epilepsie im Kindesalter

background image

E

pilepsie bezeichnet das rezidivierende Auftreten
unprovozierter epileptischer Anfälle. Die häufigste

Form epileptischer Anfälle im Kindesalter sind aber Fie-
berkrämpfe. Hierbei handelt es sich um durch erhöhte
Körpertemperatur provozierte Gelegenheitsanfälle, die
auch bei mehrmaligem Auftreten von einer Epilepsie ab-
gegrenzt werden müssen.

Lernziele dieses Beitrags sind:

>

Die unterschiedlichen Anfallsformen und Epilepsie-
syndrome klassifizieren zu können.

>

Die Grundlagen einer medikamentösen Therapie
kennen zu lernen.

Epidemiologie

Die Prävalenz der Epilepsie im Kindesalter beträgt etwa
0,5 Prozent. In den Industrieländern erkranken im Mittel
etwa 50 von 100 000 Kindern jedes Jahr neu an einer Epi-
lepsie. Insgesamt macht der Anteil von Kindern 25 Pro-
zent aller Epilepsie-Neuerkrankungen aus (1).

Einteilung

Die Klassifikation der Epilepsiesyndrome verwendet
hauptsächlich die Ätiologie und die Anfallssymptomatik.
Klassifiziert werden die einzelnen Anfallstypen, aus de-
nen sich dann zusammen mit der vermuteten Ätiologie
die Diagnose des Epilepsiesyndroms zusammensetzt.
Wegweisende Klassifikationsvorschläge wurden in den
Jahren 1981 und 1989 und kürzlich durch die internatio-
nale Fachgesellschaft „International League Against Epi-
lepsy“ (ILAE, www.ilae-epilepsy.org) veröffentlicht (2).
Als idiopathisch werden Epilepsiesyndrome bezeichnet,
die einen genetischen Ursprung haben und bei denen die
Betroffenen sonst neurologisch unauffällig sind. Als sym-
ptomatisch bezeichnet man Epilepsien mit belegbarer Ur-
sache und als vermutlich symptomatisch (früher krypto-
gen) solche, bei denen ein Auslöser wahrscheinlich ist,
aber nicht bewiesen werden kann (2). Symptomatische
Epilepsien können entweder läsionell (zum Beispiel Trau-
ma, Tumor, Entzündung, Fehlbildung) oder durch geneti-

cme.aerzteblatt.de/kompakt

8 a

ZUSAMMENFASSUNG

>>

EEiinnlleeiittuunngg

Mehr als 3 % der Bevölkerung erkranken im Laufe des Lebens an einer
Epilepsie. Ein Viertel der Neuerkrankten sind Kinder. Bei optimaler Therapie
können circa 70 % der Patienten in Remission gebracht werden. Die meisten
Patienten mit Epilepsie sind kognitiv normal entwickelt. Diese relativ gute Pro-
gnose steht im Gegensatz zur immer noch vorherrschenden Stigmatisierung
der Erkrankung.

>>

M

Meetthhooddee

Selektive Literaturrecherche

>>

EErrggeebbnniissssee//S

Scchhlluussssffoollggeerruunnggeenn

Die Klassifikation der verschiedenen Anfallsformen und Epilepsiesyndrome
erfolgt nach den Maßgaben der „International League Against Epilepsy“
(ILAE). Unterschieden werden hauptsächlich symptomatische Epilepsien mit
erkennbarer Ursache und idiopathische Epilepsien mit genetischem Hinter-
grund, bei denen der Patient – mit Ausnahme der Epilepsie selbst – keine
Symptome aufweist. Die Zuordnung der Epilepsiesyndrome erfolgt nach der
vermuteten Ätiologie und der Anfallssymptomatik. Die medikamentöse Thera-
pie wird in der Regel nach zwei unprovozierten epileptischen Anfällen einge-
leitet. Anfallsfreiheit, erfolgreiche Fortführung der Ausbildung sowie Erhalt
einer stabilen Familiensituation sind gleichberechtigte Behandlungsziele.

>>

S

Scchhllüüsssseellw

wöörrtteerr

Epilepsie im Kindesalter, Fieberkrampf, Anfallssymptomatik, medikamentöse
Therapie, Anfallsfreiheit

Epilepsie im Kindes-
und Jugendalter

Bernd A. Neubauer, Stephanie Groß, Andreas Hahn

Abteilung Neuropädiatrie, Sozialpädiatrie und Epileptologie, Zentrum Kinder- und Jugendmedizin,
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH: Prof. Dr. med. Neubauer, Dr. med. Groß, Dr. med. Hahn

Epidemiologie
In den Industrieländern erkranken im Mittel
etwa 50 von 100 000 Kindern jedes Jahr neu
an einer Epilepsie.

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verwaltet werden. Unter cme.aerzteblatt.de muss der Teilnehmer die EFN in der Rubrik „Meine
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Erst ab diesem Zeitpunkt werden die cme-Punkte elektronisch übermittelt. Die 15-stellige
EFN steht auf dem Fortbildungsausweis. Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, kön-
nen nicht berücksichtigt werden. Einsendeschluss ist der 15. 6. 2009.

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Wiicchhttiiggeerr H

Hiinnw

weeiiss

Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich über das Internet möglich:
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Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden im Internet am 16. 6. 2009 veröffentlicht.

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sche Systemerkrankungen (Kasten 1) verursacht sein. Im
klinischen Alltag relevante, das heißt häufige, idiopathi-
sche Epilepsiesyndrome sind durch das komplexe Zusam-
menspiel mehrerer genetischer Faktoren und die modifi-
zierenden Einflüsse von Umweltfaktoren bedingt. In den
letzten Jahren konnten bei einer Vielzahl von Epilepsie-
syndromen – oft in exemplarischen Großfamilien – De-
fekte verschiedener spannungsabhängiger und liganden-
mediierter Ionenkanäle nachgewiesen werden (Tabelle 1).
Dies stellt die meisten idiopathischen Epilepsien in eine
Reihe mit paroxysmalen neuromuskulären Erkrankungen,
den sogenannten Ionenkanalerkrankungen (3).

Begleiterkrankungen

Etwa 70 Prozent aller Kinder mit Epilepsie sind kognitiv
normal entwickelt. Andererseits ist eine Intelligenzmin-
derung (IQ < 70) die häufigste Komorbidität bei Kin-
dern mit Epilepsie. In epidemiologischen Studien sind
Zerebralparese, Hydrozephalus, Tuberöse Sklerose und
Sturge-Weber-Syndrom die häufigsten Begleiterkran-
kungen (4).

