von michael rohde
1. Diagnose
2. Therapie
3. Auf die Schnelle
4. Eine halbe Sache
5. Bahn frei
Die meisten alten Autos sind irgendwo undicht, denn Tür- und Scheibendichtungen werden nicht neuer und hin und wieder öffnet eine kleine gemeine Innenschwellerdurchrostung dem Wasser ungeahnte Verbreitungsmöglichkeit. Speziell der /8 aber hat ein ebenso typisches wie tückisches Problem mitten im Auto, den Wasserkasten. Mindestens 700 Fahrzeuge im VDH sind hier ernsthaft betroffen!
Foto 1: "So sieht die Stirnwand hinter dem Motor eigentlich ganz brauchbar aus aber..."
Dort wo große Mengen Frischluft in den Innenraum gelangen sollen, kommt automatisch auch Wasser ins Auto. Es wird jedoch mit einer Art Regenrinne um den Lüftermotor herum geleitet und kann wieder abfließen. Als Ablauf in Richtung Motorraum dienen je nach Baujahr zwei oder drei Löcher in der Mitte der Fahrgastraum-Stirnwand. Der eigentliche Wasserkasten ist mit einem nach unten abgewinkelten Schweißfalz von innen an die Stimwand gesetzt. Bis ca. Bj. 74 ist dieser Bereich von der Wasserseite her mit geschmeidig in den Blechfalz fließendem Bitumen (Teer) abgedichtet. Mit den Jahren wird diese Masse spröde und das Wasser kann in den Schweißfalz laufen. Darin beginnt es in der Folge zu rosten. Als wäre das nicht schlimm genug wird der entstehende Schaden noch dadurch vervielfacht, daß der Blechfalz von der Innenraumseite mit überaus haltbarem PVC abgedichtet ist. Erst wenn sich das Wasser unter dem breiten PVC-Streifen hindurch gerostet hat, wird es im Fußraum verdächtig naß.
1. Diagnose
Ohne großen Aufwand kann man leider nur feststellen, ob es bereits zu spät ist. Dazu nimmt man die vorderen Teppichmatten heraus und gießt ein bis zwei Liter Wasser in das Lüftungsgitter vor den Scheibenwischern. In Härtefällen rauscht das Wasser nahezu ungebremst in den Fußraum. Sickert nach 30 Sekunden ein kleines Rinnsal oberhalb des Gaspedals (und spiegelbildlich auf der anderen Seite) heraus, dann hat der Schaden ungefähr das auf diesen Seiten gezeigte Ausmaß! Bei Vierzylinder-Modellen kann man zusätzlich noch in die Wasserablauflöcher hinter dem Motor hinein fingern und so den Zustand der Dichtmasse einigermaßen beurteilen. Wer es genauer wissen will oder wegen des allzu hohen Innenraumwasserpegels wissen muß, kommt um den Ausbau der Scheibenwischer und des Lüftungsgitters nicht herum.
Foto 2: "Unter der Dämmatte ist schon etwas mehr Rost, aber beim Wasserkasten gilt das Eisbergprinzip!"
Es ist dabei sehr wichtig, daß sich die Wischer in Ruhestellung befinden! ACHTUNG!!! bei allen Arbeiten in diesem Bereich niemals bei abgeklappten Wischern die Motorhaube öffnen! Bei Fahrzeugen ab Oktober 1970 klappt man die Wischerarme nach vorn und hält beim Zurückklappen die Achs-Abdeckkappen mit den Wischerarmen zusammen; so ist es nicht notwendig die Abdeckkappen abzuhebeln. Nach dem Abschrauben der Muttern können die Wischerarme abgenommen werden (vorsichtige Naturen sollten vorher noch die Position Arm<>Achse markieren). Unter der nun offenliegenden lediglich aufgesteckten Kunststoff- bzw. Alukappe verbirgt sich eine weitere Mutter. Ansonsten ist das Lüftungsgitter noch mit fünf Nibbeln an der Vorderkante befestigt. Das ca. 2mm starke Innenteil dieser Klipse muß mit einem entsprechenden Dorn (z.B. Bohrer) nach innen durchgedrückt werden. Danach können die Klipse nach außen herausgezogen werden. Das Lüftungsgitter kann nun in Richtung der Wischerachsen abgenommen werden. Jetzt liegt endlich der Wasserkasten frei. Steckt man eine Stablampe hinein, wird schnell der Zustand der Dichtmasse offenbar. Ist diese rissig oder schon stellenweise gelöst, dann hilft es nichts, sich in die Tasche zu lügen, eine gründliche
Überarbeitung ist fällig!
