Obraz5 (15)

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hen diirfest? Hast du? Sie sind schon lange tot, sagst dii? Na also! Wenn du aus lauter Folgsamkeit in deiner Jugend nicht hast tanzen lemen wollen - meinetwegen! Obwohl ich nicht glaube, daG du damals so ein Musterknabe warst. Aber nachher - was hast du denn nachher alle die Jahre lang getrieben?"

„Ach“, gestand ich, „ich weiG es selber nicht mehr. Ich habe studiert, Musik gemacht, Biicher gelesen, Biicher geschrie-ben, Reisen gemacht

„Merkwiirdige Ansichten, die du vom Leben hast! Du hast also immer schwierige und komplizierte Sachen getrieben, und die einfachen hast du gar nicht gelernt? Keine Zeit? Keine Lust? Na meinetwegen, Gott sei Dank bin ich nicht deine Mutter. Aber dann so tun, ais hattest du das Leben durchprobiert und nichts daran gefunden, nein, das geht nicht!"

„Schelten Sie nicht!" bat ich. „Ich weifi schon, daG ich ver-riickt bin.“

„Ach was, sing mir keine Lieder vor! Du bist keineswegs verruckt, Herr Professor, du bist mir sogar viel zu wenig verriickt! Du bist so auf eine dumme Art gescheit, scheint mir, richtig wie ein Professor. Komm, iG noch ein Brótchen. Nachher erzahlst du weiter."

Sie besorgte mir nochmals ein Brótchen, tat etwas Salz daran, strich ein wenig Senf darauf, schnitt ein Stiickchen fur sich selber ab und hiefi mich essen. Ich aG. Ich hatte al-les getan, was sie mich geheiGen hatte, alles auGer Tanzen. Es tat ungeheuer wohl, jemand zu gehorchen, neben je-mand zu sitzen, der einen ausfragte, einem befahl, einen ausschalt. Hatte der Professor oder seine Frau das vor ein paar Stunden getan, es ware mir viel erspart geblieben. Aber nein, es war gut so, es ware mir viel entgangen!

„Wie heiGt du eigentlich?" fragte sie plótzlich.

„Harry."

„Harry? Ein Bubenname! Und ein Bub bist du auch, Harry, trotz den paar grauen Flecken im Haar. Du bist ein Bub, und du solltest jemand haben, der ein wenig nach dir schaut. Vom Tanzen sagę ich nichts mehr. Aber wie du fri-siert bist! Hast du denn keine Frau, keinen Schatz?"

„Ich habe keine Frau mehr, wir sind geschieden. Einen Schatz habe ich schon, aber er wohnt nicht hier, ich sehe ihn nur selten, wir komraen nicht sehr gut miteinander

aus.“

Sie pfiff leise durch die Zahne.

„Du scheinst ein recht schwieriger Herr zu sein, dafi keine bei dir bleibt. Aber sag jetzt: was war denn heut abend Be-sonderes los, dafi du so vergeistert in der Welt herumgelau-fen bist? Krach gehabt? Geld verspielt?“

Das war nun schwierig zu sagen.

„Sehen Sie“, fing ich an, „es war eigentlich eine Kleinigkeit-Ich war eingeladen, bei einem Professor - ich selber bin aber keiner und eigentlich hatte ich gar nicht hingehen sollen, ich bin es nicht mehr gewohnt, so bei Leuten zu sit-zen und zu schwatzen, ich habe es verlernt. Ich ging auch schon in das Haus hinein mit dem Gefuhl, es werde nicht gut gehen - ais ich meinen Hut aufhangte, kam mir schon der Gedanke, ich wiirde ihn vielleicht schon bald wiedet brauchen. Ja, und bei diesem Professor also, da stand auf dem Tisch so ein Bild herum, ein dummes Bild, das mich ar-gerte..

„Was fur ein Bild? Warum argerte?" unterbrach sie mich.

„Ja, es war ein Bild, das den Goethe vorstellte - wissen Sie, den Dichter Goethe. Er war aber darauf nicht so, wie ei wirklich ausgesehen hat - das weifi man namiich iiberhaupt nicht genau, er ist seit hundcrt Jahren tot. Sondern irgend' ein moderner Maler hatte den Goethe da so zurechtfrisiert, wie er sich ihn vorstellt, und dieses Bild argerte mich und war mir scheufilich zuwider - ich weifi nicht, ob Sie das verstehen?“

„Kann ich sehr gut verstehen, sei ohne Sorge. Weiter!" „Schon vorher war ich mit dem Professor uneins; er ist, wie die Professoren fast alle, ein grofier Patriot und hat wahrend des Krieges brav mitgeholfen, das Volk anzuliigen - im be' sten Glauben natiirlich. Ich aber bin ein Kriegsgegner. Na, einerlei. Also weiter. Ich hatte ja das Bild gar nicht anzuse' hen brauchen ..."

„Hattest du allerdings nicht.“

„Aber erstens tat es mir wegen Goethe leid, der ist mir nam' lich sehr, sehr lieb, und dann war es so, dafi ich dachte —-nun, ich dachte oder fiihlte etwa so: da sitze ich nun be* Leuten, die ich fur meinesgleichen ansehe und von deneO ich dachte, auch sie werden den Goethe ahnlich wie ich lic'

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