich stöhne vor Überraschung und Erregung, und

kralle mich an seinen Schultern fest, als er mich
mit seiner Zunge streichelt. Seine Liebkosung ist
langsam, mit genau dem richtigen Druck. Meine
Beine zittern, während ich meine Schenkel un-
willkürlich spreize.

Ein raues Knurren entringt sich seiner Kehle.

Er lässt seine Hand an der Innenseite meines
Schenkels hinauf gleiten, doch diesmal hält er
sich nicht zurück. Seine Finger berühren mein
Zentrum, und ich keuche auf. Er streichelt meine
Schamlippen, spielt mit seinen Fingerspitzen an
meinem Eingang, während seine Zunge mich weiter-
hin neckt.

„Remus

…“,

keuche

ich

und

vergrabe

meine

Finger in seinem dichten Haar, sinke über ihm
zusammen,

während

er

mir

immer

mehr

Lust

bereitet.

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Langsam führt er einen Finger in mich ein,

seine Zunge spielt immer noch an meiner Klitoris,
ich werfe den Kopf zurück und stöhne. Er bewegt
sich in mir, dehnt und reizt mich. Ich kann nicht
mehr, ich beginne, mein Becken zu kreisen, sein
Finger in mir macht mich verrückt.

Er wirft mir einen glühenden Blick zu, seine

Augen sind fast schwarz vor Verlangen. „Ich will
dich richtig lecken, Melanie.“

Ohne seinen Finger aus mir zu ziehen, hebt er

mich mit einem Arm hoch, drückt mich an sich und
trägt mich hinüber zum Bett. Er lässt mich auf
den Rücken gleiten, ist wie ein Raubtier über mir
und spreizt meine Schenkel.

„Du machst mich so scharf“, flüstert er rau,

hält meine Schenkel weit auseinandergedrückt, und
dann

spüre

ich

seine

Zunge

zwischen

meinen

Beinen.

Ich bäume mich vor Lust auf, doch er lässt

mich nicht los, leckt mit seiner Zunge über meine
Schamlippen, stößt leicht und schnell in mich
hinein, massiert mich, treibt mich immer näher an
den Höhepunkt.

Ich schreie leise auf, kralle meine Finger in

sein Haar und halte seinen Kopf zwischen meinen
Beinen fest, während er mich fest und ausgiebig
leckt. Als er seine Zunge schließlich hart in
mich schiebt, explodiere ich, komme so heftig,
dass ich einen Schrei nicht unterdrücken kann.
Mein ganzer Körper erzittert, die Welle scheint
gar nicht mehr abzuebben, und Remus leckt mich
gnadenlos weiter.

Ein zweiter Orgasmus bricht über mich herein,

ich habe so etwas noch nie erlebt, es ist wie ein

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Feuerwerk, das durch meinen gesamten Körper jagt

Mein

Verstand

ist

ausgeschaltet,

ich

sacke

willenlos zurück in die Kissen, während die an-
genehme Wärme sich in meinem Körper ausbreitet.
Das Echo der beiden Höhepunkte hallt in jeder
Körperzelle nach, ich schwebe irgendwo in der
Höhe und komme erst langsam wieder zu mir.

Remus kniet neben dem Bett und streichelt mir

über den Kopf, ein sehr wölfisches Grinsen im
Gesicht.

„Das nächste Mal musst du mich vorwarnen“,

flüsterte ich matt.

„Und die Überraschung verderben?“
Mit einem Ausdruck von zufriedenem, männlichem

Stolz erhebt er sich und verschwindet im Bad. Ich
höre die Dusche, während ich befriedigt und träge
auf dem Bett liege und das satte Pochen zwischen
meinen Beinen genieße.

Remus streckt sich nach der Dusche nackt neben

mir aus. Wassertropfen glitzern auf seiner Haut,
er stützt sich auf einen Ellbogen und blickt mich
an.

Ich streiche ihm eine widerspenstige braune

Haarsträhne hinters Ohr, kann nicht widerstehen
und lasse meine Fingerspitzen über seine Lippen
gleiten. Er beugt sich zu mir und küsst mich auf
den Mund, langsam, sanft und intensiv.

Ich bin dabei, diesem Mann mit Haut und Haaren

zu verfallen, das spüre ich deutlich. Ich sollte
mich vorsehen, auf der Hut sein, auf meine innere
Stimme hören, die mir sagt, dass er mir das Herz
brechen

wird

aber

ich

ignoriere

die

Warnsignale.

109/221

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Denn es ist längst zu spät.
Ich bin drauf und dran, mich in diesen zärt-

lichen, gefährlichen Killer zu verlieben.

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Kapitel 11

Er drückt sein Becken gegen meinen Körper, ich

spüre, wie sein Schwanz hart wird, während er
mich

küsst.

Ich

streichle

über

seine

Seite,

schiebe meine Hand zwischen uns und taste mich
mutig vor.

Meine Finger berühren seine samtige Härte, und

Remus stöhnt an meinen Lippen. Als ich beginne,
ihn zu streicheln, greift er meine Hand und zieht
sie von sich weg.

„Was hast du?“, flüstere ich überrascht. Ich

sehe die Leidenschaft in seinen Augen, und sein
Körper reagiert offensichtlich auf mich. Warum
lässt er mich ihn nicht berühren?

„Nicht jetzt, mein Liebling.“
„Du willst nicht …?“
Er lächelt gequält, während sein wilder Blick

mich verbrennt. „Oh Baby, ich würde nichts lieber
tun. Aber ich weiß, dass du erschöpft bist, dein
Körper braucht Ruhe. Ich hätte dich im Bad nicht
berühren dürfen, aber du warst unwiderstehlich.“

Hitze steigt mir in die Wangen. „Du darfst

mich jederzeit auf diese Art berühren.“ Oh Gott,
habe ich das wirklich gerade gesagt?

Er lacht, männlich und rau. Dann zieht er mich

in seine Arme und bettet meinen Kopf an seiner
Brust. „Ruh dich jetzt aus, damit du wieder zu
Kräften

kommst.

Und

stell

meine

Willensstärke

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nicht auf die Probe, ich bin nämlich ganz knapp
davor, dich hier und jetzt zu nehmen.“

Ich

spiele

mit

dem

Gedanken,

ihn

herauszufordern.

Mein

Becken

gegen

seins

zu

drücken, ihn zu reizen, bis er mich auf den Rück-
en wirft, sich zwischen meine Schenkel drängt und
in mich eindringt.

Wie es sich wohl anfühlen wird, Remus in mir

zu spüren? Seinen muskulösen Körper über mir zu
fühlen, während er in mich stößt? Wird er mich
dabei küssen, mich halten, sodass ich mich von
seiner Stärke beschützt fühle?

Mein Körper verselbständigt sich, während mir

diese Gedanken durch den Kopf gehen. Mein Bein
gleitet

an

Remus‘

Oberschenkel

entlang,

un-

willkürlich beginne ich, meine Scham an ihm zu
reiben.

Remus knurrt. Bevor ich weiß, was geschieht,

hat er mich auf dem Rücken, liegt auf mir und
stützt sein Gewicht rechts und links von mir ab.
Er liegt zwischen meinen Beinen, ich fühle seinen
erregten Schwanz an meiner Scham.

„Letzte Warnung, Doc“, knurrt er rau.
Ich zittere vor Erregung, es macht mich an,

seinen schweren Körper auf mir und seinen harten
Schwanz

an

der

Innenseite

meiner

Schenkel

zu

fühlen.

Meine Lippen sind leicht geöffnet, anstelle

einer Antwort hebe ich ihm mein Becken entgegen.
Es ist eine Einladung.

Remus flucht, seine Hand drängt sich zwischen

uns, schon glaube ich, dass er seinen Schwanz um-
fasst, um ihn mir einzuführen … doch dann spüre
ich, wie er langsam einen Finger in mich schiebt.

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Überrascht keuche ich auf. Ein zweiter Finger

folgt, während er meine Klitoris massiert.

Dieser

Mann

weiß

genau,

was

er

tut.

Ich

wimmere vor Lust, stoße Laute aus, wie ich es
mich früher niemals getraut hätte, während er mit
quälender

Langsamkeit

seine

Überlegenheit

ausspielt.

Er kontrolliert meine Erregung, indem er seine

Finger immer wieder rein- und rausgleiten lässt,
der Druck ist genau richtig … dann schiebt er
seine Finger ganz tief in mich hinein und bewegt
seine Hand mit rhythmischem Druck auf und ab.

Ich glaube, ich verliere den Verstand. Ich be-

ginne ihn anzuflehen, mich kommen zu lassen, sein
Gesicht ist ganz nah an meinem, er beobachtet
meine Reaktion genau.

„Du hast mich herausgefordert, Baby. Das hät-

test du nicht tun sollen.“

Ich biege meinen Rücken durch, kralle meine

Finger ins Laken, bewege meine Hüften, um Remus
dazu zu bringen, das Tempo zu erhöhen … doch er
drückt mein Becken nieder, zwingt mich, die lang-
same Penetration seiner Finger zu ertragen. Meine
Erregung schießt in ungeahnte Höhen, ich werde
noch verrückt, wenn er mich nicht endlich erlöst

Seine Lippen kräuseln sich zu einem wissenden

Lächeln. Dann beginnt er plötzlich, seine Hand
schneller zu bewegen, den Druck an den richtigen
Stellen zu verstärken, und ich komme so hart an
seiner Hand, dass ich mich aufbäume und vor Lust
schreie.

Keuchend

sinke

ich

zurück

auf

die

Kissen,

während

mein

Orgasmus

abebbt,

ich

spüre

das

113/221

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Pulsieren zwischen meinen Beinen und das erlöste
Ziehen in meinem Unterkörper.

Remus blitzt mich aus gefährlichen, dunklen

Augen an. „Du wolltest mit mir spielen, meine
Kleine.“

„Ich dachte, du würdest …“, keuche ich atem-

los. Ich kann es noch immer nicht fassen, wie
geschickt seine Hände sind. Und erst seine Lippen
… allein der Gedanke daran, wie er mich vor weni-
gen

Minuten

zum

Orgasmus

geleckt

hat,

treibt

meinen flatternden Puls wieder in die Höhe.

Remus lässt seine Hand auf meiner Brust ruhen

und streichelt besitzergreifend über meine Kno-
spe. „Wenn ich dich zum ersten Mal ficke, dann
wirst du nicht verletzt und geschwächt sein. Du
wirst gesund und stark sein, und jeden einzelnen
Augenblick genießen.“

Ich bin drauf und dran, ihm zu sagen, dass ich

bereits

jetzt

jeden

Augenblick

voll

und

ganz

genieße

-

scheiß

auf

die

Schwäche

und

meine

Wunde! Doch die Vorstellung, was dieser Mann mit
seinem Schwanz tun könnte, wenn er schon mit
seiner Zunge und seinen Fingern so geschickt ist,
lässt mich mit einer Mischung aus Furcht und er-
regter Vorfreude verstummen.

Vielleicht sollte ich wirklich warten, bis ich

wieder

gesund

bin,

um

seine

geballte

Kraft

aufnehmen zu können. Denn etwas in mir ahnt, dass
Remus im Bett nicht immer so sanft und zärtlich
ist. In ihm steckt eine düstere, gefährliche Ver-
lockung, und es löst Furcht und Erregung gleich-
ermaßen in mir aus, wenn ich mir vorstelle, diese
andere Seite von ihm kennenzulernen.

114/221

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Nachdem ich, erschöpft von Remus‘ Zärtlich-

keiten, rasch eingeschlafen bin, wache ich am
frühen Abend wieder auf. Ich fühle mich viel
besser, die Antibiotika scheinen ihre Wirkung zu
tun.

Remus sitzt nur mit Shorts bekleidet neben der

Tür, sein verletztes Bein auf einen Stuhl gela-
gert, und reinigt seine Wunde.

„Soll ich es mir mal ansehen?“
Er

blickt

auf

und

lächelt.

„Na,

endlich

ausgeschlafen?“

Ich nicke ein wenig beschämt und krabble über

das Bett zu ihm. Er lässt mich seine Wunde unter-
suchen, streichelt mir übers Haar, während ich
vor ihm knie und die Naht begutachte.

Seltsamer Weise stört es mich überhaupt nicht

mehr, vor ihm nackt zu sein. Vielleicht liegt es
daran, dass Remus nicht auf meine Brüste oder
zwischen meine Beine gafft. Er sieht mir in die
Augen.

„Die Wunde ist okay. Kein Anzeichen für eine

Infektion.“ Was an ein Wunder grenzt, wenn ich an
die schaurigen Bedingungen denke, unter denen ich
ihn operiert habe. Ich desinfiziere die Wunde
noch einmal und klebe dann ein sauberes Wundp-
flaster darauf.

„Was ist mit deiner Schulter?“
„Sag du es mir, Doc.“ Remus wendet mir den

Rücken zu. Auch die Naht auf seiner Schulter
sieht gut aus, ich wechsle bloß das Pflaster.
Dabei lasse ich meine Finger einen Moment auf
seinen Muskeln verweilen.

Remus greift nach meiner Hand und zieht sie an

seine

Lippen.

Ich

spüre

seinen

Kuss

auf

der

Innenfläche

meiner

Hand.

Unvermittelt

zieht

115/221

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Remus mich auf seinen Schoß und schlingt seinen
Arm um mich.

„Wir müssen so schnell wie möglich weiter.

Fühlst du dich stark genug?“

Ich nicke, verwirrt über die Gefühle, die in

mir aufwirbeln, während ich nackt auf ihm sitze.
Meine

Brust

streift

seine,

und

meine

Knospe

richtet sich auf.

Er unterdrückt ein Stöhnen. „Du fühlst dich so

weich an … das macht mich verrückt, Mel.“

Ich schmunzele. Es gefällt mir, Macht über

diesen gefährlichen Krieger zu haben, sein Ver-
trauen

zu

genießen,

zu

wissen,

dass

ich

ihn

errege.

In

einem

plötzlichen

Anflug

von

Wagemut

spreize ich die Beine und setze mich rittlings
auf ihn. „Ich bin dir noch etwas schuldig.“

Remus‘ Augen werden dunkel, seine Hände umgre-

ifen mein Becken.

„Nein“, flüstere ich, ziehe seine Hände von

meinem Körper und lege sie auf die Armlehnen.
„Diesmal nach meinen Regeln.“

Was ist nur los mit mir? Bin ich dabei, diesen

tödlichen Mann in einem schäbigen Motelzimmer zu
verführen? Ich erkenne mich selbst nicht wieder.

Aber es fühlt sich großartig an!
Etwas

blitzt

in

seinen

Augen

auf,

er

ist

bereit, mein Spiel mitzuspielen. Seine Hände um-
fassen die Armlehnen, während er sich zurücklehnt
und mich mit seinen Blicken verschlingt.

Ich lächle, verrucht und überlegen. Dann be-

ginne ich, seine Brust zu streicheln, lasse meine
Hände über seine Muskeln gleiten. Als ich meine
Lippen auf seine Haut drücke und eine sanfte Spur
von Küssen darüber ziehe, stöhnt Remus leise auf.

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Seine Hände krallen sich so fest um die Arm-

lehnen, dass seine Fingerknöchel weiß hervortre-
ten. Ich nähere meine Lippen den seinen, verharre
jedoch knapp bevor ich ihn küsse. Stattdessen
lehne ich mich vor und lasse meine steifen Brust-
warzen über seine Brust streichen.

Remus keucht, ich fühle, wie er unter mir hart

wird. Jetzt begreife ich erstmals, wie sich Über-
legenheit anfühlt, und es macht mich ungeheuer
an. Ganz langsam streiche ich mit meinen Brüsten
über

seine

Haut,

lasse

ihn

meine

Weichheit

spüren, necke und reize ihn. Er beginnt, sich im
Stuhl unter mir zu winden, drängt sich mir entge-
gen, doch ich drücke ihn zurück in die Lehne.

„Nicht so hastig.“ Ich presse mich an ihn,

knabbere und lecke an seinem Ohr. Seine Erektion
drückt sich hart gegen meinen Schritt, er nimmt
die Hände von den Armlehnen und umfasst meinen
Po, drückt mich gegen seinen Schwanz.

„Nein.“ Ich löse seine Hände mit sanfter Ge-

walt von meinem Körper, halb bin ich überrascht,
dass Remus es zulässt, doch er stößt nur ein
frustriertes Knurren aus, während ich seine Hände
zurück auf die Armlehnen drücke.

Das

Feuer

in

seinem

Blick

flackert

jetzt

unbeherrschbar.

Ich weiß, was er sich wünscht, und beginne,

mich an seinem Schwanz zu reiben, drücke meine
Scham gegen ihn und schiebe meinen Körper an ihm
auf und ab. Remus stöhnt und wirft den Kopf in
den Nacken, ich sehe ihm an, dass es all seiner
Selbstbeherrschung bedarf, um sich nicht auf mich
zu stürzen.

„Nach meinen Regeln“, flüstere ich in sein

Ohr, während ich ihn mit quälender Langsamkeit

117/221

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reize, ebenso wie er mich zuvor mit seinen Zärt-
lichkeiten unterworfen hat.

Ich lasse mein Becken kreisen, reibe mich an

ihm, necke ihn und treibe seine Erregung immer
höher. Ich lasse zu, dass meine Brüste nah an
seinen Lippen wippen, während ich meine Hüften
bewege – doch als er meine Knospe in den Mund
nehmen will, verweigere ich mich ihm und drücke
ihn zurück in die Lehne.

„Du

bringst

mich

um

den

Verstand,

Frau“,

keucht er. Ich lächele, genieße das unbekannte
Machtgefühl in vollen Zügen.

„Wenn du so weitermachst, dann spritze ich

ab.“

Anstelle einer Antwort drücke ich mein Becken

fester

gegen

ihn

und

bewege

meine

Hüften

schneller. Ich weiß, dass er sich vorstellt, dass
sein Schwanz in mir steckt und ich ihn reite –
ich stelle es mir jedenfalls vor, und es ist so
erregend, dass ich selbst dem Orgasmus nahe bin.

„Mel“, stößt er keuchend hervor. Als ich nicht

aufhöre,

sondern

stattdessen

meine

Bewegungen

beschleunige, bäumt er sich unter mir auf, stößt
einen Schrei aus und ich spüre, wie sein harter
Schwanz an meiner Scham zuckt, als er kommt.
Gleichzeitig

kontrahieren

sich

meine

Muskeln,

mein Orgasmus bricht über mir zusammen und erlöst
mich.

Remus schließt mich in seine Arme, drückt mich

an sich und vergräbt sein Gesicht an meinem Hals.
Ich spüre seinen heftigen Herzschlag und seinen
schnellen Atem an meiner Haut.

„Das

war

meine

Revanche“,

flüstere

ich,

während ich meine Hände in seinen Haaren vergrabe
und diese intime Nähe genieße.

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„Auf diese Art kannst du deine Schuld bei mir

jederzeit begleichen.“ Seine Stimme klingt rau,
sehr männlich.

Mein Gott, habe ich das wirklich gerade getan?

Wer ist diese schamlose, hemmungslose Frau?

Remus streichelt über meinen Rücken, dann hebt

der den Kopf und blickt mich an.

„So sehr ich es liebe, wenn du nackt auf mir

sitzt, aber wir müssen weiter, meine Kleine.“

„Ich weiß.“
Ich klettere von seinem Schoß, er steht auf

und verschwindet im Bad, um nochmal zu duschen.
Während ich mich anziehe, kreisen meine Gedanken
unaufhörlich

um

die

Vorstellung,

wie

es

sein

wird, wenn Remus und ich endlich wirklich mitein-
ander schlafen … mein Unterleib zieht sich vor
Vorfreude zusammen. Dieser neuen, hemmungslosen
Frau scheint der Gedanke zu gefallen.

Dann wird plötzlich die Tür unseres Motelzim-

mers mit lautem Krachen aus den Angeln getreten.

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Kapitel 12

Die Tür schlägt gegen die Wand, ich schreie

laut

auf

als

zwei

fremde

Männer

ins

Zimmer

stürmen.

„Da ist die Schlampe!“ Einer der Kerle richtet

eine Waffe auf mich. Ohne nachzudenken reiße ich
eine Vase vom Tisch und schleudere sie ihm entge-
gen, wie durch ein Wunder treffe ich ihn und die
Waffe wird aus seiner Hand geschlagen.

„Verdammt!“ Er faucht seinen Freund an und

hält sich die schmerzende Hand. „Los, hol dir den
Kerl, ich kümmere mich um die Hexe!“

Ich kreische Remus‘ Namen, doch dann ist der

Fremde schon über mir und zwingt mich aufs Bett,
legt seine Hände um meinen Hals und drückt zu.
Ich umklammere seine Handgelenke und wehre mich
mit aller Kraft gegen ihn, ich spüre, wie das
Blut in meinen Schläfen pocht, während er mich
würgt.

Ich

werde

ersticken!

Todesangst

packt

mich, mir bleiben nur noch Sekunden … ich röchle
und schlage wie von Sinnen um mich, doch mein An-
greifer ist viel stärker als ich. Aus dem Augen-
winkel nehme ich wahr, wie Remus die Tür zum Bad
aufreißt, und dann kracht plötzlich ein Schuss.
Der andere Mistkerl hat seine Waffe abgefeuert,
er hat auf Remus geschossen! Der Spiegel im Bad
zersplittert,

oh

mein

Gott,

ist

Remus

etwa

getroffen?

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Unbändiger Zorn explodiert in mir. Mit letzter

Kraft packe ich den Kerl über mir an der Kehle
und ramme meinen Finger in seinen Hals, so wie
Remus es mir gezeigt hat.

Doch diesmal bin ich nicht zimperlich.
Meine Fingernägel reißen seine Haut auf, ich

fühle sein warmes Blut herausquellen, während er
erstickt

röchelt.

Ich

weiß

nicht,

ob

es

vor

Verblüffung oder vor Schmerz ist, aber er lässt
mich los, zieht sich von mir zurück und umklam-
mert stattdessen seine Kehle.

Ich hole Atem, krieche über das Bett, so weit

von dem Kerl fort wie möglich, auf das Badezimmer
zu, in dem Remus liegt … Remus, angeschossen,
verletzt, womöglich tot … nein, das darf einfach
nicht wahr sein!

Noch bevor ich den Bettrand erreiche, taucht

eine muskulöse Gestalt hinter der Badezimmertür
auf, ich pralle zurück, sehe etwas aufblitzen,
dann jagt etwas Funkelndes quer durchs Zimmer –
und trifft den Kerl, der auf Remus geschossen
hat, mitten in die Brust.

Ich

wirble

herum,

ein

zweites

glänzendes

Geschoss wird durch den Raum geschleudert, es
trifft den Mann, der mich erwürgen wollte, mitten
ins Gesicht.

Er schreit vor Schmerz auf und sinkt auf die

Knie,

schlägt

die

Hände

vors

Gesicht,

Blut

schießt

zwischen

seinen

Fingern

hervor.

Sein

Kumpan liegt keuchend auf dem Rücken, er tastet
den Boden vergeblich nach seiner Pistole ab, die
unter den Tisch gerutscht ist. Gleichzeitig umk-
lammert er mit der anderen Hand das glänzende,
dreißig Zentimeter lange Ding, das aus seiner
Brust ragt.

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Jetzt erkenne ich, dass es sich um Teile des

zerbrochenen

Badezimmerspiegels

handelt.

Spitz

und messerscharf, tödliche Waffen in der Hand
eines geübten Schützen.

Ich drehe mich um und sehe Remus in der Tür

stehen.

Er ist nackt, jeder Muskel seines Körpers ist

angespannt und die Wut strahlt in bedrohlichen
Wellen von ihm aus. Er sieht aus wie ein Dämon,
der der Unterwelt entstiegen ist.

Ich

zwinge

mich,

meinen

Blick

von

ihm

loszureißen, klettere vom Bett und schnappe mir
die Waffen der Kerle. Um denjenigen, den Remus in
die

Brust

getroffen

hat,

bildet

sich

mit

beängstigender Schnelligkeit eine Blutlache. Er
zuckt

und

röchelt,

wahrscheinlich

füllen

sich

seine Lungen in diesen Sekunden mit seinem eigen-
en Blut.