Fieberkrämpfe

Die Definition der ILAE lautet: Ein Fieberkrampf ist ein
epileptischer Anfall jenseits des ersten Lebensmonats, der
in Verbindung mit einer fieberhaften Erkrankung, die
nicht durch eine ZNS-Infektion verursacht ist, meist bei
einer Temperatur von mehr als 38 Grad Celsius auftritt.
Anfälle symptomatischer Genese und vorausgehende
Neugeborenenanfälle oder afebrile Anfälle stellen Aus-
schlusskriterien dar (5).

Fieberkrämpfe werden als einfach eingeordnet, wenn
sie:



als generalisierte tonisch-klonische Anfälle verlaufen



weniger als 15 Minuten dauern



innerhalb von 24 Stunden nur ein einziges Mal auf-
treten.

Ungefähr 70 Prozent der Fieberkrämpfe verlaufen

„einfach“, meist als generalisierte tonisch-klonische An-
fälle (Grand-Mal) und dauern etwa drei Minuten. Nach
dem Sistieren des Anfalles folgt oft ein postiktaler
Schlaf.

Die genaue Pathophysiologie der Fieberkrämpfe ist un-

klar. Alter, Fieber (meist bedingt durch triviale Infekte)
und genetische Disposition sind die bedeutsamsten Ein-
flussfaktoren. Etwa drei Prozent aller Kinder erleiden bis
zum siebten Lebensjahr einen Fieberkrampf. Betroffen
sind in aller Regel normal entwickelte Kinder im Alter von
drei Monaten bis fünf Jahren. Die Prognose auch von wie-
derholt auftretenden einfachen Fieberkrämpfen ist sehr
gut. Die psychomotorische Entwicklung bleibt unbeein-
trächtigt und das Epilepsierisiko erhöht sich nur geringfü-
gig – von 0,5 auf etwa 3 Prozent (6).

Differenzialdiagnose und Diagnostik
bei Fieberkrämpfen

Bei 1 bis 3 Prozent aller febrilen Anfälle im Kindesalter
handelt es sich um das erste Symptom einer Meningoen-
zephalitis. Im Säuglings- und jungen Kleinkindalter kön-
nen die typischen klinischen Zeichen einer Meningitis
fehlen. Daher sollte bei Kindern mit einem febrilen An-
fall im ersten Lebensjahr immer und bei Kindern bis zu

8 b

cme.aerzteblatt.de/kompakt

Fieberkrampf



Etwa 3 Prozent aller Kinder erleiden bis zum
7. Lebensjahr einen Fieberkrampf.



Zumeist handelt es sich um selbstlimitierende
generalisierte tonisch-klonische Anfälle (Grand-
Mal) mit einer Dauer von etwa 3 Minuten.

Therapie des Fieberkrampfes
Eine Dauertherapie ist bei Fieberkrämpfen in der
Regel nicht indiziert.

KASTEN 1

Auswahl genetischer Erkrankungen, die häufig
mit einer Epilepsie assoziiert sind

 M

Meettaabboolliisscchhee EErrkkrraannkkuunnggeenn m

miitt m

möögglliicchheem

m TThheerraappiieeaannssaattzz

– Vitamin-B6- und folinsäureabhängige Anfälle
– Biotinidasemangel
– Glucose-Transporter-Mangel
– Kreatinmangel-Syndrome
– mitochondriale Enzephalopathien
– Störungen des Harnstoffsynthesezyklus
– Glutarazidurie Typ 1
– nicht-ketotische Hyperglycinämie

 PPrrooggrreessssiivvee M

Myyookklloonnuusseeppiilleeppssiieenn

– neuronale Zeroidlipofuszinosen (vor allem CLN 2)
– Myoklonusepilepsie mit „Ragged Red Fibers“
– Sialidose Typ 1

 PPhhaakkoom

maattoosseenn

– Tuberöse Sklerose
– Sturge-Weber-Syndrom
– Ito-Syndrom

 SSttöörruunnggeenn ddeerr kkoorrttiikkaalleenn EEnnttwwiicckklluunngg

– Lissenzephalien
– fokale kortikale Dysplasien
– subkortikale Bandheterotopien
– bilaterale periventrikuläre noduläre Heterotopien

 CChhrroom

moossoom

maallee S

Syynnddrroom

mee

– Angelman-Syndrom
– Rett-Syndrom
– PEHO-Syndrom
– Aicardi-Syndrom
– Wolf-Hirschhorn-Syndrom

background image

18 Monaten in der Regel eine Liquordiagnostik erfolgen.
Das Gleiche gilt bei antibiotischer Vorbehandlung in je-
der Altersgruppe. Nach dem fünften Lebensjahr sind Fie-
berkrämpfe als Ursache febriler Anfälle nicht mehr
primär anzunehmen. Die Herpesenzephalitis manifes-
tiert sich im Säuglings- und Kleinkindalter oft wie ein
komplizierter Fieberkrampf. Entscheidet man sich für ei-
ne Lumbalpunktion, sollte auch eine Blutentnahme mit
Bestimmung von Natrium, Kalzium und Glucose erfol-
gen. EEG und Bildgebung sind bei einfachen Fieber-
krämpfen nicht erforderlich (6).

Therapie und Rezidivprophylaxe bei
Fieberkrämpfen

Wenn ein Fieberkrampf nicht innerhalb von fünf Minu-
ten spontan endet, muss er medikamentös unterbrochen
werden. Eltern von Kindern mit Fieberkrämpfen oder
Epilepsie sollten mit einem schnell wirksamen, rektal
(oder oral) applizierbaren Benzodiazepin-Präparat zur
Anfallsunterbrechung ausgestattet sein (Kasten 2). Bei
richtiger Dosierung braucht keine Atemdepression be-
fürchtet zu werden (7). Eine Dauertherapie ist in aller
Regel nicht indiziert.