Foto 3: "Schockierende Ansicht nach dem Ausbau der Heizung, der Tunnel ist komplett abgerostet!"
2. Therapie
Wenn man den Wagen direkt in einer entsprechenden Spezialklinik abliefert, ist man je nach Gründlichkeit (Ausbau von Inneneinrichtung, sowie möglichst auch Motor und Getriebe) und dort gültiger Gebührenordnung 3.000.- bis 8.000.-DM los! Man kann den Betrag sicher durch komplette oder teilweise Eigenarbeit reduzieren, aber wer auch immer es macht, die Dimension des Arbeitsaufwands bleibt! Es ist also angeraten sich zuerst zu überlegen ob eine derartige Investition an Zeit oder Geld noch in irgendeinem Verhältnis zum restlichen Auto steht.
Der klassische Ratschlag sich nach einem besseren Fahrzeug umzusehen greift nur beschränkt, da zumindest nahezu alle 1.Serie /8er mehr oder weniger stark infiziert sind.
3. Auf die Schnelle
Wer sich überlegt, den Bereich provisorisch zu konservieren und den Wagen nicht mehr dem Regen auszusetzen, um wenigstens die Folgeschäden durch eindringendes Wasser zu verhindern, darf dabei nicht außer acht lassen, daß die Statik des Wagens nicht mehr vollwertig ist! So können durch Verwindung Schweißpunkte überbeansprucht werden und Lackrisse entstehen, an einen Unfall gar nicht zu denken; die Tage des Wagens sind somit gezählt.
Bei minderschweren Fällen entfernt man nach dem Ausbau des Lüftungsgitters die schadhafte Dichtmasse, läßt große Mengen flüssigen Rostumwandler (z.B. Fertan) einwirken, grundiert gründlich, lackiert (nicht damit der Lüftermotor einen schönen Ausblick hat, sondern weil viele Grundierungen wasserdurchlässig sind) und schmiert die ,,,,Regenrinne" mit moderner Karosseriedichtmasse aus. Als Krönung verteilt man in regelmäßigen Abständen leckeres Hohlraumwachs im Wasserkasten. Dabei darf man die seitlichen Ausläufer in Richtung Kotflügel nicht vernachlässigen und den Lüftermotor nicht "einsauen".
Foto 4: "Durchblick nach der Schruppbehandlung - der Glanz ist nur Bürstenabrieb, es muß großräumig ausgeschnitten werden!"
4. Eine halbe Sache
soll das hier natürlich nicht werden, aber es hat nicht jeder die Möglichkeit mal eben den Motor auszubauen. Den Innenraum allerdings, kann jeder niederkämpfen! Wir beginnen mit den Teppichen vorn und hinten sowie den Sitzmöbeln. Sitz ganz nach vorn schieben und die hinteren Sitzschienen-Schrauben (SW1O) entfernen, auf den Sitz setzen und nach hinten schieben um an die vorderen Schrauben zu gelangen. Das Entnehmen des Qualitätsmöbels sollte mit Vorsicht geschehen, denn eine Seite ist empfindlich, die andere scharfkantig und schmutzig. Es folgen die Pappen links und rechts unter dem Armaturenbrett (Kreuzschlitzschrauben zur Stirnwand und Klipse zum Armaturenbrett; die Klipse keinesfalls mitsamt der Pappe herausreißen, sondern mit einer Zange entfernen.).
Foto 5: "Durch die nach oben gebogenen Ablauflöcher ist die Reparaturstelle (bei ausgebautem Motor) gut zugänglich.
