Katyn wird für Kaczynski zum Schicksalsort
Warschau/Katyn (dpa) - Der Zweite Weltkrieg hat das gesamte Leben und Wirken des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski geprägt.
Dass er nun auf dem Weg zur Gedenkveranstaltung an das stalinistische Massaker an polnischen Offizieren im Wald von Katyn bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, ist wie eine bittere Ironie des Schicksals. Drei Tage zuvor hatten die Regierungschefs von Russland und Polen, Wladimir Putin und Donald Tusk, erstmals gemeinsam der Opfer des Massakers vor 70 Jahren gedacht. Kaczynski wollte nun im westrussischen Katyn mit den Familien der Opfer und Vertretern des Militärs der Toten gedenken.
Katyn war für Kaczynski wie für viele seiner Landsleute ein Symbol für die schwierige Nachbarschaft mit Russland. Das Misstrauen gegen Deutschland und Russland prägte das Weltbild des Sohns ehemaliger Widerstandskämpfer gegen die Deutschen im Warschauer Aufstand, war eine der Antriebsfedern für sein Streben nach einem starken Polen.
Die Karriere des am 18. Juni 1949 geborenen Kaczynski war stets eng verknüpft mit seinem knapp eine Stunde älteren Zwillingsbruder Jaroslaw. Schon als Kinder spielten sie in den Trümmern "Partisanenkampf" gegen die Nazis. Im Alter von zwölf Jahren wurden die Brüder in Polen als blonde Kinderstars eines Kinofilms über die Streiche zweier rotzfrecher Lümmel bekannt. Später studierten die berühmtesten Zwillinge Polens Jura, engagierten sich in der polnischen Bürgerrechtsbewegung.
Lech Kaczynski war während der Streiks auf der Danziger Lenin- Werft im Sommer 1980 einer der Rechtsberater von Arbeiterführer Lech Walesa. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems in Polen war Lech Kaczynski zunächst Sicherheitsminister. Im Jahr 2000 machte er als Justizminister Schlagzeilen mit seinem Plädoyer für die Wiedereinführung der Todesstrafe.
Zusammen mit seinem Bruder gründete Kaczynski 2001 die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die für den rechten Flügel der nunmehr immer mehr zersplitternden Bürgerrechtsbewegung zur politischen Heimat wurde. Das Bürgermeisteramt von Warschau wurde für Lech Kaczynski das Sprungbrett für das Präsidentenamt, das er im Herbst 2005 in einer Stichwahl gegen den liberalkonservativen Donald Tusk gewann. Einen Monat zuvor hatte Zwillingsbruder Jaroslaw die Parlamentswahl gewonnen.
Zunächst wurden die mächtigsten Zwillinge Europas wegen mangelnder internationaler Erfahrung und fehlender Sprachkenntnisse belächelt, später als kompromisslose Bremsklötze auf EU-Gipfeln gefürchtet. Im Verhältnis zu Deutschland wie zu Russland kriselte es - ob es um das umstrittene Zentrum gegen Vertreibungen ging oder um die Stimmengewichtung Polens in der EU. Kritiker innerhalb und außerhalb Polens warfen den Kaczynskis vor, im Schatten der Vergangenheit zu stehen und damit den Weg einer europäischen Zukunft zu blockieren. Lech Kaczynski galt als der umgänglichere der beiden Brüder.
Als Jaroslaw Kaczynski 2007 bei der Parlamentswahl ausgerechnet Lech Kaczynskis ehemaligem Rivalen Tusk unterlag, war die Zeit der polnischen Zwillingsherrschaft vorbei. Kaczynskis Verhältnis zur Regierung Tusk war von Konflikten und Alleingängen geprägt - etwa im Konflikt zwischen Russland und Georgien im August 2008. Damals mobilisierte er Amtskollegen aus anderen ostmitteleuropäischen Staaten für eine Reise in den Kaukasus, um den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili demonstrativ zu unterstützen.
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