Hans J. Alpers / Ronald M. Hahn
Die rätselhafte
Schwimminsel
Band 5
aus der Reihe
„Raumschiff der Kinder“
ungekürzte Originaledition
der nicht mehr aufgelegten
Einzelausgabe von 1978
© Ensslin & Laiblin Verlag GmbH & Co. KG Reutlingen 1978. Sämtliche
Rechte, auch die der Verfilmung, des Vortrags, der Rundfunk und
Fernsehübertragung, der Verbreitung durch Kassetten und Schallplatten
sowie der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten. Printed in Germany.
ISBN 3770904087
– Was man vorher wissen sollte –
Harpo Trumpff:
Sechzehn. Blondes, schulterlanges Haar. Hat gelegentlich Angst vor dem
Alleinsein in der Dunkelheit. Grund seines Aufenthalts auf dem Sanatoriums
schiff: Schwindelanfälle, Gedächtnisstörungen nach Stürzen. Chronist und
Logbuchführer der EUKALYPTUS.
Anca Trumpff:
Harpos Schwester. Zwölf. Langes schwarzes Haar. Klein. Etwas pummelig.
Regt sich auf, wenn man sie „Pummelchen“ nennt. Liebt Tiere. Mit Ollie sehr
eng befreundet. Übertreibt gern. Wurde auf das Schiff geschickt, damit Harpo
sich nicht allein fühlt.
Brim Boriam:
Vierzehnjähriger Negerjunge. Krauses Haar. War anfangs sehr schüchtern.
Litt unter starken Sprachstörungen. Stottert jetzt nur noch, wenn er sehr auf
geregt ist. Hat medizinisches Talent. Wurde von den Galaktischen Medi
zinern in einem Schnellhypnose Verfahren zum Arzt ausgebildet.
Thunderclap Genius:
Deckname eines gelähmten fünfzehnjährigen Jungen. Hütet seinen echten
Namen sorgsam. Hochintelligenter Tüftler. Technisch begabt. Alleswissende
Leseratte mit eidetischem Gedächtnis (vergißt kaum etwas, was er einmal ge
hört oder gelesen hat). Hobby: Entschlüsseln von Geheimschriften.
Alexander:
Sieht wie ein Bär aus. Träg einen roten Pelz. Kein Wunder, denn er ent
stammt einer intelligenten Lebensform des Planeten Nordpol, die als Rasse
der Rotpelze bekannt ist. Vielleicht zehn Jahre alt, aber sehr stark. Und lern
eifrig. Nur mit der menschlichen Sprache will es noch nicht so richtig
klappen.
Lonzo:
Roboter. Im Gegensatz zu seinen maschinellen Kollegen, die wegen ihrer
teddybärartigen Aufmachung die „Grünen“ genannt werden, ohne Verklei
dung. Behauptet von sich, überhaupt keine Maschine, sondern ein ehema
liger Seeräuber zu sein. Ist zweifellos defekt. Steht voll auf der Seite der
Kinder. Akzeptieren ihn, so wie er ist. Klopft gern Sprüche. Hat so ziemlich je
des Buch über Piraten gelesen. Ist in der Lage, kleinere Verletzungen und
Krankheiten mit einem eingebauten medizinischen System zu behandeln.
Besitzt aus Metallringen zusammengesetzte Beine und einen kugelrunden
Kopf.
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Micel Fopp:
Vierzehn. Schwarzhaarig. Dunkle Augen. Wurde durch falsche Medi
kamente, die seine Mutter während ihrer Schwangerschaft einnahm, mit ver
kürzten Armen geboren. Hände klein wie die eines Fünfjährigen und direkt
an seinen Schultern angewachsen. Ansonsten körperlich unversehrt. „Tele
path“ (ist in der Lage Gedanken zu lesen).
Karlie Müllerchen:
Fünfzehn. 2,20 Meter groß. Niemand weiß, wann er aufhören wird zu
wachsen. Bürstenhaarschnitt. Liebt nichts mehr als Kartoffelpuffer. Tischt sie
jedesmal, wenn er mit Küchendienst an der Reihe ist, den anderen in hundert
Variationen auf. Hat Humor und starkes Interesse an Funktechnik und Astro
navigation.
Ollie:
Elf. Strubbelkopf. Fransenbesetzte Lederhose. Ziemlich frech. Sogenannter
„Hypochonder“ (eingebildeter Kranker). Kerngesund, redet sich aber ständig
ein, gegen alles und jeden allergisch zu sein. Schreit nach Medizin, sobald er
einen einsamen Pickel auf seiner Haut entdeckt. Sein Ziel: rasch erwachsen
zu werden, weil er Anca Trumpff heiraten will.
Moritz:
Dackel. Ollies Liebling. Darf eigentlich nicht in die Zentrale. Wird von Ollie
immer wieder eingeschmuggelt. Hat es auf Lonzos Metallbeine abgesehen.
Und auf Trompo, den er für eine Art Hund hält.
Trompo:
Außerirdisches Wesen von Katzengröße. Sieht wie ein rosafarbener Elefant
aus. Schlappohren. Haut ist von einem Fell bedeckt. Ist kein Tier, sondern ein
intelligentes Lebewesen von einem Planeten mit unaussprechlichem Namen.
Lebte als eine Art „Krankheitsaufspürer“ bei den Galaktischen Medizinern,
bevor er auf das „Raumschiff der Kinder“ kam.
Bharos:
Elfenhaft zierlicher Mutant aus dem Stamme Akkai. Langlebig. Kann Ge
danken lesen sowie sich selbst und andere durch Kraft des Geistes von einem
Ort zum anderen transportieren. Strandete mit einem Raumschiff vor vielen
hundert Jahren und überlebte Generationen von Nachkommen seiner
einstigen Schiffskameraden, die sich zu Weltraumnomaden entwickelten.
Schloß sich der EUKALYPTUSCrew an, weil er gern auf seine Heimatwelt zu
rückkehren möchte.
Flint:
Ehemaliger Raumpilot. Kahlköpfig, schwarzer Bart. Hatte finstere Pläne,
die durch ein unvorgesehenes Ereignis zerstört wurden. Landet mit anderen
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Schiffbrüchigen auf der Wasserwelt Tonoga. Ein unangenehmer Zeitgenosse,
der den Raumfahrern der EUKALYPTUS zu schaffen macht.
Erik:
Flints enger Vertrauter. Macht alles, was sein Boß ihm aufträgt, auch wenn
es kriminell ist. Vom Denken hält er nicht viel.
Doona:
Tanitaner. Als junger Wissenschaftler auf einer Forschungsstation tätig.
Schuppige Haut, eiförmiger Schädel mit drei Nasenlöchern und Facetten
augen. Führt ständigen Kampf gegen die bürokratische Verwaltung seiner
Heimatwelt. Bricht zu einer abenteuerlichen Expedition auf, um auf einer Ro
botInsel nach dem Rechten zu sehen.
Caral:
Doonas väterlicher Freund. Begleitet ihn auf der langen Reise zur RobotIn
sel. Ebenfalls ein Tanitaner. Besonders erfahren als Zureiter der „Bogeys“,
jener treuen Reitfische, ohne deren Hilfe die Reise nicht möglich wäre.
Schwatzmaul:
Elektronengehirn der EUKALYPTUS. Umfaßt alle elektronischen Teile,
Steuer und Kontrollelemente des Schiffes. Und die Speicherbänke. Die Bord
bibliothek. Ist nicht perfekt. Muß manchmal zugeben, daß er Wissenslücken
hat. Redet mit menschlicher Stimme viel, gern und geschwollen. Auch über
Sachen, die keinen interessieren. Das hat ihm seinen Namen eingetragen.
EUKALYPTUS: Den Namen erhielt das Schiff erst durch die Kinder. Obwohl
es ja eigentlich eher wie eine riesige Hantel aussieht. Zwei Kugeln, ein zy
lindrisches Verbindungsstück. Besteht aus einer Vielzahl von Decks, jedes ki
lometergroß, viele davon als künstliche Wüsten und Dschungel ausgestattet.
Ob das Raumfahrzeug ursprünglich als eine Art Auswanderungsschiff für
interstellare Reisen vorgesehen war, weiß man nicht so genau. Sicher ist nur,
daß es einen neuartigen, vorher nicht getesteten Antrieb besitzt, der mehrfa
che Lichtgeschwindigkeit zuläßt. Es umkreiste als Hospitalschiff für kranke
und umweltgestörte Kinder die Erde – bis es sich aus noch ungeklärter Ursa
che aus seiner Umlaufbahn riß. Die ursprüngliche Besatzung ließ das Schiff
und die Kinder im Stich. Diese mußten selbst lernen, das Schiff zu steuern.
Oder steuern zu lassen, denn die meiste Arbeit nimmt ihnen der allgegen
wärtige Computer Schwatzmaul ab. Daß sich die EUKALYPTUS überhaupt
wieder manövrieren läßt, verdanken die Kinder vor allem den hilfreichen
„Weltraumärzten“, – einer extraterrestrischen Rasse – und dem tüchtigen
Tiefschläfer Daniel Locke, der mit anderen Besatzungsmitgliedern auf dem
Planeten Nordpol zurückblieb. Die EUKALYPTUS hat mehrere Beiboote,
Fabrikationsstätten für alles, was an Bord benötigt wird, Wartungsroboter –
und natürlich eine sehr tüchtige, aber auch fröhliche Besatzung.
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SOS zwischen den Sternen
Harpo erwachte von einem Stoß, fuhr hoch und dachte: Was hat Schwatz
maul falsch gemacht?
Für einen Moment lang erfaßte ihn Panik. Die Vorstellung, daß der fast all
mächtige Computer des Sternenschiffes EUKALYPTUS fehlerhaft funktionie
ren könne, führte dazu, daß sich seine Stirn mit einem Schweißfilm bedeckte.
Er atmete tief durch, schüttelte den Kopf, und mit dieser Bewegung verflog
der Alptraum, löste sich wie Rauch in nichts auf.
Der kleine Lautsprecher neben seiner Koje knackte, dann sagte eine aufge
regte Jungenstimme: „Alle Mann in die Zentrale! Alle Mann ... und Anca ... in
die Zentrale! Ich glaube, ich spinne!“
Bevor Harpo Gelegenheit hatte, sich nach dem Grund für die Aufregung zu
erkundigen, war die Stimme des Wachhabenden nicht mehr zu verstehen.
Ein chaotisches Stimmengewirr drang aus dem Lautsprecher. Harpo zog sich
hastig an und rannte ungekämmt den Korridor entlang. Türen klappten auf
und zu. Brim Boriam, der an Bord der EUKALYPTUS die Aufgaben eines
Arztes versah, tauchte vor ihm auf. Sein Gesicht hatte etwas von seiner natür
lichen schwarzen Hautfarbe verloren.
Beide Jungen liefen jetzt nebeneinander. „Was ist los?“ fragte Harpo keu
chend den vierzehnjährigen Afrikaner. „Ärger mit Schwatzmaul?“
Brim Boriam antwortete nicht, zuckte aber im Laufen mit den Schultern.
Woher sollte er auch mehr wissen als Harpo?
Manchmal legte der Bordcomputer tatsächlich ein seltsames Benehmen an
den Tag – obwohl man ihm nichts Schlechtes nachsagen konnte, wenn es um
Wichtiges ging.
Diesmal schien Schwatzmaul nichts mit der allgemeinen Verwirrung zu
tun zu haben. In der Zentrale erwartete die elfköpfige Besatzung statt dessen
ein ziemlich bleicher Thunderclap Genius, der nervös mit seinem Rollstuhl
im Kreis herumfuhr und dabei murmelte: „Sie werden mir nicht glauben! Sie
werden mir einfach nicht glauben. Die denken, daß mich der Raumkoller ge
packt hat.“
„Was ... uuuuaaaahhhh ... werden sie dir nicht glauben?“ fragte Harpo, der
trotz des schnellen Laufes noch einmal herzhaft gähnen mußte, um den
Schlaf aus den Kleidern zu schütteln. „Du machst mir Spaß, mein lieber
Pitter! Mitten in der Nacht wirfst du uns aus den Kojen und ...“
„Schaut mal nach draußen!“ krähte der kleine Oliver vorwurfsvoll. „Es ist ja
noch stockfinstere Nacht!“
Thunderclap, der mit Unmutsfalten auf der Stirn vernommen hatte, daß
Harpo ihn mit seinem richtigen Vornamen – den er gar nicht liebte – an
sprach, wechselte bei dieser Bemerkung den Gesichtsausdruck. Da hatte der
Kleine mal wieder einen seiner unglaublichen Schlüsse gezogen! Natürlich
war es draußen dunkel. Aber das hatte der Weltraum nun mal so an sich.
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„Ein Funkspruch“, stammelte Thunderclap, der entschlossen davon aus
ging, daß der Name „Pitter“ im allgemeinen Stimmengewirr untergegangen
war. Er wollte einfach nicht wahrhaben, daß jeder an Bord sein kleines Ge
heimnis längst kannte. „Ein Funkspruch kam vor fünf Minuten rein. Auf Ka
nal acht! Und wißt ihr, von wem?“
Während sieben der Mannschaftsmitglieder einstimmig „Neeee!“ brüllten,
gab Alexander, der bärenhaft aussehende Rotpelz, ein schnaufendes Ge
räusch von sich, das zweifellos die rotpelzische Version von „Neeee!“ war.
Bharos, der erst vor wenigen Wochen zur Besatzung der EUKALYPTUS
gestoßen war, machte nur kugelrunde Augen. Und Trompo, das kätz
chengroße Lebewesen mit dem Aussehen eines Elefanten, piepste verstört.
„Es war ...“ holte Thunderclap aus, unterbrach sich und pumpte sich erst
einmal die Lungen voll Luft, „es war ein Funkspruch von einem Raumschiff
der Erde! Da habt ihr es. Ich habe euch ja gesagt, ihr werdet es mir nicht glau
ben. Von der Erde – versteht ihr!“ Er schüttelte die Fäuste in der Luft, als
wollte er ihnen das Gesagte einhämmern.
„Na und?“ fragte Harpo. „Was wollte es denn?“ Er tat natürlich nur so, als
sei es für ihn eine Selbstverständlichkeit, daß ein irdisches Raumschiff in der
Nähe war. Aber er freute sich auf Thunderclaps Reaktion. Die blieb nicht aus.
Der Junge im Rollstuhl vergaß drei Sekunden lang das Atmen und starrte
seinen Freund an. „Dich läßt wohl alles kalt, was?“ schimpfte er dann los.
„Dann hört jetzt zu: Das Raumschiff befindet sich in Not und braucht
dringend Hilfe!“
Einer sah verstohlen zum anderen und versuchte herauszukriegen, wie der
die Sache aufnahm. Thunderclap war ja eigentlich ein cleverer Bursche, der
meistens auch das meinte, was er sagte. Aber die vielen Aufregungen der letz
ten Zeit ... Und dann die lange schlaflose Nacht allein in der Zentrale ... Selbst
Harpo guckte so undurchsichtig.
„Ich weiß genau, was ihr denkt“, jammerte Thunderclap. „So weit von der
Erde entfernt kann es kein anderes irdisches Raumschiff als die EUKALYP
TUS geben. Aber ihr täuscht euch! Fragt Schwatzmaul – ich kann euch nicht
mehr sagen.“
Schwatzmaul hatte die ganze Zeit nur auf sein Stichwort gewartet. Eine
grüne Birne blinkte ungeduldig auf dem Kontrollbord über Thunderclaps
Sitz. Das Zeichen, daß Schwatzmaul etwas zu sagen hatte, sich aber von
allein nicht in das Gespräch einschalten wollte.
„Erhebe deine Donnerstimme, edler Computer, und verkünde uns deine
Weisheiten“, witzelte Anca mit salbungsvoller Stimme. Das Mädchen war
Harpos Schwester und im Moment das einzige weibliche Besatzungsmitglied.
Alle warteten gespannt, was der Bordcomputer zu berichten hatte.
„Ergebensten Dank, mein holder Engel“, sagte Schwatzmaul so artig, daß
man sich nicht gewundert hätte, wenn die ganze Computerwand eingeknickt
wäre, um eine Verbeugung zu machen. „Nun ... – die Tonbandstimme des
Gehirns imitierte ein Räuspern – „die Aussagen des Wachhabenden sind in
jeder Beziehung sachlich korrekt. Vor ...“
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„Da habt ihr’s!“ schrie Thunderclap triumphierend dazwischen.
„Pschschschtt“, machten die anderen.
„... genau elf Minuten und siebenundfünfzig Sekunden erreichte die EUKA
LYPTUS ein Funkspruch, der sich exakt so anhörte ...“
Schwatzmauls Innenleben schien zu schnarren. Dann war für Sekunden
aus den Lautsprechern so etwas Ähnliches wie kosmische Musik, untermalt
vom tiefen Summen eines weit entfernten Radiosterns, zu hören. Plötzlich
sagte eine aufgeregte Männerstimme: „Hier Raumschiff AESCLIPUS im
Raumsektor ThetaKappaOmikron! Raumschiff AESCLIPUS ... Ich wiederho
le ...“
Eine andere Stimme, leiser, aber noch verständlich, unterbrach: „Schneller,
Erik, schneller! Wir haben keine Zeit mehr ...“
Die erste Stimme kam jetzt so überstürzt, daß sie sich mehrmals
verhaspelte, bevor sie hervorstieß: „Wir verlassen das Schiff mit einem Bei
boot ...“
„Abschußvorrichtung funktioniert nicht!“ schrie eine Frauenstimme an
scheinend aus dem Hintergrund.
„Abdrehen! Abdrehen!“
Das Stimmengewirr wurde so laut, daß der Funker nicht mehr zu verstehen
war. „Versuchen Notlandung!“ kam er endlich noch einmal verständlich
durch. „Weiße Zwergsonne im Sektor ThetaKappaOmikron. Zweiter
Planet ... Rettet uns ... Rettet uns ...“
Krachen, Zerreißen von Metall – dann Stille.
Ungläubig fragte Thunderclap: „Dann hast du also alles aufgezeichnet,
Schwatzmaul? Ja, weshalb hab’ ich mir eigentlich groß Gedanken gemacht,
daß ihr mir nicht glaubt ...“
„Wir Maschinen schlafen niemals“, bemerkte der Computer mit einer un
verkennbaren Portion Stolz in der Stimme.
In der folgenden Stille hätte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören –
selbst eine aus Plastik. Die irdischen Stimmen aus dem All hatten allen erst
einmal die Sprache verschlagen. Harpos Blick irrte ziellos zwischen den
Lichtpunkten umher, die greifbar nahe zu sein schienen und doch nichts
anderes als viele Lichtjahre entfernte Sterne waren, deren Funkeln durch die
gläserne Kuppel über der Zentrale der EUKALYPTUS fiel. Nur ein einziger
Stern stand groß und nah vor ihnen. An ihm blieben Harpos Augen schließ
lich hängen. „Weiße Zwergsonne ... zweiter Planet ...“ geisterte eine Stimme
durch sein Gehirn.
Ehe er seinen Gedanken aussprechen konnte, spürte er einen sanften Stoß
gegen die Rippen.
„Dort ist sie“, platzte Anca in die Stille hinein. Obwohl sie nur flüsterte,
konnte sie jeder deutlich verstehen. „Das muß die Zwergsonne sein, nicht
wahr? Und gar nicht weit entfernt ...“
„Schwatzmaul?“ fragte Harpo.
„Von dorther kam der Hilferuf“, bestätigte das Bordgehirn ungewöhnlich
knapp.
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„Dann ist es ja wohl keine Frage, was wir zu tun haben!“ trumpfte Anca auf.
Nein, das war es wirklich nicht.
„Erst mal duschen und futtern“, riet Thunderclap nach einem Blick in die
noch immer schlaftrunkenen Gesichter. „Dann sehen wir weiter.“
Binnen fünf Minuten stand jedes rostfreie Mitglied unter der Dusche. In
dessen bereitete Lonzo – der ein Roboter war, dies aber für gewöhnlich gerne
abstritt – aus Synthofood ein Frühstück zu, das selbst den abgeschlafftesten
Helden wieder auf die Beine bringen mußte. Synthofood war ein künstlich
erzeugtes Produkt, das sich aber in Aussehen und Geschmack kaum von na
türlicher Nahrung unterschied.
Gestärkt und hellwach kehrte die Meute in die Zentrale zurück. Karlie Mül
lerchen, der mit seinen sechzehn Jahren bereits zwei Meter zwanzig maß und
ein dünnes Bärtchen trug, enterte den Platz des Navigators und begann mit
den Berechnungen. Anca, die in den letzten Wochen immer mehr Interesse
für diese Wissenschaft entwickelt hatte, half ihm, so gut sie konnte.
Aber die kniffligsten Berechnungen mußte natürlich Schwatzmaul über
nehmen. Der Computer hätte den Kurs auch allein ausrechnen können, aber
da er nicht nur ein großes und schlaues, sondern auch ein weises Bordgehirn
war, ließ er darüber keine Bemerkung fallen. Erstens war es nur gut, wenn die
Besatzung sich im Notfall auch allein zu helfen wußte, und zweitens stärkte
es das Selbstvertrauen der jugendlichen Navigatoren, wenn sie ihre selbstge
stellte Aufgabe bewältigten. Und wenn es einmal nicht so ganz klappte, dann
nahm er stillschweigend die nötigen kleinen Kurskorrekturen vor, um die EU
KALYPTUS zum Zielort zu bringen. Schwatzmaul war eben genausowenig
eine gewöhnliche Maschine wie Lonzo ein gewöhnlicher Roboter war.
Ziemlich genau siebenundvierzig Minuten nach Empfang des Funkspruchs
lag eine Kursbestimmung vor. Das riesige Sternenschiff EUKALYPTUS – einst
als Sanatorium für umweltgeschädigte Kinder im Orbit der Erde – steuerte
nicht länger seinen Kurs zum Zentrum der Galaxis, sondern zog eine Parabel
zum östlichen Rand jenes Sternennebels, den man die Milchstraße nennt.
Die weiße Zwergsonne, die vorhin noch am äußeren Rand der Sternen
kuppel zu sehen gewesen war, verschwand zunächst ganz aus dem Sichtfeld,
tauchte aber bald wieder auf und schob sich langsam zur Mitte. Alle Bild
schirme, die von den Außenkameras und Teleskopen versorgt wurden, zeig
ten den „weißen Zwerg“ – wie dieser Sternentypus von geringer Größe und
extrem hoher Dichte genannt wurde. Die Entfernung betrug nicht viel mehr
als drei Lichtstunden. Als sich die EUKALYPTUS der kleinen Sonne bis auf
eine halbe Lichtstunde genähert hatte, begannen Schwatzmauls Analysato
ren zu rattern.
„Fünf Planeten umkreisen die Sonne“, meldete Karlie, der sich erregt über
den kleinen Sichtschirm eines Analysators beugte und den dort er
scheinenden Text ablas.
„Und der letzte ist ein Eisbrocken“, ergänzte Harpo fröstelnd, als er dem
Langen über die Schultern lugte. „Ammoniakatmosphäre, brrrrrr!“
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Lonzo gluckste: „Herrje! Und das einzige Eis, das ich mag, ist Schokoladen
eis!“
Karlie hatte sich von seinem Sitz erhoben und lief mit großen Schritten in
der Zentrale auf und ab. „Eine Eiskugel, ein Schlackehaufen und zwei Stein
klötze ohne Atmosphäre“, sagte er. „Aber der zweite Planet, von dem im
Funkspruch die Rede war, scheint tatsächlich eine bewohnbare Welt zu sein.“
Bald sahen es alle auf dem Bildschirm. Er glänzte wie eine blaue Glas
murmel. Dichte, weiße Wolkenbänke behinderten den Blick, aber überall
dort, wo man bis auf die Oberfläche schauen konnte, war Wasser zu sehen.
Wasser und nichts als Wasser.
„Was schätzt du, Schwatzmaul?“ fragte Thunderclap neugierig. „Wieviel
Landmasse? Vierzig Prozent? Dreißig? Zwanzig?“
„Elektronengehirne vermitteln Fakten und keine Schätzungen“, empörte
sich der Bordcomputer. Die Stimme klang beinahe beleidigt – kein Wunder,
wenn man Schwatzmauls Fimmel kannte, alles möglichst bis auf die zehnte
Kommastelle oder die letzte Mikrosekunde genau anzugeben. „Aber nach
den bisher eingegangenen Messungen besteht die Oberfläche des Planeten
zu mehr als 99 Prozent aus Wasser.“
„Oje!“ rief Anca und sprang auf. „Dann müssen die Schiffbrüchigen ertrin
ken, wenn wir sie nicht schnellstens finden!“
Harpo biß sich auf die Unterlippe. Das war ja eine verflixte Situation.
Brim Boriam rieb die vor Aufregung schwitzenden Hände gegeneinander
und fragte: „Habt ihr eine Ahnung, wie lange ein Mensch schwimmen kann?
Ein paar Stunden?“
„Höchstens. Wenn er gut in Form und das Wasser nicht zu kalt ist“,
murmelte Micel, der sich mit seinen verkrüppelten Ärmchen selbst nur
mühsam über Wasser halten konnte.
„Und die Haie?“ rief Ollie. „Mensch, denkt doch mal an die Haie!“
„Pah!“ machte Karlie. „Wer sagt dir denn, daß es hier Haie gibt? Wir sind
doch nicht auf der Erde!“ So überzeugend klang das allerdings nicht, denn
wenn der Planet tierisches Leben hervorgebracht hatte, dann mochte es
schon sein, daß auch Raubfische darunter waren.
