Jagiellonen-Universität
Institut für Germanistik
WS 2003/2004
Vorlesung: Deskriptive Grammatik des Deutschen - Substantivwörter - substantivische Pronomina
Leiter: Andrzej S. Feret Ph.D.
Pronomina (lat. pro - für, nomen - Name), anders Fürwörter, sind Stellvertreter (substantivische Pronomina) oder Begleiter (adjektivische Pronomina) des Substantivs.
Die eigentliche Funktion der substantivischen Pronomina besteht in ihrem textuellen Vorkommen - sie sind Prowörter für Substantive, d. h. Substantive werden von Pronomina ersetzt bzw. vertreten. In morphologischer Hinsicht sind sie teilweise den Substantiven ähnlich, d. h. sie sind deklinierbar und nicht komparierbar. Im Gegensatz zu Substantiven sind sie aber nicht artikelfähig. Außerdem können sie keine adjektivischen Attribute bei sich haben. Im Gegensatz zu Substantiven haben sie keine lexikalischen Bedeutungen sensu stricto, sondern lediglich allgemeine Grundbedeutungen, die durch unterschiedliche grammatisch-semantische Merkmale wie Person, Zahl, Verneinung sowie Frage bestimmt werden. Da sie also Synsemantika und Deiktika repräsentieren, haben sie nur eine semantische Hilfsfunktion: Sie benennen nichts, sondern verweisen auf etwas indirekt. Nach der Art, in der Pronomina auf etwas verweisen, unterscheidet man zwischen:
Personalpronomina
Demonstrativpronomina
Interrogativpronomina
Possessivpronomina
Indefinitpronomina
Relativpronomina
Reflexivpronomina
Pronominaladverbien / Präpositionaladverbien
Das Personalpronomen wird nur substantivisch gebraucht. Mit Personalpronomina werden, ähnlich wie mit Substantiven Personen, Gegenstände und Sachverhalte bezeichnet. Mit dem Personalpronomen werden bezeichnet:
Sprecher (ich, wir)
Angesprochene - dabei werden die Formen differenziert nach der Vertraulichkeit (du, ihr) und Höflichkeit bzw. Distanz (Sie). Die Formen der ersten und zweiten Person werden nur nach der Kategorie des Numerus (Singular, Plural) differenziert. (Partnerpronomina)
das Besprochene - dabei wird sowohl auf Personen als auch auf Nicht-Personen Bezug genommen. Die Formen der dritten Person werden nach Kategorien des Numerus (Singular, Plural) und Genus (Maskulinum, Femininum, Neutrum) differenziert. Die Form der dritten Person Singular Neutrum kann sich dabei sowohl auf ein einzelnes Wort (Kauf das Buch! Es wird dir bestimmt gefallen.) als auch auf den ganzen Satz (Dann wären wir reich und verdienten es.) beziehen.
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1. P Sg |
2. P Sg |
3. P Sg Maskulinum |
3. P Sg Femininum |
3. P Sg Neutrum |
1. P Pl |
2. P Pl |
3. P Pl |
Nominativ |
ich |
du |
er |
sie |
es |
wir |
ihr |
sie / Sie |
Genitiv |
meiner |
deiner |
seiner |
ihrer |
seiner |
unserer |
eurer |
ihrer / Ihrer |
Dativ |
mir |
dir |
ihm |
ihr |
ihm |
uns |
euch |
ihnen / Ihnen |
Akkusativ |
mich |
dich |
ihn |
sie |
es |
uns |
euch |
sie / Sie |
Mit dem Demonstrativpronomen (der, derjenige, dieser, jener, solcher, derselbe, ersterer, letzterer) wird auf Personen und Nicht-Personen verwiesen, die bereits bekannt bzw. näher zu kennzeichnen sind. Das Demonstrativpronomen kann sowohl substantivisch als auch adjektivisch gebraucht werden: z. B.
Kennst du die Frau? - Nein, diese Frau kenne ich nicht. (adjektivisch)
- Nein, diese kenne ich nicht. (substantivisch)
Dabei unterscheidet man zwei Gruppen:
Demonstrativpronomina mit reinem Hinweischarakter: z. B. der, derjenige
Demonstrativpronomina mit einer konkretisierenden Nebenbedeutung: z. B. dieser (Verweis in der Nähe), jener (Verweis in der Ferne), solcher (Verweis auf Qualität), derselbe (Verweis auf Identität)
Daneben gibt es eine andere Unterteilung, die abhängig ist von der Richtung, in welche die Pronomina verweisen. Man unterscheidet dabei zwischen zurück- und vorausverweisenden Demonstrativpronomina. Zurückverweisende (d. h. anaphorische) Pronomina (der, dieser, jener, derselbe, derjenige) ersetzen eine im Text bereits früher erwähnte Person bzw. Nicht-Person: z. B.
Kennst du die Frau? - Nein, diese kenne ich nicht.
Vorausverweisende (d. h. kataphorische) Pronomina dagegen vertreten eine noch nicht genannte Person / Nicht-Person, über die erst später gesprochen wird: z. B.