Die jetzt erkennbare Größe des Schadens rechtfertigt die statischen Bedenken!"
Nun demontieren wir unsere prunkvolle Mittelkonsole. Zuerst Ascher und unbedingt auch den zugehörigen Rahmen ausbauen. Radioausbau für originale Blaupunkte oder beckerei: Radioknöpfe und Regler falls keine Madenschrauben vorhanden sind einfach abziehen, becker-Chromrahmen mit Blende abnehmen, Blaupunkt-Blende und -Rahmen durch Abschrauben der Sechskantmuttern (SW14) auf den Knopfachsen lösen.
Die Schrauben der nun sichtbaren Klemmstäbe lösen, die Stäbe nach oben schieben und dann entnehmen; das Radio herausziehen und die Kabelverbindungen lösen (evtl. Verstärkerkasten oberhalb des Beifahrerfußraums). Sonstige Schalter von Knöpfen und Rosetten befreien, die unter dem Ascherrahmen hervorgetretenen Kreuzschrauben entfernen und die am hinteren Ende nur geklipste Konsoleneinlage entnehmen (Vorsicht, der Faltenbalg für umschäumte Mittelschalthebel ist nicht mehr lieferbar).
Die Demontage der zweiteiligen Mittelkonsole erfordert das Lösen gut sichtbarer Kreuzschrauben, bei Klima versteckt sich eine Schraube hinter dem mittleren Luftgitter. Der Klima-Temperaturregler sollte am Gehäuse bleiben. Die durchgehende Mittelkonsole ist mit je zwei Schrauben vorn an der Spritzwand bzw seitlich am hinteren Ende befestigt. Am Übergang zum Armaturenbrett befinden sich bei sämtlichen Versionen "kopflose" Kunststoffmuttern, die sich durch Einhaken eines kleinen Schraubenziehers lösen lassen. Wenn man nun noch den unteren Befestigungsklip des Gaspedals entfernt und dieses vom Gestänge zieht, läßt sich die
Konsole nach hinten (dort anheben) herausschwenken.
Leider muß unser Liebling noch etwas mehr zerlegt werden. Das Risiko das Armaturenbrett beim Ausbau zu beschädigen ist etwas größer, als das Risiko, daß es beim Schweißen anbrennt, also wird es nur etwas gestrippt. Die Handschuhfachschale ist mit ähnlichen Klipsen befestigt wie das äußere Lüftungsgitter (Lampe und Schloßschnapper müssen natürlich auch weg, der Deckel kann bleiben).
Als nächstes Lautsprecher bzw. vorher die Abdeckung ausbauen (die gesteckte Abdeckung der Armaturenbretter mit Holzbelag ist sehr empfindlich).
Die viereckigen Reglerköpfe der Heizungsbedienanlage abziehen bzw. abhebeln, den Gebläseschalterknopf samt Stange mit einem Ruck herausziehen (Rosette dahinter herausschrauben), die durch die rechte Öffnung des Frischluftgitters sichtbare Kreuzschraube der Betätigungsstange für die Frischluftzufuhr losdrehen und die in den oberen Ecken des Luftgitters versteckten Kreuzschlitzschrauben entfernen.
Durch die Lautsprecher- und Handschuhfachöffnung die Gummistulpe abfummeln und die Bedienanlagenblende herausziehen.
Den Heizkastenaufsatz mit der Frischluftklappe entnehmen (Schnapphaken in der Mitte) und alles lösen, was noch niet- und nagelfest ist (Bedienanlage, Schläuche zu den Seitendüsen, sämtliche Stecker und Kabelbinder entlang des Querträgers, die Bowdenzüge für Scheiben- und Fußraumklappe (direkt am Heizkasten), die Fondfußraum-Luftschächte und die beiden senkrechten Streben zwischen Querträger und Tunnel).
Von der Motorraumseite lösen wir jetzt noch den Stecker und die zwei Befestigungsschrauben des Lüfterwiderstands (oberhalb Bremskraftverstärker). Natürlich muß auch noch das Kühlwasser abgelassen und die drei Wasserschläuche zur Heizung abgezogen werden (die Tüllen um die Heizkastenwasserrohre sollten nach außen herausgedrückt werden).