Schwatzmaul war so klug, sich aus der Diskussion herauszuhalten, weil er
noch immer zu wenig Daten besaß.
„Jedenfalls müssen wir so schnell sein wie noch nie in unserem Leben“,
sagte Harpo. „Jede Minute, die wir hier vergeuden, kann für das Leben der
Schiffbrüchigen wichtig sein. Wir müssen in die Gleitboote! Wir nehmen alle
einsatzfähigen Boote!“
„Wißt ihr eigentlich, was es bedeutet, vier oder fünf Menschen zu suchen –
mitten im Meer eines erdgroßen Planeten?“ fragte Micel, obwohl er sich mit
den anderen zu den Hangars in Bewegung setzte. „Dagegen ist die berühmte
Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen eine Spielübung für Säuglinge!“
Das wußten sie alle. Aber sie wollten gar nicht darüber nachdenken, wie
aussichtslos ihr Unternehmen war. Und Micel eigentlich auch nicht ...
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Doonas Theorie
Früh am Morgen, nachdem Doona seinen Wachdienst beendet hatte, zog
es ihn nach draußen. Er übergab seiner Ablösung, die aus den Wohnkuppeln
am Meeresgrund heraufkam, alle Registriergeräte in einwandfreiem Zustand
und meldete sich beim Chef vom Dienst ab. Der bärbeißig wirkende, aber
nicht unsympathische Wissenschaftler nahm die vorschriftsmäßige Meldung
müde brummend entgegen. Der Lift brachte ihn nach oben, und da sich
Doona an der Peripherie der SHAVACCOR befand, stand er schon wenig spä
ter inmitten exotischer Bäume und Pflanzen, die einen Großteil der Oberflä
che des Forschungsbootes bedeckten. Sie stammten von verschiedenen
Planeten und sollten auf ihre Widerstandsfähigkeit hin in der Atmosphäre
Tonogas getestet werden. Eine kühle Brise kam von der See her und um
schmeichelte Doonas schuppige Haut.
Der Morgen auf Tonoga war immer wieder ein Erlebnis. Das Licht der
winzigen, aber leuchtstarken Sonne brach sich auf den Wellen. Frische, wür
zige Luft stieg in Doonas Nase. Die spitzmäuligen Trioniten flogen ziemlich
tief und ließen ihre silbern glänzenden Leiber von der Sonne kitzeln. In den
Wipfeln der Bäume nisteten seit einigen Wochen mehrere vierflügelige Vögel
mit prächtigem bunten Gefieder. Sie kreischten aufgeregt. Wahrscheinlich
brüteten sie bereits Eier aus und hielten den jungen Wissenschaftler für eine
Gefahr.
Doona lächelte verhalten. Ganz im Gegenteil, dachte er, ganz im Gegenteil.
Er freute sich über jedes Anzeichen von Leben auf Tonoga, ob es nun pflanz
licher oder tierischer Art war. Sein Volk setzte große Hoffnungen auf diese
Welt. Sie mußte deshalb behütet und bewacht werden wie ein Augapfel. In
einigen hundert Jahren würde die Nahrung knapp werden auf Doonas
Heimatwelt. Deshalb hoffte man so sehr auf Tonoga. Denn der Planet war so
groß und reich an Schätzen jeder Art, daß er die Heimat ersetzen konnte. Bis
her hatte man kein intelligentes Leben entdeckt. Sollte man eines Tages doch
derartige Lebewesen in den Tiefen des Meeres finden, würde es sicherlich
möglich sein, sich mit ihnen zu einigen und friedlich nebeneinander zu
leben.
Als Doona zum künstlich angelegten Strand hinabging, traf er einen
anderen Mann. Es war Saryl, ein BWissenschaftler wie Doona selbst. Auch er
hatte Nachtdienst gehabt, allerdings in einem anderen Bereich der SHAVAC
COR: Saryl war verantwortlich für die Kontrolle der Relaisstationen und über
wachte den Eingang der Forschungsergebnisse mehrerer Robotstationen.
Saryl machte einen nachdenklichen, beinahe niedergeschlagenen Ein
druck.
Doona begrüßte den anderen. Da er ein guter Beobachter war, fragte er:
„Kummer am frühen Morgen, Bruder?“
„So könnte man es nennen, Bruder“, antwortete Saryl und setzte sich in
den Sand.
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„Vielleicht kann ich dir helfen?“ ermunterte ihn Doona dazu, sich ihm
anzuvertrauen.
Saryl lächelte müde. Wie bei allen Angehörigen seines Volkes hatten die
rubinroten Facettenaugen nach einer langen Wachperiode jeden Glanz verlo
ren und ließen nur noch ein stumpfes Violett erkennen. „Ich bin mir meiner
Sache nicht sicher“, begann er zögernd. „Im Grunde habe ich nicht genügend
Informationen. Ich weiß nur, daß etwas geschehen ist, kann aber nicht sagen,
warum es passiert ist.“
Doona sagte eine Weile gar nichts. So selbstverständlich es auch war, daß
man einander half, so verpönt war es, den anderen zu bedrängen oder ihn zu
nötigen, Dinge zu sagen, die er nicht sagen wollte. Und Saryl war bekannt da
für, besonders zögernd und zurückhaltend zu sein. Man mußte warten
können.
Nach einigen Minuten sagte Saryl plötzlich: „Eine der Robotstationen
sendet nicht mehr.“
„Ach“, erwiderte Doona. „Und warum nicht?“
Saryl sah ihn erstaunt an, und Doona preßte die Lippen zusammen. Wie
dumm von ihm, seine Neugier offen zu zeigen. Aber immerhin konnte man
ihm seine Jugend und Unerfahrenheit zugute halten. Schließlich war er noch
weit von dem Status eines AWissenschaftlers entfernt. Von dem wurde
erwartet, daß er intuitiv die Gefühle anderer Wesen erfaßte und Fehler dieser
Art vermied.
„Wie ich schon sagte“, antwortete Saryl mit einem leicht ungehaltenen Un
terton, „fehlen die notwendigen Informationen. Etwas muß in die Station
eingedrungen sein und dabei ein für die Weitermeldung wichtiges Element
beschädigt haben. Die Station befindet sich im Moment im ZylanGebiet. Es
wird lange dauern, bis wir einen Reparaturtrupp am Ort haben.“
„Sagtest du, daß etwas eingedrungen ist, Bruder?“ rief Doona und sprang
erregt auf. Sand spritzte unter seinen Füßen auf. „Warum nicht jemand?“
Gleich darauf bereute er abermals seinen unbeherrschten Ausbruch. Saryl
sah so fragend auf, daß Doona am liebsten im Boden versunken wäre. Es war
zwar richtig, daß Meteoreinschläge auf Tonoga nicht in Frage kamen und ein
technisches Versagen der mehrfach abgesicherten Funktionselemente so gut
wie ausgeschlossen erschien. Trotzdem war es voreilig gewesen, seine
Lieblingstheorie ins Spiel zu bringen. Schließlich wußte er, daß er bei seinen
Brüdern damit nicht gerade auf Gegenliebe stieß.
Saryl hatte sich entschlossen, den Vorfall mit Ironie zu überspielen. „Wie
ich merke“, sagte er lächelnd, „hast du die Idee von anderen intelligenten
Rassen im All noch immer nicht aufgegeben.“
Doona starrte verlegen auf seine Fußspitzen. Saryl hatte recht. Alle Hoff
nungen auf anderes intelligentes Leben im All hatten sich bislang nicht
erfüllt. Und das Dogma von der Lichtgeschwindigkeit als der höchstmögli
chen Geschwindigkeit im Universum ließ keinen Raum für Träume. Zu lange
würde eine Reise zwischen Sternen dauern, die irgendwo am Himmel als
Lichtpünktchen zu erkennen waren. Dennoch hatte sich bei Doona der Ge
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danke festgesetzt, daß eine hochentwickelte Technik Methoden finden
würde, die RaumZeitBarriere zu überwinden.
„Ich bin müde“, sagte Saryl und erhob sich. „Verzeih mir, aber ich möchte
gehen.“
Doona starrte dem kleinen Wesen mit der schuppigen Haut, dem eiför
migen Kopf und den großen Facettenaugen nach. Wieder einmal fragte er
sich, ob jene Fremden im All, wenn es sie gab, wie Tanitaner ausschauten.
Vielleicht trugen sie ein dichtes Fell und bewegten sich wie Schlangen vor
wärts. Sie mochten ein Raubtiermaul besitzen und womöglich nicht einmal
eine Nase mit drei Löchern im Gesicht haben ... Ach, es war müßig, darüber
nachzudenken.
Doona kratzte sein rechtes Ohr und nahm seine Wanderung durch den
Sand wieder auf. Aber seine Gedanken konnte er nicht so wie seinen Körper
in eine bestimmte Richtung lenken. Sie kehrten zu dem Gespräch mit Saryl
zurück. Eine Station war beschädigt worden. Sie sendete nicht mehr. Wenn
wirklich Fremde aus dem All auf Tonoga gelandet waren – warum hatten sie
die Station beschädigt? Um ihre Landung geheimzuhalten? Dann hatten sie
jetzt das Gegenteil erreicht. Aus Unkenntnis oder als unbeabsichtigte Neben
wirkung einer Inspektion? Schon wahrscheinlicher. Am Ende wollten sie so
gar auf sich aufmerksam machen und warteten darauf, daß die Besitzer der
Robotstation Kontakt mit ihnen aufnahmen? Auch das schien nicht undenk
bar. Dieser letzte Gedanke begeisterte Doona immer mehr, je länger er ihn
hin und herwälzte. Er verfiel in eine schnellere Gangart. Er mußte zurück
zum Chef vom Dienst – nein, besser zum Chef von SHAVACCORZentral –
und darauf dringen, daß sofort jemand zur Station geschickt wurde. Gegen
alle Bedenken würde er seine Theorie über Besucher aus dem Kosmos vor
tragen. Gut, man würde über ihn lächeln. Aber er konnte verlangen, daß man
ihm dann eine vernünftigere Erklärung für den Ausfall der Forschungsstation
gab!
Allerdings war es gar nicht so einfach, zum Leiter von SHAVACCORZentral
vorgelassen zu werden. Der CWissenschaftler – ein Student der untersten
Semester –‚ der die Funktion eines Leitersekretärsanwärters ausübte, wollte
nicht nur seinen Namen, Rang, Klassifikation, Spezial und Hauptfor
schungsgebiete, sondern auch den konkreten Anlaß des Besuches erfahren.
Mit einem Blick auf den Terminkalender meinte er: „Es muß tatsächlich
Schwerwiegendes sein, wenn ich kurzfristig etwas einschiebe, Bruder. Gerade
heute finden mehrere Konferenzen der Abteilungsleiter statt, und der Chef
bereitet sich darauf vor.“
„Ich habe eine Erklärung für den Ausfall einer Robotstation in der letzten
Nacht anzubieten“, begann Doona vorsichtig. „Mir scheint nämlich, daß
allein die Theorie ...“
„Halt!“ rief der Sekretärsanwärter. „Bruder Doona! Du willst dem Chef eine
Theorie anbieten? Ja weißt du denn nicht, daß das unmöglich ist? Der Chef
müßte sich tagtäglich mindestens fünf Theorien über die unglaublichsten
Dinge anhören, wenn er sich dafür die Zeit nehmen würde. Zum Arbeiten
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würde er dann nicht mehr kommen. Unmöglich, Bruder Doona, unmöglich!
Hier gibt es nur wesentliche Fakten zu berichten – und auch die nur in
wenigen Ausnahmefällen außerhalb des vorgeschriebenen Formularweges!“
„Aber die Angelegenheit ist wichtig ...“ stammelte Doona verwirrt. „Ich
meine ...“
„daß der Chef von SHAVACCORZentral jede freie Minute opfern und
Wissenschaftlern zuhören muß, die eine Theorie über den Urschrei, den
Urschlamm oder das Urei anzubieten haben? War es das, was du meintest?“
fuhr der CWissenschaftler ihm ungerührt in die Parade. Er deutete auf einen
meterhohen Aktenstapel neben seinem hufeisenförmigen Schreibtisch. „Dies
sind die Theorien des letzten Monats, Bruder Doona. Diejenigen, die korrekt,
dem Dienstweg folgend, vorgelegt wurden. Lieber Bruder und Kollege! Es
wird Zeit, daß wir wieder ein Gefühl für die Realität entwickeln!“
Doona mochte diese herablassende Art nicht, aber er trat ernüchtert einen
Schritt zurück. Am liebsten hätte er den CWissenschaftler gepackt und mit
ten hinein in seine Aktenstapel gesetzt. Aber damit hätte er seinem Anliegen
gewiß keinen guten Dienst erwiesen. Daß sich seine Kollegen und Brüder da
mit abfanden, ihre Forschungsergebnisse und Thesen in Ablagen und Akten
verschimmeln zu lassen, wollte er keinesfalls hinnehmen. Wenn das die
Realität war, dann wurde es wirklich allerhöchste Zeit, sie zu ändern!
„Du kannst deine Theorie schriftlich niederlegen und einreichen, Bruder
Doona“, lenkte der Sekretärsanwärter ein. „Aber bitte in fünffacher Ausferti
gung mit Formblatt LLCT 2345.“
„Wo erhalte ich dieses Formblatt?“ fragte Doona matt.
„Bei Untersekretär Alfann, Zimmer 234. Allerdings ist es Vorschrift, einen
schriftlichen Antrag auf Aushändigung der Formblätter zu stellen. Diesen An
trag BGF 8679 MK erhältst du bei Unteraushilfssekretär Gomar in Zimmer
675. Wie du siehst, ist alles ganz einfach und problemlos. Man muß sich nur
an den Dienstweg halten.“
Doona verließ den Raum grußlos. Offensichtlich war es sinnlos, diesen Weg
zu gehen. Aber auf die kleine Chance hin, daß seine Formulare wider
Erwarten alle Unteraushilfssekretäre, Untersekretärsanwärter und Unterse
kretäre passierten und irgendwann beim Chef landeten, tat er dann doch,
was man ihm vorgeschlagen hatte. Und wartete ...
Eine unliebsame Überraschung
Die grellweißen Strahlen der kleinen Sonne, der sie auf Vorschlag von Micel
den Namen Ararat gegeben hatten, zwangen die von der EUKALYPTUS ge
startete Rettungsmannschaft bereits beim Eintauchen in die Atmosphäre
zum Aufsetzen der Sonnenbrillen. Für Harpo, der das Gleitboot A7 steuerte,
verwandelte sich die gleißende See daraufhin in einen blaßblauen Schemen,
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der nur gelegentlich von einem irritierenden Glitzern durchbrochen wurde.
Ollie saß neben Harpo. Er entdeckte als erster Leben auf dem Planeten: einen
Schwarm fliegender Fische, der in riesigen Bögen mehrere hundert Meter
lang über dem Wasser dahinsegelte, bevor er wieder ins Wasser tauchte.
Das Meer war so flach wie ein Brett. Selten kräuselte der schwache Wind
die Oberfläche. Hin und wieder ragten nadelspitze Felsen aus dem Wasser.
Messungen hatten ergeben, daß sie manchmal eine Höhe von mehr als sieb
zig Metern erreichten. Aber sie waren nichts anderes als spitz zulaufende
Berge, auf denen man unmöglich Fuß fassen konnte. Nur gelegentlich
schimmerten darauf ein paar Pflanzen in roten und grünen Farben. Leblos
wirkten sie trotzdem nicht: Seevögel saßen hier und dort so dichtgedrängt
darauf, daß man den Fels darunter kaum noch erkennen konnte.
Karlie, der die A1 flog, schlug vor, die Felsen besonders sorgfältig zu beob
achten. Vielleicht war es den Schiffbrüchigen gelungen, einen der weniger
steilen Hänge zu erklimmen.
Ansonsten bot die Oberfläche des Planeten dem Auge wenig Abwechslung.
„Glücklicherweise“, sagte Alexander aus dem Hintergrund, „sind wir nicht
allein auf unsere Augen angewiesen. Also wirklich – wenn Schwatzmaul nicht
wäre, dann könnten wir einpacken!“
Dem Rotpelz war es inzwischen gelungen, selbst in die Feinheiten und
Besonderheiten der menschlichen Redensarten einzudringen. Lange Zeit
hatte er die frisch erlernte Sprache seiner Freunde mit ulkigem Akzent und
lustigem Satzbau zum besten gegeben, aber der lerneifrige NordpolBe
wohner sprach inzwischen gewandter als die meisten anderen an Bord. In
zwischen brachte er mehreren Besatzungsmitgliedern bereits seine eigene
Sprache bei.
Thunderclap, der zusammen mit Trompo und Bharos an Bord der EUKA
LYPTUS geblieben war, dirigierte aus der Zentrale des großen Schiffes ein
ganzes Bündel von TastOrtungsstrahlen und suchte damit die Oberfläche
des Planeten ab. Währenddessen kreuzte die EUKALYPTUS in großer Höhe
so, daß immer wieder andere Bereiche der Oberfläche in den Suchbereich der
Strahlen wanderten.
Die Funksprüche zwischen den drei Gleitbooten und dem Mutterschiff er
schöpften sich in lakonischen Bemerkungen: „Nichts gesehen“ und „Wasser,
Wasser, Wasser“ oder „feuchte Gegend“. Dies ging über mehrere Stunden
hinweg so. Niemand mehr hatte Lust zu einem Scherz. Alle gähnten und
waren todmüde.
Karlie seufzte schließlich durch Mikrofon und Lautsprecher und meinte:
„Leute, ich glaube, wir geben’s besser auf.“
Harpo dachte ähnlich und wollte gerade müde: „Na, fünf Minuten noch,
dann brechen wir die Suche ab!“ durchgeben, als sich Schwatzmaul in allen
drei Gleitbooten gleichzeitig meldete. „Ich habe sie!“ verkündete es.
Und während die müden Krieger unversehens in einen Begeisterungstau
mel fielen, ratterte es Positionsdaten herunter, die in den Kleincomputern
der Boote gespeichert wurden. Nach den Rückmeldungen der Bootscompu
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ter stellte sich heraus, daß das Boot mit Harpo, Alexander und Ollie der Fund
stelle am nächsten lag.
„Herzlichen Glückwunsch!“ schrien die anderen, als die A7 eine scharfe
Rechtskurve flog und dicht über dem Meer in nördlicher Richtung da
vonzischte. „Wir drücken euch die Daumen!“
Gebannt starrten Alexander, Ollie und Harpo durch die Rundum
Sichtscheibe, obwohl es im Moment wirklich nicht mehr als vorher zu sehen
gab: Wasser. Aber jeden Moment erwarteten sie, die Schiffbrüchigen im Meer
treibend zu entdecken. Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn
es dauerte fast eine halbe Stunde, ehe am Horizont ein silbrigleuchtender,
walähnlicher Metallkörper im Meer auftauchte, auf dessen Oberfläche beim
Näherkommen mehrere winkende Gestalten sichtbar wurden.
Aus den ameisengroßen Pünktchen wurden im Nu höchst lebendig wir
kende Menschen. Ollie schrie mit überkickender Stimme: „Es sind vier! Ich
sehe es genau! Drei Männer und eine Frau! Sie haben uns bemerkt!“
„Das ist ja wohl klar, daß die uns bemerkt haben“, brummte Alexander.
Und Harpo fügte hinzu: „Mensch, Ollie, deine scharfen Augen möchte ich
haben: drei Männer und eine Frau!“
Aber Ollie hatte wohl recht, das mußten die beiden Freunde zugeben, als
die A7 mit summenden Generatoren über den Schiffbrüchigen hing. Eine of
fene Luke in dem Metallrumpf des havarierten Schiffes zeigte, wie sich die
Schiffbrüchigen an die Oberfläche des treibenden Körpers gerettet hatten.
Weder Harpo noch Ollie – und auch Alexander nicht, der sich in den Archiven
viele Filme von der Erde angesehen hatte – wußten viel mit der Form des
Raumschiffs anzufangen. Das meiste lag ohnehin im Wasser verborgen, aber
der sichtbare Rest hatte Ähnlichkeit mit den schlanken Rümpfen von kleinen,
aber schnellen Weltraumjachten, wie sie im solaren System verkehrten: zy
linderförmig, spitze Schnauze, Hecktriebwerk, drei Schubdüsen am Rumpf,
vielleicht sechzig oder siebzig Meter lang. Wie man mit diesem Gefährt
Tausende von Lichtjahren überbrücken konnte, blieb den Beobachtern im
Gleitboot ein Rätsel.
Alle konnten von Glück reden, daß es so ruhig auf dem Meer war. Die not
gelandete Jacht dümpelte ganz sanft auf den Wellen. Ein etwas stärkerer See
gang hätte sie wahrscheinlich schon längst in die Tiefe gezogen.
Kupferrotes Haar leuchtete zu den Rettern hinauf. Das war die Frau, die
Ollies scharfe Augen sofort erspäht hatten. Sie stützte mit einem Arm den
Körper eines Mannes, der einen Verband um die Stirn trug und sich sichtlich
nur mühsam auf den Beinen halten konnte. Die beiden anderen Männer
schienen wohlauf zu sein. Sie sprangen und tanzten auf dem lädierten
Schiffsrücken herum und klopften sich gegenseitig mit den Fäusten in die
Rippen.
„Bordklinik fertigmachen“, meldete Harpo kurz und sehr fachmännisch zur
EUKALYPTUS hinauf. „Wir werden einen Verletzten mitbringen.“
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Über die voll aufgedrehten Außenlautsprecher der A7 rief er zu den Schiff
brüchigen hinunter: „Sind Sie allein, oder halten sich noch weitere Personen
im Innern des Schiffes auf? Brauchen wir Verstärkung?“
An den ratlosen Gesten der Gestrandeten merkte man, daß die Fragen in
dieser Form durch Mimik nicht zu beantworten waren. Deshalb fügte Harpo
hinzu: „Wenn niemand mehr im Schiffsinnern ist, dann winken Sie mit den
Armen. Verstanden?“
Die beiden Männer ruderten wild mit den Armen. Die drei Freunde an
Bord des Gleitbootes atmeten auf. Insgeheim hatten sie befürchtet, daß sich
in der Raumjacht noch Schwerverletzte befanden. So aus dem Stegreif wäre
ihnen nicht eingefallen, wie sie die hätten bergen sollen.
„Verstanden“, gab Harpo zurück. „Wir lassen den Gleiter jetzt langsam ab
sinken und werfen eine Strickleiter aus. Kann der Verletzte allein hoch
klettern?“
Das heftige Nicken der Mannschaft der AESCLIPUS ließ ihn den Plan sofort
in die Tat umsetzen. Die A7 schwebte fauchend Zentimeter um Zentimeter
hinunter. Sechs Meter über dem Wrack verharrte das Gleitboot. Ein weiteres
Absenken erschien zu riskant, weil das Boot für diesen Einsatz, der eher einen
Hubschrauber erfordert hätte, nicht konstruiert war. Es ließ sich nur mit
Mühe ruhig halten.
Alexander öffnete die Luke, und Ollie warf die Leiter hinab. Abwartend
blieben die beiden an der Öffnung stehen. Viel mehr konnten sie im Moment
nicht tun. Langsam trudelte das Ende der Leiter aus Kunstfasern und Plastik
elementen über den Rumpf des Wracks. Dann hatte einer der Männer zuge
packt. Er zog sie stramm und ließ seinen Kameraden nach oben steigen.
Die A7 schwankte leicht, als sich das Gewicht des Mannes bemerkbar
machte, aber Harpo gelang es, die Lage des Bootes zu stabilisieren.
Der Kletterer war ein breitschultriger Mann mit einem schwarzen Bart und
einem völlig kahlen Schädel. Er schien seine Muskeln gut unter Kontrolle zu
haben. Ohne Hektik zog er sich Sprosse um Sprosse hoch. Einmal verhielt er
kurz, um Kraft zu sammeln oder das Pendeln auszugleichen, dann erreichte
er die Luke und warf sich der Länge nach in das Boot.
Der elfjährige Ollie freute sich über den gelungenen Auftakt der Aktion wie
ein Schneekönig. Er reckte die Hühnerbrust, salutierte wie ein erfahrener
Weltraumschiffer und krähte fröhlich los: „Willkommen an Bord, mein
Freund. Ich hoffe, Sie werden sich bei uns wohlfühlen – nach allem, was Sie
mitgemacht haben. Mein Name ist Ollie. Ich bin der zweite oder dritte Offi
zier auf diesem Kahn. So genau weiß ich es nicht.“
Anschließend streckte er dem Schwarzbart eine Hand entgegen, um ihm
aufzuhelfen. Der wich zunächst verdutzt zurück, nahm dann aber die Hand
des Kleinen. Kaum stand er jedoch auf den Beinen, als er mit einem flinken
Blick die Lage klärte und etwas völlig Unerwartetes tat.
Er gab dem hilfreichen Ollie einen Schubs, so daß dieser heftig gegen Har
po am Kontrollpult prallte. Der rief entsetzt: „He, was soll denn das?“, verlor
den Halt und schlitterte mit den Beinen gegen Alexander. Die drei Freunde
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von der EUKALYPTUS bildeten ein ineinander verschlungenes Knäuel am
Boden des Gleitbootes.
Die A7 begann zu taumeln. Kein Wunder, Harpo hatte ja die Automatik
ausgeschaltet und auf Handsteuerung umgestellt. Harpo wollte sich auf den
Steuerknüppel stürzen, aber der Schwarzbart griff in die Innentasche seiner
abgewetzten Pilotenjacke und zog einen kleinen Handlaser hervor.
