Werner Bergengruen
Badekur des Herzens (gekürzt)
Es kränkt mich, daß man mich bemitleidet, weil ich kein Auto habe, sondern nur ein Fahrrad. In der Tat wünsche ich mir kein Auto. Ich leugne nicht, ein im Technischen unbeholfener Mensch zu sein; das Rad indessen übersehe ich vollständig oder kann mich wenigstens verhalten, als täte ich es. Ich habe wundervoll wenig mit Schmieröl zu tun. Es kann nicht geschehen, daß ich im Herbstschmutz der Landstraße auf dem Bauche liege und vergeblich zu erforschen versuche, warum mein munteres Fuhrwerk plötzlich alle Bewegungslust und -fähigkeit einbüßte. Geringe Instandsetzungen, etwa Schlauchflicken, kann ich selbst vornehmen. Die Wahrheit zu sagen tu ich es fast nie. Jedes Dorf hat heute einen Mechaniker, die Kosten sind gering.
Manche reden von den Schwierigkeiten des Radfahrers, sich im Autostrom belebter Straßen ungefährdet zu behaupten. Mir ist es eine Freude, von Autos bedroht und gejagt zu werden und ihnen dennoch zu entwischen, weil ich kleiner und wendiger bin. Ich spiele die Rolle des Flohs, des winzigen, flinken humoristischen Gesellen unter den plumpen und täppischen Menschenpranken. Bekanntlich kann der Floh nicht gefangen werden, es sei denn, man überliste ihn. Aber wie sollten sie mich überlisten, die grobschlächtigen Tatzen der Lastwagen und Postautobusse?