dem einen, bald vor dem andern, immcrhin merklich ge-stórt durch die ziemlich saftigc SchieGerei ringsum. Nun, die Hauptsache war klar: es war Krieg, ein heftigcr, rassiger und hóchst sympathischer Krieg, worin es sich nicht urn Kaiser, Republik, Landcsgrenzen, um Fahnen und Farben und dergleichen mehr dekorative und theatralische Sachen handelte, um Lumpereien im Grunde, sondern wo ein je-der, dem die Luft zu eng wurde und dem das Leben nicht recht mehr mundete, scinem VcrdruG schlagenden Aus-druck verlieh und dic allgemeine Zerstórung der blecher-ncn zivilisierten Welt anzubahnen strebte. Ich sah, wie al len die Zerstórungs- und Mordlust so heli und aufrichtig aus den Augen lachte, und in mir selbst bliihten diese roten wilden Blumen hoch und feist und lachten nicht mindcr. Freudig schloG ich mich dcm Kampfe an.
Das Schónste von allem aber war, daG neben mir plótzlich mein Schulkamerad Gustav auftauchte, der seit Jahrzehnten mir Verschollene, einst der wildeste, kraftigste und lebens-durstigste von den Freunden meiner friihen Kindheit. Mir lachte das Herz, ais ich seine hellblauen Augen mir wieder zuzwinkern sah. Er winkte mir, und ich folgte ihm sofort mit Freuden.
„Herrgott, Gustav“, rief ich gliicklich, „daG man dich einmal wiedersieht! Was ist denn aus dir gewordcn?"
Argerlich lachte er auf, ganz wie in der Knabenzeit. „Rindvieh, muG denn gleich wieder gcfragt und geschwatzt werden? Professor der Theologie bin ich geworden, so, nun weiGt du es, aber jetzt findet zum Gluck keine Theologie mehr statt, Jungę, sondern Krieg. Na kornrn!"
Von einem kleinen Kraftwagen, der uns eben schnaubend entgegenkam, schoG er den Fiihrcr herunter, sprang flink wie ein Affe auf den Wagen, brachte ihn zum Stehen und licG mich aufsteigen, dann fuhren wir schnell wie der Ten fel zwischen Flintenkugeln und gesturzten Wagen hin-durch, davon, zur Stadt und Vorstadt hinaus.
„Stehst du auf seiten der Fabrikanten?" fragte ich meinen Freund.
„Ach was, das ist Geschmacksache, wir werden uns das dann drauGen iibcrlegen. Aber nein, warte mai, ich bin mehr dafiir, daG wir die andere Partei wahlen, wenn es auch im Grunde natiirlich ganz egal ist. In bin Theolog, und
mein Vorfahr Luther hat seinerzeit den Fiirsten und Rei-chen gegen die Bauern geholfen, das wollen wir jetzt ein biGchen korrigieren. Schlechter Wagen, hoffentlich halt cr’s noch ein paar Kilometer aus!“
Schnell wie der Wind. das himmlische Kind, knatterten wir davon, in eine griine ruhige Landschaft hinein, viele Meilen weit, durch eine groGe Ebene und dann langsam steigcnd in ein gewaltiges Gebirg hinein. Hier machten wir halt auf ei-ner glatten, gleiGenden StraGe, die fuhrte zwischen steiler Felswand und niedriger Schutzmauer in ktihnen Kurven hoch, hoch iiber einem blauen leuchtenden See dahin. „Schóne Gegend“, sagte ich.
..Sehr htibsch. Wir kónnen sie AchsenstraGe heiGen, es sol-len hier diverse Achsen zum Krachen kommen, Harrychen, paG mai auf!“
Eine groGe Pinie stand am Weg, und oben in der Pinie sa-hen wir aus Brettern etwas wie eine Hiitte gebaut, einen Auslug und Hochstand. Heli lachte Gustav mich an, aus den blauen Augen listig zwinkernd, und eilig stiegen wir beide aus unsrem Wagen und kletterten am Stamm empor, verbargen uns tief atmend im Auslug, der uns sehr gefiel. Wir fanden dort Flinten, Pistolen; Kisten mit Patronen. Und kaum hatten wir uns ein wenig gekiihlt und im Jagd-siand eingcrichtet, da klang schon von der nachsten Kurve hcr heiser und herrschgierig die Hupe eines groGen Luxus-wagens, der fuhr schnurrend mit hoher Geschwindigkeit auf der blanken BergstraGe daher. Wir hatten schon die Flinten in der Hand. Es war wunderbar spannend.
..Auf den Chauffeur zieleń!" befahl Gustav schnell, eben rannte der schwere Wagen unter uns vorbci. Und schon zielte ich und driickte los, dem Lenker in die blaue Mutze. Der Mann sank zusammen, der Wagen sauste weiter, stieG gegen die Wand, prallte zuriick, stieG schwer und wiitend wie eine groGe dicke Hummel gegen die niedere Mauer, uberschlug sich und krachte mit einem kurzeń leisen Knall iiber die Mauer in die Tiefe hinunter.
„Erledigt", lachte Gustav. „Den nachsten nehme ich.“
Schon kam wieder ein Wagen gerannt, klein saGen die drei nder vier Insassen in den Polstern, vom Kopf einer Frau wehte ein Stiick Schleier starr und waagerecht hinterher, ein hellblauer Schleier, es tat mir eigentlich leid um ihn,
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