„Du bleibst, wo du bist“, knurrte er. „Ich übernehme jetzt das Kommando.“
Trotz der Verwirrung über diese unerwartete Wendung bemerkte Harpo
mit Erleichterung, daß sich die Lage des Gleiters wieder stabilisiert hatte.
Eine Notschaltung mußte in Funktion getreten sein und auf Automatikbe
trieb zurückgestellt haben.
Alexander war außer sich vor Wut über das Verhalten des geretteten
Mannes und trat knurrend nach vorn. Der Mann mit dem Laser sah ihn jetzt
zum ersten Mal richtig, weil die Wand des Kleincomputers bisher den Körper
des Rotpelzes verdeckt hatte.
„Ein Bär!“ schrie der Schwarzbart erschreckt. Er legte mit der Waffe auf
Alexander an. In diesem Moment schwankte die A7 erneut, weil sich der
zweite Schiffbrüchige in das Innere zog. Der Energiestrahl, der aus dem Lauf
der Waffe zischte, ging haarscharf am Kopf von Alexander vorbei und traf die
Armaturen des Kleincomputers. Im Nu roch es nach verbrannten Kabeln,
und eine Stichflamme fuhr knatternd aus dem Computer. Die A7 begann
wild zu wanken.
„Dieser Halunke wollte unserem Alexander etwas tun“, schrie Ollie außer
sich vor Wut und stürzte sich auf den Mann mit der Waffe. Bevor der sich
versehen hatte, trommelten Ollies Fäuste in seinem Gesicht herum, öffneten
sich und ließen die Fingernägel eine Kratzspur über die Wangen ziehen.
„Verdammtes Biest“, rief der Mann und stieß Ollie heftig zur Seite. Im
nächsten Moment fing er jedoch eine mächtige Ohrfeige von Alexanders Bä
renpranke ein. Harpo stürzte auf den zweiten Eindringling, als er bemerkte,
daß der dem Schwarzbart zu Hilfe kommen wollte. Alle wälzten sich auf dem
Boden und prügelten aufeinander ein.
Vielleicht wäre es den drei Freunden gelungen, bei der Keilerei die
Oberhand zu gewinnen, zumal der Laser bei Ollies Attacke in eine Ecke des
Gleitbootes geflogen war. Aber der ausgebrannte Kleincomputer konnte
nicht länger die Steuerung kontrollieren. Das Boot sackte im steilen Winkel
ab und klatschte aus sechs Meter Höhe in das aufspritzende Wasser.
Der Schwarzbart schrie auf. Sein Partner befreite sich aus Harpos Griff,
rollte zur Seite und hatte plötzlich eine eigene Waffe in der Hand.
„Keine Bewegung“, drohte er und erhob sich. „Steh auf, Flint. Schätze, wir
haben Mist gemacht.“
Flint sprang auf, hob die verlorene Waffe auf und starrte auf das durch die
Luke eindringende Wasser. Für den Moment lag das Boot ganz ruhig. Aber es
war klar, daß sich daran bald etwas ändern würde.
„Wir saufen ab“, sagte Harpo, der ganz blaß geworden war.
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Ollie, der sich die Kehrseite rieb, stieß hervor: „Wir haben ein Rettungsboot
an Bord, Harpo! Schnell ... bevor ...“
Diese Mitteilung schien die beiden seltsamen Schiffbrüchigen genauso zu
erfreuen wie die Freunde von der EUKALYPTUS. Auf einen Knopfdruck von
Ollie öffnete sich außenbords eine Klappe und spuckte ein hellgelbes
Schlauchboot aus, das sich in Sekundenschnelle selbst aufblies. Eine Preß
luftflasche sorgte für die nötige Puste und ließ das Kunststoffboot krachend
auseinanderschnellen. Es bot Platz für etwa zwölf Personen.
„Rein in das Boot“, rief Flint und hechtete sich als erster durch die Luke
nach draußen. Er klatschte ins Wasser, schwamm auf das Boot zu und zog
sich über den Bordwulst hinein. Harpo und seinen Freunden blieb nichts
anderes übrig, als Flint zu folgen. Bislang schwappte das Wasser nur schub
weise ins Innere des Gleitbootes, aber bald würde der Punkt erreicht sein, wo
die A7 unter die Wasseroberfläche gezogen wurde. Als letzter folgte der zwei
te Eindringling.
Flint hatte sich bereits wieder von seinem Schock erholt und komman
dierte herum. „He, ihr da!“ schrie er zu den Zurückgebliebenen auf dem
Rumpf der Weltraumjacht hinüber. „Entweder setzt ihr eure lahmen Paddel
füße in Bewegung, oder wir fahren ohne euch ab!“
Immerhin bequemte er sich, das Boot mit einem Paddel so nahe an den
Rumpf heranzumanövrieren, daß auch der Verletzte übersteigen konnte.
Harpo, Ollie, Alexander und der zweite Fremde waren inzwischen an Bord
geklettert, und Alexander schüttelte den Pelz, daß die Tropfen nur so spritz
ten. Sie konnten von Glück sagen, daß sie schwimmen gelernt hatten. Es sah
nicht so aus, als hätten Flint und sein Kumpan auf einen Nichtschwimmer
Rücksicht genommen. Die einzige Art von Beachtung, die ihnen zuteil wurde,
war, daß ihnen Flint weitere Plastikpaddel in die Hand drückte und den
Befehl zum Ablegen gab.
Harpo rücke seine Sonnenbrille zurecht und legte sich wie die anderen
stumm ins Zeug. Er konnte noch immer nicht recht begreifen, wie sie in diese
verfahrene Situation geraten waren. Er hatte schon jetzt so ziemlich die Lust
an diesem Planeten verloren. Nicht einmal mehr die Schwärme der
fliegenden Fische übten einen Zauber auf ihn aus. Für Flint und seinen Be
gleiter waren sie ohnehin nur Anlaß zu groben Flüchen. Der Verletzte und die
Frau mit dem Kupferhaar sagten kein Wort.
Als sie etwa hundert Meter zwischen sich und den beiden Wracks zurück
gelegt hatten, richtete Flints Gefährte seinen Blick auf Harpo, Ollie und Alex
ander. „Jetzt wird es wohl allmählich Zeit, daß ihr ein bißchen erzählt“, sagte
er. „Findet ihr nicht auch?“
„Meinen Sie?“ knurrte Ollie patzig. „Sie dürften uns mehr zu erzählen
haben.“
Harpo warf dem Kleinen einen beschwörenden Blick zu. In ihrer Lage war
es unklug, die Männer zu provozieren. Aber Ollie war aufgebracht wie selten
zuvor. Er wollte jetzt nicht diplomatisch sein, sondern seinen Ärger los
werden.
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Flint lachte tief aus der Kehle, als er das wütende Gesicht des Jungen
erblickte. Er zeigte zwei Reihen weißer Zähne, die zu ebenmäßig waren, als
daß sie von Mutter Natur stammen konnten.
Sein Partner grinste schief, warf dann aber einen scheelen Blick auf die
Frau und den Verletzten. „Na gut, Kleiner“, sagte er schließlich. „Na gut.“
Hinter ihnen ertönte ein lautes Gurgeln. Fast zur gleichen Zeit entwich aus
beiden Wracks die letzte Luft. Die Metallkörper verschwanden im Meer. Nur
ein paar Luftbläschen erinnerten Sekunden danach daran, daß zwei Produkte
einer Tausende von Lichtjahren entfernten Zivilisation auf dem Meeresboden
des Wasserplaneten lagen.
Sie ruderten, bis es dunkel wurde. Dann gestattete Flint, daß die Paddel an
Bord gezogen wurden. Das Boot trieb auf den sanften Wellen. Den Ruderern
fielen die Augen zu.
Expedition!
Nach seinen Erlebnissen mit der Bürokratie war Doona mehr als nur
gelinde überrascht, als ihm ein Bote des Chefs von SHAVACCORZentral eine
Nachricht überbrachte. Er hielt sich zu diesem Zeitpunkt nicht länger auf
dem Forschungsboot auf, sondern arbeitete am Meeresboden in der Nähe
der Station im TarssatBecken. Er ritt einen der pfeilschnellen Bogeys zu, der
störrisch mit den messerscharfen, kantigen Flossen wedelte und Bock
sprünge machte, als sei er ein Landtier und kein Fisch.
Eine Tauchmaske umschloß den Großteil des Kopfes von Doona. Er war gar
nicht so ohne weiteres zu erkennen. Aber Caral, der Leiter der Zuchtstation,
hatte dem Boten den Weg gewiesen.
„Bruder Doona?“ fragte der Bote. Er ritt ebenfalls einen zahmen Bogey,
hielt sich mit einer Hand an der harten Nackenflosse fest und winkte mit der
anderen. Ein winziges Funkgerät in der Maske ermöglichte den Sprechkon
takt. Trotzdem war von der Stimme des Boten nicht viel mehr als ein leises
Quaken zu hören.
„Ich bin es“, erwiderte Doona. „Was gibt es?
„Ich komme im Auftrag der Leitung von SHAVACCORZentral. Die Bot
schaft lautet: ‚Ich habe deine Theorie mit Interesse gelesen und möchte mit
dir reden, Bruder Doona. Gezeichnet: Korshak, AChef, SHAVACCOR
Zentral‘.“
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Ein paar Sekunden lang war Doona zu keiner Antwort fähig. Also doch: Sei
ne Theorie war wider Erwarten nicht im Gestrüpp der Vorschriften
hängengeblieben. Und doch wußte er nicht zu sagen, ob die Gesprächsbe
reitschaft des Chefs auf echtes Interesse zurückzuführen war oder dazu
dienen sollte, ihm eine eklatante Pflichtverletzung deutlich zu machen. Er
murmelte schließlich: „Ich danke dir, Bruder. Erwartet der Chef eine sofortige
Antwort?“
Der Bote nickte. Sauerstoffbläschen quetschten sich dabei aus einem Spalt
seiner Atemmaske und erschreckten für einen Moment die beiden sich an
einanderreibenden Bogeys. Doona und der Bote mußten ihre ganze Aufmerk
samkeit darauf konzentrieren, nicht abgeworfen zu werden. Dann hatten sich
die Tiere wieder beruhigt. Aus der Ferne winkte der alte Caral herüber. Er ritt
gerade einen besonders wilden Bogey zu.
„Ich werde sofort zum Chef gehen“, sagte Doona. Der Bote nickte
abermals, dieses Mal vorsichtiger. Dann gab er seinem Reittier mit einem
Schenkeldruck zu verstehen, daß es sich in Bewegung setzen sollte. Der hai
ähnliche Fisch reagierte prompt. Er durchpflügte das Wasser mit mächtigen
Schlägen der Schwanzflosse und war bald mitsamt seinem Reiter
verschwunden.
„Probleme?“ fragte Caral und verhielt seinen nervösen Bogey vor Doona.
Der schüttelte den Kopf. Caral war der beste Freund seines Vaters gewesen,
und er hatte seine Gefühle auf den Sohn übertragen. Caral und Doonas Vater
hatten vor Jahren gemeinsam gegen einen Schwarm räuberischer Grünro
chen gekämpft, als die Station erst seit wenigen Wochen auf Tonoga exis
tierte. Doonas Vater war bei dem Angriff der gefährlichen Räuber ums Leben
gekommen. Damals hatte man erkannt, wie wichtig es war, Verbündete in
der Tiefsee zu haben. Heute wäre ein derartiger Angriff undenkbar. Kein
Grünrochen wagte sich auf weniger als einen Kilometer Abstand an einen Bo
gey heran.
Zuerst zögerte Doona, weil er fürchtete, auch Caral würde ihn auslachen.
Aber dann erzählte er ihm alles, was ihn bewegte. Der alte BogeyZüchter
hörte interessiert zu und meinte schließlich nur, weil die Bewegungslosigkeit
im Wasser ihn zum Frösteln brachte: „Laß uns eine Runde drehen, Junge.“
Nebeneinander schossen sie mit ihren Bogeys dahin und stießen bis dicht
unter die glitzernde Wasseroberfläche vor.
Auch Caral glaubte nicht an die Existenz von Besuchern aus dem Kosmos,
aber er hielt seine eigene Meinung nicht für das Gesetz des Universums. In
beinahe väterlichem Ton sagte er: „Wenn Korshak dich fertigmachen will,
dann komm zu mir. Du bist ein guter Zureiter und mußt dich nicht mit
denen dort oben herumschlagen, wenn du nicht willst. Ich bin hier unten
mein eigener Herr – du weißt das. Du würdest keinen Ärger bekommen.“
Er winkte und schoß davon. Doona gab seinem Reitfisch ein Signal und
durchbrach die Wasseroberfläche. Dann riß er sich die Atemmaske vom
Gesicht und ließ sich unter den warmen Sonnenstrahlen zum Forschungs
boot tragen.
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Er wurde bereits erwartet. Zu seiner Überraschung empfing ihn nicht der
CSekretärsanwärter, sondern der Chef von SHAVACCORZentral höchst
persönlich. Das machte Doona unsicher. In Korshaks Privatbüro warteten
außerdem zwei weitere Männer, deren Schulterinsignien sie als AWissen
schaftler auswiesen. Doona kannte sie. Das waren Gandrill und Pertoff, zwei
Spitzenleute. Und er wußte noch etwas von ihnen: Sie waren phantasielos
und glaubten nur das, was sie anfassen konnten.
„Ich ... ich fühle mich geehrt“, sagte Doona und trippelte nervös hin und
her.
Gandrill krächzte: „Geehrt? Bevor du weißt, was wir von dir wollen,
Bruder?“
Doona wurde dunkelgrün. War der alte Mann nur gekommen, um ihn zu
beleidigen?
Pertoff versuchte zu vermitteln: „Du bist ungerecht, Gandrill. Vielleicht
fühlt sich Bruder Doona allein dadurch geehrt, daß er mit einem Mann wie
dir reden darf.“
Gandrill schwieg. Aber sein Blick wirkte eiskalt. Von diesem Mann hatte
Doona nichts Gutes zu erwarten. Das war bedauerlich, denn als Wissen
schaftler verdiente Gandrill ohne Zweifel Bewunderung. Seine schnellen Er
folge hatten ihn arrogant werden lassen. Vergessen war die Brüderlichkeit der
unteren Ränge, die er selbst einmal durchlaufen hatte. Es war zum Schütteln.
Pertoff kam zum Kern der Sache. Korshaks gelegentliche Einwürfe zeigten
nicht nur, daß er Doonas Theorie gar nicht gelesen hatte, sondern ließen
auch Sachkenntnis und Interesse vermissen. Bald vertiefte er sich in irgend
welche Akten auf dem Schreibtisch und überließ den drei Wissenschaftlern
das Gespräch. Gandrill und Pertoff hatten sich allerdings eingehend mit Doo
nas Papier beschäftigt und ließen kein gutes Haar daran. Sie drehten und
wendeten jede Formulierung, nahmen Doona in die Zange und zwickten ihn,
wo es nur ging.
Schließlich sagte Gandrill: „Glaubst du jetzt immer noch, Bruder Doona,
daß Fremde auf der Forschungsstation gelandet sind?“
„Ich habe es niemals geglaubt und glaube es auch jetzt nicht“, entgegnete
Doona trotzig und ungebrochen. „Aber ich halte es für eine Möglichkeit, die
man in Betracht ziehen sollte.“
Gandrill knurrte etwas Unverständliches. Pertoff sah zur Decke, schloß die
Augen eine Weile und murmelte: „Ich weiß nicht, warum all diese jungen
Burschen so stur sind. Sag mal, Gandrill, waren wir früher auch so?“
Gandrill verzog den Mund zu einer Grimasse, die alles Mögliche bedeuten
mochte: Mißmut, Überheblichkeit – oder widerwillige Zustimmung. Laut sag
te er: „Ich glaube ja, Pertoff, ich glaube ja.“ Und zu Doona gewandt, fuhr er
fort: „Bruder Doona, warte bitte einen Moment im Vorzimmer.“
Verwirrt erhob sich Doona aus dem Kunststoffsessel und stakte hinaus. Die
Tür zog er sanft hinter sich zu. Hier war es leer und still. Nur das Summen fer
ner Maschinen drang an sein Ohr. Irgendwo in der Tiefe des riesigen Bootes
arbeiteten die Aggregate, um Energie für den Betrieb der Station zu liefern.
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Im Moment wünschte er sich nichts sehnlicher, als wieder in seinem Labor
zu sein, Meßergebnisse auszuwerten und Meerestiere zu beobachten.
Die Zeit schien sich endlos lang zu dehnen. Doona glaubte sich vergessen
und hatte sich gerade dazu durchgerungen, sich bemerkbar zu machen, als
Gandrills Stimme durch den Lautsprecher über der Tür ertönte: „Du kannst
hereinkommen, Doona. Wir haben unsere Beurteilung abgeschlossen.“
Doona trat ein. Gandrill und Pertoff hatten neben Korshaks Schreibtisch
Platz genommen. Der Leiter von SHAVACCORZentral sah auf, musterte den
Eintretenden so eingehend, als habe er ihn jetzt zum erstenmal bewußt
wahrgenommen, und sprach: „Ich verkünde hiermit die Verwaltungsent
scheidung 3759C26TRZ56/84 in Sachen Disziplinarverhandlung gegen
den Bruder Doona, BWissenschaftler auf SHAVACCORZentral.“
„Disziplinarverhandlung?“ fragte Doona erregt. „Dafür gibt es absolut
keinen Anlaß. Und man hätte mir sagen müssen, was man mir vorwirft –
Brüder!“ Welch ein Narr war er doch gewesen, sich darauf einzulassen. Das
hätte er sich denken können: Diese Ignoranten fühlten sich durch seine
These so herausgefordert, daß sie ihn empfindlich zu treffen suchten.
Korshak ging ohne Kommentar über den Einwand hinweg, räusperte sich
geräuschvoll und schnurrte in dienstlich monotonem Tonfall herunter: „Es
wurde beschlossen, dem Wissenschaftler Doona überzeugend deutlich zu
machen, daß er seine Arbeitskraft mit unsinnigen Theorien vergeudet. Das
allerbeste Mittel dazu scheint uns zu sein, ihm die Wirklichkeit deutlich zu
machen. Bruder Doona – ich befehle dir deshalb, eine Expedition zur aus
gefallenen Forschungsstation RI56 zu unternehmen und die beschädigten
Teile auszuwechseln. Nach deiner Rückkehr erwarte ich einen ausführlichen
Bericht über die Gründe, die zum Ausfall der Station geführt haben!“
Doona stand wie versteinert. Alles andere hatte er eher erwartet – aber
nicht das. Er blickte von Gandrill zu Pertoff und von diesem zu Korshak, der
sich wieder grunzend über seine Akten beugte und seine Anwesenheit schon
vergessen zu haben schien. Doona faßte sich an den Kopf und stammelte un
gläubig: „Aber ... aber ...“ Sollten seine kühnsten Träume in Erfüllung gehen?
Glaubten diese Männer wirklich, daß sie ihn mit einem solchen Auftrag be
strafen konnten?
„War noch etwas, Bruder Doona?“ fragte Korshak, ohne den Blick von den
Akten zu heben.
„Nein ... nein!“ stieß Doona hastig hervor. Er schüttelte noch immer den
Kopf, als er das Büro schon längst verlassen hatte.
Wäre er auf die Idee gekommen – selbstverständlich entgegen allen Vor
schriften – an der Tür zu lauschen, hätte er ein eigenartiges Gespräch zu hö
ren bekommen.
Der grimmige alte Gandrill sagte nämlich: „Tja, Pertoff, so stur wie diese
jungen Hüpfer waren wir früher auch einmal. Wenn ich so an meine Jahre als
BWissenschaftler zurückdenke ...“
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Und Pertoff erwiderte grinsend: „Wir waren in gewisser Weise Rebellen.
Niemals zufrieden mit dem, was uns die Vorgesetzten als der Weisheit letzten
Schluß auftischten. Und wir wehrten uns ...“
Korshak hob den Kopf und fügte hinzu: „Wir können zufrieden sein, daß es
noch solche Leute gibt. Viele unserer Jugendträume sind im Mahlwerk der
Bürokratie hängengeblieben. Und vielleicht sind wir selbst zu Bürokraten ge
worden, ganz gegen unseren Willen. Es wird Zeit, daß wenigstens auf Tonoga
wieder ein frischer Wind weht.“
Gandrill lächelte, zum erstenmal seit langer Zeit. „Der Junge dachte, wir
würden ihm den Kopf abreißen“, meinte er schmunzelnd. „Und dabei woll
ten wir nur wissen, ob er fest genug zu seinen Überzeugungen steht ...“
Doona, der nichts von dieser Unterhaltung ahnte, lief indes jubelnd über
den Sand des Strandes, sprang kopfüber ins Wasser und rief seinen Bogey
herbei. Übermütig peitschte er mit den Fäusten das Wasser. Dann schoß er
auf seinem Reittier in die Tiefen des Meeres hinab.
Die schwimmende Insel
Stunden, tagelang kreisten die A1 und die A2 über der Stelle, die Schwatz
maul als letzte Positionsmeldung des Kleincomputers der A7 aufgezeichnet
hatte. Dann wurde man endlich fündig. Die TastOrtungsstrahlen spürten die
Metallmassen der beiden Wracks am Meeresgrund auf.
Bharos mußte helfen. Er teleportierte zunächst von der EUKALYPTUS zur
A1 und sprang dann, unter Einsatz seines Lebens, für jeweils mehrere Se
kunden in die Wracks. Klitschenaß kehrte er von jedem Ausflug in die A1 zu
rück. Aber alle konnten danach erleichtert aufatmen: Die Wracks waren
menschenleer. Niemand der Vermißten befand sich noch an Bord.
Aber noch etwas entdeckte Bharos bei seinen gefährlichen Ausflügen: Der
Kleincomputer der A7 war nicht nur beschädigt worden, sondern völlig aus
gebrannt. Und die Gewalteinwirkung war von außen erfolgt!
An Bord der beiden Gleitboote biß man sich eifrig auf die Lippen. Was
sollte man davon halten?
Lonzo, der bei Karlie im Boot saß, riß eines der Mikrophone an seine
Sprechöffnung und brüllte los:
„Das ist ganz schäbige Piraterie, ist das! Da schlingern ja jedem ehrlichen
Freibeuter die Gedärme! Ich sehe es deutlich, Freunde und Kupferstecher,
wie Captain Kidd in seinem Seemannsgrab rotiert wie ein Wasserrad ob
dieser schnöden Schandtat! Er hätte so was nie getan! Hilflose Schiffbrüchige
ihres letzten Balkens berauben und auch noch die Retter ins Unglück
stürzen. Pfui Deibel! Welcher Erzschurke treibt hier sein Unwesen?“
Niemand konnte ihm darauf eine Antwort geben, bis schließlich Thunder
clap das aussprach, was auch Bharos auf der Zunge gelegen hatte: „Die
23
Schiffbrüchigen haben es getan! Darauf würde ich meinen Rollstuhl
verwetten. Überlegt doch mal: Die A7 ist äußerlich unbeschädigt, nur der
Computer wurde zerstört, offenbar durch einen Laserschuß. Da müssen also
erst einmal die Schufte an Bord gekommen sein. Und würdet ihr glauben,
daß Harpo, Alexander und Ollie einen dreisten Piraten gebeten hätten, doch
einzusteigen und gezielt den Computer zu zerstören? Nein, die sind arglos in
eine Falle getappt. Wahrscheinlich wollten die Schiffbrüchigen die A7 steh
len und sind dabei unvorsichtig zu Werke gegangen. Es kam zu einem Kampf
und ...“
„Hoffentlich hat ihnen Alexander ordentlich was auf die Augen gegeben“,
fiel Brim Boriam ein.
„Nun seid mal nicht so stolz auf eure Detektivarbeit“, meldete sich Anca.
„Viel wichtiger ist jetzt: Wo sind unsere Freunde, und was werden wir unter
nehmen?“
„Ja, ist denn das noch eine Frage?“ ereiferte sich Lonzo. „Ist doch klar wie
dicke Tinte! Die Messer gewetzt und die Säbel zwischen die Zähne
geklemmt ... äh, umgekehrt! Die Halunken kaufen wir uns! Die Hänflinge
müssen erst noch geboren werden, die es mit den ehrlichen Häuten der
christlichen Raumfahrt aufnehmen können! Auf die Suche nach unseren Leu
ten! Checkt die Computer und refft die Segel! Und vor allen Dingen ... na, was
wohl, Matrosen?“
„Immer schön cool bleiben!“ brüllte die Mannschaft der EUKALYPTUS.
Aber so leicht war das natürlich alles nicht. Sie hatten lange genug ge
braucht, um die doch immerhin beträchtliche Metallmasse des Wracks zu
orten. Jetzt waren sie darauf angewiesen, auf den weiten Wasserflächen des
Planeten ein Boot ausfindig zu machen, das damit verglichen wirklich nur
eine Nußschale war. Daß dieses Boot ausgesetzt wurde, hatte Bharos an der
geöffneten Klappe der A7 erkannt.
Was blieb ihnen anderes übrig, als in ununterbrochenem Einsatz die Mee
resoberfläche abzusuchen. Der einzige Trost war, daß so ein Boot ohne Mo
tor noch nicht allzuweit sein konnte. Wenn man von der Fundstelle der
Wracks in spiralförmiger Bahn langsam den Suchkreis vergrößerte, mußte
man eigentlich früher oder später auf die Vermißten stoßen.
