Ansehung des Niveaus steht, aus seiner mechanistischen Gefahr, ins Decrescendo des Wurmisierens, des intellektuellen Verlustes, der All-Banalitat abzugleiten. Bis hin zu Moleschotts Satz: »Wie das Bein seine Gehmuskeln hat das Gehirn seine Denkmuskeln, und wie der Urin eine Ausscheidung der Nieren so ist der Gedanke nichts anderes ais eine Ausscheidung des Gehirns«. Oder bis zu dem Satz selbst Kau-tskys, dem mindestens an Zwischengliedern armen, an Horizont nicht reicheren: »So ist die Reformation nichts anderes ais der ideologische Ausdruck tiefgehender Veranderungen auf dem damaligcn europiii-schen Wollmarkt«. Derlei und Verwandtes ist gewift nicht mehr Auf-klćirung, eher wie Lessing sagte, »Aufklaricht«, ja wie Engels erganz-te: »Abspiilicht vom Aufklaricht«; vor Tische ais man boi Dcmokrit gewift anders. Doch die Gefahr dazu, mit und besser ohne die soge-nannte »Dialektik der Aufklarung« ist etwas auch bei den Originalen des bisherigen Materialismus, sofern man dort sein Decrescendo nicht durch vóllige Unverwechselbarkeit versiegelt hat. Wie sollten dcrart bedeutende idealistische Philosophen bei so mifiverstandencn und so leicht entstellbarem Materialismus in die Schule gehen; und zwar un-verstiegen, doch grenzte mehr an Plattitiide ais an die Giirten des Epikur. Die verbliiffend starkę Idealismus-Vertretung in der bisherigen Philosophiegeschichte erklart sich letzthin noch durch den kurzeń Atem der Begriffe im gehabten Materialismus, durch dessen aussper-rende Engraumigkeit der Inhalte. Jedoch weiter auch das anders Ver-bliiffende, wenig Verbliiffende darf nicht iibersehen werden: gerade die grofien Philosophen wie Aristoteles, Spinoza, Leibnitz, Schelling, Hegel finden sich im Einzelnen wie im Ganzen durchaus kryptomate-rialistischeZiige; auch hatte sich speziell Hegel ohne diese nicht so mannigfach vom Kopf auf die marxistischen Fiifie stellen lassen. Und das nicht nur in der Dialektik sondern mit Mafien auch in der Asthe-tik, selbst in der Religionsphilosophie, woraus immerhin noch Feuerbach und der jungę Marx seinen Brennpunkt materialistischer Ge-schichtsphilosophie ermittelt haben, namlich den geschehenen und zu-riicknehmenden Akt der Selbstentfremdung. Ja nun die Hauptsachen, die besondere Rolle der groflen Idealisłen im materialistischen Erbe betreffend; ihnen war nicht wie den Materialisten die Materie eine ausgemachte Sache, sondern eine Verlegenheit, zum Denken auffor-dernd, ob auch oft eingekleidet in gebliebene Verlegenheit, zum Denken auffordernd, ob auch oft eingekleidet in gebliebene Verlegenheit oder nur durch Beschimpfung abgewehrt. So wie umgekehrt den Materialisten der Geist keine ausgemachte Sache war, sondern eine Ver-legenheit, zum Denken auffordernd, wiederum oft eingekleidet in gebliebene Verlegenheit oder unbedeutend gemacht durch Reduktion auf Geschlechtstrieb, Profittrieb, also unidealistischen Treibstoff. Infolge-dessen liefi sich bei Materialisten, bei Freud auf privatcm, bei Marx aus sozial-objektiven Gebiet, entscheidend besser ais bei Idealisten lernen, was Geist ist; umgekehrt lafit auch bei Aristoteles vor allem lernen, was Materie ist, gerade auch ohne physische Begrenzung, ent-wicklungsgeschichtlich. Uberdies, wenn es viel weniger grofie Materialisten ais grofie Idealisten in der Philosophiegeschichte gegeben hat, so steht doch immerhin Materialismus, hylozoistischer am Anfang
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