Das generelle Wiederholungsrisiko für Fieber-

krämpfe beträgt etwa 30 Prozent. Um weitere Fieber-
krämpfe zu vermeiden, werden oft antipyretische
Maßnahmen bei fieberhaften Infekten empfohlen.
Zwar ist dies pragmatisch sinnvoll und bessert den All-
gemeinzustand der Kinder, doch ist gut belegt, dass es
hierdurch zu keiner nennenswerten Reduktion des
Wiederholungsrisikos von Fieberkrämpfen kommt.
Eine intermittierende Diazepamprophylaxe bei Fieber
ist in einer Dosis von 0,33 mg/kg/d wirksam (8). Eine
solche Therapie sollte aber erst nach wiederholten Fie-
berkrämpfen erfolgen und nicht länger als maximal 72
Stunden durchgeführt werden. Bei Nebenwirkungen
wie erheblicher Sedierung oder Gangunsicherheit
muss die Diazepamgabe reduziert oder vorzeitig been-
det werden.

Die wichtigsten altersgebundenen Epilepsie-
syndrome bei Kindern und Jugendlichen

– Mit Beginn im ersten Lebensjahr

Die häufigsten Ursachen symptomatischer Epilepsien
im Neugeborenenalter sind die hypoxisch-ischämische
Enzephalopathie, konnatale und neonatale Infektionen,
akute Stoffwechselentgleisungen (Glucose, Elektrolyte)
und kortikale Affektionen (Infarkte, Blutungen, Fehlbil-

cme.aerzteblatt.de/kompakt

8 c

Erstsymptome einer Meningoenzephalitis
1–3 Prozent aller febrilen Anfälle im Kindesalter
sind Erstsymptom einer Meningoenzephalitis. Die
Herpesenzephalitis manifestiert sich im Säug-
lings- und Kleinkindalter oft wie ein komplizierter
Fieberkrampf.

West-Syndrom
Das prognostisch ungünstige West-Syndrom ist
durch die Trias Blitz-Nick-Salaam-Anfälle, Hyps-
arrhythmie im EEG und Entwicklungsregression
gekennzeichnet.

*

1

nach (3), GEFS, generalisierte Epilepsie mit Fieberkrämpfen;

SMEI, schwere myoklonische Epilepsie des Säuglingsalters;

BFNIS, benigne familiäre neonatal-infantile Anfälle;

BFNS, benigne familiäre neonatale Anfälle;

IGE, Spektrum idiopathisch generalisierter Epilepsien;

ADJME, autosomal dominante juvenile myoklonische Epilepsie;

CAE, Absencen des Kindesalters (Pyknolepsie); FS, Fieberkrämpfe;

ADNFLE, autosomal dominante nächtliche Frontallappenepilepsie;

ADPEAF, autosomal dominante Partialepilepsie mit auditiver Symptomatik;

PE, Partialepilepsie; EA, Episodische Ataxie; SCA6, Spinozerebelläre Ataxie Typ 6;

JME, juvenile myoklonische Epilepsie

TABELLE 1

Die wichtigsten Gendefekte bei idiopathischen
Epilepsien. Allelische Erkrankungen sind mit auf-
geführt.*

1

Gen

Epilepsiesyndrom

Natriumkanäle

SCN1A

GEFS+, SMEI

SCN2A

BFNIS, GEFS+

SCN1B

GEFS+

Kaliumkanäle

KCNQ2

BFNS

KCNQ3

BFNS

KCN1A

PE, EA1

Chloridkanäle

CLCN2

IGE

GABA-Rezeptoren

GABRA1

ADJME

GABRG2

CAE, FS, GEFS+

GABRD

GEFS+

Acetylcholinrezeptoren

CHRNA4

ADNFLE

CHRNB2

ADNFLE

Calciumkanäle

CACNA1H

CAE

CACNB4

IGE, JME

CACNA1A

IGE, EA2, SCA6

Nicht-Ionenkanalgene

LG11

ADPEAF (= ADLTE)

EFHC1

JME

MASS1

FS?, GEFS?

background image

dungen). Idiopathische Epilepsiesyndrome sind selten.
Pyridoxin-, Pyridoxalphosphat- oder Folinsäure-abhän-
gige Anfälle beginnen zumeist im Neugeborenenalter
und gehen im EEG oft mit einem sogenannten „Sup-
pression-burst-Muster“ einher. Diese Stoffwechseler-
krankungen sind selten, müssen aber wegen ihrer hohen
prognostischen Relevanz immer bedacht werden. Die
Behandlung mit dem jeweiligen Vitamin führt zu An-
fallsfreiheit oder deutlicher Besserung der Anfälle (9).

Benigne infantile Partialepilepsie (Ätiologie: idiopathisch)

Die Anfälle beginnen zwischen dem 3. und 20. Lebens-
monat. Während der Anfälle kommt es zumeist zum In-
nehalten bei Bewegungen, Augenverdrehen und fokalen
Kloni evtuell mit sekundärer Generalisation. Die Anfälle
sind gelegentlich von Weinen oder Schreien begleitet. Die
Kinder bleiben normal entwickelt. Das interiktale EEG ist
unauffällig (10).

Dravet-Syndrom

Die schwere myoklonische Epilepsie des Säuglingsalters,
manifestiert sich im ersten Lebensjahr bei bis dahin nor-
mal entwickelten Säuglingen mit febrilen oder afebrilen
generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und meist al-
ternierenden Halbseitenanfällen. Die Prognose ist im Hin-
blick auf Anfallsfreiheit und kognitive Entwicklung sehr
ungünstig (11). Bei etwa 60 Prozent der Kinder kann ein
Defekt im SCN1A-Gen (einem Natriumkanalgen) nach-
gewiesen werden (12). Falls myoklonische Anfälle nicht
im Vordergrund stehen, wird die Epilepsie als früh-
kindliche Epilepsie mit generalisiert tonisch-klonischen
Anfällen und alternierendem Hemi-Grand-Mal bezeich-
net (13). Charakteristisch ist die ausgeprägte Temperatur-
beziehungsweise Infektabhängigkeit der Anfälle.

West-Syndrom (Ätiologie: symptomatisch oder kryptogen)

Es erkranken meist Säuglinge zwischen dem zweiten
und achten Lebensmonat. Perinatale Asphyxie, ZNS-
Fehlbildungen und die tuberöse Sklerose sind die
häufigsten Ursachen. Das West-Syndrom ist charak-
terisiert durch die Trias Blitz-Nick-Salaam-Anfälle,
Hypsarrhythmie im EEG und Entwicklungsregression.
Die häufigste Anfallsform stellen symmetrische Beuge-
oder Streckkrämpfe der Extremitäten dar. Blitzanfälle
bestehen aus heftigen myoklonischen Stößen. Nick-
anfälle sind kurze, häufig diskrete (myoklonische) Beu-
gungen des Kopfes. Vor allem die Prognose eines
symptomatischen West-Syndroms ist im Hinblick auf An-
fallsfreiheit und kognitive Entwicklung ungünstig.