Aber die hatten einen enormen Vorsprung. Gewißheit darüber, ob die
Freunde wirklich in dem fehlenden Schlauchboot waren, hatten sie schließ
lich auch nicht. Niemand kannte die Weltraumjacht der Fremden so gut, um
sagen zu können, ob dort nicht ein schnelleres Rettungsmittel zur Verfügung
gestanden hatte. Unwahrscheinlich zwar – aber immerhin möglich. Vielleicht
vergeudeten sie hier ihre Zeit, während die Entführer mit ihren Opfern schon
mehr als tausend Kilometer entfernt waren – wenn sie etwa ein Motorboot,
einen kleinen Gleiter oder etwas Ähnliches besaßen. Andererseits: Wären sie
dann auf das Gleitboot der EUKALYPTUS so versessen gewesen?
Schwatzmaul gab eine Meldung durch, die für den Moment die Verwirrung
noch vergrößerte: „Ich orte Metall.“
24
„Wie nett“, sagte Anca schläfrig. „Ist die AESCLIPUS etwa wieder hochge
schwemmt worden?“
„Red keinen Unsinn“, entgegnete Brim näselnd vom anderen Gleitboot her.
„Trotzdem orten wir Metall – mitten im Meer“, gab Thunderclap Genius
seinen Kommentar ab. „Und zwar rund dreißig Kilometer von der Absturz
stelle entfernt.“
„Ein Schiff!“ kam es wie aus einem Mund von Karlie und Anca.
„Nein ...“ erwiderte Thunderclap zögernd. „Es scheint eher so was wie ein
dicker Berg zu sein ... ein eiserner Berg ... ein schwimmender Felsen ... Ach,
herrje!“
„Was ist denn?“ fragte Brim.
„Es schwimmt und bewegt sich langsam voran“, rief Thunderclap, und
man hörte sein heftiges Atmen. „Das ist kein Scherz! Ein Eisenberg, unregel
mäßig geformt, mit einem Durchmesser von mindestens fünfhundert Metern
... Also, ich kann mir keinen Reim darauf machen. Schwatzmaul, du über
mittelst mir doch wohl keine Lügendaten?!“
„Würde der nicht machen!“ rief Lonzo, bevor der Bordcomputer diese Un
terstellung entrüstet zurückweisen konnte. „Dazu ist der Maschinenhäupt
ling Schwatzmaul viel zu phantasielos. Ihm fehlen nämlich meine Fehl... äh ...
Spezialschaltungen!“
„Ein Mensch hat doch keine Schaltungen“, meinte Anca vorwurfsvoll und
spielte darauf an, daß sich Lonzo ja sonst liebend gern als Mensch ausgab.
„Lonzo hat!“ rief der Roboter triumphierend. „Das ist nämlich so: Als mir
damals der Blinddarm herausgenommen wurde, ließ ich mir ersatzweise ...“
„He!“ fuhr Karlie dazwischen. „Ich habe das Metallobjekt in der Ortung! Es
ist ... nun, eigentlich kein Berg, sondern ...“ Er zögerte und manipulierte an
der Feineinstellung seiner Meßgeräte herum. „Es scheint eine Art Insel zu
sein. Aus Metall natürlich – hauptsächlich jedenfalls. Eine schwimmende In
sel, jawoll!“
„Schwimmende Insel – das wird ja immer toller“, schimpfte Anca.
„Direkter Kurs auf das Objekt!“ ordnete Karlie an und unternahm selbst die
nötigen Handgriffe.
Bald konnte man Einzelheiten erkennen, sowohl auf den Bildschirmen als
auch durch die Sichtscheiben. Tatsächlich sah das Ding wie eine Insel aus:
unregelmäßig geformt, aber doch fast rund, Sandstrand, Büsche, ein kleiner
Wald, viele Felsen. Und deutlich war aus der Luft zu erkennen: Die Insel
machte Fahrt. Das sah man an den aufgeworfenen Wellen.
„Schwimmende Insel“, sagte Anca noch einmal. „Ich glaub’, ich werd’ ver
rückt. Hat jemals einer von euch von schwimmenden Inseln gehört?“
„Da wüßt’ ich aber von“, kommentierte der kleine Trompo mit piepsiger
Stimme. Der hatte gut reden. Wo er in der Zentrale der EUKALYPTUS bis jetzt
nicht mehr als einen großen Schatten auf dem Bildschirm erkennen konnte.
„Nun klammert euch doch nicht so an Wörtern fest“, griff Thunderclap
sachlich ein. „Ob es nun eine Insel, ein Schiff, ein Berg oder sonst was ist –
maßgebend ist doch wohl, daß wir herausfinden, was es damit auf sich hat!“
25
„Seid doch mal bitte einen Moment lang ruhig“, bat Bharos, der Akkai. Er
hielt sich im Gleitboot A1 auf, stand ganz still und hatte einen geis
tesabwesenden Ausdruck im Gesicht. Das konnte man wörtlich nehmen,
denn offenbar schickte er seine Parasinne auf die Reise, um das fremde
Objekt zu erkunden. Der viele hundert Jahre alte Akkai Bharos, der sich auf
der Suche nach seiner Heimat den Kindern angeschlossen hatte, beherrschte
ja nicht nur die Teleportation. Er konnte mit der Kraft seines Geistes auch
Gegenstände aus der Ferne bewegen und Gedanken lesen.
Letzteres vermochte auch Micel Fopp, der neben ihm stand. Aber Micels
Fähigkeiten waren noch nicht voll entwickelt. Manchmal las er mühelos, was
in den Köpfen anderer vorging, aber dann gab es wieder Stunden, in denen
ihn sein Extrasinn im Stich ließ. Jetzt folgte er allerdings dem Beispiel des Ak
kai und „horchte“ zu der Insel hinüber.
„Habt ihr etwas herausgefunden?“ schoß Anca ihre Frage ab, als Leben in
die Augen der beiden Freunde zurückkehrte.
Bharos und Micel wechselten einen kurzen Blick und tauschten dabei wohl
ihre Eindrücke aus.
„Wir haben Gedankenfetzen empfangen“, sprach Micel dann für beide.
„Ein Mann hat ziemliche Schmerzen. Wahrscheinlich ist die Ausstrahlung
deshalb so intensiv. Aber es besteht kein Zweifel – sie kommt von der Insel.“
„Harpo meldete uns einen Verletzten“, erinnerte Brim. „Das könnte der
Mann sein!“
Bharos sagte nachdenklich: „Gehen wir mal davon aus, daß die Insel künst
lichen Ursprungs ist, selbst wenn sie oberflächlich betrachtet nicht so aus
sieht. Sie bewegt sich vorwärts, und ich spüre einen Antrieb. Und die
Unterseite ist sehr eben und gleichmäßig geformt. Wenn es sich also um ein
irgendwie geartetes technisches Gebilde handelt – dann halte ich es doch für
wenig wahrscheinlich, daß es den Entführern gehört. Die Insel ist viel größer
als die Raumjacht. Und wenn ich den Schiffbrüchigen überhaupt etwas glau
be, dann ihre Behauptung, daß sie hier fremd sind. Wir müssen in unsere
Rechnung also noch eine weitere Unbekannte aufnehmen – die Erbauer der
Insel.“
Alle hatten aufmerksam zugehört und schwiegen jetzt erst einmal. Da
mußte man wieder umdenken. Es konnte nicht länger ausgeschlossen
werden, daß intelligente Wesen diesen Planeten bewohnten – wo auch
immer sie stecken mochten. Und nach den schlechten Erfahrungen mit den
Schiffbrüchigen, Menschen ihrer eigenen Rasse, erschien es den Kindern
plötzlich gar nicht mehr so selbstverständlich, daß die Inselbauer unbedingt
gutwillige Wesen sein mußten. Trotz aller guten Erfahrungen, die sie bisher
mit den Weltraumärzten, den NordpolBewohnern und den Akkai gemacht
hatten.
Bharos durchbrach das Schweigen mit einem Vorschlag. Er wollte sich auf
die Insel begeben und aus nächster Nähe auskundschaften, wer sich dort auf
hielt. Falls Gefahr drohte, konnte er sich rasch wieder in eines der Gleitboote
oder die EUKALYPTUS zurückversetzen.
26
Das schien vernünftig zu sein. Nur Lonzo widersprach. Da er mit der Blind
darmStory nun eine Möglichkeit gefunden hatte zu behaupten, sowohl
Mensch als auch Roboter zu sein, berief er sich auf die Robotergesetze. Er
wollte die Aktion ausführen – weil er nicht zulassen dürfe, daß sich andere in
Gefahr begaben.
Es gelang Bharos jedoch, dem treuen Metallmann seine Idee auszureden.
Das Teleportieren zur Insel ging schneller, problemloser und vor allem unge
fährlicher vor sich als die Landung eines Gleitbootes. Und um Lonzo auszu
setzen, würde das Gleitboot mit der gesamten Besatzung in Gefahr geraten.
Bislang kreisten die Boote nämlich hoch in den Wolken über der Insel.
„Na gut“, gab Lonzo knirschend sein Einverständnis. „Aber wenn sie dich
verdreschen wollen, mußt du mich zu Hilfe holen!“
Der Akkai versprach es lachend und verschwand von einer Sekunde zur
anderen, als habe er sich in Luft aufgelöst.
Im gleichen Moment materialisierte sein Körper am Strand der Insel. Bha
ros schickte sofort seine Parasinne aus, benötigte aber fast zwanzig Minuten,
bevor er den Standort des Verletzten ausfindig machte. Irgendwo im Osten
war das.
Da er das Gelände nicht kannte, war es wenig sinnvoll, dorthin zu
teleportieren. Bharos ging zu Fuß und sammelte dabei Informationen. So
entdeckte er das Schlauchboot von der A7. Es war beschädigt. Vorsichtig
tastete er sich durch ein Gestrüpp kleiner Bäume und Büsche und achtete
darauf, sich nicht durch knackende Zweige zu verraten. Die Ausstrahlungen
des Verletzten wurden stärker, was deutlich zeigte, daß sich Bharos seinem
Ziel näherte.
Plötzlich empfing er auch ein paar Gedankenfetzen von Ollie. Der Kleine
trug eine Schweinewut im Bauch, und außerdem hatte er Schmerzen an den
Händen. Sie waren gefesselt. Alexander war ebenfalls zu vernehmen, wenn
auch nur ganz leise. Er war eingeduselt und träumte von Iglus und Schlitten
rennen. Und Harpo: Er war hellwach und überlegte, wie die Flucht gelingen
könnte.
Bharos spürte, daß vier Fremde anwesend waren. Aber es gelang ihm nicht,
ihre Gedanken zu lesen. Das war häufig so. Telepathie klappte nur dann,
wenn man sich sehr gut kannte oder sich nahe beieinander aufhielt. Die Ge
dankenströme von Fremden, mit denen man keinen Blickkontakt hatte,
waren nur in Ausnahmefällen deutbar – etwa wenn sie intensiv auf eine Sa
che gerichtet waren wie die des vom Schmerz gepeinigten Verletzten.
Immerhin gelang es Bharos, aus den Gedanken seiner Freunde zu erfahren,
daß der eine Mann Flint und der andere Erik hieß. Das waren die beiden
Männer, die sich unrühmlich hervortaten. Der Verletzte trug den Namen
Fredy, während der vierte Name noch nicht faßbar war.
Bharos tastete sich weiter und erreichte einen Streifen, auf dem es nur
Sand und Felsen gab. Und dreißig Meter weiter loderte ein prasselndes Feuer.
Mehrere Gestalten waren schemenhaft in der Nähe des Feuers zu erkennen.
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Drei Menschen hockten nebeneinander, den Rücken einem Felsen zuge
kehrt. Das mußten die Entführten sein.
Bharos überlegte, ob ihm eine BlitzBefreiung gelingen konnte, wenn er das
Überraschungsmoment seines plötzlichen Auftauchens mitten im Lager klug
einsetzte.
Nein, es würde zu lange dauern, bis er Harpo, Alexander und Ollie befreit
und zu einem der Gleitboote befördert hatte. Mehr als einen konnte er nicht
tragen, wenn er weite Strecken teleportierte. Und wie es schien, waren die
Gefangenen an den Felsen gefesselt. Wertvolle Zeit würde verstreichen, um
die Fesseln zu lösen.
Gab es vielleicht eine andere Lösung? Hatte er etwas übersehen? Bharos
kroch näher an das Lager heran. Dabei verließ er sich zu sehr darauf, daß
beim Schleichen im Sand keine Geräusche entstehen. Aber da war ein
knochentrockener Ast, der irgendwie zwischen den Sand geraten war. Bharos
legte sich mit dem Arm darauf. Das Ergebnis war ein lautes Knacken, das wie
ein Pistolenschuß in seinen Ohren hallte.
Trotz der Geräusche am Feuer war das Knacken nicht unbemerkt ge
blieben. Zwei Männer sprangen auf, brüllten, zogen ihre Waffen, sahen Bha
ros im Sand liegen und schossen.
Bharos sah die Energielanzen auf sich zujagen und beförderte sich gerade
noch rechtzeitig in die EUKALYPTUS zurück.
Doona weiß nicht weiter
Je intensiver sich Doona mit den Problemen der Expedition ausein
andersetzte, desto mutloser wurde er. Er fürchtete, daß man ihm eine Auf
gabe zugewiesen hatte, der er nicht gewachsen war. Zum wiederholten Male
war das Rubinrot seiner riesigen Facettenaugen, die wie große Juwelen sein
Gesicht beherrschten, ins Violette gerutscht – ein deutliches Zeichen seiner
müden Ratlosigkeit.
Mißmutig ließ Doona das Buch sinken und klappte es zu. Ein irdisches
Auge hätte auf dem Einband nur Strichmuster in scheinbar wirren Kombina
tionen entdeckt, aber für einen Tanitaner wie Doona trug das Buch einen un
mißverständlichen Titel: Handbuch der Wasserexpeditionen auf Tonoga.
Es umfaßte 2400 engbedruckte Seiten, die für ein Menschenauge wiederum
nur aus Mustern bestanden, wie man es auf Tapeten oder Schnittmusterbo
gen finden kann. Allerdings war die Verwirrung Doonas beim Anblick dieser
farbigen Strichmuster nicht viel geringer. Er konnte die einzelnen Symbole
zwar spielend lesen und daraus zusammenhängende Texte formen – aber
klarer wurde der Inhalt deshalb noch lange nicht.
Das „Handbuch der Wasserexpeditionen auf Tonoga“ bestand nämlich aus
36 vollständig wiedergegebenen Gesetzestexten, 438 behördlichen Anwei
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sungen und einer gleichgroßen Anzahl von Kommentaren zu den Anwei
sungen.
Schon die Entgegennahme des Auftrags für eine Expedition schien ein
großes Problem zu sein, stellte Doona fest. Aufträge dieser Größenordnung
durften zum Beispiel nur von Beamten erteilt werden, die mindestens den
Dienstgrad eines 11PunktUnterstaatssekretärsreferenten zweiter Ordnung
besaßen – und durften nur von 9PunktUntersekretärssekretären dritter
Ordnung entgegengenommen werden. Und auch das nur, wenn diese das
SkriitSiegel des zuständigen Untersekretärs schon einmal berührt hatten.
Formal gesehen hatte Doona weder einen Auftrag für eine Expedition emp
fangen, noch durfte er diese ausführen, denn weder er noch seine Vorgesetz
ten entsprachen den vorgesehenen Anforderungen. Praktisch gesehen hatte
Doona jedoch in der Tat einen solchen Auftrag erhalten, und tatsächlich be
kleidete Korshak, der Chef von SHAVACCORZentral, einen hohen Rang in
der Hierarchie des Planeten Tanit. Nur daß dieser Rang eine wissenschaftli
che und keine Verwaltungscharge war.
Doona seufzte. Wahrscheinlich traf auf seinen Fall das zu, was in einem
kaum lesbaren Miniaturmuster unter jedem Gesetzestext und unter jeder
behördlichen Anweisung stand: „Wenn die vorgeschriebene Form nicht ge
wahrt werden kann, ist nach der Illegalen Gesetzessammlung zu verfahren.“
Das dumme war nur, daß die Illegale Gesetzessammlung illegal war, wie
der Name schon sagte. Ein normaler Tanitaner durfte kein Exemplar dieses
Buches besitzen; das war den wenigen führenden Köpfen vorbehalten.
Schließlich erhob sich Doona und beschloß, das Problem auf praktische
Weise anzugehen. Er legte seine Tauchmaske an und stieg in die Wassersper
re seiner Wohnglocke.
Die Wassersperre war eine einfache, aber sehr wirksame Methode, um die
Sauerstoffatmosphäre in den Wohnglocken zu halten und doch ein problem
loses Ein und Ausgehen zu ermöglichen. Sie basierte auf der Tatsache, daß
Luft leichter ist als Wasser und funktionierte etwa so wie eine Flasche, die
man mit der Öffnung nach unten senkrecht in eine Flüssigkeit führt, ohne
daß die Flüssigkeit in die Flasche eindringt.
Mit knappen, kräftigen Schwimmstößen schoß Doona auf die Wohnglocke
Carals zu. Wie alle Wohnglocken sah sie aus wie ein sich nach oben hin verdi
ckender Konus mit einer Halbkugelschale als Dach. Wenige Minuten später
tauchte er prustend auf der Oberfläche von Carals Wassersperre auf.
„Ich habe mir schon gedacht, daß du bald auftauchen würdest“, rief Caral
lachend, half ihm beim Herausklettern aus der Sperre und reichte ihm ein
großes Tuch. Doona frottierte seinen schuppigen Körper und legte die
Tauchmaske in eine dafür vorgesehene Nische.
„Wieso?“ fragte er verblüfft. Er hatte Carals Ausruf schon durch die Maske
hindurch verstanden.
„Weil ich zufällig sah, daß du dir ein Exemplar des ‚Handbuches für
Wasserexpeditionen auf Tonoga‘ in der Bibliothek ausgeliehen hast“, meinte
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Caral und strahlte über das ganze Gesicht. Tausend winzige Fältchen hatten
sich um die hellrot glühenden Augen gebildet.
„Also ... ich komme wirklich nicht klar mit diesem Buch“, gestand Doona
ein und senkte etwas verlegen den Blick.
„Niemand kommt klar damit“, antwortete Caral. „Auch nicht der Verfasser.
Und niemand erwartet ernsthaft, daß jemand nach den Vorschriften des Bu
ches verfährt.“
„Ja, warum gibt es sie dann überhaupt?“ entfuhr es Doona. Er wußte zwar,
daß im kleinen Maßstab tagtäglich irgendwelche Vorschriften mißachtet
wurden, weil sie undurchführbar waren oder Formblätter unausgefüllt
blieben, da sie überhaupt nicht vorhanden waren. Aber er hatte bisher ange
nommen, daß sich diese Übertretungen nur auf die kleinen Reibereien des
Alltags bezogen.
„Du kannst dir die Antwort selber geben“, erwiderte Caral schmunzelnd.
„Du mußt dir lediglich vor Augen halten, daß nur dreißig Prozent aller arbei
tenden Tanitaner produktiv tätig sind, das heißt, daß sie etwas herstellen, was
zum täglichen Leben gebraucht wird. Der Großteil beschäftigt sich mit der
Verwaltung. Kannst du dir vorstellen, daß diese Leute gerne ihren Job aufge
ben würden? Daß sie lieber auf einer Raumfahrtwerft schweißen oder auf To
noga Bogeys zureiten wollen als gemütlich und risikolos in einem Bürosessel
zu hocken? Nein, das kannst du nicht. Und ich auch nicht. Das ist der Grund
für den Wust unsinnigster Gesetze, Anordnungen, Kommentare, Formblätter
und Statistiken.“
Doona schluckte, denn in dieser Deutlichkeit hatte er noch niemals eine
Kritik an der Verwaltungshierarchie des Planeten Tanit gehört.
„Was sagst du dazu“, fuhr Caral lachend fort, „daß es sogar ein Amt für Sta
tistikStatistiker auf Tanit gibt, wo 367 Sekretäre und Referenten aller Ränge
nichts anderes zu tun haben, als eine Statistik über die Anzahl aller anderen
Statistiken zu erstellen!“
„Also, ich muß mich doch sehr wundern“, meinte Doona und griff erst ein
mal zu dem randvoll eingeschenkten Glas Zumbal, das Caral für ihn bereitge
stellt hatte. „Irgendwie fällt mir dabei der aufgeblasene Hablat ein, der seine
Assessorarbeit über verwaltungstechnische Literaturliteratur schrieb und auf
der Stelle zum Unterobersekretärsreferenten befördert wurde.“
„Ach, der alte Hablat ...“ seufzte Caral. „Der ist sowieso ein ganz besonderer
Fall. Aber kommen wir endlich zum Thema!“ Caral schwieg und wartete dar
auf, was Doona ihm zu sagen hatte.
Aber das war auch für Doona nicht einfach. Krampfhaft suchte er nach
Worten. „Handbuch hin, Handbuch her“, meinte er schließlich, „für mich
steht fest, daß ich die Expedition durchführen will!“
„Sehr gut!“ lobte Caral und nippte an seinem Glas. „Und ich dachte, daß du
mir mit deinen praktischen Erfahrungen zur Seite stehen kannst“, fuhr Doo
na nun mutiger werdend, fort.
„Ausgezeichnet!“ rief Caral. „Wann brechen wir auf?“
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Doonas obere Körperhälfte erstarrte in einer für Tanitaner typischen Weise,
wenn sie überrascht waren. „Wie? Willst du wirklich an der Expedition teil
nehmen?“
„Wollen?“ gab Caral amüsiert zurück. „Davon kann gar keine Rede sein. Ich
brenne darauf!“
Doona war immer noch verwirrt, aber zugleich auch begeistert. Daß der äl
tere Freund ihn begleiten würde ... daran hatte er nicht zu glauben gewagt!
„Ich dachte, daß ich ... daß wir mit einem Magnodriver zur Robotstation
fahren“, meinte Doona. „Dann sind wir schneller dort.“
„Du willst mit einem Magnettauchboot durch die Jadeschlucht?“ wollte Ca
ral wissen.
„Au, verdammt!“ rief Doona aus. „Daran habe ich nicht gedacht!“
Die Eisenerzlager in der Nähe der Jadefelsen machten die Schlucht für jede
Art von Magnetantrieb unpassierbar. Die starken, natürlichen Magnetfelder
dieser Region lähmten den Antrieb. Das galt auch für kleine FlugGleitboote
und bedeutete, daß es eine Barriere für die direkte Passage zum ZylanBe
cken gab. Abgesehen von den schweren Raumschiffaggregaten und den
Aggregaten in den Forschungsstationen basierte ein Großteil der tani
tanischen Technik auf Ausnützung von Magnetfeldern.
„Wir nehmen die Bogeys“, schlug Caral vor.
„Aber dann brauchen wir zu lange!“ An die Gefahren wagte Doona erst gar
nicht zu denken.
„Na und?“ fragte Caral. „Stehen wir denn unter Zeitdruck? Willst du lieber
die Formulare für die Verwaltung auf Tanit ausfüllen?“
„Du hast recht“, gab Doona zu. „Aber es wird nicht leicht sein.“
„Was ist schon leicht“, erwiderte Caral mit plötzlicher Abenteuerlust.
„Hauptsache, es macht ein bißchen Spaß und wir erreichen das Ziel! Und in
der Beziehung werden wir schon auf unsere Kosten kommen.“
„Wir werden unerforschte Gewässer passieren müssen“, erinnerte Doona,
der sich für die Reise mit den Bogeys entschieden hatte.
„Und wenn schon“, gab Caral lässig zurück. „Willst du denen auf Tanit spä
ter einmal erzählen, du hättest auf Tonoga im Handbuch der Wasserexpe
ditionen geblättert? Oder willst du ihnen erzählen können, wie sich Theorie
und Praxis oft grundlegend unterscheiden?“
Er schenkte noch zwei Gläser Zumbal ein. „Wir nehmen für jeden von uns
zwei Reitbogeys. Und sechs, die die Ausrüstung tragen. Ja, das sollte reichen.
Ich stelle noch heute Nacht eine Liste der Lebensmittel und Ausrüstungs
gegenstände zusammen. Für die Werkzeuge und Elektronikteile zur Repara
tur der Station mußt du allerdings sorgen. Wir schlafen kurz und brechen
dann auf. So früh wie möglich.“
„Aber es wird Stunden dauern, bis wir all die Ersatzteile und Lebensmittel
bekommen“, erwiderte Doona, der sich ein bißchen überfahren vorkam.
„Allein die unzähligen Formulare, die ausgefüllt werden müssen! Bestell
scheine, Anforderungsvordrucke, Quittungen, Gegenquittungen, Garantieer
klärungen, Sachversicherungen ...“
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„Du übergibst mir eine Liste der benötigten Sachen“, meinte Caral mit
einem hinterlistigen Lächeln. „Die Einzelheiten werde ich dann schon regeln.
Im Handumdrehen haben wir alles, was wir brauchen. Du kannst dich
wirklich darauf verlassen. Schließlich kennt der alte Caral den Laden hier in
und auswendig. Glaube mir: Es geht auch ohne all die bunten Scheinchen!“
Die folgenden Stunden, fand Doona, waren nicht zum Schlafen geeignet.
Eine starke Unruhe hatte ihn erfaßt und führte dazu, daß er in seiner Un
terkunft ruhelos hin und herwanderte.