Sein Kumpan windet sich neben ihm auf dem

Boden, Remus scheint ihn am Auge getroffen zu
haben. Die Scherbe steckt in seinem Gesicht, Blut
rinnt über seine Hände auf den Teppich.

Mit raubtierhafter Geschwindigkeit ist Remus

bei mir, zieht mich an sich. „Geht es dir gut?“

Ich nicke, unfähig, ein Wort hervorzubringen.

Zitternd biete ich ihm die Waffen der Männer an,
er nimmt sie an sich und drückt einen Kuss auf
mein Haar.

„Geh ins Bad.“
„Wa-was?“, flüstere ich.
Sein Befehl ist ruhig und hart. „Na los.“
Mit bebenden Schritten gehorche ich. Das Bad

ist voller Scherben, sie knirschen unter meinen
Schuhen. Ich schließe die Tür, doch sie klemmt
und die Scherben verursachen ein scheußliches,

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quietschendes

Geräusch

auf

den

Fliesen.

Dann

krachen plötzlich zwei Schüsse, ich zucke zusam-
men, verliere fast den Boden unter den Füßen.

Mein Herz hämmert wie verrückt, ich habe das

Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen, und muss mich
am Waschtisch aufstützen. Es dauert einige Augen-
blicke, bis ich den Mut finde, die Tür zu öffnen
und hinauszuspähen.

Remus

ist

bereits

angekleidet,

er

packt

schnell und sicher unsere Sachen ein, mit ein
paar Handgriffen ist alles erledigt. Als er mich
bemerkt,

streckt

er

mir

auffordernd

die

Hand

entgegen.

Ich schlucke und muss mich zusammenreißen, um

das Zimmer zu durchqueren. Ich versuche, nicht
auf die Leichen zu sehen, aber ich bleibe an
einem der Körper hängen und stürze fast. Remus‘
Arme

umschlingen

mich

im

letzten

Moment,

er

drückt mich an sich. Sein Ausdruck ist gnadenlos
und entschlossen … und zu meiner Verwunderung
entdecke ich darin auch ein wenig Traurigkeit.
Wortlos schultert er unsere Taschen, dann zieht
er mich aus dem Zimmer.

Remus jagt die Harley so schnell wie möglich

aus der Stadt hinaus. Ich klammere mich an ihn,
drücke mein Gesicht an seinen breiten, starken
Rücken, während ich verzweifelt versuche, meinen
rasenden Puls zu beruhigen.

Waren das Gonzales‘ Männer? Wie haben sie uns

nur gefunden? Während wir über die Landstraße
dahinbrettern, wirbeln die Erinnerungen an die
vergangenen Minuten wild durch meinen Kopf. Die
Tür wird aufgesprengt … die Kerle stürzen herein

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… einer versucht, mich zu erwürgen … der andere
schießt auf Remus …

Ich bekomme es mit der Angst zu tun, als ich

begreife, dass es die Furcht um Remus‘ Leben war,
die mich den Kerl hat besiegen lassen - nicht die
Furcht um mein eigenes Leben.

Kälte und Hitze schießen gleichzeitig durch

meinen

Körper,

als

mir

klar

wird,

was

das

bedeutet.

Was ich für Remus empfinde.
Ich hätte getötet für ihn. Für einen Mann, den

ich kaum kenne, und der selbst ein Killer ist.

Ich

erkenne

mich

nicht

wieder.

Ich

meine,

gerade habe ich gegen Drogendealer gekämpft! Das
bin doch nicht ich!

Aber ich habe es geschafft, den Kerl zu über-

wältigen, ich habe um mein Leben gekämpft und ge-
wonnen. Plötzlich erfüllt mich wilder Stolz und
ich

spüre,

wie

ein

primitiver,

ursprünglicher

Teil von mir entfesselt wird. Ich fühle mich
lebendig, so lebendig wie noch nie. Sofort meldet
sich die Ärztin in mir, meine rationale Seite. Es
muss das Adrenalin sein, das durch meine Adern
jagt …

Doch es ist mehr als nur das. Als ich Remus

gesehen habe, wie er unbewaffnet und doch so töd-
lich im Türrahmen gestanden ist, da habe ich et-
was empfunden, das ich noch nie zuvor empfunden
habe.

Besitzanspruch.
Dieser wilde, wunderschöne, gefährliche Mann

gehört mir. Mir allein.

Ich klammere mich an ihn, während wir durch

die Nacht jagen, und spüre, wie ein Teil von mir
zurückfällt. Die schwache, unsichere Melanie gibt

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es nicht mehr. An ihre Stelle ist jemand anders
getreten, eine wilde, stolze, gefährliche Frau.

Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass so

jemand in mir steckt.

Dass das mein wahres Ich sein könnte.

Ohne

anzuhalten

rasen

wir

durch

ein

paar

kleine Städte, die an der Landstraße liegen. Es
ist mitten in der Nacht, es sind kaum Autos un-
terwegs,

die

Gegend

wird

immer

einsamer.

Ich

weiß, wohin Remus die Maschine lenkt.

Wir fahren in Richtung Wüste. Wir müssen Death

Valley durchqueren, um nach Nevada zu gelangen.
Lone Pine, die letzte Stadt vor der Wüste, liegt
bereits hinter uns, und vor uns erstreckt sich
nichts als Einöde, das Tal von Death Valley.
Nachts ist die Temperatur erträglich, aber unter-
tags kann es hier leicht bis zu fünfzig Grad heiß
werden. Ohne Klimaanlage und genügend Wasser ist
diese Wüste lebensgefährlich …

Plötzlich

erstrahlen

Flutlichtscheinwerfer

hinter uns, und der Motor eines Geländewagens
heult auf. Ich werfe hastig einen Blick über die
Schulter. Ein Wagen verfolgt uns und schließt im-
mer dichter zu uns auf, mein Herz beginnt zu
rasen.

Remus

reagiert

sofort,

er

jagt

die

Maschine

auf

Hochtouren

über

die

Landstraße,

während der Geländewagen uns auf den Fersen ist.

Gonzales‘ Männer! Sie müssen die Leichen ihrer

Freunde in unserem Motelzimmer gefunden und sich
zusammengereimt haben, dass wir auf dem Weg nach
Nevada sind – viele andere Fluchtmöglichkeiten
bleiben

uns

in

dieser

gottverlassenen

Gegend

nicht.

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Die Straße führt geradewegs in die Wüste, und

Remus

hält

entschlossen

darauf

zu.

Wir

haben

keine

Wahl,

ich

weiß,

dass

wir

es

versuchen

müssen … oder bei dem Versuch sterben werden.

Remus jagt die Harley in einem Höllentempo in

das Wüstental hinein. Er hält die Maschine auf
der Straße, ich weiß, dass wir auf freiem Gelände
keine

Chance

gegen

den

Allradantrieb

des

Geländewagens haben. Es muss uns irgendwie gelin-
gen, unsere Verfolger abzuhängen – oder wenig-
stens so lange am Leben zu bleiben, bis uns ir-
gendjemand zu Hilfe kommt.

Plötzlich kracht hinter uns ein Schuss. In-

stinktiv klammere ich mich fester an Remus, er
legt noch einen Zahn zu und lässt die Maschine im
Zickzack hin- und herschlenkern. Unsere Verfolger
schießen weiter auf uns, doch uns rettet die
Dunkelheit und Remus‘ höllischer Fahrstil. Keine
der Kugeln trifft ihr Ziel.

Es ist eine sternklare Nacht und die Wüste

liegt weit und einsam vor uns. Es gibt keine Mög-
lichkeit,

uns

zu

verstecken,

keine

Zuflucht,

keine

Deckung.

Nur

die

Straße,

die

vor

uns

geradewegs ins dunkle Nichts führt.

Unsere Verfolger versuchen, uns von der Fahr-

bahn zu drängen. Der Geländewagen versucht, uns
zu überholen, doch Remus lässt es nicht zu. Ich
klammere mich in Todesangst an ihm fest, bete,
dass er die Maschine beherrscht, denn ein einzi-
ger

Fehler

bei

diesem

Höllentempo

könnte

uns

töten.

Wir brettern dahin, schaffen es irgendwie, den

Kugeln

und

den

Abdrängversuchen

auszuweichen,

dann reißt Remus plötzlich die Maschine herum und

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nimmt eine Abzweigung, die nach rechts von der
Hauptstraße fortführt.

Was hat er vor?
Der

Geländewagen

rast

hinter

uns

her.

Sie

haben aufgehört, auf uns zu schießen, wahrschein-
lich sparen sie sich ihre Munition für später
auf. Mir graut bei dem Gedanken, wie sicher sie
sich ihrer Sache sind.

Plötzlich taucht ein riesiger, weißer See vor

uns auf, dessen Oberfläche im Licht der Sterne
schimmert. Remus hält direkt auf den See zu, ich
halte den Atem an, meine Arme versteinern um
seinen Brustkorb, kalte Angst packt mich. Will er
uns ertränken?

Erst als die Maschine mit einem irren Tempo

über die weiße Fläche jagt, erkenne ich, dass es
sich

gar

nicht

um

Wasser

handelt.

Glitzernde

Funken sprühen um uns herum hoch, die Reifen der
Maschine wirbeln ein wildes, weißes Durcheinander
auf, und plötzlich begreife ich: Das ist Salz.

Es ist ein Salzsee.
Der sandähnliche Untergrund verlangsamt zwar

unser

Tempo,

aber

gleichzeitig

verlangsamt

er

auch unsere Verfolger. Die weiße Wolke, die wir
aufwirbeln,

erschwert

ihnen

die

Sicht,

ihr

grelles Scheinwerferlicht bricht sich tausendfach
in den Salzkristallen und blendet sie, während
wir freie Sicht nach vorn haben.

Remus jagt die Maschine quer über den Salzsee,

dahinter ragen Hügel in der Dunkelheit auf. Da-
rauf hält er zu, diese Hügel bieten uns Deckung,
sie sind unsere einzige Zuflucht.

Wir schaffen es über den See, und sobald die

Reifen wieder trockenen Wüstenboden unter sich
haben,

beschleunigt

Remus

und

jagt

mitten

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zwischen die Hügel hinein. Es sind zerklüftete
Felsformationen, nicht besonders hoch, aber ziem-
lich verwinkelt, so dass wir mit dem Motorrad
durchkommen,

aber

der

Geländewagen

Schwi-

erigkeiten hat.

Wir schlängeln uns zwischen den Felsen durch,

ich werfe einen Blick über die Schulter zurück,
der Geländewagen ist verschwunden und ich sehe
auch das grelle Scheinwerferlicht nicht mehr.

Remus hält die Maschine an und blickt zurück.

Die plötzliche, absolute Stille der Wüste, die
sich über uns senkt, ist beängstigend.

Im nächsten Augenblick röhrt der Motor unserer

Verfolger auf, und der Geländewagen schießt um
die Ecke. Remus lässt die Reifen durchdrehen und
jagt die Maschine wie eine Gewehrkugel los, ich
kralle mich im letzten Moment an ihm fest, um
nicht vom Sitz geschleudert zu werden. Der Pfad
wird immer schmaler, unsere Flucht gleicht immer
mehr einem Moto-Cross-Rennen. Hügel rauf, Hügel
runter, ich klammere mich an Remus wie an mein
Leben. Der Geländewagen rast hinter uns her, der
Pfad wird unwegsamer, und schließlich jagt Remus
die Harley einen schrägen Hügelkamm hinauf, der
plötzlich steil nach unten abfällt. Ich schließe
die Augen, während die Maschine über den Rand des
Kamms schießt, sekundenlang befinden wir uns in
der Luft, dann prallt die Maschine mit einem ge-
waltigen Ruck auf dem Boden auf, schlenkert, doch
Remus kann sie unter Kontrolle halten. Ich drehe
mich um, hinter uns schießt der Geländewagen über
die Kante. Doch der Wagen ist zu schwer, der Sch-
wung ist zu groß, das Heck dreht zur Seite ab und
der Wagen kippt. Donnernd fällt er auf die Seite
und schlittert den Abhang hinunter, überschlägt

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sich dabei und bleibt schließlich auf dem Dach
liegen.

Darauf scheint Remus gewartet zu haben. Er

rammt seinen Fuß in die Erde, reißt die Maschine
in einer 180° Drehung herum und jagt auf den
Geländewagen zu. Ist er verrückt geworden? Warum
nützt er die Gelegenheit nicht zur Flucht?

Ehe wir den Geländewagen erreichen, klettern

bereits drei der Insassen heraus. Ich glaube,
einen Vierten im Wagen zu sehen, aber er rührt
sich nicht, ist er tot? Remus hält die Maschine
an, springt ab und zieht mich mit sich.

„Warum hast du - ?“
„Wir

müssen

die

Kerle

erledigen,

oder

sie

rufen Verstärkung und ihre Freunde fangen uns ab,
sobald wir die Wüste verlassen!“

Gemeinsam verschwinden wir in den Hügeln, ver-

stecken uns hinter einem erhöhten Felsen, von wo
aus wir unsere Verfolger beobachten können.

Mein Herz rast, als würde es zerspringen. Ich

keuche, gebe mir Mühe, leise zu sein, aber das
Blut rauscht in meinem Kopf. Remus kauert neben
mir, den Rücken an die Felswand gelehnt, und
entsichert die Pistolen, die wir den Männern im
Motel abgenommen haben. Schweigend reicht er mir
eine.

„Ich kann doch damit gar nicht umgehen“, raune

ich.

„Das

ist

nicht

schwer“,

zischt

er

zurück.

„Zielen und abdrücken.“ Dann zieht er eins seiner
langen Messer aus seinem Halfter, wie um mir zu
sagen, dass keine Schusswaffe der Welt so gefähr-
lich ist wie diese Klinge – vorausgesetzt, sie
liegt in seiner Hand. „Bleib in Deckung.“

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Bevor ich protestieren kann, verschwindet er

in der Dunkelheit, lautlos wie ein Raubtier.

Verdammt! Warum lässt er mich hier allein? Mit

schweißnassen Händen umklammere ich die Waffe,
schiebe mich an den Rand des Felsens vor und
spähe vorsichtig darüber hinweg.

Ich kann die drei Dealer sehen, wie sie mit

gezogenen Waffen auf die Felsen am Fuß meines Hü-
gels

zulaufen.

Sie

verständigen

sich

mit

Handzeichen, um möglichst wenig Lärm zu machen,
und teilen sich auf.

Oh mein Gott, sie werden mich hier aufspüren!

Ich atme hastig, muss mich zwingen, leise zu
sein, damit ich mich nicht verrate. Wo zum Teufel
ist Remus?

Zwei der Männer verschwinden in den Hügeln ge-

genüber, aber einer von ihnen kommt in meine
Richtung. Ich halte die Waffe fest umklammert,
richte den Lauf auf ihn, mein Finger zittert am
Abzug.

Ich habe noch nie eine Waffe abgefeuert. Ob

der Rückstoß wohl schmerzhaft ist? Wie nah muss
der Kerl an mir dran sein, damit ich eine Chance
habe, ihn zu treffen? Wenn ich zu früh schieße,
dann weiß er, wo ich stecke - aber wenn ich
warte, bis er nah genug ist, dann riskiere ich,
dass er mich zuerst entdeckt …

Mein Herz hämmert wie verrückt, ich habe Tode-

sangst. Die Stille um mich herum ist erdrückend,
ich höre gar nichts, kein Geräusch von den ander-
en beiden Dealern oder von Remus.

Der Kerl auf meiner Seite des Hügels ist ir-

gendwo zwischen den Felsen verschwunden. Oh, ver-
dammt! Ich habe keine Ahnung, wo er ist! Was soll

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ich

jetzt

tun?

Soll

ich

versuchen,

mich

davonzuschleichen?

Was, wenn ich den anderen beiden über den Weg

laufe? Oder der Kerl auf meiner Seite mich ent-
deckt? Ich habe solche Angst, dass ich nicht klar
denken kann. Die Waffe zittert in meinen Händen …

Plötzlich höre ich ein dumpfes Röcheln, es

kommt von der anderen Seite des Hügels. Dann et-
was, das wie ein Handgemenge klingt, und das Ger-
äusch von Geröll, das von einer Felswand bröckelt
… und auf einmal ist es wieder still.

Oh Gott, ob das Remus war? Hat er einen der

beiden Kerle erledigt?

Wenn

ich

die

Geräusche

gehört

habe,

dann

bestimmt auch der Dealer auf meiner Seite des Hü-
gels. Vielleicht wird er nachsehen, was mit sein-
en Freunden geschehen ist? Ich hebe vorsichtig
den Kopf und blicke mich um.

Ich kann niemanden entdecken. Um mich herum

sehe ich nichts als Felsen, die sich im Sternen-
licht von dem dunklen Hügel abheben. Ganz langsam
richte

ich

mich

auf,

um

mir

einen

besseren

Überblick zu verschaffen.

Einen Augenblick später kracht ein Schuss, und

eine Kugel schlägt direkt neben mir in den Felsen
ein. Ich schreie auf und ducke mich hinter den
Stein. Der Dealer hat mich entdeckt! Ich höre
Schritte,

die

rasch

näherkommen,

er

läuft

in

meine Richtung!

Mir bleibt keine Zeit mehr, zu fliehen.
Melanie, entweder du kämpfst, oder du stirbst.
Früher wäre ich wahrscheinlich vor Angst wie

gelähmt

gewesen,

hätte

mich

gegen

den

Felsen

gedrückt und gebetet, dass der Kerl mich nicht
findet. Aber diese Frau bin ich nicht mehr.

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Ich weiß nicht, woher ich den Mut und die

Entschlossenheit nehme, ich weiß nur, dass ich
nicht hier kauern und darauf warten werde, dass
dieser Mistkerl mich abknallt.

Meine Hände krallen sich um die Waffe und ich

richte

mich

auf.

Ohne

nachzudenken,

ohne

zu

zögern ziele ich in die Richtung, aus der ich
seine Schritte höre, und drücke ab.

Mein Schuss hallt von den Felsen, der Rückstoß

reißt meinen Arm hoch. Der Kerl wirft sich in
Deckung, ich ziele erneut und feuere noch zwei
Kugeln auf ihn ab.

Jetzt schießt er zurück. Ich gehe hinter dem

Felsen in Deckung, dann höre ich, wie der Typ
weiter auf mich zuläuft.

Wahrscheinlich hat er die Waffe im Anschlag

und wartet nur darauf, dass ich mich zeige, aber
ich habe keine andere Wahl. Ich muss versuchen,
ihn aufzuhalten!

Ich hole tief Luft und rolle mich hinter dem

Felsen hervor, ziele auf den Kerl und drücke ab.
Er ist jetzt nur noch wenige Meter von mir ent-
fernt, aber meine Kugel verfehlt ihn, er duckt
sich und feuert zurück.

Seine Kugel schlägt direkt neben meinem Kopf

in den Stein ein, ich keuche auf und krabble
zurück in Deckung. Der Scheißkerl springt auf und
rennt weiter auf mich zu, während er eine Kugel
nach der anderen auf mich abfeuert.

Dann, plötzlich, springt eine dunkle Gestalt

wie ein Raubtier von einem erhöhten Felsen auf
meinen Angreifer und reißt ihn zu Boden. Es ist
Remus! Die beiden Männer rollen über den felsigen
Untergrund, es beginnt ein wilder Zweikampf. Mein
Angreifer hat seine Waffe verloren, die beiden

132/221

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kämpfen

mit

bloßen

Fäusten

gegeneinander.

Ich

beobachte starr vor Schreck, wie Remus auf den
Kerl einprügelt, aber der Mann scheint selbst
kein schlechter Kämpfer zu sein. Er windet sich
aus Remus‘ Griff, versetzt ihm einen heftigen
Kinnhaken

und

schlingt

seine

Beine

um

Remus‘

Körper.

Wenn ich doch nur irgendetwas tun könnte, um

Remus zu helfen! Unschlüssig ziele ich mit der
Waffe auf die Kämpfenden, doch ich traue mich
nicht, abzudrücken, aus Angst, Remus zu treffen.

Alles geht sehr schnell, jetzt gewinnt Remus

wieder die Oberhand und drückt seinen Gegner mit
brutaler Gewalt zu Boden. Der Mann wehrt sich, es
gelingt ihm, sich zu befreien, und er kommt bei-
nahe wieder auf die Beine, stolpert in meine
Richtung – ich schreie und weiche zurück, da ist
Remus über ihm, packt seinen Kopf, und bricht ihm
mit einem scheußlichen Ruck das Genick.

Der Körper des Mannes erschlafft und fällt re-

glos zu Boden.

Remus steht heftig keuchend über ihm, wildes

Feuer flackert in seinen Augen, als er mich an-
sieht. Ohne zu zögern laufe ich zu ihm und werfe
mich in seine Arme.

„Bist du in Ordnung?“ Seine Stimme klingt rau

und drängend, während er mich von sich wegdrückt
und hastig untersucht.

Ich nicke atemlos. „Und du?“
„Lauf zur Maschine! Ich komme gleich nach.“
„Was hast du vor?“
„Ich muss mein Messer holen. Los, ich bin

gleich hinter dir.“

„Was ist mit den anderen beiden Kerlen?“
„Sie sind tot.“

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Er drückt mir einen harten Kuss auf die Lip-

pen, dann verschwindet er in der Dunkelheit. Ich
stolpere den Hang hinunter und laufe zum Motor-
rad, die Waffe immer noch schussbereit in meinen
Händen.

Es

dauert

nur

wenige

Minuten,

dann

taucht

Remus aus der Finsternis auf und läuft mir entge-
gen. Er will sich sofort auf das Motorrad schwin-
gen, doch ich halte ihn zurück.

„Ich muss deine Wunde untersuchen, sicherstel-

len, dass die Naht nicht wieder aufgeplatzt ist.“

Remus hält sich nicht mit langen Diskussionen

auf. Er stellt sich in den Kegel des Scheinwer-
ferlichts, öffnet seine Hose und zieht sie über
seine Oberschenkel hinunter. Ich knie mich vor
ihn und löse das Pflaster von der Wunde.

„Alles in Ordnung“, flüstere ich.
Trotz der wahnsinnigen Situation, in der wir

uns befinden, erregt es mich, in dieser Position
vor ihm zu knien. Er legt seine Hand sanft an
meinen Kopf, diese große, kräftige Hand, mit der
er gerade meinem Angreifer das Genick gebrochen
hat.

„Steh auf“, murmelte er rau. „Wir müssen hier

weg.“

Er hilft mir auf die Beine, und dann küsst er

mich. Ich spüre, wie er seinen Arm um mich sch-
lingt und mich an seinen Körper drückt, wie seine
Zunge

in

meinen

Mund

eindringt,

wild

und

fordernd. Es ist kein zärtlicher Kuss, es hat et-
was Animalisches, Besitzergreifendes. Meine Beine
zittern, als er mich hinter sich auf das Motorrad
zieht, die Harley wendet und mit mir in die
dunkle Wüste davonbraust.

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Kapitel 13

Wir erreichen Las Vegas mitten in der Nacht.

Die

Straßen

sind

hell

erleuchtet,

überall

blinkende Lichter und riesige Reklametafeln von
Hotels,

Shows

und

Casinos.

Tausende

Menschen

drängen sich auf der Straße.

„Ich war noch nie in Vegas“, murmele ich Remus

ins Ohr, als wir an einer Kreuzung anhalten.

Er wirft mir einen Blick über die Schulter zu,

ein verruchtes Lächeln auf den Lippen. „Baby,
jeder sollte zumindest einmal im Leben in Vegas
kommen.“

Mir bleibt die Luft weg, Remus lacht leise und

lässt den Motor aufheulen, als wir weiterfahren.

Zu meiner Überraschung lenkt er die Maschine

auf den Parkplatz eines riesigen Hotels mitten
auf dem Las Vegas Boulevard.

„Sollten wir nicht … ich weiß nicht, irgendwo

untertauchen?“ Ich lasse meinen Blick unsicher
über den bombastischen Hotelkomplex schweifen.

„Genau das wird Gonzales denken. Er wird uns

nicht im größten Hotel der Stadt suchen.“ Remus
nimmt meine Hand und führt mich direkt in die
Eingangshalle.

Das Innere des Hotels ist eine Stadt für sich.