– Mit Beginn im frühen Kindesalter

(etwa bis sechstes Lebensjahr)

Frühkindliche Absenceepilepsie (Ätiologie: idiopathisch)

Im deutschen Sprachraum wird zwischen der frühkindli-
chen Absenceepilepsie mit Manifestation in den ersten
vier Lebensjahren, der Absenceepilepsie des Kindesalters,
sowie der juvenilen Absenceepilepsie unterschieden. Die
internationale Klassifikation hingegen fasst die frühkind-
liche Absenceepilepsie und die Absenceepilepsie des Kin-
desalters zu einer Entität zusammen.

Doose-Syndrom (Ätiologie: idiopathisch)

Bei der myoklonisch-astatischen Epilepsie treten erste
Anfälle zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr
auf. Meist beginnt die Epilepsie mit febrilen oder afebrilen
generalisierten, tonisch-klonischen Anfällen. Oft setzen
dann wenige Wochen später explosionsartig myoklo-
nisch-astatische Anfälle ein. Ein nicht-konvulsiver Status,
der wie ein Stupor imponieren kann, ist typisch. Kann die
Epilepsie schnell und nachhaltig beherrscht werden, ist die
Prognose in etwa 50 Prozent der Fälle relativ gut (14).

Lennox-Gastaut-Syndrom (Ätiologie: symptomatisch
oder kryptogen)

Bei dieser Epilepsie ist in etwa zwei Drittel der Fälle eine
ZNS-Fehlbildung oder kortikale Läsion nachweisbar. Zu-
meist manifestiert sich die Epilepsie zwischen dem zwei-
ten und sechsten Lebensjahr. Typisch sind tonische Anfäl-
le (Versteifung), atypische Absencen (Abwesenheitszu-
stände mit diskreten motorischen oder autonomen Phä-
nomenen) und Sturzanfälle. Die überwiegende Mehrzahl
der Patienten (etwa 90 Prozent) ist intellektuell beein-
trächtigt. Tonische Anfälle werden für die Diagnosestel-
lung gefordert. Das Lennox-Gastaut-Syndrom ist nahezu
immer therapieresistent.

– Mit Beginn im Kindesalter

(etwa bis 12. Lebensjahr)

Absenceepilepsie des Kindesalters, sogenannte Pyknolepsie
(Ätiologie: idiopathisch)

Es erkranken zumeist normal intelligente Kinder im Alter
zwischen fünf und acht Jahren. Die Absencen (Abwesen-
heitszustände) dauern zwischen 5 und 30 Sekunden. Bei
der Pyknolepsie können manchmal über 100 Anfälle pro
Tag auftreten.

Je länger eine Absence dauert, umso wahrscheinlicher

geht sie mit motorischer (zum Beispiel Blinzeln) oder ve-
getativer Symptomatik (zum Beispiel Blässe) einher. Bei
einem geringen Prozentsatz manifestiert sich die Ab-

8 d

cme.aerzteblatt.de/kompakt

Absencen
Absencen sind generalisierte Anfälle mit kurzem
Innehalten, die mit „Tagträumereien“ verwechselt
werden können. Im EEG zeigt sich ein
3-Hertz-Spike-wave-Muster.

Rolando-Epilepsie
Typisch sind nächtliche sensomotorische Herd-
anfälle der Perioralregion.

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senceepilepsie als nicht-konvulsiver Status (früher Petit-
Mal-Status genannt). Die Patienten sind oft über Stunden
extrem verlangsamt, wirken desorientiert und reagieren
nur eingeschränkt auf Ansprache.

Rolando-Epilepsie (Ätiologie: idiopathisch)

Die benigne idiopathische Partialepilepsie mit zentro-
temporalen Spikes im EEG ist mit etwa einem Fall auf
12 000 Kinder neben der Absenceepilepsie die häufigs-
te Epilepsie im Kindesalter. Die Mehrzahl der Patienten
erleidet den ersten Anfall zwischen dem sechsten und
neunten Lebensjahr. Charakteristisch sind sensomoto-
rische Herdanfälle der Perioralregion. Diese bestehen
aus seitenbetonten Parästhesien der Lippe, der Zunge
und des Gaumens sowie aus perioralen myoklonischen,
klonischen und tonischen Anfällen (Zucken und Ver-
ziehen der Lippen und Wangen). Die Kinder können im
Anfall nicht schlucken und sprechen. Es kommt zu star-
kem Speichelfluss. Im Alter von 12 bis 14 Jahren sind
praktisch alle Betroffenen mit und ohne Therapie an-
fallsfrei.

In seltenen Fällen (eventuell 1 bis 3 Prozent) kommt es

zu einer ausgeprägten Aktivierung der für die Rolando-
Epilepsie charakteristischen EEG-Veränderungen im
Schlaf bis hin zum sogenannten bioelektrischen Status.
Die Kinder entwickeln das Bild einer atypischen idiopa-
thischen Partialepilepsie
(sogenanntes Pseudo-Lennox-
Syndrom). Die Prognose der Epilepsie selbst bleibt gut,
die Entwicklungsprognose ist jedoch zurückhaltend zu
stellen (15).

– Mit Beginn im Jugendlichenalter

(ab etwa 13. Lebensjahr)

Juvenile Absenceepilepsie (Ätiologie: idiopathisch)

Die Absencen unterscheiden sich nicht prinzipiell von
denen der Absenceepilepsie des Kindesalters, treten
aber in der Regel seltener auf. Im Verlauf, kommt es ne-
ben den Absencen in etwa 80 Prozent der Fälle auch zu
einzelnen generalisierten tonisch-klonischen Anfällen.

Epilepsie mit isolierten generalisierten tonisch-klonischen
Anfällen (Ätiologie: idiopathisch)

Im deutschen Sprachraum ist die Bezeichnung „Aufwach-
Grand-Mal-Epilepsie“ gebräuchlich. Die Anfälle treten
meist innerhalb der ersten zwei Stunden nach dem Erwa-
chen auf. Der Manifestationsgipfel liegt um das 16. Le-
bensjahr. Die Anfallsfrequenz ist meist gering. Schlafent-
zug, Alkoholkonsum oder starke seelische Belastung sind
häufig Auslöser für einen Anfall.