Die Gedanken, die ihn dabei beschäftigten, waren durchaus nicht unge
wöhnlich: Würde alles so klappen, wie Caral – in seiner optimistischen Art,
wie Doona meinte – es gesagt hatte? Würden sie die Ausrüstung ohne
Schwierigkeiten bis zum letzten Teil zusammenbekommen?
Eile tat not, das war klar. Doona wollte nicht nur die Station wieder in Be
trieb setzen, sondern auch nach Möglichkeit seine Theorie von der Existenz
intelligenten Lebens im All beweisen. Jede Verzögerung ihrer Expedition
konnte dazu führen, daß die bislang nur in Doonas Hypothese existierenden
fremden Wesen schon weitergezogen waren.
Und die Hauptsache: Wenn sie auf Fremde stießen – wie würden diese rea
gieren? Wie mochten sie überhaupt aussehen?
Doona rief sich ins Gedächtnis zurück, daß es auf Tanit eine Reihe von
Schriftstellern gab, die sich einer solchen Thematik gelegentlich angenom
men hatten. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten waren jedoch nicht immer befrie
digend, denn die meisten stellten die nur in ihrer Phantasie existierenden
Intelligenzen meist als gierige Monstren dar, die nichts Besseres planen
konnten, als andere Völker zu unterjochen. Unfug, dachte Doona wütend.
Ein raumfahrendes Volk muß sich einfach geistig so weit entwickelt haben,
daß es gegen derlei barbarische Ambitionen gefeit ist.
Schließlich fand er doch noch Schlaf. Und im Traum sah er sich seltsamen
Kreaturen gegenüberstehend, die so fremdartig aussahen, daß ihm nicht ein
fiel, womit er sie vergleichen konnte.
L wie Lonzo!
„Puh!“ stieß Bharos hervor, als er mitten in der Zentrale der EUKALYPTUS
wieder materialisierte und sein Körper die altgewohnten Formen annahm.
„Das war knapp.“ Er taumelte zum nächstgelegenen Sessel und ließ sich er
schöpft hineinfallen.
„Erzählen! Erzählen!“ forderten Thunderclap und Karlie aufgeregt.
Die Gleitboote waren inzwischen zum Mutterschiff zurückgekehrt.
„Diese Unbekannten schrecken wirklich vor nichts zurück“, berichtete
Bharos grimmig. „Das sind Erzhalunken. Man hat Harpo, Ollie und Alexander
an Felsen gefesselt und sogar – auf mich geschossen!“
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„Mann!“ rief Anca empört. „Ich glaub’, mein Schwein pfeift!“
„Wir müssen auf der Stelle etwas unternehmen“, forderte Lonzo. Um die
Wichtigkeit seiner Worte zu unterstreichen, produzierte er ein blechern
klingendes Trompetensignal und schrie: „Attackeee!“
„Du hast doch gehört, daß die sofort die Hand am Schießprügel haben“,
schimpfte Thunderclap Genius. „Nicht einmal Bharos mit seinen außerge
wöhnlichen Fähigkeiten konnte etwas ausrichten. Das bedeutet, daß wir hier
nur mit Besonnenheit weiterkommen.“ Er grinste listig. „Wir müssen die
Brüder überlisten, richtig reinlegen. Jawoll, so wie es die Indianer mit General
Custer gemacht haben!“
„Klasse, Mann“, lobte Brim, der zwar General Custer nicht kannte, aber
eine Menge von Indianern hielt. „Genau! Einen Indianertrick brauchen wir.“
„Ihr seid vielleicht gut“, warf Anca geringschätzig ein. „Davon reden ist
keine Kunst. Aber einen solchen Trick auf Lager haben – das ist ja gerade der
Hammer dabei!“
„Wenn ich dabei helfen kann ...“ meldete sich Schwatzmaul. „Meine Ge
dächtnisspeicher stehen den geschätzten Anwesenden zur Verfügung. Ich
habe eine Anzahl von 27 Zentrifugillionen, 13 Billiarden, 11 Billionen und ...“
„Blech!“ giftete Lonzo. „Hat der vielleicht mit Captain Kidd gegen die Eng
länder gefochten? Wie will der denn wissen, wie ... Hier werden Männer ge
braucht, Männer, richtige ...“
„Lonzo!“ rief Anca.
„... und natürlich auch ... äh ... tapfere Frauen“, korrigierte sich der Roboter
hastig. „Also, wie gesagt: Männer und Frauen, aber keine aufgeblasenen
Besserwisser, die nur aus Drahtwicklungen und Transistoren bestehen! Wenn
hier einer taktische Ratschläge geben kann, dann ist das allein der berühmte
und gefürchtete Lonzo Lord Appleby, der Kampfgefährte und Schwertträger
des berühmtesten aller irdischen Korsaren ...“
„Ich dachte immer, dein richtiger Name sei Lonzo Graf Klamotte?“ kicherte
Anca.
„... nur mein Künstlername. Ahem!“ Lonzo räusperte sich und fuhr fort:
„Ich schlage vor, daß wir diesen erfahrenen Gentleman zum Sonderbevoll
mächtigten der Abteilung Tricks, Haken und Ösen ernennen! – Vielen Dank,
Herr Vorsitzender, der Vorschlag ist angenommen und gelangt sofort zur Ab
stimmung! – Danke, meine Damen und Herren, dafür, daß sie den Vorschlag
einstimmig angenommen haben.“
„Heeee!“ protestierte die ganze Bande lautstark. „Wir haben aber an dieser
Abstimmung noch gar nicht teilgenommen!“
„Immer diese Kleinigkeiten“, murrte Lonzo. „Als neuernannter Trickdirek
tor schlage ich vor, daß wir nach Plan 23L vorgehen.“
„Ja, was ist das denn?“ wollte Karlie Müllerchen, sich interessiert umse
hend, wissen. Auch die anderen hatten, wie man an ihren Gesichtern ablesen
konnte, von diesem phantastischen Plan noch nie ein Wort gehört.
„Plan 23L ist die abgewandelte Version einer alten Kriegslist. Erfunden hat
sie Cham Ping Yong, der zweite Steuermann Captain Kidds“, brüstete sich
33
Lonzo stolz. „Damit haben wir 1541 unseren Konkurrenten Captain Bligh
und seine Spießgesellen übertölpelt. Cham Ping Yong und zehn unserer
Männer versteckten sich im Gebüsch der Schatzinsel und machten einen
Höllenlärm, was Bligh, der gerade mal wieder einen Schatz vergraben wollte,
natürlich stark beunruhigte. Er zog mit seinen Leuten aus, um den unsicht
baren Gegner zu stellen. Aber Cham Ping Yong lockte ihn immer tiefer in den
Dschungel hinein, bis Bligh die Nase voll hatte und eine Kehrtwendung
machte. Das war aber zu spät, weil ... inzwischen hatten Captain Kidd und ich
den zurückgelassenen Schatz längst auf die Seite gebracht und dachten dar
über nach, welchem Pfandleiher wir ihn wohl andrehen konnten!“
„Verstehe ich nicht“, grunzte Karlie. „Wir suchen doch gar nicht nach
einem Schatz!“ Natürlich hatte er längst kapiert, auf was Lonzo hinauswollte,
aber es machte ihm doch Spaß, den Roboter, der stur behauptete, ein
Mensch und ehemaliger Seeräuber zu sein, so weit zu provozieren, daß er
sich einmal beim Wiedergeben seiner gelesenen Piratengeschichten
verhaspelte. Das kam natürlich nie vor, denn Lonzos Gedächtnis hatte so gut
wie jeden Band der EUKALYPTUSBibliothek gespeichert. Wort für Wort. Satz
für Satz.
„Ha!“ schrie der Roboter. „Das ist ja gerade die geniale Abwandlung 23L!
Das L heißt natürlich Lonzo! Wir machen alles genauso wie Cham Ping Yong,
aber anstatt einen Schatz zu klauen, befreien wir unsere Matrosen!“
„Großartig!“ rief Anca.
Alle lärmten jetzt durcheinander, weil die Idee wirklich nicht die schlech
teste war. Auf jeden Fall aber besser als gar keine.
Bharos, der sich immer wieder ein wenig verwirrt zeigte, wenn die EUKA
LYPTUSMannschaft so richtig in Schwung kam und die Puppen tanzen ließ,
hatte die ganze Zeit über geschwiegen und nur hin und wieder gelächelt,
wenn Lonzo sich besonders stark ereiferte, jetzt ergriff er das Wort. „Wenn es
euch wirklich gelingt, die Bewacher unserer Freunde auf diese Weise abzu
lenken, kann ich den Rest übernehmen. Ich werde einen nach dem anderen
von seinen Fesseln befreien und mit einem Teleportersprung zur EUKALYP
TUS bringen. Die Frage ist nur, ob die Leute wirklich auf Plan 23L her
einfallen. Was, wenn jemand als Bewacher – mit einer Waffe – zurückbleibt?
„Dann müssen wir uns eben auch auf diesen Fall vorbereiten“, trumpfte
Karlie Müllerchen auf, der seine zwei Meter zwanzig trotzig in die Höhe reck
te. „Wenn nur ein Gangster von den vieren zurückbleibt, lenken wir den auch
noch irgendwie von den Gefangenen ab. Ich kann zum Beispiel wie ein Geist
heulen und ihm tüchtig Angst machen: Huuuuuuuhhhhhhh!“
„Du solltest bbesser ein LLied singen“, frotzelte ihn Brim und grinste über
das ganze rabenschwarze Gesicht. „Dda ist bisher noch jeder abgehauen!“
Bharos hielt sich lachend die Ohren zu. „Ist ja schon gut!“ rief er
beschwichtigend. „Aber da lassen wir uns doch etwas Besseres einfallen. Du
sollst dem Gangster ja keine Angst machen, sondern seine Neugierde ansta
cheln.“
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„Ich zeige ihm meinen nackten Hintern“, schlug Lonzo vor. „Das wird ihn
vom Sessel reißen!“
„Was ist denn an so ‘nem Blechpopo schon groß zu sehen?“ glucksten Anca
und Thunderclap im Chor. „Außerdem hast du vergessen, daß du als Sonder
bevollmächtigter für Tricks, Haken und Ösen natürlich bei deinen Indianern
sein mußt!“
„Wieso Indianer?“ echote Lonzo echt erstaunt. „Es war doch nur von einem
Chinesen die Rede. Cham Ping Yong war nämlich ein Chineeeeese ‚ müßt ihr
wissen.“
„Ach?“
„Ein feiner Kerl, wenn man von einer kleinen Macke absah“, erklärte
Lonzo. „Wie viele Chinesen konnte er kein R aussprechen. Statt dessen sagte
er ständig L dafür.“
„MMMacke?“ machte Brim.
„Das ist doch keine Macke!“ ereiferte sich Anca. „Das war ja auch nicht die
Macke, sapperlot!“ fuhr Lonzo ungeduldig dazwischen, weil er seine Story
unbedingt loswerden wollte. „Da er meistens mit mir zusammen am Ruder
stand, mußte ich, um ihn bei Laune zu halten, auf die gleiche Weise ant
worten! Das war’s! Cham Ping Yong sagte immer zu mir: ‚Lold Appleby, wenn
du zu fein bist, so zu splechen wie ich almes Chinamann spleche, schneide
ich dil mit meinem Messel die Gulgel dulch.‘“
Darüber wollten sich die verbliebenen Besatzungsmitglieder der EUKALYP
TUS so scheckig lachen, daß einige auf dem Fußboden der Zentrale herum
kugelten und Bharos, der solche Heiterkeitsausbrüche während seines langen
Alleinseins im Weltraum gar nicht mehr kannte, vor Schreck einen Husten
anfall bekam.
„Luhe!“ brüllte Lonzo. „Als Sondelbevollmächtigtel fül Tlicks ... Auweia!
Jetzt ist wiedel die Löhle 3181176 ausgefallen! Die ist fül das L zuständig.
Alte allelgische Leaktion von damals. Hätte ich bloß nichts von diesem Cham
Ping Yong elzählt!“
„Und wieso kannst du das R nicht aussprechen, wenn die für das L zustän
dige Röhre ausgefallen ist?“ fragte Anca scheinheilig, während die anderen in
einen neuen Lachanfall taumelten. Bharos liefen bereits die Tränen über das
Gesicht. Sogar Trompo fiepte in den höchsten Tönen.
„Glllll“, machte Lonzo knurrig. Das war die chinesische Übersetzung für
„grrrrr“. „Abel ich kann das L ja aussplechen!“ donnerte er. „Nul das L nicht!“
„Kannst du dem guten Lonzo behilflich sein?“ fragte Thunderclap keu
chend den Bordcomputer Schwatzmaul.
„Röhren vom Typus 3181176 sind leider zur Zeit gerade nicht
vorhanden“, antwortete Schwatzmaul voller Genugtuung und mit honigsü
ßer Stimme. „Herrje, und zufällig jetzt! Allerdings haben wir eine Reihe ganz
neuer, gut funktionierender Robotgehirne ...“ Endlich hatte er mal die Ge
legenheit, etwas Kleingeld auf die Bemerkung vom „aufgeblasenen
Besserwisser aus Drahtwicklungen und Transistoren“ herauszugeben.
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„Das gibt sich schon wiedel“, bemerkte Lonzo, der die Anspielung auf sein
Gehirn einfach ignorierte. „Ihl müßt mich nul oldentlich elschlecken, dann
funktionielt die Löhle wiedel! Da bin ich sichel!“
„Huuuuuuuuuuuhhhhhh!“ versuchte Karlie noch einmal seinen Werwolf
schrei.
„Pah!“ winkte Lonzo ab. „So was elschleckt doch einen alten Pilaten nicht.
Außeldem mußt du dil einen Telmin aussuchen, an dem ich nicht dalan den
ke. Es muß übellaschend geschehen.“
„Wir müssen jetzt aber endlich mal zur Sache kommen“, erinnerte
Thunderclap die anderen und klatschte dabei laut in die Hände, um sich Ge
hör zu verschaffen. „Lonzos Einsatz ist schließlich nicht von einem L oder R
abhängig.“
„Das L kann ich ja, nul das L nicht ...“
„Na ja“, meinte Bharos nachdenklich, „wir müssen uns auf jeden Fall – das
sage ich noch mal – darüber im klaren sein, daß die Aktion nicht ungefährlich
ist.“ Genau wie Alexander, der ehemalige Bewohner des Planeten Nordpol,
war auch Bharos, der Weltraumnomade, längst von den Translatorgeräten
unabhängig. Er hatte die Sprache der anderen sogar besonders schnell ge
lernt, weil er Gedanken lesen konnte wie Micel Fopp, sogar noch besser. Und
außerdem besaß er ein gutes Gedächtnis.
„Wir wissen aber immer noch nicht, wie wir einen zurückbleibenden
Wächter übertölpeln können“, erinnerte Anca.
„Das besorge ich“, meinte Karlie, wobei die anderen den Verdacht nicht
loswurden, daß er nach den beiden gescheiterten Versuchen, mit seinem
Gespensterschrei Eindruck zu schinden, ihn auf diese Weise doch noch unter
die Leute bringen wollte.
„Zu gefähllich“, protestierte Lonzo lautstark. „Die Schulken welfen be
stimmt nicht mit Nüssen. Da blaucht man eiselne Nelven und eiselne Kölpel.
Kulz und gut: Das Ablenken übelnimmt auch Lonzo Lold Appleby mit seinen
Glünen.“
Mit den „Glünen“ meinte er natürlich die Schiffsroboter, die eigentlich der
gleichen Bauserie angehörten wie er, obwohl sie keine ausgeprägte Persön
lichkeit besaßen. Sie hatten den Namen „die Grünen“ damals erhalten, weil
sie – um den Kindern mit ihren Roboterkörpern keine Angst zu machen – als
grünfellige Bärenimitationen auf dem Schiff gewisse Überwachungs
funktionen ausübten, als die EUKALYPTUS noch um die Erde kreiste. Lonzo
dagegen hatte frühzeitig, eigentlich durch einen Defekt seines positronischen
Gehirns bedingt, die Bärenrolle aufgegeben, sich auf die Seite der Kinder ge
schlagen und sich buchstäblich selbst das Fell über die Ohren gezogen.
„Hmmm“, machte Karlie, aber schließlich sah er selbst ein, daß Lonzos
Vorschlag am vernünftigsten war. Er nickte.
„Gut“, sagte Thunderclap. „Ich schlage vor, daß Anca und Karlie Bharos bei
der Befreiung helfen und ...“
„Finde ich nicht so gut“, unterbrach ihn Bharos. „Einer müßte genügen.
Wenn es irgend geht, sollten wir nämlich vermeiden, mit einem Gleitboot in
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der Nähe der schwimmenden Insel zu wassern. Wir müssen ja davon ausge
hen, daß man uns dabei beobachtet und versucht, das Boot zu stehlen ...“
„Aber ...“
„Ich werde Lonzo und die Grünen nacheinander per Teleportation auf die
Insel bringen, dann Anca oder Karlie. Das dauert zwar etwas länger, scheint
mir aber sicherer zu sein. Ihr dürft nicht vergessen, daß die Sache für den, der
mir bei der Befreiung hilft, besonders gefährlich ist. Ich kann mich notfalls
schnell wegteleportieren. Aber wenn ich mit der Befreiung der Gefangenen
beschäftigt bin, ist mein Partner auf sich allein angewiesen. Und ist dabei
möglicherweise auf der Flucht ...“
„Ich will gehen!“ rief Karlie trotzdem.
„Nein, ich!“ rief Anca und stampfte trotzig mit dem Fuß auf.
„Wieviel Metel hoch ist del Mount Evelest?“ fragte Lonzo. „Nul Kallie und
Pummelchen sollen dalauf antwolten.“
„Du sollst mich nicht immer Pummelchen nennen!“ knirschte das Mäd
chen. „Und außerdem: Was zum Teufel ist ein Mount Evelest? Kannst du mir
das mal erklären?“
„Everest“, korrigierte Brim.
„Oh, Pum... äh‚ Anca, meine Augenweide!“ rief Lonzo und schlug vor Freu
de mit seinen Tentakeln ein Rad. „Du hast das Quiz gewonnen! Denn nul wel
dumm ist, schaut del Gefahl unelschlocken ins Auge!“
„Du Schuft!“ rief Anca, die nun nicht wußte, ob sie sich ärgern oder freuen
sollte.
„Schulke!“ schrie Karlie Müllerchen. „Du hast mich heleingelegt, au, ver
dammt, jetzt fange ich auch schon an, wie der Steuermann Cham Ping Yong
zu reden!“
„Niemand wagt es, Lord Lonzo einen Schurken zu nennen!“ donnerte
Lonzo los, hielt dann aber verdutzt inne. „Hurra, ich kann wieder das R aus
sprechen! Karrrrrlie, mein Guter, laß dich von einem alten Fahrensmann an
die Brrrrust ziehen!“
Das allerdings versuchte Lonzo vergeblich, denn Karlie war so groß, daß
das für den kleinen Roboter ein aussichtsloses Unterfangen war. Immerhin
strahlte Karlie jetzt wieder und schüttelte seinem maschinellen Freund be
geistert einen Tentakel. Daß er sich nun doch nicht todesmutig in eine
Gefahr stürzen durfte, war schon verwunden.
„Sei bloß vorsichtig, Pummelchen“, sagte er so ernsthaft besorgt, daß Anca
sogar ihren Protest gegen den ungeliebten Spitznamen vergaß.
„Was soll ich denn nun eigentlich tun?“ fragte sie. „Soll ich meine weibli
chen Reize einsetzen, um einen Posten wegzulocken?“
„Ha!“ rief Lonzo. „Da würdest du aber Ärger mit deinem Kavalier Ollie be
kommen!“
„Auch wenn Anca mir jetzt eine Glatze schert“, bemerkte Brim Boriam,
„wie wäre es, wenn sie in einiger Entfernung vom Lager leise schluchzen und
um Hilfe rufen würde?“
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„Das kann in die Hose gehen“, mischte sich Micel ein, der die ganze Zeit
über noch kein Wort geredet hatte. „Immerhin sind unsere Gegner eiskalte
Burschen. Fragt sich, ob die auf so was reagieren. Und wenn die erst mal
Lunte gerochen haben, wird man sie mit einem anderen Trick nicht mehr so
leicht ködern.“
„Uns wird im richtigen Moment schon was einfallen“, meinte Bharos.
„Eine spontane Idee hilft uns besser als ein sorgfältig ausgetüftelter Plan, der
im letzten Moment dann doch nicht klappt, weil ein Detail anders ist als
vorgesehen, jedenfalls darf Anca nicht so überraschend in Aktion treten, daß
der Posten aus lauter Nervosität losballert.“
„Eines haben wir natürlich die ganze Zeit über nicht bedacht“, murmelte
Thunderclap vor sich hin. „Wir gehen irgendwie davon aus, daß eine herren
lose, schwimmende Insel im Meer treibt, die zwar jemand erbaut hat, die
aber inzwischen ohne Besitzer und Aufgabe ist. – Was passiert, wenn plötz
lich Fremde auftauchen – die Besitzer der Insel?“
Darauf konnte ihm niemand eine Antwort geben.
Aufbruch
Der Aufbruch der Expedition spielte sich ganz undramatisch ab. Niemand
winkte oder begleitete die beiden Forscher und ihre Bogeys bis an die Grenze
der Enklave. Die beiden Tanitaner selbst stießen nicht einmal einen der
lauten, antreibenden Rufe aus, um ihre Tiere in Bewegung zu versetzen. Sie
trugen ihre Tauchmasken und konnten sich nur durch Gebärden und Funk
miteinander verständigen.
Aber Caral tat etwas anderes. Er speiste mit seinen schlanken Fingern
einige Symbole in den Modulator, deren Ergebnis fiepende Töne im Ultra
schallbereich waren, die unhörbar für die Ohren von Menschen oder Tani
tanern waren, aber nicht für das Gehör der Bogeys. Die Riesenfische setzten
sich in Bewegung. Es war schade, daß in diesem Moment niemand zusah,
denn das Bild war beeindruckend. Die mächtigen Bogeys, jeder einzelne
zehnmal so lang wie ein ausgewachsener Mensch, wilde, gefährliche Räuber
des Meeres, stießen sich gehorsam mit leichten Schlägen ihrer Schwanz
flossen ab und glitten durch die See.
Die Formation der Tiere wirkte so geordnet und diszipliniert wie die Ka
vallerie einer irdischen Armee vergangener Zeiten bei einer Parade. Wenn
man davon absah, daß alles müheloser und eleganter ablief. Caral hatte mit
diesen ausgewählten Tieren eine Meisterleistung der Dressur vollbracht.
Er liebte seine Bogeys – und sie liebten ihn. Bis zu einem gewissen Grade
jedenfalls, denn man durfte niemals vergessen, daß sie eben im Grunde doch
Raubtiere waren, die in freier Natur auch Beute von der Größe eines Tani
taners nicht verschmähten. So zuverlässig dressierte Bogeys im allgemeinen
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waren: Es gab Situationen, in denen ihr Instinkt durchbrach und sie auch
Tanitanern gefährlich wurden.
Auf der anderen Seite kamen solche Angriffe selten vor, und es gab kein
ausschlaggebendes Argument gegen die Zähmung der gewaltigen Fische mit
dem breiten Haifischmaul, dem torpedoförmigen Körper, dem charakteris
tischen Kopfhöcker, den listigen Äuglein und der außergewöhnlichen Intel
ligenz.
Doona und Caral preßten sich auf ihren Sätteln eng an die Leiber ihrer
Fische. Sie hatten anliegende Monturen aus Kunststoff an, die mit Heizdräh
ten durchsetzt waren. Als Warmblütler mußten sich die Tanitaner sowohl
gegen die Kälte des Meeres als auch gegen die der Bogeykörper schützen.
Doona hatte darauf bestanden, zumindest in den ersten Stunden selbst zu
reiten, obwohl er sich darüber im klaren war, daß er sich weder mit der
Eleganz, noch mit der Ausdauer des erfahreneren Caral messen konnte. Aber
der Ritt auf einem Bogey machte eben trotz aller Anstrengung auch Spaß.
Und später konnte er sich immer noch in die große Wohnglocke unter dem
Bauch eines der Lastbogeys zurückziehen und nur von Zeit zu Zeit Caral bei
der Führung der Gruppe ablösen.
Die Hinreise, das hatten sie schon ausgerechnet, würde unter günstigsten
Bedingungen vier Tage dauern – vorausgesetzt, es gab keine unvorhergese
henen Zwischenfälle. Mehr als 400 Ojen – das waren nach irdischen Maßstä
ben etwa 3000 Kilometer – lagen zwischen der Enklave von SHAVACCOR
Zentral und der Robotstation.
Die Bogeys waren ausdauernde und pfeilschnelle Bewohner der Meere, die
von ihrer durchschnittlichen Geschwindigkeit her ohne weiteres fähig ge
wesen wären, diese Strecke in weniger als drei Tagen zurückzulegen. Aber da
ihre riesigen Mägen auch stetig gefüllt werden mußten, war es nötig gewesen,
einen Teil der Reisezeit für die Jagd einzuplanen. Muskelreflexe sorgten da
für, daß sich die Bogeys sogar in dem ihnen eigenen Halbschlaf mit einer
erstaunlich hohen Geschwindigkeit voranbewegten. Ein EcholotSinn
verhinderte dabei die Kollision mit Felsen oder anderen Hindernissen.