Remus bucht ein Zimmer für uns, zahlt bar und
führt mich zu den Aufzügen. Wir passieren Res-
taurants, Bars, Cafés, unzählige Luxusboutiquen
und – natürlich – das hoteleigene Casino. Die

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Kabine des Fahrstuhls ist geräumig, verspiegelt
und vergoldet.

„Ich fühle mich, als wäre ich stinkreich“,

murmele ich.

Remus drückt auf einen der obersten Knöpfe.

„Wer sich reich fühlt, dem macht es auch nichts
aus, sein Geld zu verspielen.“

Die Fahrstuhltüren öffnen sich und Remus führt

mich zu unserem Zimmer … nein, zu unserer Suite.
Mir klappt die Kinnlade hinunter, als ich durch
die luxuriösen Räume schlendere und die verglaste
Fensterfront entdecke, die einen Ausblick über
die ganze Stadt bietet.

„Das ist einfach …“ Mir fehlen die Worte.
Remus lehnt mit verschränkten Armen an der Tür

zum

Salon,

seine

Augen

unablässig

auf

mich

gerichtet. Er fixiert mich wie ein Wolf, und ob-
wohl er sich nicht bewegt, bekomme ich eine Gän-
sehaut. Es fühlt sich an, als wären seine töd-
lichen Fähigkeiten greifbar.

Ich bleibe am Fenster stehen und rühre mich

nicht, als er sich vom Türrahmen abstößt und zu
mir schlendert. Langsam, er lässt sich Zeit, weil
er weiß, dass ich ihm sicher bin.

Mein Herz klopft. Er bleibt dicht vor mir

stehen, seine Ausstrahlung schüchtert mich ein.
Er ist so groß, dass ich den Kopf heben muss, um
ihn anzusehen.

Langsam hebt er die Hand und streicht mir eine

Haarsträhne hinters Ohr.

„Du warst sehr mutig heute.“ Er lässt seinen

Blick nachdenklich auf seinen Fingern ruhen, die
meine Haarsträhne zwirbeln. „Du hast gegen den
Dreckskerl im Motel gekämpft, und auf den anderen
in Death Valley hast du sogar geschossen.“

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„Ich weiß selbst nicht, was in mich gefahren

ist“, flüstere ich.

Remus‘ Augen glühen gefährlich, seine Stimme

klingt rau. „Gefällt es dir?“

Ich starre ihn ein paar Sekunden lang an. Wir

sind auf der Flucht vor Drogendealern, die mich
umbringen

wollen,

wir

wurden

mehrmals

fast

getötet und ich habe aufgehört, zu zählen, wie
vielen Menschen Remus das Leben genommen hat, um
mich zu beschützen … ich habe gegen meine Angre-
ifer

gekämpft,

auf

sie

geschossen,

mich

verteidigt …

Ich habe mich verteidigt. Bei dem Gedanken

schießt Aufregung durch meine Adern, gemischt mit
Stolz und einem Gefühl von Wildheit. Obwohl wir
in dieser unvorstellbaren Lage sind, fühle ich
mich großartig.

Ob es mir gefällt? Vielleicht bin ich ja ver-

rückt … aber zur Hölle, und wie es mir gefällt!

Ein Ausdruck des Verlangens tritt in Remus‘

Gesicht, als er etwas von dem wilden Flackern
seiner Augen auch in meinem Blick entdeckt. „Ja“,
flüstere ich heiser.

Seine Hand umschlingt meinen Nacken, er zieht

mich an sich und küsst mich hart auf den Mund.
Diesmal weiche ich nicht zurück, ich dränge mich
ihm entgegen, öffne meine Lippen für ihn und
begegne seiner ungestümen Zunge. Er drückt mich
mit

dem

Rücken

gegen

die

Fensterfront,

sein

mächtiger

Körper

hält

mich

unter

Kontrolle,

während er mich verlangend küsst, voll wilder
Leidenschaft.

Als sich unsere Lippen voneinander lösen, ist

das Feuer in seinen Augen so dunkel und ungezäh-
mt, dass es mir Angst machen müsste.

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Aber das tut es nicht. Es erregt mich, ich

fühle

einen

unbändigen

Besitzanspruch

in

mir

aufwallen. Ich weiß, dass dieser Mann mir gehören
soll, mir allein!

„Das ist gut, Mel“, knurrt er. Dann gleitet

seine Hand an meinem Körper entlang, er lässt sie
an meiner Seite ruhen. „Wie geht es deiner Ver-
letzung?“ Seine Stimme klingt heiser.

Ich ziehe mein Shirt hoch. Das Pflaster weist

keine frischen Blutflecke auf, die Wunde scheint
in Ordnung zu sein.

Ich bin halb in der Erwartung, dass er mir das

Shirt vom Leib reißt, mich auf den Boden wirft,
sich auf mich stürzt und in mich eindringt – bei
dieser Vorstellung zieht sich mein Unterleib vor
Begehren zusammen – doch stattdessen wendet sich
Remus mit einem anzüglichen Lächeln von mir ab.

Um meine Enttäuschung zu überspielen, senke

ich den Blick und kämpfe das Feuer in mir nieder.
Zu meiner Verwunderung schlendert Remus zum Tele-
fon und ruft bei der Rezeption an.

„Schicken Sie uns ein Cocktailkleid in Größe

36, dazu passende High Heels in 38.“

Ich blicke überrascht auf. Nicht nur, weil er

unerwartet ein Kleid für mich bestellt, sondern,
weil er meine genaue Größe kennt. Für sich selbst
bestellt

Remus

Designerjeans

und

ein

dunkles

Hemd, dann legt er auf.

Ich blinzle ihn an. „Gehen wir aus?“
„Unsere

Sachen

sehen

erbärmlich

aus.

Du

verdienst etwas Besseres.“

Er hat Recht. Unsere Sachen sind verdreckt und

auf Remus‘ Shirt prangen frische Blutflecke.

Blut, das nicht seins ist.

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Ich beiße mir auf die Lippen, unterdrücke die

Frage, die mir auf der Zunge brennt.

„Du willst wissen, was ich mit den Männern in

der Wüste gemacht habe?“

Kann er meine Gedanken lesen?
„Woher …?“, murmele ich ein wenig überrumpelt.

„Ich … bin mir nicht sicher, ob ich es wirklich
wissen will“, füge ich dann hinzu.

„Genügt es dir, zu wissen, dass sie nie wieder

versuchen werden, dich umzubringen?“

Ich frage mich die ganze Zeit, ob das Messer,

das Remus in der Wüste geholt hat, in einem der
Männer gesteckt hat. Hatte er keine Zeit, die
Klinge wieder an sich zu nehmen, weil er die
Schüsse gehört hat und mir zu Hilfe gekommen ist?

Er nähert sich mir nicht, sondern beobachtet

mich

abwartend.

Sein

Blick

ist

forschend

und

intensiv.

„Hast du Angst, Mel?“
Ich

schüttele

den

Kopf.

„Ich

werde

nicht

schreiend davonlaufen, falls du darauf wartest.“

„Du hast gesehen, wie ich diesem Dealer das

Genick gebrochen habe.“ Jetzt kommt er langsam
auf mich zu. „Ich wollte nicht, dass du mich
töten siehst. Nicht schon wieder.“

Ich straffe die Schultern. „Du hast es getan,

um mich zu retten.“

Er bleibt vor mir stehen und streicht sanft

über meinen Hals. Seine Berührung ist zärtlich,
obwohl er auch mein Genick brechen könnte wie
einen Zweig. „Du weißt, dass ich dir niemals weh-
tun werde, nicht wahr?“

„Ich habe keine Angst vor dir.“
Etwas glitzert in seinen Augen, doch bevor er

mir antworten kann, läutet es an der Tür. Remus

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reißt sich von mir los und lässt den Zimmerser-
vice herein, der die bestellte Kleidung liefert.

Ich schnappe mir das Kleid und die Schuhe, und

ziehe mich ins Schlafzimmer zurück. In der Mitte
des Raums steht ein großes Doppelbett, ich breite
das Kleid darauf aus und betrachte es, während
ich mich aus meiner Jeans und dem Shirt schäle.

Es ist ein schwarzes Cocktailkleid aus feinem

Chiffon. Ich bin gespannt, wie es mir steht. Die
dazu passenden Schuhe sind Killer High Heels,
schwarz, mit Zwölf-Zentimeter-Absatz.

„Las Vegas, Baby“, murmele ich zu mir selbst

und gehe ins Bad, um eine heiße Dusche zu nehmen.

Noch vor ein paar Tagen hätte ich mich niemals

getraut, so ein Kleid mit solchen Schuhen zu tra-
gen. Und jetzt? Jetzt liegt es in dem Schlafzim-
mer, auf dem Bett, das ich mit dem gefährlich-
sten,

tödlichsten

Mann

teilen

werde,

der

mir

jemals begegnet ist.

Was für ein aufregender Gedanke.
Ich erstarre, als ich Remus plötzlich hinter

mir höre. Ohne ein Wort zu sagen, tritt er zu mir
in

die

geräumige

Dusche

und

schiebt

die

Tür

hinter sich zu.

Sein nackter Körper verschlägt mir den Atem.

Während das Wasser über meine Haut läuft, kann
ich meinen Blick nicht von ihm abwenden, von dem
faszinierenden Muskelspiel unter seiner gebräun-
ten Haut, von all der Kraft, die unter der Ober-
fläche schlummert.

Schweigend verreibt er ein wenig Duschgel auf

seinen Handflächen und legt seine Hände auf mein-
en Körper. Seine Berührung schießt direkt zwis-
chen meine Beine. Er lässt seinen Blick auf mir
ruhen, während seine Hände langsam über meinen

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Körper

gleiten,

über

meine

Schultern,

meiner

Arme,

dann

über

meinen

Bauch

bis

zu

meinen

Brüsten. Meine Knospen stellen sich unter seinen
Zärtlichkeiten auf, mein Atem geht schneller, ich
beobachte ihn, während er mich sanft streichelt,
langsam und gnadenlos. Mein Blick flackert immer
wieder zu seiner Erektion, es ist nicht zu über-
sehen, wie sehr er mich begehrt. Dann packt er
mich plötzlich und dreht mich um, so dass ich mit
dem Rücken zu ihm stehe. Er umfasst von hinten
meine Brüste, ich spüre, wie er sich an meinen
Rücken drückt, fühle seine Härte an meinem Körp-
er. Er massiert sanft meine Brüste, dann gleitet
er

tiefer,

seiner

Hände

streicheln

über

die

Innenseite meiner Oberschenkel und berühren mich
zwischen meinen Beinen. Ich stöhne auf, als er
über meine Klitoris fährt, mich sanft neckt, und
beginne, meinen Po an seiner Erektion zu reiben.
Er lacht, männlich und rau, lässt eine Hand an
meinen

Hintern

gleiten

und

fängt

an,

ihn

zu

kneten.

Mein Verlangen pocht zwischen meinen Beinen,

ich bin verrückt nach diesem Mann! Er stützt sich
mit

einem

Arm

an

der

Wand

ab,

seine

harten

Muskeln streifen dabei wie zufällig meinen Körp-
er. Er ist so groß, so übermächtig, ich fühle
mich

ihm

in

der

Duschkabine

vollkommen

aus-

geliefert, und seltsamer Weise macht es mich un-
glaublich an. Er kann mit mir tun, was immer er
will,

und

anstatt

dagegen

zu

protestieren,

genieße ich dieses Gefühl und gebe mich ihm hin.
Ich hätte mich niemals getraut, ihn darum zu bit-
ten, mich zu unterwerfen, aber das ist bei Remus
auch nicht nötig. Seine männliche Dominanz ist so

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stark,

dass

er

nicht

auf

meine

Aufforderung

wartet.

Ich bebe erwartungsvoll, wünsche mir, dass er

mein

Becken

packt

und

von

hinten

in

mich

eindringt. Wie seine Kraft sich wohl anfühlen
wird, wenn ich ihn endlich in mir spüre?

Als könnte er meine Gedanken lesen, packen

seine Hände plötzlich meine Hüften und halten
mich fest. Ich könnte ihm nicht auskommen, selbst
wenn ich es wollte. Zitternd halte ich die Luft
an, mein Herz schlägt schneller, ich spüre, wie
er sich zu mir herunterbeugt – und einen Kuss auf
meinen Nacken drückt. Dann dreht er mich herum,
packt meine Handgelenke und hält meine Hände über
meinem Kopf fest, drückt mich mit seinem Körper
gegen die Wand und küsst mich, so hungrig und
voller Verlangen, dass mir der Atem stockt. Ich
fühle seinen harten Schwanz, der gegen meinen
Bauch drückt, spüre, wie sehr er mich besitzen
will. Oh Gott, ich könnte allein von der Intens-
ität seines Kusses kommen!

Wild

und

schamlos

erwiderte

ich

seine

Leidenschaft, ohne Einspruch dagegen zu erheben,
dass er mich festhält, dass er mich gewaltsam ge-
gen die Wand drückt … es macht mich so an, wie
ich es nie für möglich gehalten hätte! Scheiß auf
die Moralvorstellungen, dieser Mann erregt mich
unermesslich!

Als

sich

unsere

Lippen

voneinander

lösen,

starre ich ihn keuchend an, ich weiß, dass meine
Pupillen vor Verlangen geweitet sind. Ich ver-
suche, mich an ihn zu drängen, will mehr, und
kämpfe gleichzeitig gegen seinen Griff an, mit
dem

er

meine

Handgelenke

über

meinem

Kopf

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festhält … und Remus lacht, rau, überlegen und
männlich.

„Das war erst der Anfang, meine Schöne.“
Er beugt sich zu mir herunter, nimmt einen

Nippel zwischen seine Lippen und saugt daran,
bringt mich dazu, vor Lust aufzustöhnen. Dann
löst er sich von mir und lässt mich abrupt los.

Während er aus der Dusche steigt, wirft er mir

einen dunklen Blick zu - heiß genug, um mich noch
feuchter werden zu lassen, als ich ohnehin schon
bin. Wie …? Lässt er mich jetzt allein? Was war
das, etwa das Vorspiel vor dem Vorspiel?

Himmel, dieser Mann hat wirklich nicht zu viel

versprochen. Wenn wir endlich wirklich mitein-
ander schlafen, werde ich es tatsächlich niemals
vergessen …

Allein in der Dusche bin ich versucht, selbst

zu Ende zu bringen, was Remus begonnen hat. Aber
ich entscheide mich dagegen, will lieber warten,
was dieser unglaubliche Mann noch mit mir vorhat.

Als ich kurze Zeit später ebenfalls aus dem

Bad trete, ist das Schlafzimmer leer, ich höre
Remus im Salon telefonieren. Ich schlüpfe rasch
in das schwarze Cocktailkleid und die High Heels,
und betrachte mich im Spiegel. Das Kleid hat ein-
en gewagten Wasserfall-Ausschnitt, der es unmög-
lich macht, darunter einen BH zu tragen. Außerdem
betont es meine schlanke Taille, der kurze Rock
umspielt

locker

meine

Oberschenkel,

und

die

Schuhe sind … einfach nur heiß.

Noch vor ein paar Tagen hätte ich so ein Out-

fit niemals angezogen. Jetzt, während ich mich im
Spiegel ansehe, wird mir klar, dass das ich bin.
Mein neues Ich.

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Die Frau, die gegen Drogendealer kämpft und

mit einem Killer auf der Flucht ist. Ein unbekan-
ntes Gefühl von Selbstvertrauen und Wagemut kommt
in mir auf, je länger ich die sexy Frau im
Spiegel

betrachte.

Und

dann

fasse

ich

einen

Entschluss.

Wenn Remus glaubt, mit mir spielen zu können,

dann

wird

er

die

Überraschung

seines

Lebens

erleben.

„Du bist nicht der Einzige, der dieses Spiel

beherrscht“,

flüstere

ich,

und

meine

Augen

blitzen dabei fast so raubtierhaft wie die Augen
des

unwiderstehlichen

Mannes

vor

meiner

Schlafzimmertür.

Remus steht mit dem Rücken zu mir im Salon und

telefoniert. Er trägt Jeans und ein schwarzes
Hemd, das sich an seinen muskulösen Oberkörper
schmiegt und seine breiten Schultern betont.

Er legt auf und dreht sich zu mir um, seine

Augen werden dunkler, während sein Blick langsam
über meinen Körper wandert.

Früher wäre ich errötet, doch jetzt hebe ich

stolz das Kinn, während er mich mit den Augen
auszieht. Dann begegne ich seinem Blick und halte
ihm stand.

Ganz

langsam

breitet

sich

ein

Lächeln

auf

Remus‘ Lippen aus. Er nimmt die Herausforderung
an, und es gefällt ihm.

„Unwiderstehlich heiß.“
„Du hast das Kleid bestellt.“
Er schmunzelt verwegen. „Ich habe nicht von

dem Kleid gesprochen.“

Er

hält

mir

die

Tür

auf,

wir

gehen

zum

Fahrstuhl.

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„Ich habe Verstärkung angefordert. Sie werden

noch heute Nacht hier eintreffen.“

„Was für Verstärkung?“
„Meine Kameraden. Sie werden uns zurück nach

L.A. eskortieren.“

„Du hast gerade mit ihnen telefoniert?“
Er

nickt,

während

sich

die

Fahrstuhltüren

schließen. „Keine Geheimnisse mehr, schon ver-
gessen?“ Der warme Ton in seiner Stimme läuft wie
flüssiger Honig über meine Haut.

„Denkst du, dass Gonzales uns wieder angreifen

wird?“

„Er wird versuchen, uns davon abzuhalten, dich

dem Staatsanwalt zu übergeben. Du bist die ein-
zige Verbindung zwischen ihm und dem illegalen
Medikamentenhandel,

du

bist

das

fehlende

Puzzleteil, auf das die Staatsanwaltschaft gewar-
tet hat. Wenn du nicht aussagst, gibt es auch
keine Anklage.“

„Was ist mit dir? Du warst doch ebenfalls

Zeuge des Deals.“

„Uns gibt es offiziell nicht, Mel - weder

mich, noch meine Kameraden, noch unsere Einheit.
Mein Chef wird nicht zulassen, dass ich die Ein-
heit verlasse, nur um gegen Gonzales auszusagen.
Du

bist

die

einzige

Zeugin

der

Staatsanwaltschaft.“

Ein Gefühl der Beklemmung ergreift mich. Als

könnte er es spüren, zieht er mich in seine Arme
und hält mich fest. Seine Berührung ist nicht
fordernd, sondern beschützend. „Keine Sorge. Ich
werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht.
Du bist bei mir sicher, das verspreche ich dir.“

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Ich lehne mich an seine harte Brust. „Wenn du

nicht gewesen wärst, dann wäre ich schon längst
tot.“

„Ich werde dich immer beschützen, Mel.“
Plötzlich habe ich einen Kloß im Hals. Sein

geflüstertes Versprechen, mir seinen Schutz zu
gewähren, seine tödlichen Waffen, die gegen mein-
en Körper drücken, während er mich an sich presst
… sein Angebot ist so männlich, dass meine Knie
plötzlich weich werden.

Wie könnte ich es ausschlagen? Jetzt, da ich

weiß, dass Remus stark genug ist, um sein Ver-
sprechen tatsächlich zu halten? Das sind keine
leeren Worte. Die Frau in mir spürt, dass ich bei
ihm sicher bin. Weil er jeden umbringen wird, der
mir zu nahe kommt.

Moment mal … ich bin eine moderne, unabhängige

Frau, warum fühle ich mich auf so archaische Art
zu diesem Mann hingezogen? Warum macht es mich so
an,

dass

dieser

tödliche

Krieger

mir

seinen

Schutz gewährt?

„Immer?“, flüstere ich. „Heißt das, bis nach

der Verhandlung?“ Insgeheim fürchte ich nämlich,
Remus nicht wiederzusehen, wenn wir L.A. erreicht
haben und ich bei der Staatsanwaltschaft in Sich-
erheit bin.

Remus runzelt die Stirn. „Die Sache wird damit

nicht

erledigt

sein.

Gonzales

wird

versuchen,

sich zu rächen. Er wird erst ruhen, wenn es
Melanie Bright nicht mehr gibt.“

Ich erstarre in seinen Armen. „Ich will nicht

für immer um mein Leben fürchten. Und du kannst
doch nicht ewig auf mich aufpassen.“

Seine Hände streicheln beruhigend über meinen

nackten Rücken. „Wir werden eine Lösung finden.

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Ich

verspreche

dir,

dass

ich

alles

versuchen

werde, damit du dein Leben zurückbekommst.“

„Vielleicht

will

ich

mein

altes

Leben

gar

nicht wieder zurück.“

Remus‘

Augenbrauen

wandern

überrascht

nach

oben.

Ich

schiebe

die

düsteren

Gedanken

an

Gonzales und meine ungewisse Zukunft zur Seite,
ich

will

nicht

darüber

nachdenken,

dass

ich

jederzeit von Gonzales‘ Männern erschossen werden
könnte … ich will leben, hier und jetzt. Mein
Herz schlägt kräftig gegen meinen Brustkorb, ich
stelle mich auf die Zehenspitzen und küsse Remus
auf den Mund.

Er erwidert meinen Kuss, seine Hand schlingt

sich in meine Haare, er hält meinen Kopf fest und
presst

meinen

Körper

an

sich.

Ich

schmecke

denselben Überlebenswillen auf Remus‘ Lippen, die
Leidenschaft, jeden Moment voll auszukosten, eine
wilde, unbezähmbare Lebendigkeit.

Ich bemerke erst, dass sich die Fahrstuhltüren

geöffnet haben, als sich jemand dezent räuspert.
Remus und ich lösen uns voneinander, er schlingt
seinen Arm um mich und führt mich hinaus, vorbei
an den schockiert dreinblickenden Gästen vor dem
Fahrstuhl.

Wir gehen in die Bar des Casinos. So wie alles

in diesem Hotel ist auch die Bar luxuriös ein-
gerichtet, doch weil es schon so spät ist, ist
sie fast leer. Der Barkeeper steht hinter dem
Tresen und sortiert Gläser, nur wenige Tische
sind besetzt.

Remus führt mich an die Bar, wir setzen uns

und er stützt seinen Fuß an meinem Barhocker auf.
Dabei

streift

sein

Bein

meinen

Schenkel,

die

scheinbar

harmlose

Geste

ist

besitzergreifend,

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stellt klar, dass ich zu ihm gehöre. Er bestellt
Whiskey, ich Long Island Icetea.

Bereits

der

erste

Schluck

schießt

mir

ins

Blut, es dauert nicht lang und mein Kopf beginnt,
sich zu drehen. Remus Finger streichen spiel-
erisch über mein nacktes Knie.

„Wie ist es so, Berufskiller zu sein?“ Ich

spreche mit gesenkter Stimme, obwohl uns niemand
beachtet

und

die

Loungemusik

unser

Gespräch

übertönt.

Remus‘ Augen blitzen auf. „Was?“
„Erzähl mir davon.“
„Es ist …“ Er lächelt, rau und freudlos. „Es

kommt auf den Einsatz an.“

„Was ist das Schlimmste daran?“
„Das Schlimmste?“ Remus braucht nicht lange zu

überlegen. „Das Schlimmste ist die Einsamkeit. Es
ist schwer, jemandem zu vertrauen. Nicht viele
Frauen sind bereit zu akzeptieren, was wir tun.“

Ich nicke. „Und was ist das Beste?“
Remus wiegt nachdenklich den Kopf. Bevor er

antworten kann, neige ich mich zu ihm, umfasse
seinen Nacken und bringe meine Lippen so nah an
sein Ohr, dass sie seine Haut streifen.

„Es ist das Gefühl, sich lebendig zu fühlen,

nicht wahr? Jedes Mal, wenn du dem Tod entkommst,
dann weißt du, dass du lebst, ist es nicht so?
Das ist unbezahlbar, und deshalb würdest du auch
niemals einen anderen Job machen, habe ich nicht
Recht?“

Remus blickt mich an, in seinen Augen mischt

sich Überraschung mit ungläubiger Verwunderung.
Ich habe das Gefühl, dass er niemals einer Frau
begegnet ist, die ihn so verstanden hat wie ich.

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Noch vor wenigen Tagen hätte auch ich ihn

nicht verstanden. Aber die Dr. Melanie Bright von
damals gibt es nicht mehr.