Juvenile myoklonische Epilepsie oder Janz-Syndrom
(Ätiologie: idiopathisch)

Diese Epilepsie ist häufig (5 bis 10 Prozent aller Epi-
lepsien) und betrifft normal intelligente Kinder und
Jugendliche. Sie beginnt meist zwischen dem 13. und
18. Lebensjahr. Kardinalsymptom sind morgendliche,
oft kurz nach dem Erwachen auftretende, kurze Myo-
klonien der Schultern, Arme und Hände. Dieses
„Zucken“ führt zum Verschütten von Getränken oder
Fallenlassen von Gegenständen und wird anfangs oft
als Tick oder Ausdruck von Nervosität verkannt. In
rund 90 Prozent der Fälle treten im Verlauf generali-
sierte tonisch-klonische Anfälle hinzu, die sich
manchmal aus den Myoklonien heraus entwickeln. In
der Regel gelingt es, medikamentös komplette An-
fallsfreiheit zu erreichen, doch muss die Therapie le-
benslang erfolgen.

cme.aerzteblatt.de/kompakt

8 e

Janz-Syndrom
Es treten morgendliche Myoklonien der Schulter,
Arme und Hände auf. Im Verlauf kommt es
zusätzlich zu generalisierten tonisch-klonischen
Anfällen. Die Prognose unter Therapie ist gut.
Die Behandlung ist aber lebenslang notwendig.

Temporallappenepilepsie
Die mesiale Temporallappenepilepsie ist am
häufigsten. Die einzelnen Anfälle dauern meistens
etwa zwei Minuten. Charakteristisch ist die Einleitung
der Anfälle durch eine Aura.

Abbildung: Diagnostische Aufnahmen von einem 12-jährigen Jungen mit Temporallappenan-
fällen a) präoperative Aufnahme mithilfe der MRT, b) intraoperativer Situs, c) histopathologi-
sches Präparat und d) postoperative MRT. Im präoperativen MRT (Prof. Traupe, Dr. Hügens-
Penzel; Gießen) Nachweis einer etwa 23 Millimeter großen Region im Bereich des Gyrus tem-
poralis inferior mit inhomogener Architekturstörung ohne Kontrastmittelaufnahme. Intraope-
rativ (PD Jödicke, Gießen) bei Durchführung einer Elektrokortikografie (Prof. Rosenow, Prof.
Hamer; Marburg) Registrierung epileptogener Aktivität über dem Tumor, aber auch mesial und
anterior davon. Im histopathologischen Präparat (Prof. Schachenmayr, Prof. Kuchelmeister;
Gießen) Befund eines Oligodendroglioms (WHO Grad II). Im postoperativen MRT Defektzu-
stand nach Resektion.

a

b

c

d

background image

aufsteigendes Brennen, Hitzegefühl (sogenannte epi-
gastrische Aura) oder auch nur diffuse Angst an.
Oroalimentäre Automatismen (Schmatzen oder Kauen)
sowie Handautomatismen (Nesteln) sind ebenfalls
typisch. Anfallsbeginn und -ende sind oft unscharf
begrenzt (16).

Epilepsie des Frontallappens
Frontallappenanfälle beginnen und enden oft abrupt.
Die Patienten sind in der Regel postiktal rasch wieder
orientiert. Häufig besteht von Beginn der Epilepsie an
eine hohe Anfallsfrequenz und oft treten die Anfälle im
Schlaf auf. Typisch ist auch eine clusterhafte Häufung.
Die Anfallssymptomatik ist sehr vielgestaltig: Asymme-
trische tonische Anfälle sind durch ein- oder beidseiti-
ges „posturales“ Anheben der Arme, Wendebewegung
des Kopfes und meist erhaltenes Bewusstsein gekenn-
zeichnet. Fokale klonische Anfälle bestehen aus einsei-
tigen Kloni der Arme, der Hände oder des Gesichts mit
Spracharrest und Versivbewegungen. Das Bewusstsein
bleibt ebenso meist erhalten. Hypermotorische Anfälle
gehen mit Bewusstseinseinschränkung und oft bizarren,
den ganzen Körper einbeziehenden Bewegungsstürmen
wie Strampeln, Treten etc. einher (17).

Epilepsie des Okzipitallappens
Einfache und komplex-fokale Anfälle mit visueller
Symptomatik sind charakteristisch. Positive visuelle
Phänomene wie Phosphene (leuchtende geometrische
Strukturen) und negative wie Skotome oder graue Stel-
len und Flächen im Gesichtsfeld entsprechen einfachen
Halluzinationen und stellen die häufigste visuelle An-
fallssymptomatik dar. Okzipitale Anfälle breiten sich
rasch aus und rufen dann gelegentlich Symptome, wie
sie eigentlich für Anfälle frontalen oder temporalen Ur-
sprungs typisch sind, hervor (18).

Diagnostik bei Kindern und
Jugendlichen mit Epilepsie

Eine sorgfältige Anamneseerhebung sollte nach unerklär-
lichen Stürzen, Abwesenheitszuständen sowie morgendli-
chen Kloni fragen. Des Weiteren ist eine vollständige in-
ternistisch-pädiatrische und neurologische Untersuchung
angezeigt, damit übergeordnete Grunderkrankungen aus-
geschlossen werden können. Falls möglich, sollten die El-
tern aufgefordert werden, anfallsverdächtige Zustände mit
einer Digital- oder Videokamera aufzuzeichnen. Einnäs-
sen kommt bei epileptischen Anfällen genauso wie bei
Synkopen vor. Eine Blutentnahme zur Bestimmung von

8 f

cme.aerzteblatt.de/kompakt

Erster afebriler Krampfanfall
Zur Abklärung gehören EEG-Diagnostik und – bis
auf einzelne Ausnahmen – eine MRT.

Afebrile, generalisierte
tonisch-klonische Anfälle
Diese sistieren bei älteren Kindern in 70 Prozent
der Fälle spontan innerhalb von etwa drei
Minuten. Nach spätestens fünf Minuten sollte
eine medikamentöse Intervention nach
Stufenplan begonnen werden.