Trotz der sichernden Gurte galt die Hauptaufmerksamkeit eines Bogeyrei
ters dem festen Sitz im Sattel. Die Geschwindigkeit war so groß, daß schon
eine geringfügige Unachtsamkeit ausreichen konnte, um zwischen Reiter und
Reitfisch Wasserwirbel entstehen zu lassen. Doona hatte einmal erlebt, wie
solch ein gurgelnder Wasserkeil die Verbindung trennte, die Haltegurte wie
mürbe Bindfäden zerrissen und den Reiter wie ein Geschoß wegschleu
derten. Deshalb war es wichtig, beim kleinsten Anzeichen von Müdigkeit und
nachlassender Konzentration den Sattel mit der Wohnglocke zu vertauschen.
„Alles in Ordnung?“ fragte Caral, als die Enklave von SHAVACCORZentral
im grünen Meer hinter ihnen verschwunden war. Aus der Ferne hatten die
vielen hundert silbernen Wohnglocken wie ein Gebilde aus aneinanderge
preßten schillernden Perlen ausgesehen – Carals Stimme drang dumpf aus
dem Empfangsteil von Doonas Tauchmaske, fast überlagert vom Rauschen
des zerteilten Wassers. Die Maske umschloß Mund, Nase und Ohren. Der
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Rest des Kopfes wurde durch eine kapuzenähnliche gelbe Kunststoffhülle
vom Wasser abgeschirmt.
„Es macht Spaß“, antwortete Doona. Das stimmte auch, denn wenigstens
im Augenblick genoß er die Geschwindigkeit der Reise.
Die Bogeys bewegten sich knapp fünf Meter unter der Meeresoberfläche
dahin, hoch genug, daß die Umgebung vom Tageslicht erhellt wurde. Das
Meer war hier verhältnismäßig seicht. Allenfalls zehn Meter unter den beiden
Reitern konnte man die Umrisse abgeschliffener Felsen und Schlinggewächse
erkennen. Kleine Fische huschten vor den gefürchteten Raubtieren davon
und versteckten sich zwischen den Pflanzen. Aber den Bogeys stand der Sinn
im Moment weder nach Jagd noch nach Beute.
Noch war die Umgebung selbst dem selten SHAVACCORZentral
verlassenden Doona von gelegentlichen Ausflügen her vertraut. Aber das
würde sich bald ändern. Wenn sie erst einmal den CovallhaGarten erreicht
hatten, würde sich dort unten auf dem Meeresgrund ein phantastischer
Dschungel mit exotischen Pflanzen erstrecken. In manchen geschützten
Gegenden wuchsen lange Schlingpflanzensäulen bis dicht unter die Oberflä
che des Ozeans. Dann waren die Bogeys gezwungen, einen Slalom durch die
Barriere zu schwimmen, die in manchem einem Irrgarten ähnelte.
Doona hatte sich von diesen Sektoren der Unterwasserwelt bisher nur er
zählen lassen, aber selbst der erfahrene Caral kannte nur einen Bruchteil da
von. Was in der Tiefe, dort wo die Schlingpflanzenwand undurchdringlich
wurde, lauerte, war weitgehend unbekannt. Aber vorstellen konnte man sich
einiges, wenn man sich die phantastischen Knochengerüste ansah, die ge
legentlich in den flacheren Gewässern angetrieben wurden. In den tiefsten
Löchern des CovallhaGartens mußten Riesentiere leben. Und daß es sich bei
ihnen nur um harmlose Pflanzenfresser handelte, mußte man bezweifeln ...
Sie waren jetzt seit vier oder fünf Stunden unterwegs. Doona fühlte, daß
sich seine Muskeln verkrampften. Lange würde er nicht mehr durchhalten
können. Außerdem schmerzten seine Augen von dem flirrenden Farbmuster,
das die Sonne in das Wasser warf, wo es, tausendfach gebrochen und
reflektiert, durch die hohe Geschwindigkeit endlich zu einem gleißenden
Band verschmolz. Und nicht zuletzt der Hunger machte ihm zu schaffen.
Er wollte Caral gerade bitten, die Bogeys anhalten zu lassen, als ihn eine
starke Welle beinahe aus dem Sattel hob. Nach der ersten Schrecksekunde er
kannte er die Ursache. Bisher waren die Lastbogeys in Keilformation den
beiden von den Tanitanern bemannten Reittieren gefolgt. Das hatte sich ge
ändert. Drei Lastbogeys waren blitzschnell vorgeschossen und hatten die
Spitze übernommen. Ihre Körper glitten dabei so dicht an Doona vorbei, daß
sie einen starken Sog erzeugten.
Doonas Bogey schlug hart mit der Schwanzflosse aus und stellte seinen
Körper quer zur bisherigen Schwimmrichtung. Ohne die Vorauswarnung hät
te Doona sich nicht auf dem Sattel halten können. So aber krallte er sich mit
aller Kraft fest und blieb am Körper des Tieres kleben.
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Carals Bogey hatte ähnlich reagiert, was dieser erfahrene Reiter allerdings
vorausgesehen hatte.
Mit einem Blick über die Schulter stellte Doona fest, daß sich die Formati
on total verändert hatte. Die beiden Reitbogeys stabilisierten mit kaum sicht
baren Flossenschlägen ihre nahezu bewegungslose Lage im Wasser, während
die anderen Tiere um sie herum einen Wall gebildet hatten.
Tatsächlich umschlossen die anderen acht Bogeys die Reiter mit ihren
Tieren wie eine kugelförmige Schale. Sie bewegten sich dabei hektisch im
Kreis, offenbar in der Absicht, eine Absperrung zu bilden. Und sie rissen wie
auf ein Kommando ihre Rachen auf und zeigten die vielen tausend
messerscharfen Zähne. Die Haltung, die sie einnahmen, war drohend.
„Was ist passiert?“ keuchte Doona. Er war mit einem Schlag wieder hell
wach geworden und versuchte, durch die rhythmisch sie umkreisenden
Riesenleiber mit einem Blick die Lage zu erfassen.
„Wir werden angegriffen!“ rief Caral, der fortwährend an seinem Modulator
herumfingerte. Er schien alle Mühe zu haben, seinen Bogey daran zu hin
dern, kampfeslustig zu den Gefährten vorzustoßen.
Jetzt sah Doona endlich, was die überscharfen Sinne der Reitfische schon
vorher erfaßt hatten. Hinter einem Felsen kroch ein Meereswesen mit einem
haushohen, kugelförmigen Leib hervor, getragen von acht weit abgespreiz
ten, dicken Beinen. Es sah aus wie ein Gallertklumpen, war jedoch am ganzen
Körper mit meterlangen Stacheln bedeckt, die wie überdimensionale Dornen
wirkten. Ein einziges mannsgroßes Auge pulsierte in giftgrünem Licht. Das
mindestens dreimal so große Maul klaffte weit auf. „Was – ... ist – ... das?“
fragte Doona entsetzt.
„Ich kenne es nicht“, gab Caral zurück, „aber die Bogeys scheinen ihre
Erfahrungen zu haben.“
Auf den ersten Blick war es nicht ganz einsichtig, daß die riesigen Bogeys
sich von diesem Ungetüm beeindrucken ließen. Nun ja, es war zwar doppelt
so groß wie ein einzelner Bogey, schien aber nur mühsam und schwerfällig
auf dem Meeresboden voranzukommen. Dann erkannte Doona, warum die
Reittiere nicht einfach ihre Schnelligkeit ausnutzten:
Das stachelbewehrte Gallertwesen schoß aus Drüsen ein Gewirr von
fingerdicken Gewebesträngen ab – zähes, durchsichtiges, klebriges Material,
Spinnweben nicht unähnlich, das sich in Windeseile ausbreitete. Ein einzel
ner Bogey hätte sich zweifellos in den Strängen verstrickt und wäre rettungs
los verloren gewesen.
Jetzt mußte das Wesen jedoch mit der ganzen Meute kämpfen. Sobald ein
Bogey in den Strängen klebte, war schon ein anderer da und biß ihn los. Das
Meer schäumte, so schnell peitschten die Bogeys mit auf und zu
schnappenden Rachen durch das Wasser. Die Unterwasserkreatur kroch hin
ter den Felsen zurück. Offenbar hatte das Ungeheuer eingesehen, daß es
gegen die Übermacht nicht ankam.
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Doona atmete erleichtert auf. Die Bogeys schwammen noch eine Weile er
regt mit heftig zuckenden Schwanzflossen auf und ab, dann ordneten sie sich
zu ihrer früheren Keilformation und setzten den Weg fort.
„Hast du ihnen diese Kampfesform beigebracht?“ wollte Doona wissen. Die
Vorstellung hatte ihn sehr beeindruckt.
„Nein, nein“, antwortete Caral lachend. „Du unterschätzt den Instinkt
dieser Tiere. Was mich überraschte, war, daß sie uns ganz bewußt geschützt
haben. Das habe ich bisher nur beobachtet, wenn ihren Jungen Gefahr droh
te. Sie scheinen uns doch irgendwie zu mögen.“
Als der Kampfplatz weit hinter ihnen lag, bat Doona um die fällige Pause.
„Es ist sowieso an der Zeit, daß wir die Bogeys jagen lassen“, stimmte Caral
zu. „Und die Gegend hier scheint mir dafür genau die richtige zu sein.“ Er
deutete auf das Wasser vor ihnen, in dem sich die Silhouette eines großen,
glitzernden Fischschwarms abzeichnete.
Erneut verständigte sich Caral über den Modulator mit seinen Bogeys. Be
hutsam tauchten die beiden Reitfische auf, durchbrachen die Meeresoberflä
che und warteten, bis die beiden Tanitaner aus den Sätteln geglitten waren.
Sorgfältig achteten Caral und Doona darauf, daß die Haltegurte wieder fest
am Sattel verzurrt waren, damit sie die Tiere bei der Jagd nicht störten. Der
Sattel – eine Kunststoffschale hinter dem Kopfhöcker – war den Bogeys durch
eine schmerzlose Operation in das Hautgewebe implantiert worden und
störte sie nicht weiter.
Auch das Lasttier mit der Wohnglocke war nun aufgetaucht und wurde von
seinem Gepäck befreit. Die Wohnglocke schaukelte leicht auf der ruhigen
See. Die anderen Lastbogeys konnten ungehindert jagen, da ihre Lasten in
Hautfalten unter ihren Bäuchen befestigt waren. Normalerweise dienten
diese Falten als Schutz für die Jungtiere.
Während Caral und Doona noch im Wasser schwammen und die Wohnglo
cke entsiegelten, wichen die Riesenfische nicht von ihrer Seite. Erst nachdem
sie in die Glocke hineingekrochen waren, zogen sie befriedigt ab. Das auf
spritzende Wasser in der Ferne zeigte bald darauf an, daß sie im gesichteten
Fischschwarm jagten.
Die Nacht senkte sich herab. Die beiden Forscher schälten sich aus ihren
Monturen und genossen die Trockenheit und Wärme in ihrer dahin
treibenden Behausung.
In einer Stunde würden die Bogeys von der Jagd zurückkehren. Aber Caral
und Doona konnten sich nach dem erneuten Vergurten der Wohnglocke wei
ter ausruhen. Der Auftrieb ihrer Unterkunft war nicht so groß, daß er den
kräftigen Lastbogey behinderte. Während der Nachtperiode würden die Tiere
allein ihren Weg durch den Ozean Tonogas finden.
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Griff ins Leere
„Ich glaube“, sagte Thunderclap, „daß die Zeit jetzt reif ist. Dunkel ist es ja
schon.“ Um das zu erkennen, mußte er nur durch die gläserne Sternenkuppel
der EUKALYPTUSZentrale schauen.
Draußen war Nacht. Sie kreisten bereits eine Weile über dem Wasserplane
ten. Und da Schwatzmaul das Sternenschiff präzise über der schwimmenden
Insel hielt – wenn auch so hoch am Himmel, daß es unten kaum zu erkennen
war – war auch Nacht über der Insel. Die Dunkelheit war ebenso wichtig für
das Gelingen des Plans wie die Kenntnis der Inselstruktur. Deshalb hatten sie
auch so viel Zeit verstreichen lassen müssen.
„Je früher desto besser!“ rief Anca, die sich von Stunde zu Stunde größere
Sorgen um ihren Bruder Harpo und die anderen machte.
„Lord Appleby und seine Mannen klar zum Gefecht, Sir!“ meldete Lonzo
schnarrend und salutierte mit allen Tentakeln gleichzeitig.
„Wenn die Herrschaften vielleicht noch ein Sekündchen Zeit hätten“, kam
es mit schmeichelnder Stimme aus den Lautsprechern des Bordgehirns. „Ich
hätte da nämlich etwas Interessantes für euch!“
Aus den Lautsprechern prasselten jetzt in ohrenbetäubender Lautstärke at
mosphärische Störungen. Vor all dem Krachen, Knacken, Säuseln und Pfeifen
konnte man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. „Schwatzmauuuuuul!“
schrie Thunderclap mit überschnappender Stimme. „Wir Menschen haben
ein Trommelfell! Willst du uns taub machen?“
Obwohl sonst niemand Thunderclaps Gebrüll verstanden hatte, waren sei
ne Worte doch über die hypersensiblen Richtmikrofone bis zu Schwatzmaul
durchgedrungen. Schlagartig wurde der Lärm auf einen erträglichen Wert
abgedämpft. „Oh, pardon“, entschuldigte sich das Bordgehirn verlegen. „Ich
hatte vergessen, die Filter vorzulegen.“
„Stöhn!“ machte Anca.
„Verflixt noch eins, was soll das ganze?“ empörte sich Micel. „Für Späße
haben wir jetzt wirklich keine Zeit!“
„Das ist kein Spaß“, erwiderte Schwatzmaul beleidigt. „Bitte genau hinhö
ren! Diese Sendung hören Sie nur jetzt und hier. Gleich kommt es!“ Dann
hörte man ganz schwach eine menschliche Stimme. Sie war aber so leise, daß
ihre Worte unverständlich blieben. Schwatzmaul experimentierte an
scheinend mit seinen elektronischen Greifern an der Tonqualität herum,
denn plötzlich wurden die Nebengeräusche eliminiert. Die Stimme war zwar
immer noch verzerrt, aber deutlich genug, um sie als männlich einzustufen
und den Sinn der Botschaft zu verstehen: „... und deshalb fordern wir, daß
uns das Raumschiff im Austausch gegen die drei Gefangenen übergeben
wird. Wir ... natürlich im klaren, werden jedoch Hilfe senden ... wenn ...
Einstweilen keine Sorgen, weil ... gute Überlebenschancen ... Rate dringend,
das Ultimatum anzunehmen ... sonst für nichts garantieren. Wir geben ... eine
Woche Bedenkzeit. Ende!“
43
Karlie fand als erster die Fassung wieder. „So eine Frechheit!“ explodierte
er, als die Stimme verstummte. „Jetzt wissen wir endlich, daß der Überfall auf
unsere Freunde kein Zufall war. Diese Gangster haben es von Anfang an auf
unsere EUKALYPTUS abgesehen!“
„Ich möchte doch zu gerne wissen, was hinter all dem steckt“, sinnierte
Brim. „Wie kommen diese Leute überhaupt hierher? Wir sind viel zu weit von
der Erde entfernt, als daß ein Raumschiff diesen Sektor der Galaxis erreichen
könnte. Hat sie vielleicht eine ähnliche Katastrophe wie uns hierhin ver
schlagen? Aber warum können sie sich denn nicht wie anständige Menschen
aufführen? Wir hätten ihnen doch gern geholfen!“
„Das hilft uns jetzt auch nicht weiter“, knurrte Thunderclap. „Wichtig ist,
daß wir ihre Pläne durchkreuzen. Aber wenigstens sehen wir klar. Wenn es
uns nicht gelingt, Harpo, Alexander und Ollie schnellstmöglich zu befreien,
werden wir bald mit ihnen auf dieser Insel dahintreiben. Aber unser Leben
lang!“
„Von woher kam denn der Funkspruch?“ wollte Bharos wissen. „Direkt von
der Insel?“ Die Frage war berechtigt, denn dem Klang nach hätte er genauso
gut vom anderen Ende der Milchstraße stammen können.
„Direkt von der Insel, verehrter Herr Bharos“, säuselte Schwatzmaul.
„Fehlerquote 0,0000000000102 Prozent. Wenn ich mir die Bemerkung erlau
ben darf: Das ist eine verhältnismäßig geringe Fehlerquote. Tatsächlich gab
es bei meinen bisherigen Fehlerquotenberechnungen nur vier Fälle, bei
denen sie ...“
„Schwatzmaul!“ rief Anca. „Bitte, bitte, liebes Schwatzmaul, komm doch
zur Sache!“
„Aber ja doch, junge Dame. Ich wollte die Angelegenheit nur in der nötigen
Deutlichkeit darstellen. Um aber auf die Frage unseres verehrten Herrn Bha
ros zurückzukommen: Offensichtlich wurde diese unverschämte Botschaft
mit einem leistungsstarken Handfunkgerät abgestrahlt. Das erklärt die
akustisch schlechte Qualität.“
„Wir wissen jetzt alles, was wir wissen sollten“, schnitt Thunderclap jede
weitere unnötige Erörterung des Themas ab. „Wenn ich das richtig sehe,
werden die Gangster frühestens in einigen Tagen mit uns rechnen. Sie
nehmen ja an, daß wir zunächst beraten, dann die Beiboote starten, die Insel
anfliegen und so weiter und so weiter. Schnelligkeit ist wirklich Trumpf.“
„Na, dann wollen wir mal“, brummte Bharos. Er umfaßte Lonzos kugel
runden Körper, worauf dieser aufschrie: „Diese kalten Finger! Entsetzlich!“
Dann hatten sich die beiden auch schon in Luft aufgelöst.
Bevor man bis drei zählen konnte, war der Weltraumnomade bereits zu
rück, ergriff einen der für das Unternehmen 23L ausgesuchten Grünen und
beförderte ihn auf die gleiche Weise zur schwimmenden Insel hinunter. Es
dauerte nur eine halbe Minute, dann waren alle drei Grünen bei Lonzo.
„Daumen drücken!“ rief Bharos und umfaßte das Mädchen. Wieder starr
ten die Zurückgebliebenen auf einen leeren Fleck. Ihnen blieb nun wirklich
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nichts anderes übrig, als kräftig die Daumen zu drücken und zu hoffen, daß
alles gutging. Schlug der Plan fehl, war die EUKALYPTUS verloren.
Bharos hatte den Fleck sorgfältig ausgesucht, an dem er mit Anca mate
rialisierte. Es war eine allseitig gegen Sicht geschützte Sandkuhle. Vorsorglich
legte er seinen rechten Zeigefinger an die Lippen des Mädchens, um sie vor
lauten Äußerungen zu warnen. Sie lagen hier nur etwa zwanzig Meter vom
Lager der Unbekannten entfernt. Es war düster. Erst nach einer Weile ge
wöhnten sich die Augen der beiden an das Dunkel und lernten, das geringe
Licht der Sterne am Nachthimmel zu verwerten.
Bharos und Anca horchten in die Finsternis hinaus, konnten aber nicht das
kleinste Geräusch registrieren. Bharos schaute auf die Uhr, die die allgemeine
Bordzeit der EUKALYPTUS anzeigte. „Gleich muß es losgehen.“
Er hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, als einige hundert Me
ter zu ihrer Rechten ein schauriger Gesang aus Maschinenkehlen erklang.
Deutlich konnte man Lonzos total übersteuerte Grabesstimme erkennen:
„Ick heff mol in Hamburch en Veermaster sehn.“
Und die Grünen fielen genauso gruselig ein: „To my hoodah! To my hoo
dah!“
Und wieder Lonzo: „De Masten so scheep as de Schipper sin Been.“
Die Grünen: „To my hoodah! Hoodah! Ho!“
Trotz der angespannten Situation kicherte Anca leise in sich hinein. Gleich
zeitig horchte sie jedoch auf eventuelle Geräusche aus dem Lager. Bharos
schickte seine Gedankenfühler aus.
Plötzlich erhob er sich und gab einen ziemlich rauhen Fluch in seiner
Heimatsprache von sich. Anca sah überrascht auf. So hatte sie den elfenhaft
gebauten Mann, der seit Jahrhunderten auf der Suche nach seinem Heimat
planeten war, noch nie gesehen. „Ist etwas schiefgegangen?“
„Wir können das ganze Unternehmen abblasen“, erwiderte Bharos ärger
lich. „Die Vögel sind ausgeflogen. Daß uns so etwas passieren muß!“ Im
nächsten Moment war er verschwunden. Der blecherne Shantygesang brach
ab.
Anca wartete ungeduldig auf das Wiedererscheinen des Freundes. Der be
nötigte etwas länger als erwartet. Dann war jedoch trotz des schwachen
Lichts zu sehen, daß Bharos’ Augen wieder hoffnungsvoll schimmerten.
„Ich habe doch irgendwie gespürt, daß sie nicht allzuweit von uns entfernt
sind“, sagte er händereibend. „Auch wenn sie in keine der bekannten Wind
richtungen ausgewichen sind. Lonzo hat am Ende einer Felsenhöhle, die
einen künstlichen Eindruck macht, einen Einstieg in das Innere der Insel ent
deckt. Wir machen jetzt sofort weiter. Plan 23L läuft nur mit etwas Verspä
tung. Halt dich an mir fest!“
Anca bemerkte den raschen Ortswechsel so gut wie nicht. Schon stand sie
neben Lonzo, der die Grünen gerade anwies, mit ihren eingebauten Laser
Schweißgeräten einen Einstieg in die verschlossene Metalltür zu schneiden.
„Aber ... das heißt ja ...“ setzte Anca an. „Ich meine, die Insel ist doch nicht
etwa hohl?“
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„Klar ist sie das!“ verkündete Lonzo. „Sie ist eine Art Schiff. Innen wird es
erst richtig interessant.“
„Aber woher wißt ihr das?“ fragte Anca erstaunt, der das alles ein bißchen
zu plötzlich kam.
„Nun ...“ zögerte Lonzo, einen Blick gegen die Decke der Höhle werfend,
„bekanntlich finden blinde Computer gelegentlich auch ein Korn. Schwatz
maul, der Gute, mit dem ich per Funk verbunden bin, hat versucht die ge
nauen Positionsdaten des Handfunkgeräts zu berechnen und stieß dabei
darauf, daß der Standort des Geräts tiefer lag als der Meeresspiegel ...“
„Deshalb meinte ich auch eben, daß sich die Entführer keinesfalls in eine
bekannte Himmelsrichtung abgesetzt hätten. Sie sind unter uns!“ Bharos
deutete auf den Boden. „Jetzt spüre ich die Gedankenimpulse unserer
Freunde ganz deutlich. Sie halten sich in der Tiefe auf.“
„Können wir die Tür denn nicht mit Teleportation überwinden? „ fragte
Anca. „Das ginge doch viel schneller.“
Bharos zögerte. „Es würde gehen. Aber ich kenne mich dort nicht aus und
müßte mich erst orientieren. Sicherlich würde man mich bemerken. Wenn
man mein Verschwinden nach dem ersten Sprung vielleicht noch als
optische Täuschung wertet, so ist das beim zweiten Mal bestimmt schon
nicht mehr der Fall. Unsere beste Chance ist, wenn ich meine Fähigkeit erst
im letzten Moment ausspiele. Es wird sowieso hinter der Tür alles schwie
riger, weil uns keine Dunkelheit mehr schützt.“ Er zeigte auf das Licht hinter
dem gerade herauskippenden Metallstück.
„Achtung, nicht die Ränder berühren!“ warnte Lonzo, der als erster durch
das entstandene Loch kletterte. „Es ist noch glühend heiß!“ Mit seinen Tenta
keln räumte er das herausgebrannte Metallstück etwas mehr zur Seite.
Ohne Zaudern führte Bharos Anca, Lonzo und die Grünen durch den vor
ihnen liegenden Gang. Es schien nur ein Notausstieg zu sein, denn die
Durchgangsröhre ließ aufrechtes Gehen gar nicht zu. Man mußte sich
bücken. Oder – waren die Erbauer dieser geheimnisvollen Insel viel kleiner
als sie?
„Ich spüre, daß Menschen in der Nähe sind“, wisperte Bharos. „Es sind –
Moment – die Gefangenen und zwei Bewacher. – Hört zu: Wir inszenieren das
Spiel hier noch einmal. Lonzo, du bleibst mit deinen Chorknaben hier zurück
und beginnst genau in zwei Minuten mit der Darbietung. Klar?“
Lonzo zeigte sein Einverständnis, indem er sich vor seinen „Chorknaben“
wie ein Dirigent aufbaute und mit allen vier Tentakeln gleichzeitig probediri
gierte. Ihm war auf jeden Fall zuzutrauen ‚ daß er diese Position zwei Minu
ten lang durchhielt.
Bharos nahm Anca bei der Hand und zog sie zum Ende der Tunnelröhre.
Dort ging es eine Leiter hinab. Es folgte ein enger Raum, der drei Türen hatte.
Jetzt hielt Bharos es doch für angebracht, seine Teleporterfähigkeiten einzu
setzen, zu mal er deutlich fühlte, daß unmittelbar hinter den Türen keine
Gefahr drohte. Er ließ Anca aber trotzdem nicht zurück, sondern sprang di
rekt hinter die Tür des ersten Raumes.
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Anca sah sich verwirrt um. Hier ratterten Maschinen mit unbekannten
Funktionen. Ob es Computer waren? Sie sahen so ähnlich aus. Ein Metall
greifer langte in einen großen Bottich und zog eine triefende Alge hervor. Er
legte sie auf den Schirm eines kugelförmigen Geräts. Grelle Strahlen hüllten
die Alge sekundenlang ein, dann hob sie der Greifer auf und legte sie in einen
anderen Bottich.
