Obraz2 (6)

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„Ja", gab ich zu, „es ist mir seit Jahren nicht so gut gegan-gen. Das kommi alles von dir, Hermine."

„Oh, nicht von deiner schónen Maria?"

„Nein. Auch die hast ja du mir geschenkt. Sie ist wunder-bar."

„Sie ist die Geliebtc, die du brauchtest, Steppcnwolf. Hiibsch, jung, guter Laune, in der Liebe sehr klug und nicht jeden Tag zu habcn. Wenn du nicht mit andern teilen miiB-test. wenn sie bei dir nicht immer bloG ein fliichtiger Gasi ware, ginge es nicht so gut."

Ja, auch das muGtc ich zugeben,

„Also hast du jetzt eigentlich alles, was du brauchst?" „Nein, Hermine, so ist es nicht. Ich habe etwas sehr Schó-nes und Entziickendes, cine groGe Freude, einen lieben Trost. Ich bin geradezu gliicklich . ..“

„Na also! Was willst du mehr?"

„Ich will mehr. Ich bin mit Gliicklichsein nicht zufrieden, ich bin nicht dafiir geschaffen, es ist nicht meine Bestim-mung. Meine Bestimmung ist das Gegenteil."

„Also ungliicklich sein? Nun, das hast du ja reichlich ge-habt, damals, ais du wegen des Rasiermessers nicht mehr nach Hause gehen konntest."

„Nein, Hermine, es ist doch anders. Damals war ich, zugc geben, sehr unglucklich. Aber es war ein dummes Ungliick, ein unfruchtbares."

„Warum denn?“

„Weil ich sonst nicht diese Angst vor dem Tode hatte habcn miisscn, den ich mir doch wiinschte! Das Ungliick, das ich brauche und ersehne, ist anders; es ist so, daG es mich mit Begier leiden und mit Wollust sterben la6t. Das ist das Ungliick oder Gliick, auf das ich warte."

„Ich vcrstehe dich,.Darin sind wir Geschwister. Aber was hast du gegen das Gliick, das du jetzt, mit Maria, gefundcn hast? Warum bist du nicht zufrieden?"

„Ich habe nichts gegen dieses Gliick, o nein, ich liebe es, ich bin ihm dankbar. Es ist schón wie ein Sonnentag mitten in einem Regensommer. Aber ich spiire, daG es nicht dauern kann. Auch dies Gliick ist unfruchtbar. Es macht zufrieden, aber Zufriedenheit ist keine Speise fur mich. Es schlafert den Steppcnwolf ein, es macht ihn satt. Aber es ist kein Gliick, um darum zu sterben." „Also gestorben muli sein, Steppenwolf?"

..Ich glaube, ja! Ich bin sehr zufrieden mit meinem Gliick, Ich kann es noch eine ganze Weile ertragen. Aber wenn das (iliick mir manchmal cine Stunde Zeit lafit, zum Wachwer-ilcn und zum Sehnsuchthaben, dann geht allc meine Sehn--ucht nicht dahin, dies Gliick immer zu behalten, sondern wieder zu leiden, nur schóner und weniger armlich ais frii-Iter. Ich sehne mich nach Leiden, die mich bereit und willig machen zum Sterben."

Hermine sah mir zartlich in die Augen, mit dem dunklen Iliick, der so plótzlich bei ihr erscheincn konnte. Herrliche, lurchtbare Augen! Langsam, die Worte einzeln suchend und nebeneinander stellend, sagte sie - so leise, dal} ich mich anstrengen mufite, um es zu hóren:

Ich will dir heut etwas sagen, etwas, was ich schon lange weilł, und auch du weifit es schon, aber vielleicht hast du es iltr selber noch nicht gesagt. Ich sagę dir jetzt, was ich uber mich und dich und iiber unser Schicksal weifi. Du, Harry, lnst ein Kiinstler und Denker gewesen, ein Mensch voll 1'icude und Glauben, immer auf der Spur des Grofien und liwigen, nie mit dem Hiibschen und Kleinen zufrieden. Aber je mehr das Leben dich geweckt und zu dir selber ge-lit.tcht hat, desto grofier ist deine Not geworden, desto tie-ler bist du in Leiden, Bangigkeit, und Verzweiflung gera-ten, bis an den Hals, und alles, was du einst Schónes und llciliges gekannt und geliebt und verehrt hast, all dein ein-•tiger Glaube an die Menschen und an unsre hohe Bestim-mung, hat dir nicht helfen kónnen und ist wertlos gewor-ilen und in Scherben gegangen. Dein Glaube fand keine I uft mehr zum Atmen. Und Ersticken ist ein harter Tod. Ist i ■■ richtig, Harry? Ist das dein Schicksal?" li h nickte, nickte, nickte.

,1 )u hattest ein Bild vom Leben in dir, einen Glauben, eine forderung, du warst zu Taten, Leiden und Opfern bereit -und dann merktest du allmahlich, dali die Welt gar keine I tten und Opfer und dergleichen von dir verlangt, dafi das

I    eben keine heroische Dichtung ist, mit Heldenrollen und •li tgleichen, sondern eine biirgerliche gute Stube, wo man 'mi Essen und Trinken, Kaffee und Strickstrumpf, Tarock-tpiel und Radiomusik vollkommen zufrieden ist. Und wer

II    andere will und in sich hat, das Heidenhafte und

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