Altersunabhängige Epilepsiesyndrome

Fokale Epilepsiesyndrome
Diese Epilepsien treten nicht streng altersgebunden auf
und werden durch fokale kortikale Affektionen unter-
schiedlicher Genese ausgelöst. Migrationsstörungen,
dysontogenetische Tumoren, postentzündliche Sklerosen
und seltener vaskuläre Prozesse sind typische Ursachen.
Fokale Anfälle können ohne Bewusstseinseinschränkung
(einfache Partialanfälle) oder mit Bewusstseinsein-
schränkung (komplexe Partialanfälle) verlaufen. Ein
Übergang in einen sekundär generalisierten tonisch-
klonischen Anfall ist möglich. Je jünger die Kinder sind,
desto stärker kann die Anfallssymptomatik vom typi-
schen Bild abweichen.

Epilepsie des Temporallappens
Prolongierte oder komplizierte Fieberkrämpfe sowie fe-
brile Staten sind bei (erwachsenen) Patienten mit thera-
pieresistenter Temporallappenepilepsie anamnestisch in
circa 30 Prozent der Fälle zu erfassen. Umgekehrt ist
jedoch das Risiko für eine Temporallappenepilepsie bei
Kindern mit Fieberkrämpfen nicht nennenswert erhöht.
Die mesiale Temporallappenepilepsie ist am häufigsten.
Die mittlere Anfallsdauer beträgt etwa zwei Minuten.
Charakteristisch ist die Einleitung des Anfalles durch
eine Aura. Die Patienten geben ein aus der Magenregion

KASTEN 2

Medikamentöse Anfallsunterbrechung
im Kindesalter *

1

 AAnnffaallllssuunntteerrbbrreecchhuunngg rreekkttaall ooddeerr oorraall ((DDoossiissaannggaabbeenn ggüüllttiigg bbiiss m

maaxxiim

maall

4

40

0 kkgg K

Köörrppeerrggeew

wiicchhtt))

– Diazepam-Rektiole 5 mg Gesamtdosis (bis 20 kg KG); 10 mg Gesamtdosis

(über 20 kg KG) ooddeerr

– Lorazepam*

2

1 mg Gesamtdosis (10 bis 25 kg KG); 2,5 mg Gesamtdosis

(ab 25 kg KG)

 SSttuuffeennppllaann ddeerr iinnttrraavveennöösseenn AAnnffaallllssuunntteerrbbrreecchhuunngg ii..vv..

– Lorazepam: i.v. 0,05–0,1 mg/kg KG (max. Einzeldosis 2 mg), ggf. wieder-

holen ooddeerr Diazepam: i.v. 0,20 mg/kg KG (max. Einzeldosis 10 mg), ggf.
wiederholen

– Phenobarbital: i.v. 10–20 mg/kg KG (max. Einzeldosis 200 mg)
– Phenytoin: i.v. 10–20 mg/kg KG über 20–30 min (max. Einzeldosis 500 mg)

*

1

Evidenzklasse III; (26).

*

2

Zur os. Anwendung: Gebräuchlich ist ein schnell lösliches, lyophilisiertes Lorazepam, das sich
innerhalb weniger Sekunden im Mund auflöst, über die Mundschleimhaut aufgenommen wird
und so auch beim bewusstlosen Kind gegeben werden kann.

background image

Blutzucker, Natrium, Calcium und bei Säuglingen auch
Magnesium ist nach einem ersten epileptischen Anfall im-
mer empfehlenswert und bei nicht vollständig beurteilba-
ren Patienten (postiktaler Schlaf, Neugeborene, Säuglin-
ge, junge Kleinkinder) unerlässlich. Das EEG ist bei epi-
leptischen Anfällen das aussagekräftigste diagnostische
Instrument. Die Registrierung einer Schlafphase und der
Einsatz von Provokationstechniken wie Fotostimulation
und Hyperventilation verdoppeln die Sensitivität im Kin-
desalter. Eine MRT-Untersuchung des Gehirns sollte bei
Erstmanifestation einer Epilepsie erfolgen. Dabei soll ab-

geklärt werden, ob eine Raumforderung, eine kortikale
Fehlbildung oder eine Phakomatose vorliegen (Abbil-
dung)
. Eine Ausnahme kann gemacht werden bei



3-Hertz-Spike-wave-Absencen,



Rolando-Epilepsie oder



juveniler myoklonischer Epilepsie mit typischer
Symptomatik.

Die MRT-Untersuchung muss lediglich dann notfall-

mäßig erfolgen, wenn die Patienten fokale neurologische
Ausfälle oder Vigilanzstörungen zeigen, die sich nach ei-
nem Anfall nicht zügig (innerhalb von ein bis zwei Stun-

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8 g

Pharmakotherapie
Prinzipiell ist eine Monotherapie anzustreben.

Antikonvulsive Dauertherapie
Sie ist zumeist indiziert nach zwei unprovozierten
Anfällen oder einem Status epilepticus.

*

1

Zahl in Klammern, Evidenzklasse modifiziert nach (20).

Keine Angabe, Evidenzklasse IV

TABELLE 2

Pharmakotherapie der unterschiedlichen Epilepsiesyndrome

Epilepsiesyndrom

Medikamente 1. Wahl

Medikamente 2. Wahl

Potenziell provozierende
Medikamente

Benigne infantile Partialepilepsie

Carbamazepin (niedrig dosiert)

Phenobarbital (niedrig dosiert)

Dravet-Syndrom

Valproat, Topiramat,

Benzodiazepine

Phenytoin, Carbamazepin,

Brom

Oxcarbazepin, Lamotrigin

Frühkindliche-Grand-mal-Epilepsie

Valproat, Lamotrigin Topiramat, Primidon

Phenytoin, Carbamazepin,
Oxcarbazepin

West-Syndrom

ACTH, Valproat,

Topiramat, Lamotrigin,

Sultiam, Vigabatrin?

Felbamat, Zonisamid,
Clonazepam

Absenceepilepsien

Valproat, Ethosuximid,

Levetiracetam

Phenytoin, Oxcarbazepin,

Lamotrigin (alle III)*

1

Carbamazepin, Barbiturate ,
Pregabalin, Tiagabin

Myoklonisch-astatische Epilepsie

Valproat, Ethosuximid, Lamotrigin

Primidon, Phenobarbital, Benzodiazepine

Phenytoin, Oxcarbazepin,
Carbamazepin

Lennox-Gastaut-Syndrom

Valproat, Topiramat, Lamotrigin,

Primidon, Phenobarbital

Benzodiazepine

Felbamat, Levetiracetam, Zonisamid

Rolando-Epilepsie

Sultiam, Gabapentin,

Clobazam, Levetiracetam?