Man befreundet sich mit denjenigen, auf welche man sich verlassen kann.
Interrogativpronomina werden zur Bildung von Ergänzungsfragen verwendet, sie dienen folglich dazu, unbekannte Sachverhaltskomponenten zu erfragen. Im Satz nehmen sie die Spitzenposition, d. h. die erste Stelle ein. Dabei unterscheidet man zwei Gruppen:
Pronomina wer und was werden nur substantivisch verwendet. Sie sind deklinierbar, aber sie werden nicht nach Genus Nominale unterschieden und haben keine Pluralformen. Mit wer werden Personen erfragt, mit was dagegen Nicht-Personen.
Pronomina was für ein und welcher können sowohl substantivisch als auch adjektivisch verwendet werden. Sie sind deklinierbar und werden im Singular nach Genus Nominale unterschieden. Außerdem haben sie Pluralformen. Mit der Antwort auf die Frage was für ein wird eine (Nicht-)Person spezifiziert, d. h. ihre Eigenschaft wird angegeben. Dagegen mit der Antwort auf die Frage welcher wird eine (Nicht-)Person identifiziert, indem sie aus einer Klasse gleichartiger (Nicht-)Personen ausgewählt und bestimmt wird. Ein weiteres Merkmal der beiden Gruppen von Pronomina ist, dass die erfragte Klasse vorerwähnt wurde und somit bereits bekannt ist: z. B.
Es gibt mehrere Bälle. Welchen möchtest du? - Diesen da. / Den großen.
Was für einen möchtest du? - Einen von diesen da. / Einen großen.
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Maskulinum |
Femininum |
Neutrum |
Nominativ |
wer |
wer |
was |
Genitiv |
wessen |
wessen |
wessen |
Dativ |
wem |
wem |
wem |
Akkusativ |
wen |
wen |
was |
Durch das Possessivpronomen wird der Besitz im engeren und weiteren Sinne ausgedrückt: ein Besitzverhältnis oder eine Zugehörigkeit, Zusammengehörigkeit, Zuordnung, Interesse sowie Verbundenheit. Jedem Personalpronomen entspricht ein Possessivpronomen. Die Pronomina der ersten und zweiten Person bezeichnen dabei den Besitz der sprechenden und angesprochenen Person, diejenigen der dritten Person bezeichnen den Besitz der besprochenen Person bzw. Nicht-Person. Possessivpronomina werden meistens adjektivisch verwendet. Die substantivische Verwendung ist jedoch auch möglich. In einem solchen Fall sind die Possessivpronomina artikelfähig: z. B. Wessen Geld liegt da? - Das Meine. Meines.
Beim Possessivpronomen haben wir es mit dem doppelten Bezug zu tun, d. h. die Form (der Stamm) des Pronomens richtet sich nach Person, Genus Nominale und Numerus des Besitzers, während die Flexionssuffixe von Kasus, Genus Nominale und Numerus des Besitztums abhängen: z. B. Der Meinung meines Nachbarn kann ich nicht zustimmen. - Seiner Meinung kann ich nicht zustimmen. / Der Meinung meiner Nachbarin kann ich nicht zustimmen. - Ihrer Meinung kann ich nicht zustimmen.
Indefinitpronomina (unbestimmte Fürwörter) stellen eine umfangreiche Klasse dar, zu der viele Elemente mit jeweils unterschiedlichen morphologischen und syntaktischen Merkmalen gehören. Zu Indefinitpronomina werden gerechnet: all, einer, einige, etliche, etwas, jeder, jedermann, jemand, niemand, keiner, irgendein, man, mancher, mehrere, sämtlich, welch, nichts. Sie werden verwendet, wenn der Sprecher ein Lebewesen oder einen Gegenstand nicht näher bezeichnen will oder kann und wenn der Sprecher eine ganze Gruppe allgemein bezeichnen will. Mit Indefinitpronomina werden Personen und Nicht-Personen als unbestimmt bezeichnet, d. h. bezüglich ihrer Identität nicht genau bestimmt. Dabei unterscheidet man zwischen Gruppen:
Indefinitpronomina, die sowohl substantivisch als auch adjektivisch verwendet werden können: all, einige, irgendein / irgendwelche, jeder, keiner, mancher, mehrere, etliche. Sie verfügen über ein voll ausgebautes Deklinationssystem, in dem sie nach Kasus und Genus Nominale flektiert werden. Was die Kategorie des Numerus anbelangt, gilt Folgendes: Jeder hat keinen Plural (Die Pluralform wird durch alle ersetzt.), mehrere hat keinen Singular, dagegen alle und einige können nur im Singular auftreten, wenn sie sich auf Stoffbezeichnungen und unbestimmte Abstrakta beziehen.
