Ais ich z u Ende gelesen hatte, fiel mir ein, daB ich vor eini-gen Wochcn einmal in der Nacht ein etwas sonderbares Ge-dicht aufgeschrieben hatte, das ebenfalJs vom Steppenwolf handelte. Ich suchte danach im Papiergestóber meincs voll-gestopften Schreibtisches, fand es und las:
Ich Steppenwolf trabe und trabe,
die Welt liegt voll Schnee,
vom Birkenbaum fliigelt der Rabę,
aber nirgends ein Hase, nirgerids ein Reh!
In die Rehe bin ich so verliebt, wenn ich doch eins fande!
Ich nahm’s in die Zahne, in die Hande, das ist das Schónste, was es gibt.
Ich ware der Holden so von Herzen gut, frafie mich tief in ihre zartlichen Keulen, tranke mich satt an ihrem hellroten Blut, um nachher die ganze Nacht einsam zu heulen.
Sogar mit einem Hasen war ich zufrieden, sufi schmeckt sein warmes Fleisch in der Nacht -ach, ist denn alles von mir geschieden, was das Leben ein bifichen fróhlicher macht?
An meinem Schwanz ist das Haar. schon grau, auch kann ich nicht mehr ganz deutlich sehen, schon vorJahren starb meine liebe Frau.
Und nun trąb ich und traume von Rehen, trabe und traume von Hasen, hóre den Wind in der Winternacht blasen, tranke mit Schnee meine brennende Kehle, trage dem Teufel zit meine arme Seele.
Da hatte ich nun zwei Bildnisse von mir in Handen, das cine ein Selbstbildnis in Knittelversen, traurig und angstvoll wie ich selbst, das andre kiihl und mit dem Anschein hoher Objektivitat gezeichnet, von einem Aufienstehenden, von aufien und von oben gesehen, geschrieben von einem, der mehr und doch auch weniger wufite ais ich selbst. Und diese beiden Bildnisse zusammen, mein schwermiitig stam-melndes Gedicht und die kluge Studie von unbekannter 1 land, taten mir beide wch, hatten beidc recht, zeichneten beidc ungeschminkt meine trostlose Existenz. zeigten
43