Phenytoin, Carbamazepin,

Valproat (III)*

1

Oxcarbazepin

Aufwach-Grand-mal-Epilepsie

Valproat (III)*

1

Lamotrigin, Levetiracetam

Phenytoin, Carbamazepin
Oxcarbazepin, Tiagabin

Juvenile-myoklonische Epilepsie

Valproat, Lamotrigin, Levetiracetam,

Primidon, Benzodiazepine

Phenytoin, Carbamazepin,

Topiramat

Oxcarbazepin,
Gabapentin, Tiagabin

Fokale (läsionelle) Epilepsien

Carbamazepin (III)*

1

,

Phenytoin, Primidon, Benzodiazepine

Valproat (III)*

1

,

Lamotrigin (III)*

1

,

Levetiracetam (III)*

1

,

Topiramat (III)*

1

Oxcarbazepin (I)*

1

background image

den) zurückbilden. Im ersten Lebensjahr kann zunächst
auch die Sonografie des Gehirns eingesetzt werden und
die MRT-Untersuchung dann zu einem späteren Zeitpunkt
nachgeholt werden (Abbildung). Eine Lumbalpunktion ist
in der Regel zur Abklärung eines ersten afebrilen Anfalls
jenseits des jungen Säuglingsalters (bis etwa sechs Mona-
te) nicht erforderlich. Eine neurometabolische Erkran-
kung mit epileptischen Anfällen als erstem und einzigem
Symptom kommt fast ausschließlich im Neugeborenen-
und Säuglingsalter vor (19).

Anfallsunterbrechung
Im höheren Kindesalter sistieren afebrile generalisierte to-
nisch-klonische Anfälle in 70 Prozent der Fälle spontan in-
nerhalb von etwa drei Minuten. Dauert ein Anfall länger als
fünf Minuten, sollte ein Benzodiazepin-Präparat verab-
reicht werden. Falls dies nach fünf Minuten keine Anfalls-
unterbrechung bewirkt, muss die Gabe wiederholt werden.
Nach weiteren fünf bis zehn Minuten muss dann entwe-
der Phenobarbital oder Phenytoin i.v. eingesetzt werden
(Kasten 2). Dauert ein Anfall 30 Minuten an, spricht man
von einem Status epilepticus. Dies gilt auch für Anfallsse-
rien von mindestens 30 Minuten Dauer, bei denen der Pati-
ent zwischen den Anfällen das Bewusstsein nicht zurücker-
langt. Sollte ein epileptischer Anfall innerhalb von 15 bis
20 Minuten keine Besserung zeigen, muss unter intensiv-
medizinschen Bedingungen weiterbehandelt werden.

Medikamentöse Dauertherapie
Die medikamentöse Therapie einer Epilepsie (Tabelle 2)
sollte in der Hand eines hierin speziell Ausgebildeten
liegen, da die Kombination aus Epilepsiebehandlung
und Patientenführung den Lebensweg des Patienten und
seiner Familie entscheidend beeinflussen wird. Die Evi-
denzbasis für die meisten der heute (erfolgreich) ein-
gesetzten medikamentösen Behandlungen ist in der pä-
diatrischen Epileptologie besonders spärlich. Die Dauer
und der Aufwand von für Alter, Epilepsiesyndrom und
Entwicklungsstatus kontrollierten prospektiven Stu-
dien, die auch den Langzeitverlauf berücksichtigen, ist
enorm und überschreitet den Zeitraum des Patent-
schutzes neuer Präparate (20).

Die Indikation zu einer Dauertherapie wird in der Regel

nach dem Auftreten von mindestens zwei (unprovozier-
ten) epileptischen Anfällen oder eines Status epilepticus
gestellt. Wenn es nicht gelingt, die Epilepsie mit Medika-
menten der ersten Wahl in Remission zu bringen, sollte der
Patient in einem Epilepsiezentrum vorgestellt werden
(Evidenzklasse III).

Epilepsiechirurgie
Bei Kindern mit fokalen (symptomatischen) Epilepsien
und Medikamentenresistenz muss ein epilepsiechirur-
gischer Eingriff frühzeitig erwogen werden (meist nach
dem dritten erfolglos eingesetzten Medikament). Die
Fortschritte der Epilepsiechirurgie gehören zu den
bemerkenswertesten Erfolgen der modernen Medizin. In
vielen Fällen kann Anfallsfreiheit oder eine deutliche
Anfallsreduktion einhergehend mit Entwicklungsfort-
schritten und Verbesserung der kognitiven Funktionen
erreicht werden. Dies gilt für Kinder aller Altersgrup-
pen (21). Bei läsionellen Temporallappenepilepsien
sind die Erfolge am größten. Etwa 75 Prozent der
Kinder werden durch den operativen Eingriff komplett
anfallsfrei.

Alternative Behandlungsmethoden, die bei medika-

mentös therapierefraktären und inoperablen Patienten be-
reits eingesetzt werden, sind Vagusnervstimulation und
ketogene Diät (22, 23). Fallserien geben Hinweise auf ih-
re Wirksamkeit.

Verlauf und Prognose
Die individuelle Prognose einer Epilepsie hängt haupt-
sächlich vom jeweiligen Epilepsiesyndrom ab. Allgemein
gilt, dass bei etwa 70 Prozent aller Epilepsien im Kindes-
alter eine Remission erreicht wird. Bei knapp der Hälfte
der Kinder mit Epilepsie können die Antiepileptika im
Verlauf dauerhaft abgesetzt werden.

Epilepsie und Schule
Etwa zwei Drittel aller Kinder mit Epilepsie sind
normal intelligent. Es wäre wünschenswert, dass der
gleiche Anteil von Patienten einen entsprechenden
Schulabschluss erzielt. Dies entspricht leider nicht der
Realität. Hierfür sind mehrere Ursachen verantwort-
lich. Kinder mit Epilepsie haben häufiger als ihre
gesunden Klassenkameraden Teilleistungsstörungen und
Aufmerksamkeitsprobleme (24). Eine testpsycholo-
gische Untersuchung kann die geeignete Beschulungs-
form festlegen und bestehende Teilleistungsstörungen
aufdecken. Die rechtzeitig einsetzende Therapie und
Förderung sollte ein Schulversagen dann verhindern
können. Als Faustregel kann gelten, dass ein Anti-
epileptikum, das in mittlerer Wirkdosis verabreicht
wird, den Schulerfolg nicht negativ beeinflusst. Er-
wähnt werden soll auch, dass eine Stimulanzienthera-
pie bei Kindern mit kontrollierter Epilepsie und Auf-
merksamkeitsstörungen (ADS, ADHS) in der Regel
problemlos möglich ist (25).