Indefinitpronomina, die nur substantivisch verwendet werden: etwas, irgendetwas, jemand, irgendjemand, irgendwer, man, niemand, nichts. Sie verfügen über ein wenig ausgebautes Deklinationssystem, in dem sie teilweise nach Kasus flektiert werden. Was die Kategorie des Genus Nominale anbelangt, gilt Folgendes: jemand, irgendwer, man, niemand sind Maskulina, etwas und nicht sind dagegen Neutra. Trotzdem werden sie verwendet, um einzelne, mehrere Personen oder Nicht-Personen mit verschiedenem Genus zu bezeichnen. Zwischen Personen und Nicht-Personen gibt es dabei eine deutliche Abgrenzung.: z. B. jemand vs. etwas. Im Einzelnen lassen sich dabei folgende Regularitäten ermitteln:
man - steht nur im Nominativ, es gibt keinen Genitiv, im Dativ gibt es die Form: einem, im Akkusativ: einen.
irgendwer - wird genauso wie wer flektiert, die Genitivform ist nicht gebräuchlich.
jemand - hat doppelte Deklinationsformen: z. B. Ich bin jemandem / jemand begegnet.
niemand - wird genauso wie jemand flektiert.
Pronomina: man, irgendwer, jemand, niemand können nur auf Personen bezogen werden.
etwas - wird nicht flektiert.
nichts - wird nicht flektiert.
Pronomina: etwas und nichts können nur auf Nicht-Personen bezogen werden.
Die Formen der Relativpronomina (der, welcher, wer, was) sind mit denen der Interrogativpronomina identisch. Das Relativpronomen wird nur substantivisch verwendet. Seine Funktion besteht in der Einleitung von Relativsätzen. Dabei wird zwischen zwei Funktionen des Relativpronomens unterschieden:
Im Attributsatz vertritt das Relativpronomen das im Hauptsatz stehende Substantiv, auf das es sich bezieht (d. h. das Substantiv und das Relativpronomen sind referenzidentisch): z. B.
Im weiterführenden Nebensatz bezieht sich das Relativpronomen auf den Inhalt des ganzen Hauptsatzes (d. h. der Hauptsatz und das Relativpronomen sind referenzidentisch): z. B.
Die Relativpronomina wer und was werden genauso wie die ihnen entsprechenden Interrogativpronomina flektiert. Dagegen bei der und welcher ergibt sich das folgende Paradigma:
|
Singular |
Plural |
||
|
Maskulinum |
Femininum |
Neutrum |
alle Genera |
Nominativ |
der /welcher |
die /welche |
das /welches |
die /welche |
Genitiv |
dessen |
deren |
dessen |
deren |
Dativ |
dem / welchem |
der /welcher |
dem / welchem |
denen / welchen |
Akkusativ |
den /welchen |
die /welche |
das /welches |
die /welche |
Das Reflexivpronomen tritt bei reflexiven Verben, reflexiven Konstruktionen sowie reflexiven Formen auf. Dabei wird es nur substantivisch verwendet. Die genuine Form des Reflexivpronomens (sich) kommt ausschließlich in der dritten Person Dativ und Akkusativ vor. Im Nominativ wird das Reflexivpronomen überhaupt nicht verwendet. Dagegen alle übrigen fehlenden Formen werden durch entsprechende Personalpronomina repräsentiert. So ergibt sich das folgende Paradigma:
|
Singular |
Plural |
||||
|
1. Person |
2. Person |
3. Person |
1. Person |
2. Person |
3. Person |
Nominativ |
— |
— |
— |
— |
— |
— |
Genitiv |
meiner |
deiner |
seiner (Mask., Neutr.) / ihrer (Fem.) |
unser |
euer |
ihrer |
Dativ |
mir |
dir |
sich |
uns |
euch |
sich |
Akkusativ |
mich |
dich |
sich |
uns |
euch |
sich |
Pronominaladverbien / Präpositionaladverbien stellen eine Besonderheit dar. Dabei handelt es sich um Verbindungen von Präpositionen und Adverbien da bzw. wo. Wenn die Präposition mit einem Vokal anlautet, werden die Adverbien um das Interfix -r- bereichert: z. B. darauf, worum. Pronominaladverbien / Präpositionaladverbien werden zu substantivischen Pronomina gerechnet, weil sie anstelle von Personal-, Demonstrativ-, Interrogativ- sowie Relativpronomina stehen können. Die genannten Pronomina repräsentierten dann die mit einer Präposition gebrauchten Substantive, die Nicht-Lebewesen bezeichnen. Personal- und Demonstrativpronomina werden durch Pronominaladverbien mit da(r)- ersetzt, Interrogativ- und Relativpronomina durch solche mit wo(r)-.
Mit der Frage kann man sich lange befassen. ≈ (Mit der kann man sich lange befassen.) ≈ Damit kann man sich lange befassen.
Mit welcher Frage kann man sich lange befassen? ≈ Womit kann man sich lange befassen?
Wir können uns noch an die Abfahrt erinnern. Das war das Schönste. ≈ Das Schönste, woran wir uns noch erinnern können, war die Abfahrt.
5
Das Boot verlor an Geschwindigkeit, die uns beunruhigte.
Das Boot verlor an Geschwindigkeit, was uns beunruhigte.