„Ein Laboratorium“, flüsterte das Mädchen. Auf einmal erschien ihr die
hohle, schwimmende Insel gar nicht mehr so geheimnisvoll. Die Frage war
nur: Wo steckten die Erbauer? Gab es keine Besatzung? Bharos knirschte
plötzlich mit den Zähnen und meinte bedrückt: „Ach, es geht nicht! Sie
haben Ollie mit einer Kette am Bein eines Mannes namens Erik befestigt, weil
sie offenbar ahnen, daß einer von uns übersinnliche Fähigkeiten besitzt.“
Sein nun wieder geistesabwesendes Gesicht zeigte, daß er sich mit seinen
telepathischen Kräften erneut auf die Unbekannten konzentrierte. „Der
andere Mann ...“ flüsterte er, „heißt Flint. Er trägt seine Waffe schußbereit.
Man hat mich bei meinem ersten Sprung auf die Insel also wohl doch nicht
für ein Tier gehalten. Ich muß sofort ...“
Dann war Bharos verschwunden. Offenbar sprang er zu Lonzo zurück, da
mit der nicht mit dem Gesang begann. Anca fühlte sich allmählich unbe
haglich. Sie hatte bemerkt, daß der Raum eine Verbindungstür zum
Nachbarzimmer besaß. Und nebenan ertönte über das Rasseln der Ma
schinen hinweg ein heiseres, hartes Lachen.
Anca versuchte sich ganz klein zu machen. Sie starrte nervös auf den uner
müdlich Pflanze um Pflanze vom Bottich zum Analysator und von dort zum
zweiten Bottich befördernden Greifer, sah die weißen Lichtringe an der
silbernen Decke, die für die Beleuchtung des Raumes sorgten. Die Ringe, das
silberne Blinken überall um sie herum, die engen Wände, die ratternden Ma
schinen, die schwarzgrauen Noppen auf dem Boden ... Ihr wurde plötzlich
ganz schwindlig. Wo blieb nur Bharos? Wenn jetzt einer der Männer herein
kam?
Zwei Arme legten sich von hinten um sie. „Pst“, flüsterte Bharos. „Wir
springen jetzt zur EUKALYPTUS zurück. Lonzo und die Grünen werden ver
suchen, sich erst mal allein an unsere Freunde heranzuarbeiten. Sie werden
so tun, als seien sie zu dieser Insel gehörende Roboter ohne eigenen
Verstand. Das werden die Entführer vielleicht schlucken.“
„Und wenn sie die Besitzer der Insel sind?“ fragte Anca ängstlich. „Wenn sie
von Anfang an zu diesem Planeten wollten?“
„Die Befürchtung hatte ich einen Augenblick lang auch“, gab Bharos zu
rück. „Aber keine Sorge: Ich habe ihre Gedanken gelesen. Die sind hier so
fremd wie wir. Sie haben die schwimmende Insel zufällig entdeckt, als sie
hilflos im Meer trieben. Aber jetzt haben wir genug riskiert, glaube ich ...“
Anca und Bharos lösten sich auf und kehrten zur EUKALYPTUS zurück.
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Im CovallhaGarten
Sogar Caral zeigte sich beeindruckt, als die dunkle Felsenwand vor ihnen
auftauchte, die den CovallhaGarten umschloß.
Er verständige sich mit den Bogeys und sorgte dafür, daß sie einige Meter
vor dem vom Wasser angenagten Gestein verhielten. Wäre der Wasserstand
des TonogaMeeres drei oder vier Meter niedriger gewesen, hätte man den
Garten als Binnenmeer bezeichnen können, das vollständig von Gebirgs
ketten eingeschlossen war.
Es war eine tiefe Senke, ein riesiger Kratersee, wenn man so wollte. Von der
Meeresoberfläche aus gesehen war diese Tatsache nicht so ohne weiteres zu
erkennen. Von dort aus sah man höchstens hier und da mal einen zackigen
Felsen, der als höchste Bergspitze aus den Fluten ragte. Ungewöhnlich war
auch die trübe Färbung dieses Meeresabschnitts und das Treiben von
Pflanzenresten an der Wasseroberfläche. Nur selten – meist bei schweren
Stürmen – kam es zu einem erheblichen Wasseraustausch zwischen dem Co
vallhaGarten und dem übrigen Meer Tonogas. Dabei geschah es auch mal,
daß einzelne Gartenbewohner oder deren Überreste über die Felsenmauer
geschwemmt wurden. Daß sie die Klippen während eines Sturmes lebend
überwanden, kam offenbar sehr selten vor. Vielleicht gingen sie auch unter
den außerhalb ihres Existenzbereiches herrschenden Lebensbedingungen
zugrunde.
„Noch können wir uns entscheiden“, sagte Caral gelassen und drehte sich
zu Doona um. „Der längere Weg ist der sicherste.“
Aber Doona schüttelte heftig den Kopf. Verzichteten sie auf die Durchque
rung des CovallhaGartens, dauerte ihre Reise viel länger als vorgesehen. Und
die damit eingehandelten Gefahren würden – objektiv gesehen – kaum
geringer sein als die, die noch vor ihnen lagen.
„Gut“, sagte Caral. „Suchen wir uns also einen Durchgang.“ Langsam
trieben die Bogeys an der Felswand entlang, der Meeresoberfläche so nah wie
möglich. Zwar wurde der Großteil des schroffen Gesteins von den obersten
Wellen des Wassers überspült. Die Durchlässe zwischen Oberfläche und
Felsen waren meist so schmal, daß die Tiere ohne sich an den scharfen
Kanten aufzuschlitzen nicht durchschwimmen konnten.
Endlich entdeckten sie eine Schlucht in der Felsformation. Die untersee
ische Strömung hatte hier im Laufe der Jahrmillionen ein Bett durch den Fels
genagt, denn die Expedition spürte sofort den starken Sog, der sie in den
Garten hineinziehen wollte. Aber selbst dieser Zugang schien fast zu klein für
die großen Bogeys.
„Wagen wir es trotzdem“, rief Caral und führte die Formation an. Die Keil
anordnung mußte für den Moment aufgegeben werden. Die Bogeys
passierten einer nach dem anderen den Engpaß, wobei es genügte, daß sie
ihre Körper einfach treiben ließen. Die Strömung war stark genug.
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Bald weitete sich der schmale Durchgang zu einem breiten Tal. Die Sog
wirkung des Wassers ließ nach. Der Felsboden des Tales wurde mehr und
mehr von Sandflächen abgelöst, in denen die ersten aufgequollenen Tangge
wächse gediehen.
Dann waren sie im Innern des Gartens! Vor ihnen ragten Schlingpflanzen
auf, dick und hoch wie Bäume. Sie hatten sich überall am Boden in den Sand
und Humus gekrallt. Querausläufer bewegten sich im sanft wogenden Wasser
wie züngelnde Schlangen. Die Lastbogeys schlossen auf, so gut es ging, aber
es war vorauszusehen, daß die gewohnte Keilformation für längere Zeit un
möglich sein würde.
Carals Reittier schlüpfte elegant an dem ersten Pflanzenschaft vorbei und
verschwand im grünen Dickicht. Das Gelände war leicht abschüssig und lag
jetzt schon zehn Meter oder mehr unter der Meeresoberfläche. Aber es drang
genügend Licht von oben herab, um Einzelheiten auszumachen.
Einen Moment lang fühlte sich Doona beunruhigt, als der Freund
verschwunden war. Aber dies war nicht der richtige Moment, um zu zaudern.
Außerdem folgten die anderen Bogeys ohnehin ihrem Leittier – selbst wenn
es dem Tod entgegenglitt. Sekunden später hatte auch Doonas Tier das Hin
dernis elegant umschwommen. Caral kam wieder in Sicht. „Das wird jetzt
mehrere Stunden lang so gehen“, sagte Caral, der offenbar ahnte, welche Ge
danken Doona in diesen Minuten bewegten. „Wenn irgend etwas Außerge
wöhnliches vorfällt, mußt du mich sofort verständigen. Ich mache es
genauso. Lieber einen Alarm mehr wegen eines harmlosen Schattens als
einen zu wenig oder zu spät wegen einer nicht erkannten Gefahr!“
Doona nickte und entspannte sich ein bißchen in seinem Sattel. Er hatte
das Angebot, diesen Teil der Reise in der Wohnglocke zu verbringen, abge
lehnt. Dort wäre er noch unruhiger gewesen als angesichts von Gefahren.
Wenn sie schon sterben mußten, dann wollte er dem Schicksal bewußt ins
Auge sehen.
Mit den zurückgelegten Kilometern verlor er jedes Gefühl für die Zeit. Er
wurde nicht müde, die phantastischen Schöpfungen der Natur zu be
wundern.
Bis jetzt zeigte sich ihnen der CovallhaGarten von seiner schönsten Seite.
Es war ein Rausch aus Farben und Formen, kaum etwas wiederholte sich.
Das Bodengeflecht tangähnlicher Gewächse wurde von einem Teppich aus
gelben und blauen Schwämmen abgelöst, die so weich und wuschelig aussa
hen, daß Doona Lust bekam, sich in sie hineinfallen zu lassen. Geweihko
rallen, stern und glockenförmige Meeresblumen in tausend Formen, Größen
und Farben wechselten einander in bunter Pracht ab. Ein Wald aus züngeln
dem Seegras war so dicht und doch so nachgiebig, daß er Bogeys und Tani
taner wie ein Kokon umschloß und diese Form noch eine Weile nach dem
Passieren bewahrte, bis die Wellen den natürlichen Zustand wieder herstell
ten.
Alles schien ruhig und friedlich zu sein. Die größten Tiere in ihrem Blick
feld waren Riesen krebse, die unbeirrt und desinteressiert an den Besuchern
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vorbei über den Boden krochen und die Wasserpflanzen abweideten. Die un
gezählten Fische mit roten, gelben, grünen und silbernen Schwänzen und
Schuppen, die sie zu Gesicht bekamen, schossen fluchtartig davon, sobald sie
die massigen Körper der Bogeys auch nur in ihrer Nähe spürten. Keiner der
Fische war auch nur halb so groß wie die Bogeys, auch keiner, der es mit ih
nen an Kraft und Schnelligkeit aufnehmen hätte können. Trotzdem mußte
Doona an die angespülten Skelette denken, die angeblich aus dem Covallha
Garten stammten.
Da das Wasser die anderen Bestandteile des Sonnenlichts herausfilterte, lag
die unterseeische Welt in einem satten Blaugrün vor ihnen. Tiefblaue Silhou
etten wurden bei der Annäherung erst allmählich zu einem Zartblau oder
Hellgrün. Aber die zuvor angelegten Stirnscheinwerfer der Männer
erschlossen den ganzen Farbenreichtum des Gartens, wenn die Lichtkegel
wie eine leuchtende Spur durch das Wasser stießen.
„Ich glaube, dort vorn ...“ preßte Caral hervor, unterbrach sich dann,
schrie: „Vorsicht!“ und lenkte seinen Bogey mit einem tierisch anmutenden
Schrei zur Seite.
Doona hatte den vorschnellenden Schatten im gleichen Moment ebenfalls
wahrgenommen. Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend drückte er
sich gegen den Körper seines Reittieres, das reaktionsschnell auswich, als der
Schatten auf sie zujagte.
Ein riesiges Maul mit armlangen Hauern, jeder einzelne so breit und
krumm wie ein Türkensäbel, schnappte ins Leere. Hunderte von Zähnen grif
fen übereinander wie ein Reißverschluß und ließen wirbelndes, aufgewühltes
Wasser zwischen den Lücken hervorschießen.
Der Kopf des Angreifers schien zur Hälfte aus Maul und Zähnen zu be
stehen. Die Kieferknochen klappten erneut auseinander, schnappten nach
einem der Lastbogeys und griffen wieder ins Leere. Aber das gefräßige Wesen
war beharrlich, ungemein schnell und ungeheuer stark.
Doonas Unterbewußtsein registrierte Einzelheiten, die er erst später be
wußt verarbeiten konnte. Der Schädel des Angreifers war lang und flach wie
der eines Krokodils – aber zehnmal so groß. Dominierend darin waren die ge
waltigen Kiefer und Zähne. Zwei tückische, unbewegliche Reptilaugen fun
kelten wie Saphire. Dann folgte ein langer, gelenkiger Hals, der ein Drittel des
Körpers einnahm. Der ovale Leib wirkte plump und schwer. Die Reaktionen
der Kreatur zeigten allerdings, daß dies ein Trugschluß war. Vier dicke, pad
delförmige Flossen bewegten das Raubtier durch das Wasser, ein spitz zu
laufender Schweif steuerte seine Bewegungen. Insgesamt glich das Geschöpf
trotz seiner glatten Fischhaut eher einer Echse.
Für den Moment gelang es den Bogeys, den mörderischen Attacken des
Angreifers durch die noch schnelleren Ausweichreaktionen zu entgehen.
Aber es lag auf der Hand, daß der Meeressaurier – so durfte man ihn wohl be
zeichnen, denn er glich in einigen Einzelheiten diesen ausgestorbenen Groß
raubtieren, die es vor Jahrmillionen auch auf dem Planeten Tanit gegeben
hatte – früher oder später Erfolg haben würde. Die Schlinggewächse be
50
hinderten die an freie Gewässer gewöhnten Bogeys und begünstigten die
schlängelnden Bewegungen des Saurierhalses.
Caral hatte Mühe, die Reittiere unter Kontrolle zu halten. Obwohl sie in
einem Nahkampf mit diesem Ungetüm unterliegen mußten, waren sie drauf
und dran, den Gegner anzufallen. Caral versuchte sie mit beruhigenden
Impulsen über den Modulator von einem sinnlosen Gegenangriff abzuhalten.
Eine mögliche Lösung des Problems wäre die Flucht gewesen. Aber es war
kaum denkbar, daß sie den Saurier ohne Verluste abhängen würden. Und we
der Caral noch Doona wollten einen der Bogeys opfern. Caral faßte einen
Entschluß. „Du mußt die Kontrolle der Bogeys übernehmen“, meldete er sich
über Funk bei Doona. „Ich werde versuchen, das Biest abzulenken.“
„Aber das ist doch Wahnsinn“, protestierte Doona aufgelöst. „Wir ...“
„Es ist unsere einzige Chance“, erwiderte Caral. Das Ausscheren seines
Reittieres zeigte, daß er die Frequenz seines Modulators bereits geändert
hatte und jetzt nur noch mit seinem eigenen Bogey in Verbindung stand.
Doona hatte gar keine andere Wahl mehr. Er mußte sofort handeln, wenn er
verhindern wollte, daß die Bogeys sich in ihrer selbstmörderischen Wut auf
den Saurier stürzten.
Bisher hatte Caral die Tiere allein dirigiert, aber selbstverständlich besaß
Doona einen Modulator, den er bedienen konnte. Allerdings fehlte ihm die
lange Erfahrung seines Freundes. Aber er war in der Lage, die Tiere selbst in
dieser brenzligen Situation unter Kontrolle zu halten.
Behutsam bedienten Doonas Finger die Tastatur. Nach einem winzigen
Augenblick der Unsicherheit, in dem die Bogeys nervös mit den Flossen
durch das Wasser peitschten, nahmen sie die Befehle des neuen Anführers
gehorsam entgegen.
Doona sendete Impulse, die Ruhe und Autorität ausstrahlten. Dann wies er
das Rudel an, seinem persönlichen Reittier zu folgen. Mit klammem Herzen
stellte er fest, daß Caral beängstigend nahe an den Saurier heranglitt. Er
spielte den Köder.
Der Saurier reagierte genauso, wie Caral es vorausgesehen hatte. Seine Auf
merksamkeit richtete sich nun ganz auf ihn. Zwar fuhr das klaffende Maul
abermals ins Leere, aber es verfehlte nur um Haaresbreite die Schwanzflosse
von Carals Bogey. Dann mußte Doona sich voll auf den Fluchtweg kon
zentrieren, wobei ein Teil seiner Aufmerksamkeit allein dem Bemühen galt,
bei den abrupten Kursänderungen zwischen den Schlingbäumen nicht aus
dem Sattel zu fallen.
Die Richtung war durch Carals Einsatz vorgegeben. Doonas am Handge
lenk befestigter Kompaß zeigte, daß Caral das Untier nach Süden lockte. Also
versuchte Doona die Flucht nach Norden. Erleichtert registrierte er, daß die
Lasttiere ihm folgten. Er hatte weder die Zeit noch den Überblick festzu
stellen, ob die Tiere vollzählig waren. Aber Bogeys lebten in Herden. Da
keines der Tiere bisher ein Opfer des Kampfes geworden war, durfte er davon
ausgehen, daß sein Bogey als Leitfisch akzeptiert wurde.
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Die rasende Flucht lenkte ihn von der Sorge um Caral ab. Trotzdem fühlte
sich Doona elend.
Was er insgeheim die ganze Zeit über befürchtet hatte, trat wenig später
ein. Die Bogeys stoppten ab und drängten sich trotz der sie behindernden
Pflanzen eng aneinander. Doona nahm an, daß sie eine Schutzformation
einnehmen wollten, wie bei dem Kampf mit dem Gallertwesen. Und sie ver
suchten ihn zu beschützen. Aber Doona befürchtete, daß es keinen Ausweg
mehr gab. Niemand würde überleben. Nicht Caral, nicht er selbst und keiner
der Bogeys. Die Expedition war gescheitert, noch ehe sie richtig begonnen
hatte: Aus dem Dunkel vor ihm glitten mit weit aufgerissenen Rachen drei
weitere Saurier heran. Der Lärm des Kampfes hatte die anderen Ungeheuer
herbeigelockt.
Putzkommando Lonzo
Hoffnungslosigkeit wäre kein gutes Wort gewesen, um die Lage der
Gefangenen von der EUKALYPTUS zu beschreiben. Denn sowohl Harpo, als
auch Ollie und Alexander wußten genau, daß sie die Kameraden niemals im
Stich lassen würden. Und die Unterkunft, die Flint, auf der Suche nach einem
geschützten Quartier, überraschenderweise aufgetan hatte, war immerhin
besser als das vorherige Lager. Das Innere der mysteriösen „Insel“ war ein
Wunderwerk der Technik, eine vollrobotisiert gesteuerte Anlage, deren Zweck
ihnen allerdings bisher schleierhaft war.
Flint hatte die Ansicht geäußert, es handle sich bei dem vegetationsbe
wachsenen Objekt um ein Unterseeboot, ein beschädigtes vielleicht, das
nicht mehr tauchen konnte.
Erik, sein Kumpan, hatte die Insel zunächst für das Beiboot eines Raum
schiffes gehalten, das irgendwann einmal auf dem Wasserplaneten abge
stürzt war. Aber dagegen sprach, daß es an Bord keinerlei Unterkünfte gab.
Die Räume waren angefüllt mit Maschinen, die vor sich hin arbeiteten, offen
bar Proben unterseeischen Lebens analysierten.
Harpo und seine Freunde meinten – helle wie sie nun einmal waren – es
hier mit einem automatischen Stützpunkt der Bewohner dieser Welt zu tun
zu haben. Andererseits gab es keine Anzeichen, daß der Wasserplanet über
haupt bewohnt war. Die Hoffnung, die rechtmäßigen Besitzer der Station
würden das Eindringen fremder Wesen feststellen, herbeieilen und die drei
EUKALYPTUSKinder von den Gangstern befreien, erfüllte sich nicht. Und
mit jedem Tag, der verstrich, wuchs ihre Sorge, es würde den Gangstern
gelingen, die Übergabe der EUKALYPTUS zu erpressen.
Wie ein Alptraum flog das Geschehen an Harpos innerem Auge vorüber, als
er, die Hände gefesselt, auf dem nackten Metallboden im Inneren der Insel
lag. Immer wieder hatte er sich gegen die Entführer gewehrt und versucht zu
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fliehen. Einmal, kurz nachdem sie die Insel erreicht hatten, war es ihm auch
fast gelungen. Aber Flint und Erik hatten ihn eine halbe Stunde später ein
gefangen. Die Insel war nicht groß genug, um sich erfolgreich zu verstecken.
Hätten sie natürlich schon am Tag ihrer Ankunft geahnt, daß es einen Weg
ins Innere gab ...
Aber das wußten sie damals noch nicht. Beim gewaltsamen Eindringen der
Gangster in die Höhle war manches beschädigt worden. Eine der Schalt
wände sah reichlich ramponiert aus. Und jetzt befanden sie sich schon seit
Tagen in der Gewalt dieser Leute, von denen niemand wußte, woher sie
kamen, wer sie waren und was sie planten.
Seit Bharos auf der Insel erschienen war, ging es Ollie besonders schlecht:
Er hatte ständig die Nähe von Erik zu ertragen. Flint hatte angeordnet, daß
eine Fußfessel beide aneinanderkettete. Ollie hatte natürlich anfangs ziem
lich gemotzt und sogar versucht, den Mann mit seinen Wahnsinnssprüchen
auf den Arm zu nehmen. Aber der verstand keinen Spaß. Sobald Ollie den
Mund aufmachte, bekam er einen Knuff in die Seite.
Nur wenn Ollie unaufschiebbare Geschäfte zu verrichten hatte – in einem
leeren Raum, der nach einiger Zeit nicht gerade wie ein Parfümgeschäft roch
– wurde er die Fesseln kurzfristig los. Das hieß dann aber, daß Harpo das
zweifelhafte Vergnügen hatte, an Erik gefesselt zu werden. An Alexander
mochte sich Erik nicht anketten, vor dem hatte er Angst, was auch erklärbar
war, wenn man Alexanders Bärenzähne sah.
Erik gefiel diese Fesselungsprozedur natürlich ebensowenig, und er stän
kerte bei jeder Gelegenheit. Aber hier hatte nur einer das Sagen – und das war
Flint, der Glatzkopf mit dem schwarzen Bart. Und Flint schien nicht dumm
zu sein. Unter seiner spiegelblanken Kopfhaut befand sich ein gut geöltes Ge
hirn.
Seltsam allerdings erschien Harpo das Verhalten der beiden anderen Ent
führer. Der Verletzte mit dem Kopfverband hatte in dieser Runde gar nichts
zu melden, das war klar. Er sprach selten ein Wort und wurde auch niemals
um seine Meinung gebeten. Er hatte Harpo einmal – in einem unbeobachte
ten Moment – zugeblinzelt. Und er trug keine Waffe.
Die Frau, deren Name Rita war, hatte offenbar ziemliche Angst vor Flint
und Erik. Auch sie sprach nicht viel, versuchte aber, sooft es ging, für die
Gefangenen Erleichterungen zu erwirken. Allerdings wurden diese Vorschlä
ge meist abgewiesen. Sie kümmerte sich in einer Weise um den Verletzten,
die Harpo vermuten ließ, daß sie ihn sehr gern hatte und in Sorge um ihn
war.
Seit dem Einstieg in die Insel hatten sie nur noch Flint und Erik zu Gesicht
bekommen. Harpo fragte sich, ob Flint das angeordnet hatte. Sicher war es
so. Möglicherweise waren Rita und der verletzte Fredy – der Name war ein
mal gefallen – bereits ebenfalls irgendwo eingesperrt.
Allmählich wurden die Nahrungsmittel knapp, denn die Vorräte aus dem
Schlauchboot reichten nicht ewig. Den beiden Hauptganoven schien das
keine Sorgen zu bereiten. Und außerdem hatte Flint höhnisch berichtet, daß
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die EUKALYPTUS endlich die Insel entdeckt und ein Ultimatum gestellt be
kommen hatte. „Wurde ja schließlich Zeit, daß sie uns fanden“, hatte er geki
chert. „Sehr viel länger halten wir es hier auch nicht mehr aus.“
Zum hundertsten Mal entwarf Harpo einen abenteuerlichen Fluchtplan
und verwarf ihn wieder. Alles basierte darauf, daß sie zu dritt – denn sonst
würde sich Flint bestimmt an einem Zurückbleibenden rächen – entwischen
konnten. Harpo glaubte, den Weg an die Oberfläche der Insel leicht zu
finden. Irgendwann mußte die Hilfe von der EUKALYPTUS kommen. Oder es
gelang, das Schlauchboot zu flicken, das Flint nach ihrer Ankunft kurzerhand
mit einem Messer beschädigt hatte, um eine Fluchtmöglichkeit auszu
schließen. Der springende Punkt war nur, daß es kaum denkbar war, aus der
unmittelbaren Nähe der Bewacher zu entwischen.
Der Raum, in dem sie sich meistens aufhielten, machte eine Flucht aus
sichtslos. Er war, von einigen fest mit dem Boden verbundenen Sitzgelegen
heiten und Ablagetischen abgesehen, völlig leer und gleichförmig. Man
konnte sich nirgendwo verstecken und nicht darauf hoffen, daß sich Erik ir
gendwie ablenken ließ.
Tatsächlich konnte der Mann mit einer fast unheimlich anmutenden Ruhe
Stunde um Stunde vor sich hinstieren, ohne ein Wort zu sagen. Dazwischen
beschäftigte er sich jedoch damit, die Gefangenen auszufragen. Verständli
cherweise wollte er wissen, wie sie in diesen Sektor des Weltraums kamen, so
wie Harpo und die anderen gern erfahren hätten, woher die Gangster kamen.