Ich schlinge meine Hand in seine braunen Lock-

en und küsse ihn, schamlos, mitten in der Bar.
Remus erwidert meinen Kuss voller Leidenschaft.
Die Hitze, die von seinem Körper ausgeht, hüllt
mich ein, er umfasst mein Knie und lässt seine
Hand

meinen

Oberschenkel

entlang

gleiten,

bis

seine Finger meinen Rocksaum berühren.

Wenn er erwartet, dass ich ihn aufhalte, dass

ich seine Hand festhalte und beschämt von meinem
Bein ziehe, dass ich mich errötend umsehe … dann
hat er sich geirrt.

Ich erwidere seinen Zungenkuss und schmiege

meinen Schenkel herausfordernd in seine Hand.

Er knurrt rau, der Blick seiner Augen ist

dunkel und heiß. „Bist du sicher, dass du mit mir
spielen willst?“

Ich höre seiner Stimme an, wie sehr ihn der

Gedanke anmacht. Ich erkenne mich schon längst
nicht mehr wieder, und der Long Island Icetea
trägt sicherlich seinen Teil dazu bei, aber ich
schenke Remus einen verruchten Augenaufschlag und
lasse meine Zunge wie zufällig über meine Lippen
gleiten. Sein Blick wird sofort davon angezogen,
ich juble innerlich auf.

Er gehört mir.
„Ich spiele nur mit großen Jungs.“
Keine Ahnung, woher ich den Mut nehme, aber

mein Ton ist selbstbewusst und sexy.

Doch mein Selbstvertrauen gerät schon im näch-

sten Moment ins Wanken, als ich seine Reaktion
sehe, das gefährliche Aufblitzen des Wolfs in
seinen Augen.

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„Du hättest mich nicht herausfordern sollen.“

Es

ist

ein

Knurren,

rau,

männlich

und

unwiderstehlich.

Im nächsten Moment räumt er mit seinem Arm den

Tresen ab, hebt mich hoch und ehe ich es mich
versehe,

liege

ich

mit

dem

Rücken

auf

dem

Bartresen, Remus steht zwischen meinen Beinen,
über mich gebeugt wie ein Raubtier. Mein Rock ist
bis zum Slip hochgerutscht, Remus Hand gleitet an
meinem Oberschenkel entlang bis zu meinem Po,
während er mich hart auf den Mund küsst.

Erregung schießt durch meinen Körper wie ein

Blitz. Remus ist nicht zärtlich, er ist fordernd,
nimmt sich, was er will, sein mächtiger Körper
drängt sich gegen meinen …

Würde er es mit mir tun, hier, mitten auf dem

Tresen? Gott, mir schwirrt der Kopf, ich keuche
an seinen Lippen auf, mein Verlangen nach diesem
Mann ist überwältigend, berauschend.

„Sir! Ich muss den Sicherheitsdienst rufen,

wenn Sie nicht auf der Stelle …!“ Die alarmierte
Stimme des Barkeepers dringt an mein Ohr.

Es dauert gefühlte dreißig Sekunden, bis Remus

von

mir

ablässt,

sich

zurückzieht

und

mir

plötzlich ganz Gentleman - vom Tresen hilft.

„Das wird nicht notwendig sein. Ich wollte nur

etwas

klarstellen.“

Mit

einem

anzüglichen

Lächeln, das vor Selbstvertrauen nur so strotzt,
legt er seinen Arm um mich und führt mich aus der
Bar.

Ich bin immer noch außer Atem, und das Krib-

beln zwischen meinen Schenkeln lässt meine Knie
zittern. Ich erwarte, dass Remus mich zum Fahr-
stuhl

führt,

damit

wir

in

der

Suite

endlich

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ungestört sind … doch stattdessen finde ich mich
kurze Zeit später im Casino wieder.

„Du wolltest doch spielen.“ Er schmunzelt wis-

send, als er meinen verwirrten Blick bemerkt.

Doch nicht Roulette …
Er führt mich an einen Spieltisch, sein harter

Körper drängt sich von hinten gegen mich, er hält
mich

fest,

sein

Arm

besitzergreifend

um

mein

Becken geschlungen.

„Wenn du mit Jungs spielen willst, dann darfst

du keinen Mann herausfordern, Baby“, raunt er mir
zu, sein Bart kratzt an meiner Haut, seine harten
Muskeln umgeben mich wie ein stählerner Käfig.

Und dann beginnt Remus, zu spielen - und ich

begreife, dass niemand dieses Spiel so beherrscht
wie er.

Ich bekomme nicht einmal mit, welche Zahlen er

setzt oder ob wir gewinnen oder verlieren. Er
presst mich so dicht an seinen Körper, dass ich
jede seiner Bewegungen spüre, die Stärke seiner
Muskeln, die Kraft, die in seinem mächtigen Körp-
er steckt … jedes Mal, wenn er sich nach vorn
beugt, um zu setzen, streift sein Bart rau mein
Gesicht,

drängt

sich

der

Beweis

gegen

meinen

Rücken, wie sehr er mich begehrt …

Es ist wie ein öffentliches Vorspiel, unsicht-

bar für die anderen, aber umso erregender für
mich. Ich fühle, wie ich feucht werde, je fester
er mich gegen sich presst, je besitzergreifender
sein Arm sich um mich schlingt. Als sein Bizeps
meine Brust streift, richtet sich meine Brustwar-
ze auf, wird deutlich unter dem zarten Chiffon
sichtbar.

Mein Puls geht schneller, ich bemerke erst

nach

einer

Weile,

dass

meine

Lippen

geöffnet

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sind. Mein Kopf dreht sich, Remus‘ Art der Ver-
führung berauscht mich. Ich weiß, dass ich nichts
gegen seine Kraft ausrichten kann, und ich spüre,
wie sehr es ihn erregt, mich festzuhalten.

Die süße Folter scheint ewig zu dauern. Ir-

gendwann beugt sich Remus schließlich zu mir,
seine Lippen streifen mein Ohr und jagen einen
Schauer über meinen Körper.

Erst jetzt bemerke ich, dass der Croupier et-

was zu Remus sagt.

„Ihren Einsatz bitte, Sir?“
„Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist“,

flüstert Remus in mein Ohr. Ich blinzele, vor uns
auf dem Tisch türmen sich Spieljetons. Haben wir
etwa gewonnen?

Remus nimmt die Jetons an sich, wir verlassen

das Casino, er führt mich zu den Fahrstühlen.

Meine Knie zittern, ich kann es nicht er-

warten, mit ihm allein zu sein. Während wir auf
den Fahrstuhl warten, legt Remus seine Hand in
meinen Nacken und lässt seinen Daumen über meine
Haut kreisen. Die Geste ist besitzergreifend und
zärtlich.

„Meine Kameraden werden in Kürze hier sein.

Dann brechen wir auf.“

„Jetzt gleich?“ Es gelingt mir kaum, die Frus-

tration in meiner Stimme zu verbergen.

Dieser Mann hat mich so scharf gemacht, dass

ich endlich mit ihm vögeln will! Oh Gott … habe
ich das wirklich gerade gedacht?

„Je schneller wir dich zum Staatsanwalt bring-

en, desto besser.“

Remus‘ Gesichtsausdruck ist schwer zu deuten.

Einerseits wirkt er ruhig und beherrscht, ander-
erseits glüht ein Feuer in seinen Augen, als ob

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er mir am liebsten auf der Stelle die Kleider vom
Leib reißen würde.

„Ich verstehe.“ Nicht mit mir. Du wirst dich

noch

wundern,

mein

gefährlicher

Krieger.

Wir

steigen in den leeren Aufzug, die Türen schließen
sich. „Dann haben wir gar keine Zeit, um die
Suite zu genießen.“

Ehe Remus mir antworten kann, drücke ich die

Notstopp-Taste und der Fahrstuhl bleibt mit einem
Ruck zwischen zwei Stockwerken stehen. Ich drehe
mich zu Remus um und gehe langsam auf ihn zu.

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Kapitel 14

Ich küsse ihn und dränge ihn mit dem Rücken

gegen die Fahrstuhlwand. Er gestattet mir, seine
Handgelenke zu packen und an der Wand festzuhal-
ten, es gibt mir ein berauschendes Gefühl von
Macht,

ihn

zu

kontrollieren,

während

ich

ihn

leidenschaftlich küsse.

Remus lässt mich gewähren … doch dann bricht

das Raubtier in ihm hervor. Mit einem Knurren be-
freit er sich von meinem Griff, drängt mich durch
die Kabine und drückt mich an die gegenüberlie-
gende Wand. Seine Zunge dringt in meinen Mund
ein, wild und fordernd, während seine Hand den
Träger

meines

Kleids

zur

Seite

streift.

Ich

spüre, wie der weiche Chiffon über meine Haut
gleitet und meine Brust entblößt, wie Remus sie
mit seiner Hand umfasst und liebkost. Er keucht,
ich fühle seine Erregung, die sich gegen meinen
Körper drängt, trotzdem ist seine Berührung nicht
grob. Er knetet meine Brust zärtlich, streichelt
über meinen harten Nippel, während seine Küsse
immer heißer, immer drängender werden.

Seine andere Hand gleitet unter meinen Rock,

er hebt meinen Schenkel hoch, schlingt mein Bein
um seine Hüfte und umfasst meinen Po. Sein Körper
presst sich gegen meinen, er drückt mich gegen
die Wand, ich fühle, wie hart er kämpft, um seine
Stärke zu kontrollieren …

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Seine

Hand

gleitet

zwischen

meine

Beine,

streichelt mich durch den Slip. Er stöhnt an
meinen Lippen zufrieden auf, als er fühlt, wie
feucht ich bin.

Seine Berührung treibt mich in den Wahnsinn.

Ich küsse ihn atemlos, während er mich langsam
streichelt, mich zärtlich neckt, ich dränge mich
ihm

entgegen

und

bewundere

seine

Selbstbe-

herrschung … ich bin kurz davor zu kommen, ich
weiß nicht, wie lange ich diese Tortur noch er-
tragen kann! Meine Hände finden seinen Gürtel,
nesteln

ungeschickt

daran

herum,

ihm

entringt

sich ein kehliges Lachen.

Dann schiebt er meinen Slip zur Seite und

dringt mit einem Finger in mich ein.

Ich keuche auf, meine Knie geben nach und ich

sinke an seinem Körper zusammen. Remus schiebt
sein Bein zwischen meine Schenkel, sodass sein
Oberschenkel mich stützt, während ich auf seiner
Hand sitze.

Sein Finger neckt und reizt mich, gleichzeitig

lässt

er

seinen

Daumen

über

meiner

Klitoris

kreisen.

Ich vergesse alles um mich herum, so über-

wältigend ist die Erregung, die von mir Besitz
ergreift. Ich umklammere seine Schultern, werfe
den Kopf zurück und stöhne heiser auf, als er be-
ginnt, seinen Finger in mir zu bewegen.

Ich empfinde kein Schamgefühl, keine Zurück-

haltung mehr, als die Lust sich wie Feuer in mir
ausbreitet. Ich kreise mein Becken, um die Erre-
gung seiner Berührung zu intensivieren, klammere
mich an ihm fest, drücke mich gegen seinen Ober-
schenkel und reite auf seiner Hand.

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„Ja, Baby, komm“, knurrt er heiser, sein Blick

glühend auf mich gerichtet. Es scheint ihn anzu-
machen, mir zuzusehen, doch das bekomme ich kaum
mit, mein Verstand ist abgeschaltet, ich bestehe
nur noch aus purer, reiner Lust.

Remus knetet meine nackte Brust, während ich

mein Becken immer schneller bewege, immer härter
auf seiner Hand reite, bis die Wellen der Erre-
gung sich überschlagen und ein intensiver Orgas-
mus mich überkommt. Ich stöhne zitternd, während
das

Feuerwerk

durch

meinen

Körper

jagt,

umk-

lammere Remus, während sich meine inneren Muskeln
um seinen Finger schließen.

Als ich wieder zu Sinnen komme, lächelt er

mich an, verwegen und männlich. Seine Hand hält
immer noch meine nackte Brust umfasst und sein
Finger ist immer noch in mir, während ich mit ge-
spreizten Beinen auf seinem Schenkel sitze.

„Willst du mich um den Verstand bringen?“,

keuche ich heiser. Ich sollte jetzt wohl so etwas
wie Scham empfinden, doch das tue ich nicht. Ich
habe

auch

nicht

das

Bedürfnis,

mich

von

ihm

zurückzuziehen, seine Berührung und seine Nähe
fühlen sich intim und vertraut an, und es ist ein
großartiges Gefühl.

„Ja,

das

habe

ich

vor.“

Er

grinst.

„Sei

gewarnt.“

„Ich werde dich nie wieder gehen lassen.“ Es

ist als Scherz gemeint, doch als ich die Worte
höre, wird mir klar, dass ich sie ernst meine.

Ein merkwürdiger Ausdruck flackert über Remus‘

Gesicht, fast glaube ich, ihm gefällt, was er
hört. Doch er erwidert nichts, sondern küsst mich
zärtlich, bevor er sich von mir zurückzieht.

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„Wir

sollten

uns

beeilen.“

Er

löst

die

Notstopp-Taste,

der

Fahrstuhl

setzt

sich

in

Bewegung.

„Nicht so schnell.“ Ich strecke meine Hand aus

und stoppe den Fahrstuhl. Mit einem Ruck halten
wir an, ich blitze Remus frech und anzüglich an.
„Ich bin dran.“

Überrascht lässt er sich von mir in die Ecke

gegen die Wand drücken. Mit einem vielsagenden
Lächeln öffne ich seinen Gürtel.

„Du gibst mehr, als du nimmst.“ Ich öffne

seine Jeans. „Es wird Zeit …“, ich ziehe die
Jeans über seine Oberschenkel hinunter, „dass ich
das ändere.“ Ich umfasse seine harte Erektion. Er
zieht

scharf

die

Luft

ein,

während

ich

ihn

streichle.

Spielerisch lasse ich meine Finger unter seine

Boxershorts gleiten und ziehe sie herunter. Sein
Schaft ragt zwischen uns auf, glatt und samten,
von Adern überzogen. Er ist so erregt, dass ich
mich frage, wie er sich beherrschen konnte.

Ich sehe ihm in die Augen, während ich langsam

vor ihm auf die Knie sinke.

Ich habe das noch nie für einen Mann getan.

Die Vorstellung hatte immer etwas Erniedrigendes
für mich, aber hier, jetzt, will ich es tun – es
macht mich ungemein an, mir vorzustellen, ihn in
den Mund zu nehmen, zu sehen, wie sehr ich Remus
erregen kann.

Ich bin mit einem Killer auf der Flucht vor

Drogendealern, ich bin gerade in einem Hotelfahr-
stuhl in Las Vegas an der Hand dieses tödlichen
Mannes gekommen, da erscheint es mir gar nicht
abwegig, dass ich ihm einen blasen will … Ich

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muss schmunzeln, als mir dieser Gedanke durch den
Kopf schießt.

Die alte Dr. Melanie Bright wäre schockiert …
Remus streckt die Arme zur Seite aus, stützt

sich an der Wand ab und keilt sich ein. Sein Atem
geht schneller, es ist offensichtlich, wie sehr
er sich zurückhält.

Ich beschließe, meine neugewonnene Macht aus-

zukosten und es ihm mit gleicher Münze heimzuzah-
len. Quälend langsam streiche ich mit den Finger-
spitzen über seine Erektion, schenke ihm ein ver-
schmitztes Lächeln, als sein Becken zu zucken
beginnt.

„Gefährliches Mädchen“, knurrt er heiser.
„Das ist erst der Anfang.“ Gott, wie ich es

liebe, mit ihm zu spielen!

Remus‘ Armmuskeln verkrampfen sich, als wollte

er die Fahrstuhlwände sprengen. Doch er hält sich
ruhig, lässt meine Folter über sich ergehen. Ich
genieße das Wissen, dass er sich mir ausliefert.

Ich nähere meine Lippen seinem Schwanz, lasse

meine Zunge neckend und spielerisch über seine
Eichel gleiten. Remus stöhnt auf, als ich über
sein empfindliches Fleisch lecke, sein gesamter
Körper spannt sich an, er wirkt wie ein Raubtier
kurz vor dem Angriff. Mit brennenden Augen ver-
folgt er alles, was ich tue, das Ausmaß seiner
Erregung würde mir Angst machen, wenn ich ihm
nicht vertrauen würde. Ich weiß, dass er niemals
etwas gegen meinen Willen tun würde, und es macht
mich an, wie sehr ich ihn erregen kann.

Vorsichtig schließe ich meine Lippen um seine

Eichel und lasse ihn ganz langsam in meinen Mund
gleiten. Remus schließt die Augen, ein tiefes
Knurren entringt sich seiner Kehle, während ich

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beginne, meine Lippen an seinem Schaft entlang zu
schieben. Meine Zunge spielt dabei immer wieder
an seiner Eichel, ich beginne zu saugen, und
Remus‘ Arme verkeilen sich noch stärker gegen die
Wand.

Ich

spüre,

wie

sein

Becken

gegen

mich

drängt, wie sehr er sich zurückhält, aber sein
Schwanz beginnt, unkontrolliert zu zucken.

Ich umfasse seine Erektion mit meinen Händen,

sodass er gegen mich stoßen kann, ohne zu fürcht-
en, mir wehzutun. Seine Augen blitzen auf, er
stöhnt und drängt sein Becken gegen mich, ich
kann seiner Kraft kaum standhalten, während er in
meine Hand stößt. Sein Schwanz wird noch härter,
und

plötzlich

schießt

sein

Samen

heraus

und

spritzt auf meine Brüste.

Remus sinkt zusammen, er stützt sich noch im-

mer mit den Händen an der Wand ab, sein Atem geht
heftig.

Ich

erhebe

mich

schmunzelnd.

„Wir

sollten

öfter in Vegas kommen, findest du nicht?“

Er knurrt und zieht mich mit rauem Griff an

sich. An die Wand gelehnt hält er mich in seinen
Armen, seine Hand spielt in meinem Haar, während
er mit geschlossenen Augen das entspannte Gefühl
nach dem Orgasmus genießt.

„Gefährliches Mädchen“, wiederholt er schließ-

lich, ohne die Augen zu öffnen. „Verdammt gefähr-
liches Mädchen …“

Was für ein Kompliment von einem Mann wie ihm

vor

allem,

wenn

man

die

tödlichen

Klingen

bedenkt, die unter seiner Kleidung verborgen sind
und in diesem Moment gegen meinen Körper drücken.
Er könnte mich auf hundert verschiedene Arten um-
bringen

stattdessen

hält

er

mich

an

sich

gedrückt und streichelt mich. Liebevoll.

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Diese neue Frau, die ich geworden bin, ist

nicht nur stolz und wild, sondern auch anschein-
end auch verrückt. Statt mich vor ihm zu fürcht-
en, genieße ich seine Zärtlichkeiten. Anscheinend
geht dieses neue Freiheitsgefühl mit geistiger
Umnachtung einher …

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als

Remus‘ Handy vibriert. Sobald er einen Blick auf
das Display wirft, ist er plötzlich ganz im Krie-
germodus. „Unsere Eskorte ist da.“

Kurze Zeit später treffen wir auf dem Park-

platz des Hotels auf Remus‘ ‚Eskorte‘. Mir klappt
die Kinnlade runter, als ich sie sehe.

Vier Hünen in schwarzer Lederkleidung lehnen

an ihren schweren Maschinen und erwarten uns sch-
weigend. Jeder von ihnen sieht tödlich aus und
mir ist sofort klar, dass sich niemand mit diesen
Männern anlegen wird. Ich gehe jede Wette ein,
dass sie unter all dem schwarzen Leder bis an die
Zähne bewaffnet sind.

Da unsere Kleidung verdreckt und blutig ist,

tragen wir unsere neuen Sachen. Ich werde in
Cocktailkleid

und

High

Heels

auf

der

Harley

fahren,

ein

würdiger

Abschluss

für

diesen

vollkommen irren Tag, wie ich finde. Als wir
Remus‘ Kameraden erreichen, wandern ihre Blicke
zurückhaltend über mich.

„Mel, das ist der Rest meiner Einheit. Das

sind Leon und Draco …“, Remus deutet auf einen
dunkelhaarigen und einen blonden Mann, die mir
zunicken, „das ist Shark …“, ein schwarzhaariger
Mann mit blauen Augen, der an einem Hummer lehnt,
zwinkert mir zu, „und das ist Hawke.“ Der letzte
der vier Männer, ein Kerl mit Dreitagebart und

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vernarbtem

Gesicht,

nickt

mir

schweigend

zu.

„Männer, das ist Dr. Melanie Bright.“

„Nennen Sie mich Mel.“ Ich lächle die Krieger

ein wenig unsicher an. Wären sie nicht Remus‘
Freunde, hätte ich mich nie in ihre Nähe getraut.

„Wir

bringen

euch

sicher

nach

L.A.“,

sagt

Hawke. „Der Staatsanwalt kann es kaum erwarten,
Ihre

Zeugenaussage

aufzunehmen

und

diesen

Gonzales endlich hinter Gitter zu bringen.“

Ohne ein weiteres Wort schwingen sich die Män-

ner auf ihre Maschinen, ich folge Remus automat-
isch zu seiner Harley, doch er hält mich zurück.

„Du fährst mit Shark.“
Verwirrt blinzele ich ihn an. „Aber ich …“
Remus

fasst

mich

an

den

Schultern

und

streichelt über meine Haut. „Falls wir in einen
Hinterhalt geraten, will ich, dass du von ku-
gelsicherem

Stahl

umgeben

bist.“

Seine

Stimme

klingt besorgt, mein Herz beginnt zu flattern,
weil er vor seinen Kameraden so zärtlich mit mir
spricht. „Bitte, Mel, steig in den Hummer.“

„Was ist mit dir?“
„Wir

passen

schon

auf,

dass

ihm

nichts

geschieht.“

Draco,

der

blonde

Hüne

auf

der

Maschine neben uns, zieht seine Jacke zur Seite
und entblößt zwei Maschinenpistolen.

Leon wirft Remus etwas zu, es ist eine Kugels-

chutzweste,

mein

Magen

krampft

sich

zusammen.

Remus streift sie über, dann nimmt er Halfter,
Schusswaffen und eine Lederjacke von seinen Kam-
eraden entgegen. Schnell und routiniert legt er
alles an, dann schlingt er seine Hand um meinen
Nacken und zieht mich an sich.

Sein Körper fühlt sich noch größer und härter

an, die Schutzweste und die Waffen pressen sich

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gegen mich, während Remus mich sanft auf den Mund
küsst. Dann schwingt er sich ebenfalls auf seine
Maschine.

„Kommen Sie, Doc.“ Shark, der schwarzhaarige

Krieger mit den blitzblauen Augen, hält mir die
Beifahrertür

auf.

Während

die

anderen

die

Maschinen starten, steige ich ein und Shark nimmt
auf dem Fahrersitz Platz. In dem massiven Wagen
mit den verdunkelten Scheiben fühle ich mich wie
in einem Panzer. Wir rollen im Konvoi vom Park-
platz, Remus und Draco sind vor uns, die anderen
beiden folgen uns.

Weil es so früh am Morgen ist, herrscht nur

wenig Verkehr. Wir fahren auf direktem Weg aus
der Stadt hinaus, ich blinzele scheu zu Shark
hinüber, der über der Brust ein Halfter mit zwei
Maschinenpistolen trägt. Unter seinem engen Shirt
wölben sich beachtliche Arm- und Schultermuskeln.
Seine

Hände

auf

dem

Lenkrad

sind

breit

und

kräftig, er hat massive Knöchel und die Adern
treten auf dem Handrücken deutlich hervor. An-
scheinend

sind

alle

Männer

in

Remus‘

Einheit

geübte Kämpfer.

Shark bemerkt meinen forschenden Blick. „Haben

Sie keine Angst, Doc. Wir passen gut auf Sie
auf.“

„Ich habe keine Angst.“ Es ist die Wahrheit.

„Jedenfalls nicht um mich.“ Ich blicke nach vorn
auf die beiden Motorradfahrer.

Sharks Augen blitzen auf. Er hat etwas Sym-

pathisches, Jungenhaftes an sich, kleine Grübchen
bilden sich auf seinen Wangen, wenn er lächelt.