Der eigentliche Heizungskasten liegt jetzt frei. Er hält nur noch durch drei Verschraubungen (SW 10, eine mitten auf dem Tunnel, je eine links und rechts oben unter dem Armaturenbrett). Um das Ding einigermaßen entnehmen zu können ist es aber noch erforderlich, den Fußraumklappenteil abzuschrauben (bzw. bei gefüllter Klimaanlage den Heizkasten an Ort und Stelle zu zerlegen, um die Schläuche nicht vom Verdampfer schrauben zu müssen).
Danach ,,"zerrt" man den Kasten heraus, indem man ihn bis ganz an den Stahlquerträger herandrückt (deshalb mußte der Kabelbaum gelöst werden) und so die Rohre aus der Spritzwandöffnung zieht. Um ihn nach rechts entnehmen zu können muß man die Rohrseite nach unten drehen (und schwapp - jetzt weiß man warum die Teppiche raus sollten).
Nach spätestens einer Stunde schieben und ziehen findet man einen gewaltfreien Ausbauweg; man sollte besonders darauf achten, die Scheibenluftschächte nicht zu sehr zu belasten, weil sonst das Armaturenbrett reißen kann. Jetzt fehlt eigentlich nur noch der Lüftermotor. Er ist mit drei verklebten Schrauben befestigt (den Stufenwiderstand hatten wir ja vorhin schon ausgebaut).
Die eigentlichen Bauarbeiten können jetzt beginnen. Rund um den zu schweißenden Bereich müssen die überaus brennbaren schwarzen Dämmatten entfernt werden. Mit einer rotierenden Drahtbürste (wahnsinnig gefährlich!!!) schruppt man die PVC-Masse entlang der Kante, sowie dummerweise auch einen Teil des Bleches weg.
Das gesamte Ausmaß des Schadens ist nun zu erkennen, und man muß sich entscheiden, ob man stückchenweise von innen flickt (Schweißarbeit schwierig, Nachbehandlung fast unmöglich) oder für ein perfektes Ergebnis von außen arbeitet, nachdem man eben noch die Kleinigkeit von ca. 250 kg Metall (Motor und Getriebe) aus dem Weg geräumt hat.
Wer sich nicht vorstellen kann wie das geht, sollte diese OP erst einmal an diversen Schlachtfahrzeugen üben. Im Zweifel also den vorbereiteten Patienten einer geeigneten Fachklinik überantworten.
Foto 6: "Eigentlich muß das Maschinderl raus. Das Bild beweist, daß selbst der 280er ausbaubar ist, also nur Mut!"
5. Bahn frei
Bei ausgebautem Motor läßt es sich optimal arbeiten. Die Ablauflöcher sind meist nicht mit weggerostet; der Schaden befindet sich darunter. Entsprechend verschont man die Öffnungen beim Heraustrennen des Rostes. Nach zwei kunstvollen senkrechten Schnitten kann man den Teil der Spritzwand mit den Ablauflöchern nach oben knicken/aufrollen.
So läßt sich zunächst das Innenteil des Wasserkastens mit dem neu anzufertigenden unteren Stirnwandstück verschweißen und sauber verschleifen. Dabei ist darauf zu achten, daß die Kante nicht zu tief liegt, damit das Ablauflochteil nach dem Zurückbiegen wieder paßt (von unten anzuhaltende Schablone anfertigen).
Ein originales Reparaturblech ist nicht lieferbar (bzw. kostete es zuletzt ca. 3.000.- DM weil man den kompletten Vorderwagen kaufen mußte). Der Einbau erfolgt in umgekehrter Reihenfolge (das wird spaßig!).
Sorgfältiger Farbeinsatz sichert langfristigen Heilungserfolg. Wieder montiertes Dämmaterial und erneuerte Gummitüllen sorgen dafür, daß der Mercedes wieder ein Mercedes wird!
10. Strichacht Wasserkasten
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