5 Deutsch-mmanische Kulturbeziehungen 105
In anderen zu Rumanien gehorenden Provinzen befanden sich die deut-schen Minderheitengruppen in unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Im Sathmarer Gebiet, wo bei der Volkszahlung des Jahres 1930 wieder knapp 50.000 Sathmarer Schwaben ausgewiesen wurden, ging es darum, die rigo-rosen Madjarisierungseffekte zuruckzunehmen. In Bessarabien, wo erst seit dem 19. Jahrhundert Deutsche lebten, war das regionale Gruppenselbstbe-wuBtsein der Bauernbevólkerung schwach ausgepragt; eine straffe Organi-sation der Dorfstrukturen war allerdings vorhanden und eine uberregionale Landeskirchenordnung lieB Abhangigkeiten von Hermannstadt, dem Sitz der evangelischen Landeskirche in GroBrumanien, auch dahingehend wir-ken, daB die Bessarabiendeutschen Gemeinsamkeiten fur ihre Provinz und im LandesmaBstab sehr schnell erlernten. Im Jahre 1930 gab es in Bessarabien 80.192 Deutsche1 2. Fast ebenso viele lebten in der Bukowina. Dort wa-ren sie, sieht man von Stadten wie Czemowitz, Suceava, Radautz ab, eben-falls vorwiegend in der Land- und Forstwirschaft oder im Bergbau anzutref-fen. Ein autonomes GnippenbewuBtsein fehlte, weil die Deutschen in der Bukowina bis 1918 zur Staatsnation in der ósterreichischen Reichshalfte gehort hatten. Nach 1918 muBten sie sich erst an den Minderheitenstatus gewohnen, den sie jetzt mit den deutschsprachigen Juden teilten, ebenso aber mit Ukrainern und Polen. Die kleine deutsche Gruppe in der Dobrud-scha, die 1940 bei der Lmsiedlung „ins Reich” gerade knapp 16.000 6 Mitglie-der zahlte, lebte, nachdem sie, aus Bessarabien abgewandert, in Sekundar-siedlungen und in gemischtsprachigen Dórfern der Dobrudscha seBhaft ge-worden war, ohne einen Legitimationszwang. Dieser stellte sich erst ein, nachdem die Minderheitenstratifizierung in GroBrumanien eine Option notwen-dig gemacht hatte, bzw. nachdem in Bessarabien und Siebenburgen, die durch die evanghelische Kirche mit der Mehrzahl der Dobrudschadeutschen ver-bunden waren, ihrerseits eine Gruppenselbstdarstellung vorgenommen hatten.
Die Organisierung der einzelnen deutschen Minderheitengruppen er-folgte, wie nicht anders zu erwarten, zu unterschidlichen Zeitpunkten. In Bessarabien kam es schon im Jahre 1918 zu einer Meinungsbildung der Bessarabiendeutschen, auch innerhalb des Landesrates (Sfatul Tarii). In der Bukowina entschied sich der deutsche Volksrat fruh fur einen AnschluB an Rumanien, und die Siebenbiirger Sachsen verfiigten — trotz der Diskrimi-nierungen in Ungarn nach 1867 — uber intakte organisatorische Strukturen, die ihnen halfen, die schwierigen Nachkriegsjahre zu uberstehen und gleich-zeiting Initiativen zu ergreifen, die fur alle deutschen Minderheitengruppen in Rumanien von Bedeutung waren. Im Banat gab es die Spaltung in meh-rere Fraktionen, dereń starkste die 1919 gegrundete Deutsch-Schwabische Volkspartei (sie war fiir den AnschluB an Rumanien) und die Autonomiepar-tei (sie befiirwortete einen Verbleib des ungeteilten Banats bei Ungarn) ei-nander unerbittlich befehdeten; auch die Uberreinkunft zwischen den beiden Gruppen, die am 13. Marz 1921 zur Grundung der Deutsch-Schwabischen Volksgemeinschaft fiihrte, konnte die weiterschwelenden Machtkampfe und die gegenseitigen Diffamierungen nicht endgiiltig beseitigen. Kurz nach der Grundung der Deutsch-schwabischen Volksgemeinschaft im Banat wur-de ein uberregionaler ZusammenschluB bewerkstelligt: der Verband der Deutschen in Rumanien bestand seit dem 18. September 1921. Dem Verband kon-
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