Wie eine unwiderstehliche Mischung aus Killer

und Hundewelpe.

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„Sie mögen ihn, nicht wahr?“ Sein Ausdruck ist

so

entwaffnend

aufrichtig,

dass

mir

die

aus-

weichende Antwort nicht über die Lippen kommt.

„Ja“, antworte ich stattdessen. „Ich mag ihn

sehr.“

Shark nickt. „Er mag Sie auch.“
Mein

Herz

pocht.

Gott,

ich

bin

doch

kein

Teenager!

„Ich habe gesehen, wie er Sie ansieht.“ Shark

schmunzelt,

während

er

sich

auf

den

Verkehr

konzentriert. „Remus ist ein Spaßvogel … und ein
Charmeur“, fügt er entschuldigend hinzu. „Aber
ich habe nie erlebt, dass er eine Frau so ansieht
wie Sie.“

Mein Herz klopft jetzt so laut, dass ich mir

sicher bin, dass Shark es hören kann. Ich muss
mich zusammenreißen, um ein breites Grinsen zu
unterdrücken.

„Verraten Sie ihm bloß nicht, dass ich das

gesagt habe.“

„Versprochen.“
„Er hat die ganze Einheit zusammengetrommelt,

um Sie sicher hier rauszuholen.“ Shark grinst vor
sich hin. „Nicht, dass ich nicht immer für einen
Trip nach Vegas zu haben wäre, aber …“

„Wie lange kennen Sie Remus?“
„Ein paar Jahre. Er war schon bei der Einheit,

als ich dazugekommen bin. Chief Panther, unser
Kommandant, hat die Einheit gemeinsam mit Hawke
gegründet. Dann sind Leon und Draco dazugestoßen,
dann Remus, und schließlich ich.“

„Gefällt

Ihnen

der

Job?“

Mögen

Sie

es,

Menschen umzubringen? Oh Mann, Mel, was für eine
blöde Frage!

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„Es ist abwechslungsreich, man kommt viel her-

um …“ Shark schmunzelt. „Nein, im Ernst, es ist
hart, aber ich würde mit niemandem tauschen. Der
Job lässt sich schwer mit einem Privatleben ver-
einbaren, meine Kameraden sind meine Familie ge-
worden. Wir würden füreinander sterben, wenn es
sein muss.“ Als er meinen erschrockenen Blick
sieht, wechselt er rasch das Thema. „Wie sieht es
mit Ihnen aus? Haben Sie sich schon überlegt, wie
es weitergehen soll?“

Ich runzele die Stirn. „Wie es …? Was meinen

Sie?“

„Nachdem

Sie

eine

Kronzeugin

der

Staatsan-

waltschaft sind, können Sie nicht wieder in ihr
altes Leben zurück. Gonzales‘ Männer würden Sie
aufspüren und sich an Ihnen rächen. Man wird Sie
in das Zeugenschutzprogramm aufnehmen, Ihnen eine
neue Identität geben, einen neuen Namen, einen
neuen Job und all das. Hat Remus nicht mit Ihnen
darüber gesprochen?“

„Nein.“ Plötzlich ist mein Hals trocken, ich

räuspere mich. „Jedenfalls nicht so ausführlich.
Wir waren damit beschäftigt, nicht umgebracht zu
werden.“

Wow. Dr. Melanie Bright existiert also bald

wirklich nicht mehr. Ich starre wie paralysiert
aus dem Fenster, während die Bedeutung von Sharks
Worten langsam einsickert.

Ich kann nie wieder in mein Haus zurück. Mein

Job im Memorial ist ebenfalls Geschichte. Werde
ich je wieder als Ärztin arbeiten? Ich kann doch
nichts anderes!

Oh mein Gott, werde ich meine Mutter jemals

wiedersehen? Meine Freunde? Plötzlich rast mein
Leben an mir vorbei, dieses Leben, aus dem ich

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unbedingt ausbrechen wollte – jetzt erscheint es
mir auf einmal viel wertvoller, jetzt bin ich mir
plötzlich nicht mehr sicher, ob ich es wirklich
hergeben möchte … aber jetzt ist es zu spät.

Ich

starre

auf

meine

Reflexion

im

Seiten-

spiegel und frage mich, wer ich eigentlich bin.
Wenn

ich

Dr.

Melanie

Bright

ablege

wie

alte

Kleidung, wer bleibt dann übrig?

„Wir haben Gesellschaft.“ Sharks scharfer Ton

holt mich in die Gegenwart zurück. Plötzlich hat
er alles Jungenhafte abgelegt, ist ganz Krieger,
und starrt konzentriert in den Rückspiegel.

Ich drehe mich hastig um, hinter uns sind zwei

Geländewagen aufgetaucht, die viel zu dicht an
Hawkes

und

Leons

Motorräder

aufschließen.

Wir

befinden uns ein paar Meilen außerhalb von Las
Vegas, um uns herum ist nichts als Wüste.

Shark beschleunigt, vor uns geben Remus und

Draco ebenfalls Gas und wir jagen über die Land-
straße, verfolgt von den beiden Geländewagen.

„Sind das Gonzales‘ Männer?“, keuche ich. „Wo-

her wussten sie, wie sie uns finden?“

„Wahrscheinlich haben sie Posten an den Aus-

fahrten

der

Stadt

aufgestellt.“

Sharks

Blick

flackert immer wieder zum Rückspiegel. „Typen wie
Gonzales haben ihre Informanten überall, viel-
leicht

hat

ihm

einer

der

Hotelangestellten

gesteckt,

dass

ihr

mit

uns

unterwegs

seid

verdammt!“

Hinter uns krachen Schüsse. Ich schreie ers-

chrocken auf und blicke zurück, Leon und Hawke
sitzen noch auf ihren Maschinen, aber sie schlen-
kern wild nach rechts und links, während die Män-
ner aus den Geländewagen auf sie schießen.

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„Dieser Gonzales scheint echt wütend zu sein!

Wie viele seiner Männer hat Remus getötet?“

„Ich weiß nicht mehr … vielleicht sieben?“
Sieben?
„Oder acht …“
„Ach, Scheiße. Festhalten, Doc!“ Shark reißt

den Wagen herum, ich werde trotz Sicherheitsgurt
gegen die Tür geschleudert und schaffe es gerade
noch, mich am Armaturenbrett abzustützen. Der Wa-
gen schleudert über die Straße und bleibt mit
quietschenden Reifen quer zur Fahrbahn stehen.

Shark reißt seine Waffe aus dem Halfter, lässt

das

Fenster

herunter

und

ballert

eine

ganze

Ladung in Richtung der beiden Geländewagen. Ihre
Windschutzscheiben zerbersten, hat er die Fahrer
getroffen? Die Wagen scheren aus und verkeilen
sich ineinander, bleiben nur ein paar Meter vor
uns stehen.

Hawke und Leon, die uns auf ihren Maschinen

gefolgt sind, jagen die Harleys um den Hummer
herum in Deckung, während Draco und Remus längst
von ihren Maschinen gesprungen sind. Sie rennen
auf den Hummer zu, ich reiße die Beifahrertür
auf, doch Remus schlägt sie mit einem wütenden
Knurren wieder zu.

„Bleib in Deckung!“
Er und Draco haben ihre Waffen gezogen und

feuern über den Hummer hinweg auf die Geländewa-
gen. Sie nutzen unseren Wagen als Deckung, denn
Gonzales‘ Männer erwidern das Feuer. Ich kauere
mich zusammen, als die Kugeln in unseren Wagen
einschlagen, spüre Sharks starken Arm, der mich
nach unten in Deckung drückt, während er selbst
weiterhin auf unsere Angreifer feuert.

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Mein Herz hämmert so hart gegen meine Brust,

dass es schmerzt. Ich atme hastig und wage einen
raschen Blick aus dem Seitenfenster, ich muss
einfach wissen ob Remus in Ordnung ist … er
feuert gerade über die Motorhaube des Hummers
hinweg,

während

Draco

an

den

Reifen

gelehnt

kauert und ein neues Magazin in seine MP schiebt.

Oh Gott, ich würde am liebsten die Wagentür

aufreißen und Remus hereinzerren! Ich halte es
nicht aus, hier in dem kugelsicheren Auto zu
sitzen, während er einen halben Meter von mir
entfernt in Todesgefahr schwebt – nur, um mich zu
beschützen!

All seine Kameraden setzen sich dieser Gefahr

aus, um mich zu beschützen; als mir das klar
wird, bildet sich ein gewaltiger Kloß in meinem
Hals. Shark, der unaufhörlich aus dem Seitenfen-
ster feuert, Draco und Remus, die unseren Angre-
ifern abwechselnd ihre Magazine um die Ohren ja-
gen,

ungeachtet

des

gegnerischen

Feuers.

Alle

Scheiben des Hummers sind durch die gegnerischen
Salven in hunderte Scherben gesprengt, aber nicht
zerborsten … ist das normal für kugelsicheres
Glas? Was weiß ich denn schon? Mein Blut rauscht
in meinen Ohren, das Pistolenfeuer ist verdammt
laut, der Hummer bebt unter den Treffern von
Gonzales‘ Männern … wie lange können wir diesem
Angriff standhalten?

Draco zieht routiniert ein weiteres Magazin

hervor und schiebt es in die Pistole. Himmel, wie
viel

Munition

haben

diese

Krieger

eigentlich

dabei?

Ich blinzele aus dem hinteren Seitenfenster

und suche Leon und Hawke … wo sind sie nur
geblieben? Ich habe sie aus den Augen verloren,

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seit sie um den Hummer herum gerast sind. Warum
feuern sie nicht ebenfalls auf unsere Gegner? Was
ist …?

Oh mein Gott! Jetzt sehe ich Leon, er kauert

neben Hawke auf dem Boden, irgendetwas stimmt
nicht! Sie haben es hinter den Hummer in Deckung
geschafft,

aber

jetzt

scheinen

sie

in

Schwi-

erigkeiten zu stecken.

„Shark!“ Ich muss brüllen, um den Kugelhagel

zu übertönen. „Leon und Hawke haben Probleme!“

„Was?“ Shark reißt den Kopf herum, doch im

nächsten Moment schlägt eine weitere gegnerische
Salve in den Hummer ein und Sharks Aufmerksamkeit
ist sofort wieder bei unseren Gegnern.

„Ich sehe mir die Sache an!“ Ohne auf Sharks

Antwort zu warten, stoße ich die Beifahrertür auf
und schlüpfe hinaus. Mein Puls rast, ich halte
den Kopf gesenkt und laufe los, doch ich komme
keine zwei Schritte weit – starke Hände umklam-
mern meinen Arm und halten mich zurück.

„Was glaubst du, was du da machst?“ Remus‘

wütende Stimme zischt in mein Ohr.

„Ich helfe deinen Kameraden!“ Ich deute auf

Leon und Hawke, Remus‘ Blick schießt in ihre
Richtung.

„Was ist passiert?“
„Ich weiß es nicht, aber es sieht aus, als

wäre

Hawke

verletzt.

Lass

mich

ihm

helfen,

Remus!“

Remus

flucht,

dann

greift

er

nach

seiner

zweiten Maschinenpistole. „Draco! Hawke ist ver-
letzt! Ich gebe Mel Deckung!“

Der blonde Krieger nickt und jagt eine Salve

über das Dach des Hummers, erkauft uns damit ein

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paar Sekunden, genug Zeit, um in gebückter Hal-
tung zu Leon und Hawke hinüberzurennen.

Ich werfe mich neben Hawke auf die Knie, es

dauert bloß einen Augenblick, um zu erkennen, was
geschehen

ist:

Hawkes

Shirt

ist

blutgetränkt,

Leon hat ihm die Kugelschutzweste ausgezogen und
presst beide Hände auf Hawkes Brust, sie sind rot
von Hawkes Blut.

„Er wurde getroffen, als er sich umgedreht und

zurückgefeuert hat“, erklärt Leon hastig. „Ich
kann die verdammte Blutung nicht stoppen!“

„Lassen Sie mich sehen!“ Ich schiebe Leons

Hände zur Seite, ein Blutschwall strömt mir ent-
gegen. „Ich brauche ein Messer!“

In einem Wimpernschlag hält mir Remus eine

seiner Klingen hin. Ich schneide Hawkes Kleidung
auf, damit ich sehen kann, wo die Kugel ihn get-
roffen hat.

„Die

Kugel

ist

oberhalb

der

Schutzweste

eingedrungen

und

hat

die

Arterie

unter

dem

Schlüsselbein verletzt, die Blutung kann nicht
von außen gestillt werden -“

„Tun Sie irgendwas, Doc!“ Das Flehen in Leons

Stimme sticht direkt in mein Herz.

Mir

bleibt

nichts

anderes

übrig,

als

mit

Remus‘ Klinge Hawkes Schusswunde aufzuschneiden.
Während die anderen mit allen Mitteln versuchen,
uns Gonzales‘ Männer vom Leib zu halten, kämpfe
ich mitten im Kugelhagel um das Leben dieses
Kriegers. Ich setze den Schnitt direkt unter dem
Schlüsselbein an, ich weiß nicht, ob die Kugel
noch im Gewebe steckt, aber ich muss das verlet-
zte

Blutgefäß

finden,

sonst

verblutet

Hawke

direkt unter meinen Händen.

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„Verdammt, ich kann nichts sehen bei all dem

Blut!“

„Was kann ich tun?“ Remus‘ Stimme klingt ruhig

und beherrscht.

„Reiß

ein

Stück

von

meinem

Kleid

ab!

Wir

müssen das Blut aufsaugen, damit ich sehen kann,
wo das verletzte Gefäß ist!“

Remus tut es sofort. Ein Ruck seiner Hände,

der zarte Chiffon zerreißt und er hält mir einen
Streifen des schwarzen Stoffs hin.

Das Gewebe saugt das Blut auf, endlich kann

ich

die

verletzte

Stelle

sehen,

es

ist

die

Schlüsselbeinarterie, wie ich befürchtet hatte.
Wenn Hawke weiterhin so viel Blut verliert, dann
bleiben

ihm

nur

noch

Minuten,

und

ich

habe

nichts, um die Blutung zu stillen, keine Klemmen,
keine Nadel, gar nichts!
Remus und Leon knien neben mir, beide feuern ihre
Magazine auf unsere Gegner ab, ich bin fast taub
von dem ohrenbetäubenden Lärm des Kugelhagels.
Die beiden vertrauen darauf, dass ich ihren Kam-
eraden rette, ich darf sie nicht enttäuschen -

Also

tue

ich

das

Einzige,

was

mir

übrig

bleibt: ich packe das Gewebe mit bloßen Fingern,
drücke zu und bete.

Es dauert einen Augenblick … die Blutung lässt

nach! Ich habe die richtige Stelle erwischt! Jet-
zt darf ich meine Finger nicht mehr bewegen,
sonst riskiere ich eine erneute, schwere Blutung.

Gerade als ich aufatme, fällt mir auf, das

Hawke nicht mehr atmet.

Remus!
Er ist sofort an meiner Seite.
„Hawke

atmet

nicht!

Du

musst

ihn

wieder-

beleben, Herzmassage, los, los, los! Ich kann ihn

170/221

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nicht loslassen, sonst fängt die Blutung wieder
an!“

Remus zögert keine Sekunde, er wirft die Waf-

fen zur Seite und legt seine Hände auf Hawkes
Brust. „Sag mir, ob ich es richtig mache.“

„Etwas tiefer. Streck deine Arme. Schnelleres

Tempo. Gut so!“
Ich drücke die Arterie fester zusammen, um dem
höheren Druck standzuhalten.

„Leon!“, brüllt Remus, seine Stimme klingt un-

gewohnt

hart.

„Wir

haben

hier

ein

verdammtes

Problem, Schluss mit der Party!“

Leon rennt hinüber zum Hummer, ich recke den

Kopf, um zu sehen, was geschieht. Er ruft Draco
und Shark etwas zu, ich kann seine Worte nicht
verstehen, aber die drei scheinen einen Plan zu
haben …

Mir bliebt fast das Herz stehen, als Shark aus

dem Wagen springt und etwas aus der Rückbank her-
vorzieht, das aussieht wie - eine Panzerfaust.

„Runter!“ Remus packt mich und drückt mich

über Hawkes Körper zu Boden, während er sich über
uns beide wirft. Es gelingt mir gerade noch,
meine Finger auf Hawkes Arterie gedrückt zu hal-
ten, dann ertönt ein lauter Knall und eine Explo-
sion, als die Geländewagen in die Luft fliegen -

Plötzlich ist alles still.
Das Klingeln in meinen Ohren macht mich ver-

rückt, ich weiß nicht, ob mein Trommelfell ge-
platzt ist oder ob es wirklich so still um uns
ist. Remus richtet sich auf, ich werfe einen ras-
chen

Blick

auf

unsere

Gegner

und

sehe

zwei

brennende

Autowracks.

Leon

und

Draco

stehen

hinter

dem

Hummer,

Shark

zwischen

ihnen,

die

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Panzerfaust auf seiner Schulter, sie scheinen un-
verletzt zu sein.

Die

Ärztin

in

mir

übernimmt

wieder

die

Kontrolle.

„Weiter!“, treibe ich Remus an. „Und jemand

soll einen Notarzt rufen, sofort!“

Während Draco und Shark zu den Wracks laufen,

wahrscheinlich, um sich davon zu überzeugen, dass
Gonzales‘ Männer alle tot sind, rennt Leon zu uns
herüber,

das

Telefon

bereits

an

sein

Ohr

gedrückt.

„Der

Notarztwagen

kommt

gleich!“

Er

fällt

neben uns auf die Knie. „Wie geht es ihm?“

Remus, der Hawke weiterhin reanimiert, wirft

mir einen düsteren Blick zu.

„Er schafft es. Er stirbt nicht.“ Ich bin

selbst überrascht über die Überzeugung in meiner
Stimme.

Es dauert tatsächlich nur wenige Minuten, bis

der Notarztwagen eintrifft. Zwei Sanitäter und
eine Notärztin laufen auf uns zu, völlig entsetzt
über das Ausmaß an Zerstörung, das Sharks Panzer-
faust hinterlassen hat.

„Ein Mann mit Schussverletzung und Kreislauf-

stillstand, die Arteria subclavia ist verletzt,
Reanimation seit ungefähr sieben Minuten. Geben
Sie mir eine Klemme, ich halte meinen Daumen auf
seiner zerfetzten Arterie!
“ Meine Stimme klingt
genauso ruhig und autoritär wie früher im OP.

Die verblüffte Notärztin hält mir eine Klemme

hin, während die Sanitäter hastig ihre Ausrüstung
auspacken.

„Sind Sie Ärztin?“
„Ich bin Dr. Melanie …“ Ich verstumme. „Ich

bin

Chirurgin.“

Ich

lege

die

Klemme

an,

die

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Blutung ist gestillt. „Bitte tun Sie, was Sie
können. Dieser Mann hat mir das Leben gerettet.“

Ich trete zurück, Remus nimmt mich in den Arm,

während

die

Notärztin

und

die

Sanitäter

ihre

Arbeit machen. Meine Hände sind voll von Hawkes
Blut, und erst jetzt, in Remus‘ Armen, merke ich,
wie sehr ich zittere.

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Kapitel 15

Es ist Nachmittag, ich stehe todmüde in meinem

zerrissenen,

blutbefleckten

Kleid

im

Büro

des

Staatsanwalts.

„Vielen Dank für Ihre Aussage, Dr. Bright.

Oder sollte ich besser sagen: Ms Roberts?“

Ich ringe mir ein wenig überzeugendes Lächeln

ab.

Melinda Roberts – das ist der Name, der unter

meinem Foto auf meinem nagelneuen Führerschein
steht. Von meinem alten Leben ist nichts mehr
übrig.

Meine

Sozialversicherungsnummer

wurde

gelöscht, meine Telefonnummer deaktiviert, meine
Konten geschlossen, meine Kreditkarten gesperrt.
Agents haben meine Chefin im Memorial und – viel
schlimmer – meine Mutter darüber informiert, dass
ich unter behördlichem Schutz stehe und auf un-
bestimmte Zeit nicht mit ihnen in Kontakt treten
werde. Das alles wurde mir nüchtern von dem Agent
mitgeteilt, der mir meine neuen Dokumente ausge-
händigt hat.

Ich starre auf das Plastikkärtchen in meinen

Händen, mit dem vertrauten Foto und dem fremden
Namen, dem fremden Geburtsdatum … Dr. Melanie
Bright existiert offiziell nicht mehr. Wow. Ein
Gefühl scheußlicher Taubheit breitet sich in mir
aus, zusätzlich zu der Müdigkeit und all der aus-
gestandenen Angst. Wie ferngesteuert setze ich
einen Fuß vor den anderen, folge dem Agent ohne

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den blassesten Schimmer, wohin wir gehen oder wie
mein Leben weitergehen wird.

Werde ich jemals wieder als Ärztin arbeiten?

Auch wenn ich nicht den Rest meines Lebens im Me-
morial verbringen wollte, liebe ich die Medizin.
Außerdem kann ich doch nichts anderes. Wovon soll
ich leben?

Bevor wir die Aufzüge erreichen hält uns je-

mand auf, ein großgewachsener Mann mit grauen
Schläfen und stechenden Augen.

„Ich übernehme sie.“ Sein Tonfall zeigt deut-

lich, dass dieser Mann es gewohnt ist, Befehle zu
geben.

Der Agent, der mich begleitet, zögert nicht,

mich der Obhut des anderen Mannes zu übergeben.
Sobald er außer Hörweite ist, wendet der graume-
lierte Mann sich mir zu.

„Ich bin Chief Panther, Dr. Bright. Ich leite

die West Coast Division des Urban Warrior Corps.
Meine

Männer

haben

mir

berichtet,

was

Sie

geleistet haben und dass wir es nur Ihnen zu
verdanken haben, dass Hawke noch am Leben ist.“

„Wie geht es ihm?“
„Er wird es schaffen. Die Ärzte auf der In-

tensivstation sagen, dass Sie ein Wunder voll-
bracht haben.“ Panther umfasst meine Hand mit
seinen beiden Händen. „Ich danke Ihnen, dass Sie
einem meiner Männer das Leben gerettet haben, Dr.
Bright.“

Die

Aufrichtigkeit

in

seinen

Augen

entzündet ein Gefühl der Wärme in meinem tauben
Innern. Ich lächle traurig. „‚Dr. Bright‘? Sie
sind wahrscheinlich der einzige Mensch, der mich
noch so nennt.“

Chief

Panther

bringt

mich

zum

Aufzug,

wir

fahren ins Erdgeschoss. „Es tut mir leid, dass

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Sie ihr altes Leben verloren haben.“ Er sagt es
in einem merkwürdigen Ton, aber ich bin zu fer-
tig, um mir darüber Gedanken zu machen.

„Wohin bringen Sie mich?“
„Ein Agent wird Sie zu einem Apartment fahren,

in dem Sie wohnen werden, bis die Verhandlung
vorüber ist. Dort werden Sie in Sicherheit sein.“

Als sich die Fahrstuhltüren öffnen, erwarten

uns Shark, Leon und Draco in der Halle. Ich halte
vergeblich

nach

Remus

Ausschau

und

stelle

enttäuscht fest, dass ich ihn nirgends entdecken
kann.

„Auch wir möchten uns bei Ihnen bedanken.“

Dracos tiefe Stimme mit dem russischen Akzent
rollt wie ein Schauer über meinen Körper.

Leon

tritt

vor.

„Sie

haben

Hawkes

Leben

gerettet.“

„Wir

stehen

alle

in

Ihrer

Schuld“,

nickt

Shark.

Einer nach dem anderen schüttelt mir die Hand,

mit einer Feierlichkeit, die mich verlegen macht.

Dann verabschieden sich die Männer und Chief

Panther führt mich nach draußen, wo eine schwarze
Limousine auf mich wartet. Ich sehe mich ver-
stohlen nach Remus um.

Warum ist er nicht gekommen? Werde ich ihn

überhaupt

jemals

wiedersehen?

Mein

Stolz

und

meine verletzten Gefühle ringen miteinander. Soll
ich Chief Panther fragen, wo Remus steckt?
Nur noch wenige Schritte bis zu dem Wagen, der
mich von dem Regierungsgebäude und Remus‘ Kam-
eraden

fortbringen

wird,

meiner

einzigen

Ver-

bindung zu den Mann, der mein Leben verändert
hat.