8 h

cme.aerzteblatt.de/kompakt

Ziele der medikamentösen Dauertherapie
Anfallsfreiheit, erfolgreiche Fortführung der
Schul- oder Berufsausbildung sowie Erhalt einer
stabilen Familiensituation sind gleichberechtigte
Behandlungsziele.

Schulische Leistungen
Eine antikonvulsive Monotherapie in mittlerer
Dosierung beeinflusst den schulischen Erfolg
nicht. Eine Stimulanzientherapie ist bei Kindern
mit gut eingestellter Epilepsie meist problemlos
möglich.

background image

Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des
International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten:
eingereicht: 13. 6. 2007, revidierte Fassung angenommen: 19. 9. 2007
Vo

n den Autoren aktualsiert: 9.3. 2009

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Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Bernd A. Neubauer
Leiter der Abteilung Neuropädiatrie, Sozialpädiatrie und Epileptologie
Feulgenstraße 12
35385 Gießen
E-Mail: Bernd.A.Neubauer@paediat.med.uni-giessen.de

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8 i

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9

BITTE BEANTWORTEN SIE FOLGENDE FRAGEN FÜR DIE TEILNAHME AN DER ZERTIFIZIERTEN FORTBILDUNG.
PRO FRAGE IST NUR EINE ANTWORT MÖGLICH. BITTE ENTSCHEIDEN SIE SICH FÜR DIE AM EHESTEN ZUTREFFENDE ANTWORT.

Frage Nr. 6

Was ist in der Anamnese ein Charakteristikum für die Diagnose
einer mesialen Temporallappenepilepsie?

a) Einleitung des Anfalls durch eine Aura
b) Auftreten eines bielektrischen Status im Schlaf
c) Anfälle treten innerhalb der ersten Stunden nach dem Aufwachen auf
d) Blitz-Nick-Salaam-Anfälle
e) Anfallsfrequenz mit bis zu 100 Anfällen pro Tag

Frage Nr. 7

Bei einem acht Monate alten Kind wird eine benigne infantile
Partialepilepsie diagnostiziert. Welches Medikament ist Mittel
der ersten Wahl in der weiteren Pharmakotherapie?

a) Carbamazepin
b) Lamotrigen
c) Sultiam
d) Topiramat
e) Zonisamid

Frage Nr. 8

Wie lange muss ein afebriler generalisierter tonisch-klonischer
Anfall oder eine Anfallsserie dauern, damit man von einem Status
epilepticus sprechen kann?
a) 3 Minuten
b) 5 Minuten
c) 15 Minuten
d) 30 Minuten
e) 60 Minuten

Frage Nr. 9

Ein akuter Krampfanfall ließ sich auch durch die wiederholte
orale Gabe von Diazepam nicht unterbrechen und dauert
seit 15 Minuten an. Was ist der nächste Schritt in der
Pharmakotherapie?

a) Diazepam rektal 5 mg/kg KG
b) Lorazepam p. o. 1 mg/kg KG
c) Phenytoin i. v. 10–20 mg/kg KG
d) Tetrazepam i. v. 10–20 mg/kg KG
e) Zonisamid p. o. 5–10 mg/kg KG

Frage Nr. 10

Was ist charakteristisch für eine Epilepsie
des Okzipitalllappens?

a) einfache und komplex-fokale Anfälle mit visueller Symptomatik
b) asymmetrische tonische Anfälle mit ein- oder beidseitigem „posturalen“

Anheben der Arme

c) prolongierte oder komplizierte Fieberkrämpfe und febrile Staten
d) fokale Anfälle mit Bewusstseinseinschränkung mit Übergang in einen

tonisch-klonischen Anfall

e) symmetrische Beuge- oder Streckkrämpfe der Extremitäten

Frage Nr.1

Ein fünfjähriges Kind erleidet während eines fieberhaften Infektes
wiederholt Krampfanfälle. Welches Medikament ist Mittel der
ersten Wahl zur Prophylaxe gegen weitere Fieberkrämpfe?

a) Benzodiazepin
b) Diazepam
c) Metamizol
d) Phenobarbital
e) Topiramat

Frage Nr. 2

Ein fünf Monate alter Säugling mit diagnostizierter Trisomie 21
wird wegen heftiger, myoklonischer Anfälle in die Praxis
gebracht. Die Mutter beschreibt die Epilepsien als ruckartiges
Hochwerfen der gestreckten Arme und Beugen der Beine, wobei
es zum Krampfen kam mit anschließendem Erschlaffen und
reaktivem Weinen. Im EEG zeigt sich eine Hypsarrhythmie.
Auf welche Diagnose weisen die Symptome hin?

a) Absenceepilepsie
b) Dravet-Syndrom
c) Doose-Syndrom
d) West-Syndrom
e) Rolando-Epilepsie

Frage Nr. 3

Was charakterisiert ein Janz-Syndrom?

a) febrile oder afebrile generalisierte, tonisch-klonische Anfälle
b) fokale Anfälle mit Bewusstseinseinschränkung
c) morgendliche Myoklonien der Schultern, Arme und Hände
d) senomotorische Herdanfälle der Perioralregion
e) tonische Anfälle, atypische Absencen und Sturzanfälle

Frage Nr. 4

Welches sind die Medikamente der ersten Wahl bei
einer Rolando-Epilepsie?

a) Carbamazepin, Felbamat, Zonisamind
b) Levetiracetam, Sultiam, Valporat,
c) Valproat, Topiramat, Brom
d) Ethosuximid, Topiramat, Primidon
e) Gabapentin, Sultiam, Valporat

Frage Nr. 5

Anhand welchen diagnostischen Befundes können Pyridoxin-,
Pyridoxalphosphat- oder Folinsäure-abhängige Epilepsie-
syndrome bei Neugeborenen im EEG erkannt werden?

a) 3-Herz-Spike-wave-Muster
b) Hypsarrhythmie
c) Poly-Skipe-wave-Komplex
d) Suppression-burst-Muster
e) zentro-temporale Spikes


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