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Chief Panther öffnet die Wagentür für mich.

„Nochmals vielen Dank, Dr. Bright. Alles Gute für
Sie.“

Ich nicke, bringe kein Wort über die Lippen.

Stumm lasse ich mich auf den Rücksitz des Wagens
sinken, Panther schließt die Tür, der Wagen fährt
los.

Das war’s also. Ich werde nie wieder …
„Guten Tag, Ma’am.“
Die Stimme des Fahrers lässt mich kerzengerade

hochfahren. Mein Blick schießt nach vorn, ich
sehe braune Locken und glühende Augen, die mich
verschmitzt im Rückspiegel beobachten.

„Remus!“ Ich schlinge meine Arme von hinten um

ihn, er behält lachend die Kontrolle über den Wa-
gen, zieht meine Hand an seine Lippen und drückt
einen Kuss darauf.

„Du glaubst doch nicht, dass ich deine Sicher-

heit einem fremden Agent überlasse?“

„Ich dachte schon, du würdest …“ Ich verstumme

beschämt.

„Was? Einfach abhauen? Ich bin entsetzt, dass

du so von mir denkst, Doc.“

Ich erröte, grinse aber von einem Ohr zum an-

deren. Remus ist hier, alles ist gut. Ich habe
gerade mein altes Leben verloren, alles egal,
Hauptsache, der Mann den ich liebe ist bei mir.

Oh

Gott

habe

ich

das

wirklich

gerade

gedacht?

Liebe ich Remus?
„Mel?“ Remus‘ besorgte Stimme reißt mich aus

meinen Gedanken.
„Ich habe dich gerade gefragt, ob bei der Befra-
gung alles okay war. Haben sie dich gut behan-
delt? Ich wollte bei dir bleiben, aber ich musste

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Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit sie
mich

zu

deinem

zuständigen

Kontaktagenten

machen.“

„Zu meinem zuständigen was?“
„Ich bin ab sofort für deine Sicherheit ver-

antwortlich. Ich werde deine einzige Verbindung
zur Staatsanwaltschaft sein. Niemand kennt deinen
Aufenthaltsort,

und

bis

die

Verhandlung

über-

standen ist, muss jeder, der zu dir will, an mir
vorbei.“ Er schenkt mir ein gefährliches Lächeln.

Plötzlich fühlt sich mein Inneres weniger taub

an,

stattdessen

breitet

sich

ein

aufgeregtes

Kribbeln im mir aus. „Soll das heißen, du bleibst
ab jetzt bei mir?“

Remus nickt. „Auf Schritt und Tritt.“
Mein

Grinsen

wird

breiter.

Vielleicht

wird

mein neues Leben doch nicht so übel.

„Wohin bringst du mich?“
„In ein Apartment in Santa Barbara.“
Ich lehne mich zurück und starre eine Weile

aus dem Fenster. L.A. fällt hinter uns zurück.
„Remus?“

„Mh?“
„Was wird jetzt aus mir?“
Sein Blick hält meinen im Rückspiegel fest.

„Hab keine Angst, Mel. Ich sorge dafür, dass dir
nichts geschieht. Und wenn alles vorbei ist, dann
kannst du tun, was immer du willst.“

Was immer ich will?
Die Straße schlängelt sich die Pazifikküste

entlang,

ich

betrachte

die

Buchten

und

das

kristallblaue Wasser tief unter uns.

„Ich glaube, ich würde gern wieder als Ärztin

arbeiten“, sage ich schließlich.

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Remus nickt. „Dann werden wir einen Weg find-

en, Baby.“

Wir erreichen Santa Barbara, Remus hält vor

einem Apartmentkomplex mitten in einer Parkan-
lage. Er führt mich zu einem Apartment in einem
der

hinteren

Bungalows,

es

liegt

im

zweiten

Stock, er sperrt die Sicherheitstür auf und lässt
mich eintreten.

Neugierig sehe ich mir meine neue Wohnung an.

Sie ist schlicht möbliert, ein Wohnzimmer mit
Küchenzeile, ein Schlafzimmer, ein kleines Bad.
Das Highlight ist ein Balkon mit Ausblick auf den
Park.

Remus

lehnt

an

der

Schlafzimmertür

und

verzieht die Lippen zu einem schiefen Grinsen.
„Kannst du es hier eine Weile mit mir aushalten,
Ms Roberts?“

Mein neuer Name. „Nenn mich bloß nicht so“,

stöhne ich.

„Wie soll ich dich denn nennen?“ Er schlendert

langsam zu mir und schließt mich in die Arme.
„Baby?“ Er küsst meinen Hals. „Liebling?“ Seine
Küsse wandern über meinen Hals hinauf zu meinen
Lippen.

„Kein schlechter Anfang“, murmele ich, während

ich

meine

Hände

um

seine

Schultern

schlinge.

Seine Küsse bringen meine Knie zum Zittern. „Lass
mich … duschen -“

Schneller als ich es wahrnehme, hat er eine

seiner Klingen gezogen. Seinen Arm fest und un-
nachgiebig

um

mich

geschlungen,

lässt

er

die

Klinge langsam über mein Dekolleté gleiten. „Dann
lass mich dir aus dem Kleid helfen.“

Mit einem raschen, harten Stoß zieht er die

Klinge

nach

unten

durch.

Mein

Kleid

fällt

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raschelnd zu Boden, aber sein Messer hat mich
nicht verletzt. Ich fühle, wie heftig mein Herz
schlägt, die Zärtlichkeit, mit der er die Klinge
über meine Haut gleiten lässt, macht mich an.

Geschickt

führt

er

das

Messer

über

meine

bloßen Brüste, ich spüre das kalte Metall an
meinen

Nippeln.

Ich

keuche,

während

sie

sich

aufrichten. Remus‘ Augen werden dunkler, als er
das Messer langsam über meinen Bauch zieht und
unter meinen Slip schiebt. Ein rascher Ruck, die
zarte Spitze zerreißt, der Slip fällt zu Boden.

„Jetzt kannst du duschen“, flüstert er rau.

Seine Hand gleitet über meinen Rücken und umfasst
meinen Po, knetet ihn besitzergreifend.

An seinem Ton und an der Hitze, die mir von

seinem Körper entgegenströmt, erkenne ich, dass
er ebenso erregt ist wie ich. Doch ich habe nicht
vor, ihm so einfach die Führung zu überlassen.

Sanft winde ich ihm das Messer aus der Hand.

Er lässt es geschehen, seine Lippen kräuseln sich
überrascht, während ich die Klinge langsam unter
sein Hemd gleiten lasse.

„Ich habe nicht vor, allein zu duschen.“ Mit

einem sanften Ruck ziehe ich das Messer durch,
der oberste Knopf seines Hemds springt ab. Dann
der nächste. Und der übernächste.

Remus rührt sich nicht, als das Hemd seinen

beeindruckenden Brustkorb entblößt. Ganz langsam
fahre ich mit der Klinge seine definierten Bauch-
muskeln entlang.

„Zieh das Hemd aus.“
Seinen

glühenden

Blick

unverwandt

auf

mich

gerichtet, schält er sich aus dem Hemd. Seine
Waffen kommen zum Vorschein, er legt eine nach
der anderen ab.

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„Jetzt die Jeans.“
„Jawohl, Ma’am.“ Er lächelt, verrucht und ge-

fährlich. Obwohl ich diejenige mit dem Messer
bin, vergesse ich keinen Augenblick lang, dass er
mich

binnen

eines

Wimpernschlags

überwältigen

könnte.

Als er schließlich nackt vor mir steht, lasse

ich

die

Klinge

spielerisch

über

sein

Herz

gleiten. Seine Muskeln spannen sich an.

„Ins Bad.“ Meine Stimme klingt heiser, eine

Mischung aus Verlockung und Befehl.

Remus

legt

den

Kopf

schief.

Dann,

blitz-

schnell, windet er mir die Klinge aus der Hand,
wirbelt mich herum, bis ich mit dem Rücken gegen
den Türstock des Badezimmers gedrückt stehe. Er
presst sich an mich, das Messer liegt an meinem
Hals.

„Genug gespielt, Kleines. Küss mich“, verlangt

er rau.

Ich

tue

es.

Er

erwidert

meinen

Kuss

leidenschaftlich,

stößt

seine

Zunge

in

meinen

Mund, ich fühle, wie seine Erregung härter wird,
während er sich an mich presst. Ich schlinge
meine Hände in sein Haar, er hat die Klinge
längst von meinem Hals genommen, sie bohrt sich
mit einem dumpfen Geräusch neben unseren Füßen in
den Teppichboden.

Plötzlich hebt er mich auf seine Arme und

trägt mich ins Bad, stellt mich in die Dusche.
Sein massiver Körper lässt mir keine Möglichkeit,
ihm auszuweichen, aber das will ich auch gar
nicht. Ich zittere voller Erwartung, während er
schweigend die Dusche aufdreht und das Wasser
über meinen Körper läuft.

„Dreh dich um.“

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Er wartet nicht, bis ich seinem Befehl ge-

horche, sondern packt mich an den Schultern und
dreht mich, so dass ich mit dem Rücken zu ihm
stehe. Er spreizt meine Arme und drückt meine
Hände gegen die Fliesen.

„Beweg dich nicht.“
Dann lässt er seine Finger langsam meine Arme

entlang gleiten. Als ich meine Hände senke, er
packt meine Handgelenke und presst sie wieder ge-
gen

die

Fliesen,

diesmal

grob.

Seine

Stimme

klingt rau, ich spüre seinen Atem in meinem Nack-
en. „Ich sagte: beweg dich nicht.“

Ich

nicke

bebend.

Er

streicht

meine

Arme

entlang bis zu meinen Schultern, langsam, so als
würde er mich herausfordern, seinen Befehl zu
missachten. Mein Herz hämmert, ich möchte mich zu
ihm umdrehen, doch er packt meinen Nacken und ich
erstarre.

„Nicht, bevor ich es dir erlaube“, knurrt er.

Dann wird sein Griff zärtlicher, er streicht mit
dem Daumen über meinen Haaransatz im Nacken und
ein Schauer jagt über meinen Rücken.

Ich keuche auf, als seine Hand meine Brust um-

fasst und er beginnt, mich zu streicheln. Ich
will mehr, so viel mehr, dränge mich seiner Hand
entgegen, er lässt seine Fingerspitzen über die
Rundung meiner Brust gleiten und umfasst meine
Brustwarze.

Ich spüre seinen harten, großen Körper hinter

mir, als er sich zu mir beugt und meine Schulter
küsst. Seine Zunge leckt neckend über meine nasse
Haut, die Mischung aus männlicher Dominanz und
Zärtlichkeit raubt mir den Verstand! Seine Hände
gleiten über meinen Bauch, meine Hüften, er um-
fasst meinen Po und knetet ihn. Ich reibe mich an

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ihm, alle Zurückhaltung und Scham ist vergessen,
ich will nur noch, dass Remus endlich in mich
eindringt! Ich spüre seinen harten Schwanz an
meinen Pobacken, Remus lacht rau, als ich mich
ihm entgegendränge.

„Was willst du?“, knurrt er heiser.
„Bitte“, keuche ich und werfe ihm einen Blick

über die Schulter zu. Ich wage es noch immer
nicht, mich zu ihm umzudrehen, aber ich sehe die
gleiche Leidenschaft in seinen Augen, die auch in
mir lodert. „Ich will dich endlich in mir spüren
…“

Sein

Blick

knistert

verwegen,

seine

Hand

gleitet über mein Becken, streichelt über die
Innenseite

meiner

Oberschenkel

und

plötzlich

packt er mich zwischen den Beinen. Mit forderndem
Druck lässt er seine Finger auf meinen Schamlip-
pen kreisen, während er mich fest an seinen Körp-
er presst, so dass ich mich nicht rühren kann.

Meine Knie zittern, so sehr will ich ihn! Ich

versuche,

mich

seiner

Hand

entgegenzudrängen,

Remus lacht, überlegen und heiser vor Erregung.
Dann dringt er plötzlich mit zwei Fingern in mich
ein,

grob,

so

dass

ich

vor

Überraschung

aufkeuche. Er hält mich fest und stößt seine
Finger in mich, ich beginne zu stöhnen, verliere
jeden Rest von Zurückhaltung. Er hält mich fest
an sich gepresst, seine Muskeln sind angespannt,
ich spüre seinen harten Körper wie eine Mauer
hinter

mir

und

seine

Hand

gnadenlos

zwischen

meinen Beinen.

„So feucht“, keucht er, ich fühle seinen Sch-

wanz, der sich an meinen Rücken drückt, während
er seine Finger weiter in mich treibt.

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Ich bin kurz davor, zu kommen, Remus fühlt es

und dreht mich plötzlich herum, drückt mich mit
dem Rücken gegen die Wand und hebt mich hoch. Er
hat so viel Kraft, dass er mich mühelos hält, ich
schlinge meine Beine um sein Becken und versinke
in

seinen

glühenden

Augen,

als

er

mit

einem

tiefen, harten Stoß in mich eindringt.

Mein Schrei hallt von den Wänden, als er mich

endlich ausfüllt, als ich seine Härte endlich in
mir spüre. Er hält mich fest umklammert, seine
Arme schützen mich vor der harten Fliesenwand,
während er in mich stößt. Ich bin so erregt, dass
er sich bis zum Anschlag in mich versenkt, ohne
dass ich Schmerzen verspüre. Ich kralle meine
Finger in sein Haar, in seinen Rücken, umklammere
ihn mit meinen Beinen, will, dass er mich noch
härter fickt, und er tut es, hält meinen Körper
fest, während er immer heftiger in mich stößt. Es
gibt nichts mehr außer ihn und mich, sein harter
Schwanz bringt mich um den Verstand, Remus stößt
wieder und immer wieder genau an die richtige
Stelle, bis mein Orgasmus mit einer noch nie
dagewesenen Heftigkeit explodiert. Im selben Mo-
ment knurrt Remus stöhnend, seine Muskeln spannen
sich bis zum Zerreißen an, und er kommt ebenso
heftig wie ich.

Es dauert eine Weile, bis ich wieder zu mir

finde. Ich umklammere keuchend und bebend Remus‘
Schultern, meine Beine um Remus‘ Becken geschlun-
gen, er hält mich noch immer an sich gedrückt,
während

das

warme

Wasser

über

unsere

Körper

läuft. Er ist immer noch in mir, mein Herz ber-
uhigt sich nur langsam, und ich fühle seinen
heftigen Herzschlag an meiner Brust. Dann küsst
mich Remus, langsam, zärtlich und sehr intensiv.

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Der Kuss erscheint mir noch viel intimer als das,
was wir gerade miteinander geteilt haben.

„Du hattest Recht“, flüstere ich, als sich un-

sere Lippen voneinander lösen.

„Womit?“

Sein

Gesicht

ist

ganz

dicht

an

meinem, er hat die Augen geschlossen.

„Ich

werde

unser

erstes

Mal

bestimmt

nie

vergessen.“

Er lächelt, ohne die Augen zu öffnen. „Das war

so nicht geplant, weißt du.“

„Du wolltest gar nicht mit mir schlafen?“ Ich

kontrahiere in neckendem Protest meine inneren
Muskeln um ihn.

Er schmunzelt und sieht mich an. „Doch. Schon

als ich dich das erste Mal gesehen habe, nackt
auf deinem Bett.“

„Oh …“
„Hier unter Dusche, das war nicht geplant.

Aber

ich

konnte

dir

einfach

nicht

mehr

widerstehen.“

„Tatsächlich?“ Ich beiße mir auf die Unter-

lippe, meine Mundwinkel kräuseln sich. „Und was
war geplant?“

Ohne sich aus mir zurückzuziehen, steigt Remus

aus der Dusche, trägt mich ins Schlafzimmer und
legt sich mit mir aufs Bett. Es fühlt sich fant-
astisch an, seinen großen, schweren Körper auf
mir zu spüren. Er stützt sich auf, nimmt mein
Gesicht in seine Hände und küsst mich.

„Das werde ich dir zeigen, Baby“, verspricht

er. „Wieder. Und wieder. Und immer wieder …“

Ich lache leise, als er mich erneut küsst. Ich

möchte für immer mit diesem Mann zusammen sein!
Plötzlich läutet Remus‘ Telefon, er unterbricht
seufzend unseren Kuss.

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„Die Arbeit. Tut mir leid.“
Die

plötzliche

Kälte

auf

meiner

Haut,

als

Remus

sich

von

mir

zurückzieht,

lässt

mich

frösteln. Mein Verlangen nach ihm erschreckt mich
selbst.

Kurz

darauf

kehrt

er

aus

dem

Wohnzimmer

zurück, das Telefon in der Hand.

„Es

ist

Chief

Panther.

Er

will

mit

dir

sprechen.“

Mit

mir?

Verwundert

nehme

ich

das

Handy

entgegen.

„Dr.

Bright?

Ich

möchte

Ihnen

ein

Angebot

machen.

Ich

wollte

schon

im

Büro

mit

Ihnen

darüber sprechen, aber ich habe eben erst das
Einverständnis meines Vorgesetzten erhalten. Wie
denken Sie darüber, für das Urban Warrior Corps
zu arbeiten?“

Ich glaube, mich verhört zu haben. Das kann

doch nicht sein Ernst sein! Sprachlos halte ich
inne.

„Dr. Bright? Sind Sie noch dran?“
„Äh …“, stottere ich. „Ich verstehe nicht …

wie stellen Sie sich das vor?“ Ich sehe mich
geistig mit Kugelschutzweste und Maschinenpistole
im Kugelhagel neben Remus und seinen Kameraden
herrennen,

eine

Vorstellung,

die

mich

wenig

begeistert.

„Das Corps braucht einen neuen Arzt. Sie wären

für die medizinischen Routineuntersuchungen ver-
antwortlich, sowie für gelegentliche Standby-Ein-
sätze im Ausland, je nach Art der Aufträge. Nicht
viele Ärzte sind dafür geeignet, unter der Art
von Druck zu arbeiten, die bei uns herrscht, aber
Sie haben bewiesen, dass Sie selbst unter gefähr-
lichen Bedingungen einen kühlen Kopf behalten.

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Sie haben bei Hawke mit geringen Mitteln und
unter extremem Stress großartige Arbeit geleistet
und wir wären glücklich, Sie in unserem Team zu
haben.“

Ich blinzele Remus an, der verschmitzt grinst.

Hat er etwa davon gewusst?

„Überlegen Sie sich mein Angebot in Ruhe“,

sagt Chief Panther. „Ich erwarte Ihren Anruf.“

Nachdem ich aufgelegt habe, knuffe ich Remus

in die Schulter. „Hast du das gewusst?“

„Ich?“ Er setzt eine Unschuldsmiene auf, doch

seine Augen funkeln verräterisch.

In gespielter Empörung knuffe ich ihn wieder,

doch er fängt meine Hand ab und hat mich binnen
eines Augenblicks unter sich. Er hält meine Hände
mühelos über meinem Kopf fest und stupst mich auf
die Nase. „Ich bin es gewesen, der Panther diesen
Vorschlag gemacht hat.“

Das verschlägt mir die Sprache.
„Du denkst … dass ich mit euch arbeiten kön-

nte?“, flüstere ich schließlich.

„Du

hast

mich

bereits

mehrfach

zusammenge-

flickt, und du hast Hawke das Leben gerettet.
Wüsste nicht, wer besser ins Team passen würde
als du.“

Mir schießt das Blut in die Wangen. Remus

grinst. „Du liegst nackt unter mir, und jetzt
wirst du rot?“

„Frecher Kerl.“ Ich versuche vergeblich, mich

freizustrampeln, Remus lacht. Dann wird er plötz-
lich ernst.

„Wie wirst du dich entscheiden?“
„Keine Ahnung“, flüstere ich. „Es ist … kein

leichter Job, oder?“

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Remus gibt meine Handgelenke frei, rollt sich

auf den Rücken und zieht mich in seine Arme.
„Nein“, sagt er leise, während er mich nachdenk-
lich streichelt.

„Willst

du

wirklich,

dass

ich

mit

dir

arbeite?“

„Ja. Aber du wärst nicht nur für meine Ab-

teilung zuständig. Es gibt auch noch die East
Coast

Division

der

Urban

Warriors,

mit

Hauptquartier in New York.“

„Klingt nicht schlecht“, murmele ich an seiner

Brust. „Ich glaube, du könntest mich überzeugen,
zuzusagen.“

„Wie denn?“
Ich

grinse.

„Was

denkst

du?

Mit

hartem,

körperlichem Einsatz, Krieger.“

Ehe ich es mich versehe, liege ich wieder auf

dem

Rücken

unter

ihm,

während

er

gefährlich

schmunzelnd auf mich herunterschaut. „Forderst du
mich heraus, Doc? Du weißt, dass ich alles für
das Team tun würde.“

Ich

spüre,

wie

er

zwischen

meinen

Beinen

wieder

hart

wird.

„Beweise

es“,

flüstere

ich

grinsend, während ich meine Hände in sein Haar
schlinge und ihn leidenschaftlich küsse.

ENDE.

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Bonuskapitel

Die Szene, in der Remus Melanie in ihrem Haus

vor Gonzales‘ Männern rettet, diesmal aus Remus‘
Sicht.

Im Haus von Dr. Melanie Bright.

Verdammt,

genau,

wie

ich

es

vorausgesehen

habe: Gonzales‘ Männer sind der Frau bis zu ihrem
Haus gefolgt. Ich stelle meine Maschine hinter
ihrem Wagen ab und schleiche zur Haustür, sie ist
aufgebrochen, ich drücke mich an die Wand und
lausche.

Stille.
Komme ich etwa zu spät? Meine Hand krallt sich

um den Griff meiner Klinge. Verdammt, alles ist
anders gelaufen als geplant! Was hatte Gonzales
nur bei diesem Deal hinter dem Krankenhaus zu
suchen? Und warum musste diese junge Frau aus-
gerechnet zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort
sein?

Panther wird mich umbringen, wenn er erfährt,

dass ich Gonzales‘ Beschattungsaktion abgebrochen
habe. Aber Gonzales‘ Männer werden die Frau um-
bringen, wenn ich es nicht verhindere. Bei allen
Heiligen, ich hoffe, ich komme nicht zu spät …

Ein Schrei! Eine weibliche Stimme in Todes-

angst. Mit den Klingen in der Hand schlüpfe ich
lautlos ins Haus.

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Der

Vorraum

ist

leer

und

dunkel,

aus

dem

hinteren Bereich des Hauses dringen Stimmen und
Geräusche eines Kampfes. Wehrt sie sich etwa ge-
gen diese Kerle? Mutige Frau … Aber ich weiß,
dass sie keine Chance hat. Wenn ich nicht sofort
einschreite, ist sie tot.

„Wer sind Sie? Was wollen Sie? Lassen Sie mich

sofort los!“ Ihre Stimme überschlägt sich vor
Angst.

„Halt

die

Schnauze,

Schlampe.“

Einer

von

Gonzales‘ Männern. Ich habe drei gezählt, die ihr
in das Haus gefolgt sind. Ich schleiche lautlos
auf den Raum zu, aus dem die Stimmen kommen, ich
glaube, es ist das Schlafzimmer.

„Du hättest kein Foto von uns machen sollen,

Süße.“

Sie war Zeugin des Deals, Gonzales hätte sie

auf jeden Fall auf seiner Abschussliste, Foto hin
oder her. Trotzdem muss ich gestehen, dass mich
ihre Furchtlosigkeit beeindruckt hat. Wer platzt
schon in einen Drogendeal mit einem der ranghöch-
sten Drogenbosse der Stadt und hat die Nerven,
davon

ein

Foto

zu

schießen?

Meine

einzige

Erklärung ist, dass der Frau nicht klar war, in
was sie da geraten war.

„Mach

schon,

Juan.

Schneide

ihr

die

Kehle

durch.“

Oh, verdammt. Ich muss die Kerle aufhalten,

jetzt sofort.

Ich höre ein Handgemenge, die Frau scheint

sich zu wehren. Jetzt stehe ich direkt neben der
Tür, kaum zwei Meter von ihr entfernt, bereit,
die Kerle meine Klingen spüren zu lassen, als
plötzlich …

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„Wisst ihr was, wir werden uns vorher mit der

Kleinen amüsieren. Seht sie euch an, wäre doch
schade, so etwas verkommen zu lassen.“

„Wir werden sie alle durchficken, und dann

kannst du sie umbringen, Juan.“

Kalter Zorn packt mich, ich fühle, wie meine

Verachtung für diese Kerle in meinem Blut au-
flodert. Ich werde nicht zulassen, dass diese
Schweine sie anrühren! Bis jetzt ging es um die
Beseitigung einer Zeugin, ich war kontrolliert
und berechnend, aber die Worte dieser Hurensöhne
entfesseln eine Bestie in meinem Innern.

Vergewaltigung

es

gibt

nichts,

was

mich

wütender macht. Jeder Mann, der eine Frau gegen
ihren Willen berührt, hat in meinen Augen seine
Ehre verloren.

Ich

höre

ihre

verzweifelten

Schreie.

Meine

Fäuste schließen sich um meine Messer, ich höre
Glas splittern, dann trete ich lautlos wie ein
Schatten in den Raum.

Einer der Kerle hat die Frau bereits im Bett

unter sich, während die beiden anderen grölend
ihre

Hosen

öffnen.

Bevor

sie

wissen,

was

geschieht, bin ich über dem ersten und schneide
ihm die Kehle durch.

Röchelnd sinkt er zu Boden, da fällt mein

Blick auf die wehrlose junge Frau in der Gewalt
dieses

Schweins,

ich

bin

für

einen

Sekunden-

bruchteil abgelenkt – und nehme aus dem Augen-
winkel den Angriff des zweiten Kerls wahr. Im
letzten Moment weiche ich seinem Messer aus, er
erwischt mich am Rücken, ich spüre den Stich
seiner Klinge. Aber ich koche vor Wut, dieser
Kerl wird mich nicht aufhalten. Ich packe ihn und

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schneide ihm die Kehle durch, genauso wie ich es
bei seinem Kumpan getan habe.

Jetzt

lässt

der

Dritte

von

der

Frau

ab,

springt vom Bett auf mich zu, sein Messer in der
Hand.

Die Bestie in mir röhrt vor Verlangen nach

seinem Blut. Du wolltest sie anrühren? Komm her,
ich gebe dir, was du verdienst!

Der Kampf dauert nur wenige Augenblicke, dann

steche ich ihm in den Messerarm und ramme ihm
gleichzeitig meine andere Klinge ins Herz. Sein
lebloser Körper sackt zu Boden, dieses Schwein
wird nie wieder eine wehrlose Frau bedrohen.

Mein Blick schießt zu ihr, ich will mich davon

überzeugen, dass sie unverletzt ist.

Sie kauert nackt vor mir auf dem Bett, ihre

Augen übergroß vor Angst. Sie schlingt ihre Arme
um ihren Körper, zittert und bebt, und ihre Ver-
letzlichkeit

berührt

die

tiefste,

archaische

Männlichkeit in mir, ich will sie beschützen, sie
in meine Arme schließen … doch sie weicht vor mir
zurück.

Da sehe ich rotes Blut auf ihrem Unterarm.

Haben diese Schweine sie etwa geschnitten?

Ich bezwinge meinen Zorn, um sie nicht noch

mehr zu ängstigen. „Sie sind verletzt.“ Um sie zu
untersuchen, schiebe ich die Klingen in meinen
Gürtel und knie mich auf das Bett.

Sie schreit heiser auf und flieht vor mir,

kriecht vom Bett und presst sich gegen die Wand,
kauert sich in einer Ecke des Zimmers zusammen.

Kein Wunder, dass sie mich fürchtet. Doch sie

kann mir nicht entkommen, das Zimmer hat keinen
anderen Ausgang. Ich gehe langsam um das Bett
herum und knie vor ihr nieder.

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Sie hat solche Angst vor mir, dass sie den

Kopf gesenkt hält und sich nicht traut, mich an-
zusehen.

Ihr

schlanker,

zierlicher

Körper

zittert.

Der Mann in mir möchte sie umarmen, ihr Schutz

gewähren, doch ich weiß, dass sie meine Berührung
als Bedrohung empfinden würde. Ich muss erst ihr
Vertrauen gewinnen.

Verdammt, Remus, du hast gerade vor ihren Au-

gen drei Männer erstochen, und jetzt kauert sie
nackt vor dir … großartige Voraussetzungen für
eine Vertrauensbasis, wirklich.

„Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben,

Melanie.“ Während ich Gonzales‘ Männern zu ihrem
Haus gefolgt bin, habe ich ihr Foto durch die
Datenbank gejagt. Ich musste herausfinden, wer
diese Frau ist, die in meine Beschattungsaktion
hineingeplatzt war: Dr. Melanie Bright, Chirurgin
im L.A. Memorial. Eine Unschuldige.

Und eine verdammt schöne Frau … die in diesem

Moment vor nichts und niemandem auf der Welt mehr
Angst hat, als vor mir. Ach, Scheiße, Remus.

„Sind

Sie

einer

von

denen?“

Ihre

Stimme

zittert.

„Nein.“
„Was wollen Sie dann von mir? Bitte … tun Sie

mir nicht weh.“

„Das habe ich nicht vor.“
Ihr Blick flackert zweifelnd zu den tödlichen

Klingen an meinen Hüften.

„Ist es das? Meine Waffen machen Ihnen Angst?“
Ich ziehe die Klingen aus dem Gürtel und lege

sie auf den Nachttisch neben uns. Was könnte ich
sonst noch tun, um ihr Vertrauen zu gewinnen? Ich
lasse

meinen

Blick

durch

das

Schlafzimmer

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schweifen, dann greife ich nach einem Badetuch,
das auf dem Boden liegt, und wickle es um ihren
Körper.

Sie erzittert heftig unter meiner Berührung.

Glaubt sie etwa, dass ich ebenso über sie herfal-
len werde wie Gonzales‘ Männer?

„Sie brauchen mich nicht zu fürchten.“
„Sie

haben

gerade

drei

Männer

umgebracht“,

flüstert sie und zieht das Badetuch zusammen, um
ihren Körper zu bedecken.

„Diese Männer wollten Sie töten. Ganz zu sch-

weigen davon, was sie Ihnen noch antun wollten.“

Tränen schießen aus ihren Augen, ihre Hände

umklammern das Badetuch wie einen Schild. „Wer
sind Sie?

Ich

darf

meine

Identität

nicht

preisgeben.

Außerdem läuft uns die Zeit davon, ich muss sie
so schnell wie möglich in Sicherheit bringen.

Ich greife unter ihren Ellbogen und ziehe sie

sanft auf die Beine. „Kommen Sie. Wir müssen Ihre
Wunde versorgen, und dann müssen wir hier weg.“

Ihr Körper zittert, sie sinkt zusammen. Mit

einer raschen Bewegung hebe ich sie hoch und
trage sie durch das Schlafzimmer.

Die

Intensität

des

Gefühls,

ihre

schlanke

Gestalt in meinen Armen zu halten, trifft mich
völlig unvorbereitet.

„Was tun Sie?“, haucht sie erschrocken und

umklammert meinen Nacken.

Ich reiße mich zusammen, gebe meiner Stimme

einen ruhigen Klang. „Der Boden ist voller Scher-
ben. Sie würden sich verletzen.“

Ich trage sie ins Badezimmer, setze mich auf

den Rand der Wanne, die junge Frau auf meinem
Schoß.

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„Wo ist Ihr Arzneischrank?“
„Dritte Lade“, erwidert sie verwirrt.
Während ich die Lade durchsuche, wird sie auf

meinem Schoß unruhig.

„Sie haben ja eine halbe Apotheke hier drin.“

Ich versuche, ihr die Furcht vor mir zu nehmen,
während ich Jod und Verbandsmaterial aus der Lade
ziehe und neben uns auf den Waschtisch lege.

„Ich bin Ärztin“, murmelt sie kaum hörbar.
Jetzt begreife ich, was sie ängstigen muss.

Ich schiebe meine Hand in meine Tasche und lege
meine Waffen auf den Waschtisch.

„Und Sie haben ein ganzes Waffenlager in Ihrer

Hose“, flüstert sie, und wird einen Augenblick
später knallrot. „Ich, äh, meine …“

Ich schmunzele. Wenigstens ist sie nicht mehr

starr vor Angst vor mir.

Ich greife nach ihrem Unterarm und untersuche

die Schnittwunde. „Die Wunde ist nicht tief. Ein
wenig Jod und ein Verband müssten genügen.“ Ich
wasche die Wunde aus und lege einen Verband an.

„Sie

machen

das

öfter,

nicht

wahr?“

Ihre

Stimme zittert noch immer.

„Was? Einen Verband anlegen oder eine Frau vor

Vergewaltigern retten?“

Ihr Blick flackert zu meinen Waffen auf dem

Waschtisch. „Wie Sie mit den Messer umgegangen
sind …“

„Fertig.“ Ich verknote den Verband und lasse

meine Hand an ihrer Hüfte ruhen. Wird sie mir
vertrauen?

Sie räuspert sich verwirrt. „Ich nehme an,

wenn Sie mich hätten umbringen wollen, dann hät-
ten Sie es längst getan.“

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„Wie kommen Sie auf den Gedanken, dass ich Sie

umbringen will?“

„Was soll ich denn sonst denken? Sie dringen

mitten

in

der

Nacht

in

mein

Haus

ein

und

produzieren

innerhalb

von

Sekunden

einen

Berg

Leichen … Sie scheinen kein Polizist zu sein, und
Sie sind auch keiner von denen …“ Sie nickt in
Richtung Schlafzimmer.

„Ich

habe

keine

Zeit,

Ihnen

das

jetzt

zu

erklären.

Wir

müssen

hier

weg,

und

zwar

so

schnell wie möglich. Wenn Sie überleben wollen,
dann müssen Sie mit mir kommen, Melanie.“

Ich hoffe inständig, dass sie mir vertraut und

freiwillig mit mir kommt. Ich würde es hassen,
sie gegen ihren Willen mitnehmen zu müssen – aber
ich würde es tun, um sie zu beschützen. Ich
möchte mir nicht einmal vorstellen, was Gonzales
mit ihr tun würde, wenn sie in seine Gewalt
gelangt.

Ein Teil von mir genießt ihre Nähe viel zu

sehr, ihren Duft, ihren weichen Körper … reiß
dich zusammen, Remus, es geht darum, ihr Leben zu
retten! Nach dem, was sie dich hat tun sehen …
wie kannst du da darauf hoffen, dass sie jemals
etwas anderes in dir sehen wird als einen kalt-
blütigen Killer?

ENDE.

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Leseprobe

aus

Urban

Warriors,

Band 4: Hawke

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Prolog

Was tust du, wenn du von einem kolumbianischen

Drogenkartell entführt wirst, um als Sexsklavin
missbraucht zu werden? Du betest, dass der Mann,
dem du ausgeliefert wirst, ein Mann wie Hawke
ist.

Kapitel 1

„Beweg

deinen

Hintern,

Harry,

die

anderen

warten schon im Wagen!“ Hätte ich gewusst, dass
Harry wenige Stunden später tot sein würde, hätte
ich ihn bestimmt nicht angeschrien.

Doch jetzt stemme ich ungeduldig die Hände in

die Hüften, während mein Kollege hastig seine Un-
terlagen

in

eine

Tasche

stopft

und

auf

mich

zustolpert.

„Ich komme ja, Helena – aua!“ Harry bleibt an

einem Tischbein hängen, strauchelt und stürzt zu
Boden, seine Unterlagen flattern durch das ganze
Labor. „Oh Mist … tut mir leid …“

„Verdammt, Harry.“ Ich verdrehe die Augen und

knie nieder, um ihm beim Einsammeln zu helfen.

Wir

arbeiten

schon

seit

einem

halben

Jahr

zusammen in dieser Forschungsstation im Dschungel
Kolumbiens. Wenn man so lange auf engem Raum

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zusammenlebt, dann geht man sich zwangsläufig ir-
gendwann gegenseitig auf die Nerven, und Harrys
chaotische Art ist dabei nicht gerade hilfreich.
Ich reiche ihm die eingesammelten Papiere, er
stopft sie in die Tasche und trottet hinter mir
her nach draußen, wo Charly und Phil, der Rest
des Teams, bereits mit laufendem Motor im Wagen
warten.

„Da seid ihr ja endlich.“ Phil, der hinter dem

Steuer sitzt, schickt Harry mit einer knappen
Kopfbewegung auf den Rücksitz und stößt die Bei-
fahrertür für mich auf.

Während Harry zu Charly auf die Rückbank klet-

tert, steige ich zögernd neben Phil ein. Als er
sich

quer

über

mich

lehnt,

um

die

Wagentür

zuzuziehen, schiebe ich ihn von meinem Körper
weg.

„Das kann ich selbst tun, vielen Dank“, zische

ich und schließe die Beifahrertür.

Phil lehnt sich zurück und gibt Gas, ein selb-

stgefälliges Lächeln auf den Lippen. Fast zwei
Stunden Fahrt liegen vor uns und ich weiß, dass
das bloß der erste von Phils Annäherungsversuchen
gewesen sein wird. Seit wir gemeinsam auf dieser
Forschungsstation arbeiten, hat er nichts unver-
sucht gelassen, um mich für sich zu gewinnen.
Leider kann ich ihn nicht ausstehen, er ist selb-
stverliebt und egoistisch, und er trampelt gern
auf Schwächeren herum. Obwohl auch mir manchmal
bei Harry der Geduldsfaden reißt, habe ich den
Tollpatsch schon oft gegen Phil verteidigt, was
die ganze Sache bloß noch verschlimmert hat –
denn Phil glaubt, dass ich eine Schwäche für
Harry hätte, was absoluter Unsinn ist.

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Keiner der drei Männer, mit denen ich arbeite,

wirkt auf mich anziehend. Charly steht kurz vor
der Pensionierung, Harry ist ein hoffnungsloser
Chaot, und Phil ist … naja, Phil ist einfach nur
ein Arsch.

Also weiche ich Phils Avancen seit Monaten aus

und versuche, trotzdem so gut wie möglich meine
Arbeit zu machen. An diesem Forschungsprojekt in
Kolumbien teilzunehmen ist wichtig für meine Kar-
riere, es ist eine Riesenchance für mich, um die
mich viele Biologen an meiner Universität be-
neiden. Ich werde den Job nicht hinschmeißen, nur
weil einer meiner Kollegen mit seinem Schwanz
denkt.

„Wir nähern uns dem Martinez-Einflussbereich,

Schätzchen.“ Phil grinst mich an, während er den
Wagen auf der unbefestigten Straße nach Süden
lenkt.

„Aber

keine

Angst,

ich

werde

dich

beschützen, falls die Drogenmafia uns angreift.“

„Ach, halt die Klappe, Phil.“ Ich weiß, dass

das Martinez-Kartell seine Koka-Plantagen südlich
von unserer Forschungsstation betreibt, und das
Letzte, was ich will, ist, der Drogenmafia in die
Quere zu kommen.

„Wir sind weit genug vom Martinez-Land ent-

fernt.“ Charlys tiefe Stimme erklingt beruhigend
hinter mir. „Sie lassen sich nicht in dieser Ge-
gend blicken.“

„Woher willst du das wissen? Das Südcamp ist

seit Jahren unbenutzt, vielleicht haben sich die
Dealer dort einquartiert? Keine Angst, Baby, ich
passe auf dich auf.“ Phil legt seine Hand auf
meinen Oberschenkel, ich schiebe sie sofort weg.

Das ‚Südcamp‘ ist eine Hütte, die hin und

wieder von Forschungsteams verwendet wird. In ein

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paar Wochen werden wir eine Expedition in den
südlichen Teil des Regenwalds unternehmen, dazu
wird uns die Hütte als Basis dienen. Heute wollen
wir uns ihren Zustand ansehen und vielleicht ein
paar Pflanzenproben mitnehmen.

Ich gebe meiner Stimme einen kühlen Klang.

„Warum sollte sich Kolumbiens mächtigstes Drogen-
kartell für eine leerstehende Blockhütte mitten
im Dschungel interessieren, Phil?“

„Ich bin sicher, sie würden sich viel mehr für

dich interessieren, Baby.“

Dieser Kerl widert mit mich an. Ich drehe den

Kopf zur Seite und starre aus dem Fenster, um
Phils anzüglichen Blicken auszuweichen.

Nach

zwei

Stunden

Autofahrt

und

einem

an-

strengenden Fußmarsch durch den Dschungel haben
wir das Südcamp fast erreicht. Ich gehe hinter
Phil, damit er nicht die ganze Zeit auf meinen
Hintern starrt.

„Da vorne ist es!“ Charlys Stimme ertönt vor

uns im dichten Wald. Wir folgen ihm und treten
auf die Lichtung, auf der die Hütte steht.

Und dann kracht ein Schuss.

Charly stürzt getroffen zu Boden, fremde Män-

ner mit Maschinengewehren rennen auf uns zu.

„Auf die Knie!“, brüllen die Männer auf Span-

isch. „Los, runter, los!“

Alles passiert so schnell, dass ich nicht re-

agieren kann. Gemeinsam mit Phil und Harry werfe
ich mich auf die Knie, reiße die Hände abwehrend
hoch, während die Männer uns einkreisen.

„Nicht schießen!“, schreie ich auf Spanisch.
„Wir

sind

Biologen!“

Phils

Stimme

zittert.

„Bitte, nicht schießen!“

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Aus

der

Hütte

stürmt

Verstärkung,

offenbar

haben sie den Lärm gehört. Sie sind ebenfalls
schwer

bewaffnet,

es

scheinen

Leibwächter

zu

sein, denn in ihrer Mitte sehe ich zwei Männer,
die ich aus den Medien kenne – und mein Herz
bleibt fast stehen.

Der eine heißt Alvarez, er ist der Kopf des

Martinez-Kartells, einer der wichtigsten Männer
der kolumbianischen Drogenmafia. Der andere Kerl
trägt einen dunklen Anzug und elegante Schuhe –
ich

kenne

ihn

aus

den

Nachrichten,

er

ist

Politiker,

Chef

der

Partido

Nacional,

der

führenden Partei in Bogotá.

Was zur Hölle tun diese beiden Männer mitten

im Urwald in einer verlassenen Hütte?

Ihre Wachen reißen uns die Rucksäcke runter

und durchsuchen sie, leeren den Inhalt auf den
Boden. Unsere Laptops, Unterlagen, Behälter für
Pflanzenproben, alles fällt wild durcheinander,
die Männer treten mit den Schuhen dagegen, ich
weiß nicht, was sie zu finden glauben …

„Wer seid ihr?“, schreit uns einer von ihnen

auf Spanisch an.

„Wissen

Wissenschaftler“,

stottert

Phil,

seine erhobenen Hände zittern. „Wir sind Biologen
… Bitte, erschießen Sie uns nicht!“

Ich antworte dem Mann ebenfalls auf Spanisch

und bemühe mich, meiner Stimme einen festen Klang
zu geben. „Wir sind hier, weil wir die Hütte
nutzen wollten. Wir wissen nicht, wer Sie sind.
Bitte, lassen Sie mich meinem Kollegen helfen …“
Ich deute auf Charly, der sich stöhnend auf dem
Boden krümmt.

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Jetzt haben uns Alvarez und seine Leibwächter

erreicht, der Politiker hält sich im Hintergrund,
starrt aber verärgert zu uns herüber.

Alvarez baut sich vor uns auf, sein Blick

gleitet über unsere verstreuten Sachen und dann
über Harry, Phil und mich.

„Sie sind Forscher?“
Phil nickt.
„Bitte“, flüstere ich und zeige auf Charly.

„Bitte lassen Sie mich ihm helfen.“

„Das wird nicht nötig sein.“ Alvarez nickt

einem seiner Männer zu, und im nächsten Augen-
blick jagt der Mann Charly eine Kugel in den
Kopf. Ich schreie laut auf, Harry übergibt sich
neben mir.

Oh Gott, diese Männer meinen es ernst! Es ist

ihnen scheißegal, wer wir sind oder was wir hier
wollen – sie werden uns umbringen!

Bitte!“ Phil heult neben mir los. Ich traue

meinen Augen nicht, als dieses Großmaul neben mir
in Tränen ausbricht und hin- und herschaukelt wie
ein kleines Kind. „Bitte! Töten Sie uns nicht!
Bitte!

Trotz der verdammt beschissenen Situation, in

der wir uns befinden, widert Phils Verhalten mich
an. Was wurde aus ‚Ich beschütze dich vor der
Drogenmafia,

Baby‘?

Ein

erbärmliches

Häufchen

Elend, das neben mir um sein Leben fleht! In
diesem Augenblick bin ich unendlich froh, mich
niemals mit diesem Schlappschwanz eingelassen zu
haben – obwohl das jetzt auch schon egal ist,
weil

wir

in

wenigen

Momenten

alle

tot

sein

werden.

Der Politiker tritt vor und spricht so leise

mit Alvarez, dass ich ihn kaum verstehe.

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„Sie haben mich gesehen, ese. Das ist nicht

gut. Sie müssen dafür sorgen, dass sie nicht re-
den. Beseitigen Sie sie, sofort!“

Na großartig, der Politiker und der Drogenboss

machen gemeinsame Sache, und wir platzen mitten
hinein! Von allen verlassenen Hütten in diesem
riesigen

Dschungel,

mussten

sie

sich

da

aus-

gerechnet in dieser hier treffen?

Ich zittere ebenfalls, meine Hände sind sch-

weißnass. Harry stützt sich neben mir auf Händen
und Knien auf, er scheint kurz davor zu sein, in
Ohnmacht zu fallen, während Phil kreidebleich un-
aufhörlich um sein Leben stottert.

„Bei dem Gewimmer kann ich nicht nachdenken“,

murmelt

Alvarez

verärgert,

einer

seiner

Leib-

wächter hebt die Waffe und im nächsten Moment
kracht ein Schuss.

Ich schreie auf und weiche zur Seite, als

Phils lebloser Körper neben mir zu Boden sackt.

Der Anblick seiner toten Augen schnürt mir die

Kehle

zu.

Blut

tritt

aus

der

Schusswunde

an

seinem Kopf aus und sickert in den Boden.

Mein Körper wird zuerst eiskalt und dann ge-

fühllos, als mir klar wird, dass Harry und ich
die nächsten sind. Wir werden gleich hier ster-
ben, genauso wie Phil und Charly.

Harry beginnt neben mir zu heulen. Er sieht

mich an, mit derselben Verzweiflung in den Augen,
die auch ich empfinde, derselben Todesangst –
dann kracht ein Schuss, warmes Blut spritzt auf
mein Gesicht, und Harry stürzt tot neben mir zu
Boden.

Mein Herz schlägt so heftig, dass es schmerzt.

Ich höre jemanden keuchen, es dauert eine Weile,
bis ich begreife, dass ich selbst es bin, ich

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starre Harrys Leiche an, erwarte, jeden Augen-
blick den tödlichen Schuss zu hören, der für mich
bestimmt ist …

Ich schreie, als jemand meinen Arm packt und

mich

auf

die

Beine

zerrt,

es

ist

einer

von

Alvarez‘

Leibwächtern.

Alvarez

tritt

dicht

an

mich

heran,

fasst

eine

meiner

blonden

Haarsträhnen

und

zwirbelt

sie

zwischen

seinen

Fingern.

„Worauf

wartest

du,

ese?“,

zischt

der

Politiker hinter ihm.

Alvarez

schnuppert

nachdenklich

an

meinem

Haar, und der Ausdruck auf seinem Gesicht ver-
ändert sich.

Meine Beine zittern, mir dreht sich der Magen

um. Oh Gott, was haben diese Männer mit mir vor?

„Vielleicht

haben

wir

noch

Verwendung

für

sie.“ Alvarez greift unter mein Kinn und sieht
mich an. „Eine blonde, weiße Frau … sie könnte
unserem amerikanischen socio gefallen.“

„Finde eine andere, um deinen Geschäftspartner

zufriedenzustellen.“

Der

Politiker

stößt

die

Worte zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
„Wie ich höre, verfügt ihr über ausreichend weib-
liche Gesellschaft.“

Ich ahne, dass er auf die entführten Frauen

anspielt, die aus den nahegelegenen Dörfern der
Koka-Plantagen verschwunden sind. Ihr Schicksal
kümmert niemanden, die Polizei wird vom Kartell
entweder

bezahlt

oder

erpresst,

um

den

Ent-

führungen nicht nachzugehen.

„Kolumbianische chicas, amigo, sind nicht der

Geschmack unsers socio“, erwidert Alvarez. „Viel-
leicht

wird

eine

Amerikanerin

ihn

bei

Laune

halten.“

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„Ihr dürft sie nicht am Leben lassen“, zischt

der Politiker.

Alvarez grinst bösartig. „Keine Sorge. El Di-

ablo hat noch keine am Leben gelassen.“ Er wendet
sich seinen Männern zu. „Nehmt sie mit!“

Oh Gott. Mir ist so schlecht, dass ich kaum

Luft kriege. Ich sitze mit gefesselten Händen in
einem

Jeep,

eingeklemmt

zwischen

Alvarez‘

be-

waffnete Männer, auf dem Weg in das Camp der
Kokainhändler.

Ich weiß nicht, was sie mit Phil und den an-

deren gemacht haben, wahrscheinlich haben sie die
Leichen irgendwo im Dschungel verscharrt, so dass
niemand

sie

jemals

finden

wird.

Niemand

wird

jemals erfahren, was mit uns geschehen ist. Nach
Alvarez‘ Worten ist mir klar, dass ich das Dro-
gencamp nicht

lebend verlassen werde, und wenn

es wahr ist, was er über diesen Mann gesagt hat,
dem ich ausgeliefert werden soll – dann wünsche
ich

mir,

dass

sie

mich

ebenfalls

erschossen

hätten.

Alvarez

scheint

sich

sicher

zu

sein,

dass

dieser Geschäftspartner mich töten wird … doch
was wird er mir noch antun? Sie nennen ihn El Di-
ablo
. Oh Gott, bestimmt trägt er diesen Spitzna-
men nicht umsonst.

Nach stundenlanger Autofahrt erreichen wir das

Camp. Es ist riesig, viel größer, als ich es mir
vorgestellt

habe.

In

Wellblechhütten

sehe

ich

Dutzende von Arbeitern, die die Koka-Ernte ver-
arbeiten und zum Abtransport fertig machen, es
scheint eine straff organisierte Maschinerie zu
sein.

LKWs

werden

beladen,

überall

bewaffnete

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Wachen,

Alvarez

hat

genug

Männer,

um

einen

Kleinkrieg anzufangen.

Der Jeep hält an, ich werde herausgezerrt und

durch das Camp geschleift. Wir sind umgeben von
Koka-Plantagen, so weit das Auge reicht, und ich
weiß, dass dahinter nichts als Dschungel ist,
tausende Quadratkilometer Urwald. An eine Flucht
ist nicht zu denken.

Die Wachen stoßen mich in einen Verschlag und

sperren mich ein. Es ist eine kleine Wellblech-
hütte mit vernagelten Fenstern, ich rappele mich
sofort auf die Beine und blinzele, ich kann kaum
etwas

sehen,

meine

Augen

sind

nicht

an

die

Dunkelheit gewöhnt.

Was werden sie mit mir machen? Werden sie mich

diesem

socio,

diesem

Geschäftspartner,

sofort

ausliefern?

Plötzlich ertönt hinter mir ein Schluchzen,

ich fahre zusammen und wirbele herum. Verdammt,
wenn ich doch nur besser sehen könnte! Schemen-
haft

nehme

ich

die

Umrisse

einiger

Gestalten

wahr, die in den dunklen Ecken kauern.

Andere Gefangene?
„Hallo?“ Vorsichtig taste ich mich voran, ver-

suche, endlich etwas zu erkennen. „Wer seid ihr?“

Ein Schluchzen, dann eine weibliche Stimme:

„Halt den Mund!“ Die Frau spricht Spanisch, ich
höre, wie sie aufsteht und auf mich zukommt. Als
sie aus den Schatten tritt, kann ich sie endlich
erkennen.

Sie ist Kolumbianerin, jünger als ich … und

sie ist fast nackt. Sie steht in BH und Slip vor
mir, mustert mich misstrauisch, die Arme vor der
Brust verschränkt. „Wer bist du?“

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„Mein … mein Name ist Helena.“ Meine Stimme

klingt belegt.

„Rita“, antwortet sie kalt. „Wo haben sie dich

entführt?“

Ich schlucke und erzähle ihr, was mir und

meinem

Team

geschehen

ist.

„Sie

kommen

damit

nicht davon. Ich bin Amerikanerin, sie können
nicht …“

„Doch, sie können. Und sie werden. Komm hier

rüber.“ Rita zieht mich zu dem vernagelten Fen-
ster und deutet durch einen Spalt nach draußen.

Ich sehe Arbeiter, die LKWs beladen, und be-

waffnete Wachen, die die Arbeiter zur Eile an-
treiben. Alvarez kann ich nirgends entdecken.

„Wo sind wir hier?“, frage ich leise.
„Im größten Umschlagplatz der Martinez.“
„In der Hölle“, flüstert ein Mädchen aus den

Schatten, ihre Stimme klingt erstickt.

„Ihr seid die Frauen, die aus den Dörfern ent-

führt worden sind, nicht wahr?“, frage ich. Rita
nickt.

Im

schmalen

Lichtkegel,

der

durch

den

Spalt hereindringt, sehe ich, dass ihr Gesicht
blau geschlagen ist.

Außerdem hat sie Verletzungen am ganzen Körp-

er, Schnitte und Brandwunden, als hätte jemand
Zigarren auf ihrer Haut ausgedämpft.

„Wie viele Frauen werden hier gefangen gehal-

ten?“ Meine Augen gewöhnen sich langsam an die
Dunkelheit, ich blicke in den hinteren Bereich
des Verschlags, wo die anderen Frauen im Schatten
kauern.

„Acht. Als ich hergebracht wurde, waren es

noch elf.“

Oh Gott.

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Ich will die nächste Frage nicht aussprechen,

doch sie brennt wie Säure auf meiner Zunge. „Was
… was tun sie euch an?“

Ein

mitleidiger,

harter

Ausdruck

tritt

in

Ritas Gesicht. „Willst du das wirklich wissen?“

Ich schlucke, mein Mund ist trocken.
„Dasselbe, was sie dir antun werden.“ Ritas

Stimme klingt merkwürdig tot. Hinter mir beginnen
die Mädchen wieder zu weinen.

Ich starre auf den Boden. „Sie haben dich

misshandelt.“

„Ich habe Glück, noch am Leben zu sein“, zis-

cht Rita. Dann streckt sie die Hand nach einem
der Mädchen aus. „Juanita! Komm her.“

Während das Mädchen sich auf die Beine stemmt

und langsam zu uns schlurft, fixiert mich Rita.
„Weißt du, was sie uns antun, wenn sie nicht mit
uns zufrieden sind?“

Nicht

zufrieden?

Ich

muss

mich

gleich

übergeben. „Was meinst du damit?“, wispere ich
entsetzt. „Erwarten sie, dass wir so tun, als ob
es uns gefällt, wenn sie uns … uns …“ Ich bringe
das Wort nicht über die Lippen.

„Vergewaltigen? Missbrauchen? Über uns herfal-

len,

uns

besteigen

wie

Tiere?“

Ritas

direkte

Worte treiben mir die Tränen in die Augen. „Ja,
cara, genau das erwarten sie. Denn wenn wir es
nicht tun, dann …“

„Was dann? Schlagen sie uns? Quälen sie uns?

Hast

du

daher

die

Prellungen

und

die

Brandwunden?“

„Nein“, zischt Rita. „Die habe ich, weil ich

gut bin. Ich bin noch am Leben, weil ich gut
bin
.“

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Erschüttert und angewidert weiche ich einen

Schritt zurück. Diese Frau macht sich zur Hure
dieser Schweine, um am Leben zu bleiben?

„Ich

ziehe

es

vor,

umgebracht

zu

werden“,

flüstere ich tonlos. Ich weiß nicht, ob das die
Wahrheit ist, aber in diesem Augenblick empfinde
ich es so. Ich könnte mich niemals von diesen
Kerlen vergewaltigen lassen und dabei so tun, als
würde es mir gefallen …

Meine Hände sind kalt und schweißnass, mein

Körper zittert.

Rita fasst Juanitas Arm, das Mädchen steht

schwankend neben uns, kann sich kaum auf den
Beinen halten. Auch sie trägt bloß Unterwäsche,
sieht abgemagert und gehetzt aus, verängstigt und
gebrochen.

„Glaubst du, ich nicht?“ Ritas Worte sind ein

Flüstern, aber sie schneiden wie Klingen durch
den Raum. „Umgebracht zu werden ist eine Gnade,
die uns nicht gewährt wird, cara. Wenn du sie
nicht

zufriedenstellst,

dann

passiert

das

mit

dir.“ Sie streckt mir Juanitas Arm hin.

Ich erstarre, als ich die Nadeleinstiche an

den Venen des armen Mädchens sehe.

„Genau“, zischt Rita. „Sie machen dich ab-

hängig, und dann verkaufen sie dich an Bordelle
im Süden. Eine drogenabhängige Hure.“ Sie lässt
Juanitas Arm los, das Mädchen taumelt und sinkt
gegen die Wand.

Der Boden unter mir gibt nach, der Verschlag

dreht sich. Blut rauscht in meinen Ohren, ich
muss

meine

ganze

Willenskraft

aufbringen,

um

aufrecht stehenzubleiben.

„Wie lange … bist du schon hier?“ Meine Stimme

ist kaum noch ein Keuchen.

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„Seit drei Monaten.“
Meine Kehle schnürt sich zusammen, ich kriege

keine Luft mehr. Ich kralle meine Finger in das
vernagelte Fenster, suche Halt, suche irgendet-
was, das mich aus diesem Albtraum aufweckt …

Rita

lehnt

sich

an

die

Wand.

Ihre

Stimme

klingt hart. „Je weiter oben in der Rangordnung
sie stehen, desto brutaler sind sie. Und Alvarez
ist der Schlimmste.“

Ich

schlucke,

um

überhaupt

ein

Wort

her-

vorzubringen. „Sie … sie haben mich für einen
Kerl namens El Diablo geholt.“

Rita,

die

gefühlskalte,

abgebrühte

Rita,

erbleicht. Doch sie fasst sich schnell wieder und
setzt

ihre

undurchdringliche

Maske

auf.

„Dann

hast du Glück, cara. El Diablo ist der einzige
Weg hier raus.“

Mein Herz schlägt schneller. „Was meinst du

damit?“

„Ich habe mich geirrt, Alvarez ist nicht der

Schlimmste.“ Rita schlendert zurück in die Schat-
ten und lässt sich an der Wand entlang zu Boden
sinken. „Die Mädchen, die zu El Diablo geschickt
worden sind … “ Sie starrt mich an, mit einer
seltsamen Mischung aus Mitleid und Neid in den
Augen. „Keines von ihnen ist je zurückgekehrt.“

Kapitel 2

Ich kauere an der Wand, die Arme um meine Knie

geschlungen und bete, dass das alles bloß ein

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schrecklicher Albtraum ist. Dass es nicht wirk-
lich geschehen ist. Dass ich aufwache, in meinem
Feldbett in der Forschungsstation, dass Harry ir-
gendetwas fallen lässt und Phil eine seiner an-
züglichen Bemerkungen mir gegenüber macht … doch
ein Teil von mir weiß, dass das nicht geschehen
wird.

Harry, Phil und Charly sind tot. Ihre Leichen

verrotten

irgendwo

im

Dschungel,

und

niemand

weiß, dass ich hier bin, niemand wird mich suchen
oder mir zu Hilfe kommen.

Mein Blick flackert wieder zu den Mädchen, die

apathisch im Verschlag kauern. Jetzt, da sich
meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt haben, sehe
ich, wie schlimm sie zugerichtet sind. Geschla-
gen, gequält … und Juanita scheint nicht die Ein-
zige zu sein, deren Arme zerstochen sind.

Ich kann die Tränen nicht zurückhalten, die

mir über die Wangen laufen. Ich streiche über
meine eigenen Unterarme, frage mich, ob man mir
das Gleiche antun wird. Ich habe nie in meinem
Leben Drogen genommen, kann mir nicht einmal vor-
stellen, was es bedeutet, abhängig zu sein. Alles
zu tun, die Beine für jeden Freier breitzumachen,
nur um den nächsten Schuss zu kriegen …

Angst schüttelt meinen Körper. Ich umklammere

meine Knie, um das Beben zu unterdrücken. Was
wird dieser Dreckskerl mir antun? Ist es wahr,
was Rita gesagt hat?

Der einzige Weg hier raus … ist der, von El

Diablo umgebracht zu werden?

Es muss irgendeine andere Möglichkeit geben.

Ich muss doch irgendetwas tun können, um zu ver-
hindern, dass ich in die Gewalt dieses Psychopa-
then

gelange!

Wenn

Schläge

und

ausgedämpfte

212/221

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Zigarren

hier

als

Vorspiel

betrachtet

werden,

dann will ich mir nicht ausmalen, was diese Män-
ner unter quälen verstehen.

Langsam formt sich eine Idee in meinem Kopf,

und sie macht mir eine Scheißangst. Doch egal,
wie ich es drehe und wende, es scheint der ein-
zige Ausweg zu sein.

Ich weiß bloß nicht, ob ich mutig genug sein

werde, um es durchzuziehen.

Plötzlich wird der Verschlag aufgeschlossen.

Ich komme hastig auf die Beine, drücke mich an
die Wand, als zwei bewaffnete Männer hereinkom-
men. Ist es jetzt soweit, werden sie mich zu El
Diablo bringen? Doch ich bin es nicht, die sie
holen, sie zerren zwei weinende Mädchen auf die
Beine und schleifen sie aus dem Verschlag, ohne
uns andere zu beachten.

Mein

Herz

schlägt

wie

verrückt,

ich

fühle

meine Halsschlagadern pochen, während die Männer
den Verschlag wieder zusperren. Ich will nicht
darüber nachdenken, was mit diesen armen Mädchen
geschehen wird, ich verachte mich selbst dafür,
einfach nur erleichtert zu sein, dass ich ver-
schont wurde …

Aber mir ist klar, dass mir nicht mehr viel

Zeit bleibt. Jeden Augenblick könnten die Wachen
wiederkommen, und das nächste Mal könnte ich es
sein, die sie mitnehmen.

Ich zwinge mich, langsamer zu atmen, um mich

zu

konzentrieren.

Ich

muss

diese

Entscheidung

treffen, obwohl mir bei dem Gedanken schon wieder
die Tränen in die Augen schießen.

Wenn sie kommen, um mich zu holen, dann werde

ich versuchen, zu fliehen.

213/221

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Ich

werde

die

Wachen

treten,

beißen,

ganz

egal,

aber

ich

werde

mich

losreißen

und

davonlaufen.

Ich presse meine Lippen fest zusammen und un-

terdrücke ein Schluchzen. Ich weiß, dass sie mich
dann erschießen werden.

Genau das ist es, was ich erreichen will.

Lieber schnell sterben, als von einem Sadisten zu
Tode gequält zu werden.

Ich

weiß,

dass

mir

nur

diese

eine

Chance

bleibt: Ich muss den Fluchtversuch wagen, bevor
ich El Diablo ausgeliefert werde, und ich bete
stumm, dass ich die Kraft haben werde, die Sache
durchzuziehen.

Der Abend bricht herein, ohne dass die Wachen

wiederkommen.

Im

Verschlag

ist

es

dunkel

und

stickig, es gibt kein elektrisches Licht, kein
Wasser, keine Toiletten.

Die

Mädchen

schweigen,

manche

weinen,

aber

meistens ist es still.

Diese Stille bringt mich um den Verstand. Ich

kann nichts tun als zu warten, in dem Wissen,
dass es meinen Tod bedeuten wird, wenn die Wachen
kommen.

Hätte ich mich doch bloß nie für dieses ver-

dammte Forschungsprojekt beworben. Kolumbien. Was
habe ich mir nur dabei gedacht?

Ich denke an meine Freunde, meine Eltern, mein

Leben daheim. Es wird sie umbringen, nicht zu
wissen, was mit mir geschehen ist. Ich denke auch
an das Leben, das ich nie haben werde: Einen
Ehemann, Kinder, eine eigene Familie. Das alles
wird nie wahr werden, nur weil ich diesen verdam-
mten Projektvertrag unterschrieben habe.

214/221

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Ob es sehr weh tut, erschossen zu werden? Ich

hoffe, dass sie auf meinen Kopf zielen und es
schnell vorbei sein wird. Was für eine gestörte
Hoffnung!

Trotz

der

beschissenen

Situation

verziehen sich meine Lippen in der Dunkelheit zu
einem zynischen Lächeln.

Haben Sie noch einen letzten Wunsch?
Ja. Zielen Sie auf meinen Kopf, bitte.
Himmel, in was für eine Scheiß-Situation hast

du dich da gebracht, Helena?

Ich erstarre, als der Verschlag aufgeschlossen

wird und die Wachen eintreten. Einen Augenblick
lang hoffe ich, dass sie nicht mich mitnehmen,
doch diesmal kommt einer von ihnen auf mich zu,
zerrt mich auf die Beine und schleift mich mit
sich.

Mein Körper ist völlig gefühllos, während ich

hinter dem Mann herstolpere. Jetzt ist es also
soweit. Gleich werde ich sterben.

Falls

ich

es

schaffe,

meinen

Plan

durchzuziehen.

Draußen ist es bereits Nacht. Flutlichtschein-

werfer beleuchten das Camp, die Arbeit scheint im
Schichtdienst weiterzugehen. Die Wachen schleppen
mich zwischen den Wellblechhütten durch, ich sehe
Arbeiter,

LKWs

und

bewaffnete

Männer.

Ein

Fluchtversuch wäre reiner Selbstmord.

Du schaffst das, Helena. Irgendwie wirst du

das schaffen. Du musst einfach.

Die Wachen schleifen mich quer durch das Camp

auf eine Wellblechhütte zu, vor der ein teurer
Geländewagen steht und Leibwächter patrollieren.

Das muss das Quartier der Bosse sein. Wenn ich

erst dort bin, ist es zu spät.

Jetzt oder nie, Helena.

215/221

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Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und trete

dem Mann, der mich festhält, mit aller Kraft ge-
gen das Knie. Ein scheußliches Knacken, der Mann
stößt einen Fluch aus und lässt mich los, und ich
renne um mein Leben.

Hinter mir höre ich, wie die Leibwächter sich

gegenseitig etwas zurufen, aber ich renne weiter,
so schnell ich kann. Plötzlich kracht ein Schuss,
ich spüre keinen Schmerz, ich renne noch immer,
haben sie mich etwa verfehlt?

Habe

ich

tatsächlich

eine

Chance,

zu

entkommen?

Ich renne schneller, sie sind hinter mir her,

verfolgen mich, ich höre ihre Schritte, schlage
einen Haken um einen LKW – und pralle gegen einen
großen, harten Körper, eine Wand aus Muskeln.

Ich

werde

zurückgeworfen,

der

Aufprall

schleudert mich zu Boden, ich lande keuchend im
Dreck und blicke erschrocken auf.

Vor mir steht ein breitschultriger, fast zwei

Meter großer Mann, flankiert von zwei bewaffneten
Wachen. Er selbst trägt ein Halfter mit Messern
und einer Pistole am Gürtel, und blickt auf mich
herunter. Eine gefährliche, tödliche Stille geht
von ihm aus, wie von einem Raubvogel, bevor er
unerwartet zuschlägt. Ich weiß nicht, ob er mich
erschießen wird, kauere vor ihm, als die anderen
Wachen uns erreichen.

„Vergebung!“,

keucht

einer

von

ihnen.

„Wir

wollen sie gerade zu Ihnen bringen …“

Oh Gott … ist das etwa der Mann, dem ich aus-

geliefert werden sollte? Ist das El Diablo?

„Das war nicht die Art und Weise, wie ich dir

mein Geschenk übergeben wollte.“ Alvarez‘ Stimme
ertönt plötzlich hinter uns.

216/221

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Ich kauere noch immer auf dem Boden, wage es

nicht, aufzustehen, als der kolumbianische Boss
an uns herantritt.

„Ich hatte gehofft, sie würde deinen Geschmack

treffen und dir ein wenig Zerstreuung bieten.“

Ich blicke den großen Mann scheu an, der bei

Alvarez‘ Worten keine Miene verzieht. Er sieht
nicht

kolumbianisch

aus,

er

könnte

Amerikaner

sein … sein Dreitagebart verdeckt die Narben auf
seinem Gesicht, und er hat stechende, grüne Au-
gen, mit einem eiskalten Ausdruck.

Das ist er, daran besteht kein Zweifel. El Di-

ablo.

Ich

habe

es

fertiggebracht,

bei

meinem

Fluchtversuch direkt in seine Arme zu laufen.

217/221

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Urban Warriors, Band 1: Leon

Dass

Katies

Chefredakteur

ihr

aus

heiterem

Himmel einen neuen Fotografen zur Seite stellt,
passt Katie gar nicht. Noch dazu ist sie gerade
an einer heißen Spur in der Story dran, an der
sie seit Wochen arbeitet. Katie wird nicht zu-
lassen, dass der Neue ihr die Sache vermasselt,
auch wenn der mürrische Hüne verdammt gut aus-
sieht. Die Recherchen entpuppen sich jedoch als
brandgefährlich und Katie kommt bald der Ver-
dacht, dass ihr neuer Kollege gar kein Fotograf
ist. Als sie beide in die Fänge mexikanischer
Waffenhändler

geraten,

zeigt

Leon

sein

wahres

Gesicht: Er ist eine Kampfmaschine, gnadenlos und
tödlich. Als einzige Frau in einem Verlies voller
Männer, in dem nur das Recht des Stärkeren gilt,
ist Katie plötzlich von Leons Schutz abhängig.

Der Elitekämpfer Leon wird vom Urban Warrior

Corps

entsendet,

um

eine

junge

Reporterin

zu

beschützen. In Gefangenschaft in einem mexikanis-
chen Arbeitslager muss Leon sich die Alpha-Posi-
tion unter den Männern erkämpfen, um seinen Ans-
pruch auf Katie geltend zu machen. Die vorher so
kratzbürstige junge Frau zittert jetzt vor ihm,
weil sie weiß, dass sie ihm ausgeliefert ist …

Thriller Romance – ein erotischer Liebesroman

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Urban Warriors, Band 2: Draco

Lilly reist mit ihrem Chef nach Moskau, um an

einer

Konferenz

für

Softwareprogrammierer

teilzunehmen, nicht ahnend, dass sie in einem
russischen Militärgefängnis landen wird. Man ver-
wehrt ihr jeden Kontakt zur Außenwelt und wirft
ihr vor, antirussische Rebellen zu unterstützen.
Lilly

beteuert

verzweifelt,

nichts

mit

den

Machenschaften ihrer Firma zu tun zu haben, aber
das Militär ist bereit, die Informationen mit Ge-
walt aus ihr herauszuholen. Sie ist dem Offizier,
der die Wahrheit aus ihr herausfoltern soll, hil-
flos ausgeliefert – doch der Soldat entwickelt
eine Schwäche für die wehrlose Frau. Wird es
Lilly

gelingen,

ihn

von

ihrer

Unschuld

zu

überzeugen?

Draco, der gefühlskalte, tödliche Einzelgänger

unter den Urban Warriors, wird ins russische Mil-
itär eingeschleust, um zu verhindern, dass der
entführte Boss einer amerikanischen Softwarefirma
die falschen Geheimnisse ausplaudert. Doch als
eine

unschuldige

PR-Assistentin

zwischen

die

Fronten gerät, gefährdet Draco seine Mission und
sogar sein eigenes Leben, um die junge Frau zu
beschützen …

Thriller Romance – ein erotischer Liebesroman

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ÜBER DIE AUTORIN

Lea T. Earl schreibt erotische Liebesromane

mit

starken

männlichen

Hauptfiguren

und

Heldinnen, die über sich hinauswachsen.

Bereits erschienen:

Urban Warriors, Band 1: Leon

Urban Warriors, Band 2: Draco

Urban Warriors, Band 3: Remus

Weitere Romane sind in Vorbereitung.

Weitere Informationen unter:

www.leatearl.wordpress.com

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