Mit einigen Drohungen erreichte es Erik, alles über die Geschichte der EUKA
LYPTUS und ihrer Mannschaft zu hören.
Er und Flint wußten auf diese Weise bereits nach einem Tag, daß sie nicht
mit dem Widerstand Erwachsener rechnen mußten, was ihnen natürlich un
geheuren Auftrieb gab. Über ihre eigene Lebensgeschichte schwiegen sie sich
jedoch trotz wiederholter Fragen beharrlich aus.
So waren die Tage vergangen, in denen die EUKALYPTUS beinahe den
ganzen Wasserplaneten abgesucht hatte und schließlich auf die Insel
gestoßen war. Flint hatte mit einem Handfunkgerät ein Ultimatum abge
strahlt und rechnete stündlich mit einer Antwort. Das war auch der Grund,
warum sich Eriks stoische Gleichmütigkeit allmählich in eine sogar für die
Gefangenen beunruhigende, unerklärliche Nervosität verwandelte.
„He!“ rief der Mann plötzlich, richtete sich auf und entsicherte seine Waffe.
Harpo schreckte hoch. Erst wußte er nicht, was in Erik gefahren war. Doch
dann begriff er, was ihn aufregte. Aus dem Nebenraum erklangen harte
Schritte, die sich zweifelsohne unabänderlich auf die Türe zubewegten.
Harpo und Alexander waren so hellwach wie ihr Wächter, als die Metalltür
aufgestoßen wurde. Nur Ollie schlief an Eriks Seite und sägte dabei einen
Tannenwald ab.
Nahten die Befreier?
Aber ... Es war auch nicht Flint, der den Raum betrat. Der kündigte sich so
wieso immer erst durch sein lautes Organ an.
Es war – Lonzo! Und hinter ihm kamen drei der Grünen herein.
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Harpo unterdrückte einen leisen Aufschrei der Freude und sah, daß auch
Alexander sich erstaunt eine seiner mächtigen Bärenpranken vor den Mund
legte. Ungerührt glitt Lonzo mit den Grünen heran. Scheinbar desinteressiert
an den Insassen des Raumes fummelten sie mit ihren Tentakeln an den
glatten Metallwänden herum, als hätten sie den Auftrag erhalten, eine In
spektion auszuführen oder dort Staub zu wischen.
„Wo kommen diese verdammten Roboter her?“ fragte Erik verdutzt. „Wir
haben diese komische Insel doch vom Keller bis zum Dachboden einer Un
tersuchung unterzogen.“ Seine Augen blitzten mißtrauisch. Er richtete sich
ganz auf, wobei Ollies Bein unsanft zur Seite gezerrt wurde. Ollie bewegte
sich im Schlaf unruhig hin zu her.
„Hinaus, ihr Biester!“ schrie Erik ziemlich fassungslos und fuchtelte mit sei
nem Laser herum. Aber die Roboter reagierten nicht und fuhren gemächlich
in ihrem Tun fort. Allmählich kamen sie dabei Erik immer näher ...
„Bleibt mir vom Leib!“ schrie er aufgebracht. „Flint! Flint! Wo steckst du?“
In diesem Moment erwachte Ollie, der ansonsten einen gesunden Schlaf
hatte, sah ungläubig auf Lonzo und seine Genossen und krähte, nicht
wissend, daß die den Eindruck zu erwecken suchten, als gehörten sie zum In
ventar der Insel: „Mensch, Lonzo, alter Kumpel ...“ Als er jedoch sah, was er
da angerichtet hatte, hätte er sich am liebsten die Zunge abgebissen. Aber es
war schon geschehen.
„Der Wicht kennt die Roboter! Abgekartetes Spiel!“ fluchte Erik.
Bevor er etwas Dummes anstellen konnte, war Lonzo mit einem gewaltigen
Satz seiner elastischen Beine heran und peitschte ihm mit zwei Tentakeln
gleichzeitig den Laser aus der Hand. Scheppernd fiel die Waffe zu Boden,
aber zum Glück löste sich kein einziger Schuß.
Während Lonzo mit zweien seiner Greifarme nach dem Ding angelte, stieß
er Erik mit den anderen beiden heftig zurück. Ollie zog geistesgegenwärtig an
der Beinfessel und brachte ihn damit vollends zu Fall.
„In Ordnung“, kam es plötzlich von der Tür her. „Das reicht wohl!“ Flint
stand dort und zielte mit seinem Laser auf Alexander. „Die Waffe mit dem
Griff nach vorn sofort Erik übergeben“, kommandierte er frech. „Sonst
versenge ich dem Dicken hier das Fell!“
„Dicker?“ grunzte Alexander wütend und zerrte an seinen Fesseln. „Wo ist
hier ein Dicker?
„Nur unter Protest, Herr Obergangster“, knurrte Lonzo, tat aber, was von
ihm verlangt wurde. Mit verkniffenem Mund nahm Erik den Laser entgegen.
Mit der anderen Hand löste er das Schloß der Kette, die ihn mit Ollie verband.
Der rieb sich das Bein, als er endlich frei war.
„Ich konnte nichts dafür, Flint“, brummte Erik. „Was machen wir nun? Ich
hab’ es auf jeden Fall satt, an diesen Bengel gefesselt zu sein. Du siehst ja, daß
die Fessel mehr behindert als nützt!“
„Na schön“, sagte Flint. „Aber wir dürfen ihn nicht aus den Augen lassen.“
Er überlegte eine Weile und fügte dann hinzu: „Es dürfte den Leuten auf dem
Raumschiff jetzt klargeworden sein, daß sie gegen uns keine Chance haben.
55
Ich werde das Ultimatum jetzt erneut stellen und eine sofortige Entscheidung
verlangen. Ehe sie uns eine ganze Kompanie von diesen verfluchten Eisen
kerlen auf den Hals schicken, müssen wir hier raus sein. Ich schätze, daß es
sie ganz schön beeindrucken wird, wenn sie erfahren, daß wir ihr Putzkom
mando entlarvt und festgesetzt haben. Trotzdem wollen wir vorher auf jeden
Fall noch einen Rundgang machen, um nachzusehen, ob sie nicht noch eine
von diesen unliebsamen Überraschungen für uns vorbereitet haben.“ Und zu
den Gefangenen gewandt meinte er: „Der Knirps hier wird uns begleiten.
Wenn ihr ihn unversehrt wiedersehen wollt, rate ich euch, zu bleiben wo ihr
seid. Und macht keine dummen Sachen!“ Er winkte Ollie heran.
Der zögerte zuerst, biß sich dann aber tapfer auf die Unterlippe und folgte.
Die Tür fiel zu und wurde von außen verriegelt.
„Das wäre für den Sonderbevollmächtigten für Tricks, Haken und Ösen
kein Hindernis“, knurrte Lonzo verächtlich. „Normalerweise könnten wir
problemlos ein Loch hineinschneiden. Aber lieber nicht. Wer weiß, was die
dann mit dem Schiffsjungen Oliver anstellen!“
„Daß dieser Flint auch ausgerechnet in diesem Moment auftauchen
mußte!“ schimpfte Harpo und ballte die Fäuste. „Trotzdem, Lonzo. Jetzt
mußt du erst einmal berichten. Was machen die anderen? Was habt ihr in
zwischen getrieben?“
„Es begann eigentlich alles mit Captain Kidd“, setzte der Roboter an.
„Lonzo!“ protestierte Alexander. „Keine Räubergeschichten jetzt! Wir
wollen wissen, wie ...“
„Aber das hat wirklich mit Captain Kidd zu tun!“ trompetete Lonzo. „Oder
genauer gesagt mit Cham Ping Yong, seinem zweiten Steuermann. Ihr müßt
nämlich wissen, daß er seinerzeit einen listigen Plan entwickelte, um Captain
Bligh einen Schatz abzujagen. Und außerdem konnte er kein R aussprechen.
Abel ihl wollt jetzt natüllich ... Intelgalaktischel Dleck! Meine Löhle ist wiedel
im Eimel!“
Harpo und Alexander wußten nicht, ob sie nun lachen oder weinen sollten.
Aber schließlich brachte Lonzo – mit vielen Ls und ohne Rs – seine komische
Geschichte des Plans 23L doch noch zu Ende.
Die Aussichten waren düster, das mußten alle zugeben, denn Flint und Erik
würden sich nun nicht mehr so leicht überlisten lassen. Sie würden keine Se
kunde mehr unaufmerksam sein – bis die EUKALYPTUS in ihrem Besitz war.
Und das konnte bereits in Kürze der Fall sein!
56
Im Reich der Froschmenschen
Doona hing bewegungslos auf seinem Bogey. Er war zu keiner Gefühlsre
gung mehr fähig, nicht einmal zur Panik. Aber sein Reittier reagierte für ihn
und achtete allein auf die Gefahr. Es warf den massigen Körper herum und
entging den zuklappenden Kiefern des vordersten Sauriers.
Die abrupte Wendung des Bogeys brachte Doona wieder zur Besinnung.
Die aufgestauten Gefühle brachen mit plötzlicher Wucht über ihn herein. So
verrückt der Gedanke war: Am liebsten hätte er sich auf einen der Saurier ge
stürzt und ihn mit Faustschlägen traktiert. Mit einem Anflug von Galgen
humor fragte er sich, welches Formblatt für eine solche Aktion wohl
auszufüllen war ...
Die Saurier gingen unerwartet planvoll vor. Nur das vorderste Tier jagte
wütend zwischen den Bogeys umher, ohne auch nur einen ernstlich in
Gefahr zu bringen.
Die beiden Angreifer schwärmten aus. Tatenlos verfolgten sie von den
Flanken her die Vorstöße ihres beißwütigen Artgenossen. Immerhin hatten
sie sich so postiert, daß es Selbstmord war, sich auf einen Ausbruchsversuch
im Bereich des vorderen Fluchtradius vorzubereiten. Eine Wand aus bröck
ligem Gestein und engmaschigen Wasserpflanzen verwehrte im Hintergrund
das Entkommen. Wie es schien, war dieser Teil des CovallhaGartens eine
maßgeschneiderte Falle. Sicher jagten die Saurier hier nicht zum ersten Mal.
Als Doona den zweiten Teil ihre Plans erkannte, war es bereits zu spät, ihn
zu durchkreuzen. Der scheinbar ziellos um sich beißende Saurier hatte die
Aufgabe, die Bogeyherde zusammenzuhalten und noch dichter an den
Pflanzenvorhang zu treiben. Die zuckenden Flossen der beiden anderen Tie
re zeigten, daß sie sich im nächsten Moment auf ihre Opfer stürzen würden.
Aber der Angriff wurde niemals ausgeführt. Ein dunkelroter Schein ent
stand auf dem Boden des Meeres, der sich in Bruchteilen von Sekunden zu
einem hellroten Glosen steigerte.
Die Saurier zögerten nicht einen einzigen Flossenschlag lang. Sie drehten
ab und jagten wie von Furien gehetzt davon, eine lange Schaumspur hinter
sich herziehend.
Während Doonas Finger über die Tastatur des Modulators jagten, wurden
die ersten Gesteinsbrocken vom Boden des Meeres aufgewirbelt. Gebremst
durch die Widerstandskraft des Wassers bewegten sie sich gespenstisch lang
sam voran und sanken schnell wieder herab. Aber über die Ursache der
hochschnellenden Steine gab es für Doona keinen Zweifel: Ein untersee
ischer Vulkan war erwacht! Er stand unmittelbar vor dem Ausbruch.
Flucht! Noch bevor die Ultraschallwellen des Modulators die Gehirne der
Bogeys erreichten, schossen die Tiere pfeilschnell aus der Gefahrenzone.
Doona krallte sich im Sattel fest. Niemand konnte sagen, ob überhaupt
eine Überlebenschance für die Herde bestand. Aber wenn er jetzt den Halt
verlor, gab es für ihn keine Hoffnung mehr.
57
In Doonas Kopf jagten die Gedanken. Er hatte davon gehört, daß in diesem
Meeresbereich von Meßsonden tätige Vulkane registriert worden waren. Aber
viel half ihm dieses Wissen jetzt auch nicht. Die Bogeys und er – und Caral,
wenn er noch lebte – hatten nur dann eine Chance, wenn es ihnen gelang,
viele tausend Meter zwischen sich und dem Ausbruchsherd zurückzulegen,
bevor die eigentlichen Eruptionen einsetzten. Und selbst dann waren sie
noch auf die Hilfe einer Schar von Schutzengeln angewiesen.
Der Vulkan durfte im Grund nur ein bißchen knurren und dabei höchstens
ein paar hundert Tonnen Gestein durch das Wasser schleudern. Einen
starken Ausbruch, verbunden mit einem Seebeben, würde niemand im Um
kreis von zehn oder zwanzig Kilometern überleben. In den letzten zwei Jah
ren hatte es vier starke Eruptionen gegeben, bei denen kurzzeitig spitze
Felsnadeln als neue Inseln aus der See gewachsen waren.
Trotz der Hast verlief die Flucht diszipliniert. Selbst in diesem Moment
schwammen die Bogeys noch in Formation und schirmten Doonas Leittier
nach hinten mit ihren Leibern ab. Aber gegen die Felsgeschosse eines Vul
kans würden sie nichts ausrichten können.
Doona bemerkte, daß die Herde die Fluchtrichtung änderte. Sie waren zu
nächst den flüchtenden Sauriern gefolgt, weil dort die einzige passierbare
Wasserstraße verlief.
Wo nicht bereits ein natürlicher Schlupftunnel zwischen den riesigen
Wasserpflanzen existierte, hatten die schweren Leiber der Raubsaurier ihn
jetzt in das Pflanzendickicht gefräst.
Auf ihren Spuren kam man schneller voran als auf jedem anderen Weg. In
zwischen suchten sich die Bogeys jedoch ihre eigene Bahn durch das Laby
rinth der Wasserpflanzen und bemühten sich, zwischen beide Gefahren – den
Vulkan und die Saurier –gleich viel Abstand zu bringen.
Die Bogeys bogen ihre massigen Körper wie Gummileiber und jagten im
Slalom zwischen den Gewächsen hindurch. Mehr als einmal streifte ein
Pflanzenstrang Doonas Körper, mehr als einmal klatschten ihm aufge
dunsene Pflanzenpolster, wassersackähnliche Algen und Schwämme ins
Gesicht oder gegen die Schultern, und mehr als einmal fühlte er sich dabei
schon halb aus dem Sattel gehoben.
Aber irgendwie gelang es ihm, sich auf seinem Reittier zu halten. Weiter
ging die wilde Jagd. Ein Ende war nicht abzusehen. Doona durchlebte diesen
Alptraum im zähen Kampf mit sich selbst. Er war mehrfach nahe daran,
einfach loszulassen und aufzugeben. So kämpfte er Sekunde um Sekunde,
Minute um Minute. Ein gutes Ende der Flucht schien ihm so fern wie das
Licht der Sterne. Der Vulkanausbruch war nicht aufzuhalten.
Dann geschah es. Doona hörte ein Stöhnen und Fauchen, als würde ein
Riese aus einem jahrhundertelangen Schlaf erwachen und dabei entdecken,
daß ihn jemand gefesselt hatte. Der Riese zeigte nun, daß die dicken Taue für
ihn nichts weiter als lächerlich dünne Bindfäden waren: Er zerriß sie mit
einem harten Ruck seiner starken Muskeln.
58
Das letzte, was Doona spürte, war der Hieb einer Titanenfaust, die ihn aus
dem Sattel fegte und durch das Wasser wirbelte, wie ein Sturm ein loses Blatt
durch die Luft tanzen läßt. Es preßte ihm den Brustkasten zusammen. Dann
verlor Doona das Bewußtsein.
Als er wieder erwachte, schmerzten alle seine Glieder. Wenn er es darauf
angelegt hätte, wäre es ihm leichtgefallen, jeden einzelnen Knochen seines
Körpers zu zählen. Denn jeder tat erbärmlich weh. Selbst das Atmen fiel
schwer. Aber nachdem er vorsichtig die Lungen bis zu den äußersten Spitzen
mit Luft gefüllt hatte und dabei den Brustkorb anschwellen ließ, glaubte er
mit einiger Erleichterung feststellen zu können, daß er noch intakt war.
Nichts war gebrochen. Er lebte.
Es war stockdunkel. Im ersten Moment jedenfalls. Dann bemerkte er in
einiger Entfernung ein schwaches, blaugrünes Schimmern. Seine Augen
hatten sich an die Umgebung gewöhnt und registrierten einige schattenhafte
Umrisse.
Wo war er?
Er konnte seinen Standort nicht identifizieren. Bestürzt stellte er fest, daß
sein Atemgerät fehlte. Auch der Zylinder mit dem Sauerstoffvorrat hing nicht
an der gewohnten Stelle seines Rückens. Panik erfaßte ihn, aber er konnte sie
schnell unterdrücken. Er atmete ja, also drohte ihm keine unmittelbare
Gefahr. Endlich gelang es Doona, die einzelnen Sinneseindrücke zu ko
ordinieren. Unter sich spürte er ein Lager aus weichen Pflanzen. Seitlich da
von fühlte er nackten Fels. Er tastete den Boden ab, stieß auf Metall: das
Atemgerät, der Sauerstofftank! Dann fuhr er mit den Händen über den Kunst
stoffOverall. Die Kapuze war geöffnet, die Brust Doonas entblößt. Der Over
all war trocken, ebenso sein Körper. Das konnte nur bedeuten .... Er befand
sich überhaupt nicht mehr im Wasser!
Noch immer war ihm unklar, wo er sich befand und wie er hierhergelangt
war. Aber nach allem, was er mühsam erkennen konnte, lag er auf dem
Boden einer Höhle, deren einzig sichtbarer Zugang eine Wasserkammer war.
Von dorther, aus dem Wasser, drang das blaugrüne Licht.
Auf allen vieren kroch Doona dicht an das Wasserloch heran. Ja, das Licht
fiel von außerhalb auf das Wasser und gab ein wenig Leuchtkraft bis in das
Innere der Höhle ab. Es war allerdings zu schwach, um die Ausmaße der un
bekannten Umgebung zu erkennen.
Ob er sich nun in einer Felsengrotte am Fuße einer kleinen Insel befand
oder in einer Luftblase am Meeresboden eingeschlossen war – jedenfalls leb
te er. Auch wenn er nicht wußte, wie er hierhergekommen war und wo die
Bogeys steckten. Wo mochte Caral sein? Wie war es ihm und den Tieren
ergangen? Immer wieder kreisten Doonas Gedanken um diese Fragen. Daß er
auf sich allein gestellt ziemlich hilflos war und sein Ziel niemals erreichen
würde, erschien ihm dabei nur von geringer Bedeutung. Das Expeditionsziel
war unter den Ereignissen der letzten Stunden in weite Ferne gerückt. Jeder
weitere Gedanke daran erschien ihm als Zeitverschwendung. Doona war rat
los. Er fühlte sich körperlich und geistig erschöpft. Die Anspannung der letz
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ten Stunden zeigte ihre Wirkung. Zu viele Reserven hatten bei der Flucht mo
bilisiert werden müssen. Die Augen fielen ihm zu. Er war sogar zu müde, um
zu seinem Lager zurückzukriechen. Das Lager! – Wenn alles andere ein Zufall
war – diese Unterlage aus Pflanzen hatte jemand für ihn ausgebreitet. Es
mußte ein Freund gewesen sein.
Dann bemerkte er mehrere Schatten im Wasser. Doona riß sich zusammen
und raffte sich noch einmal auf. Mehrere Wesen stiegen tropfend aus dem
Wasserloch. Er wurde angehoben und von feuchten, glitschigen Gliedern ge
packt und zu seinem Lager getragen.
Starr hing Doona zwischen den fremden Wesen. Er fühlte sich einsam und
verzweifelt. Ausgeliefert. Eines der Wesen klickte in der Nähe mit zwei
Steinen. Plötzlich glomm ein kleines Feuer auf, das in kurzer Zeit wärmend
emporzüngelte.
Doona sank auf das Lager zurück. Seine Augen ruhten ungläubig auf den
seltsamen Gestalten. Es waren sechs. Sie sahen aus wie ..., wie men
schengroße, schlanke Frösche mit dünnen Gliedern und Schwimmhäuten
zwischen Zehen und Fingern. Faustgroße, reglose Glotzaugen starrten auf ihn
herab. Sie ruhten in verhältnismäßig großen Schädeln, die Doona einmal
flach wie Pfannkuchen, dann wieder wie im Nacken spitz zulaufende Prisma
toide erschienen, je nachdem, ob er sie von vorne oder von der Seite betrach
tete.
An den Übergängen zwischen Kopf und Rumpf waren Kiemen zu er
kennen. Dennoch schienen die Wesen auch über Lungen zu verfügen, denn
sie bewegten sich ohne Mühe in der Sauerstoffatmosphäre.
Wer waren diese Amphibien? Warum hatten sie ihn gerettet? Weil er in Not
gewesen war – oder weil sie etwas von ihm wollten? Doona blinzelte gegen
den Feuerschein an. Hinter den Flammen sah er einen Neuankömmling aus
dem Wasser steigen. Er konnte nur Umrisse erkennen, aber irgend etwas
wirkte vertraut. Das war kein weiterer Froschmensch, sondern ...
„Doona!“ rief Caral und streifte im Gehen seine Tauchkapuze ab – die Mas
ke hatte er bereits beim Auftauchen vom Mund genommen. Er eilte auf den
am Boden liegenden Doona zu.
Die Amphibien bildeten bereitwillig eine Gasse, traten zurück, als sich Ca
ral über den Freund beugte.
„Das war knapp, was?“ sagte er mit ernster Stimme. „Wenn die Cruggs dich
nicht hierhergeschleppt hätten – ich wäre zu spät gekommen!“
„Daß du es geschafft hast!“ flüsterte Doona und hielt die Hände des älteren
Mannes. So matt er sich auch fühlte – jetzt hatte er wieder Hoffnung.
„Der Saurier hat mich und den Bogey so weit vom Bebenzentrum wegge
jagt, daß wir gut mit der Druckwelle fertigwurden“, berichtete Caral. „Du
warst mit den anderen erheblich näher dran.“
„Haben die Bogeys es geschafft?“
„Ja, wie durch ein Wunder. Einige wurden versprengt und fanden erst vor
Stunden wieder zu uns zurück. Sie sind dem Leitstrahl des Modulators ge
folgt. Du kannst dich übrigens bei den Bogeys ebenfalls bedanken. Sie hatten
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sich schützend über dir versammelt, als du bewußtlos auf dem Meeresgrund
lagst. Sie wollten dich nicht aufgeben. Erst durch dieses seltsame Verhalten
wurden die Cruggs auf dich aufmerksam. Wußtest du übrigens, daß sie sich
ebenfalls durch Ultraschall verständigen?
„Ich wußte nicht mal, daß es sie gibt“, sagte Doona schwach.
„Na, woher auch“, meinte Caral lächelnd. „Aber allein dadurch gelang es
unseren neuen Freunden, die Bogeys soweit zu beruhigen, daß sie sie an dich
heranließen. Inzwischen hatte ich über den Modulator mit ihnen Kontakt
aufgenommen. Gespräche in unserem Sinn sind natürlich nicht möglich,
dazu sind die Geräte zu primitiv. Aber die wichtigsten Empfindungen und
Wünsche lassen sich doch mit ihnen ausdrücken.“
„Wie hast du mich gefunden?“ wollte Doona wissen. Er fühlte sich wieder
etwas besser.
„Wie die anderen Bogeys dich auch gefunden haben: Durch die Impulse
deines eingeschalteten Modulators. Im ersten Moment dachte ich, die Cruggs
hätten dich gefangengenommen. Aber das Mißverständnis war rasch aufge
klärt.“
„Und was sind die ... Cruggs für Wesen? Sind sie intelligent?“
„Das kannst du laut sagen, auch wenn es deinen Vorgesetzten auf SHAVAC
CORZentral sicher nicht in das Konzept paßt. Sie leben in geringer Anzahl in
seichten Bereichen des Meeres, ziehen sich aber als Amphibien gerne aufs
Trockene zurück und werden überraschend gut mit ihren Feinden fertig. Sie
imitieren den Todesschrei der Saurier und anderer Meeresräuber und halten
sich die Bestien dadurch vom Leibe.“
Doona mußte grinsen. „Wie lange liege ich eigentlich schon hier unten –
wir sind doch ‚unten‘, oder?“
„Ja, aber die Höhle liegt nicht tief – höchstens zehn Meter unter dem Mee
resspiegel. Sie scheint Teil eines größeren Labyrinths zu sein. Und was die
andere Frage betrifft: Du warst stundenlang bewußtlos.“
„So lange? Da wird es aber Zeit, daß ich mich endlich aufrapple!“
Caral drückte ihn sanft auf das Lager zurück. „Du wirst dich noch ein paar
Stunden erholen. Wir versäumen hier nichts, sondern sammeln im Gegenteil
wertvolles Forschungsmaterial.“
Unternehmen Tiefkühlkost
Die Stimmung an Bord der EUKALYPTUS war dem Nullpunkt ziemlich na
he. Und das war auch verständlich, denn daß Lonzos Aktion fehlgeschlagen
war, stand nach einigen Stunden der Abwesenheit für jeden fest. Zu allem
Überdruß hatten sie keine Funkverbindung mehr mit Lonzo. Das ließ das
Schlimmste befürchten, konnte aber auch bedeuten, daß man ihn irgendwo
festhielt, wo die Wandung das Durchdringen von Funkwellen verhinderte.
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Thunderclap zischte mit seinem Rollstuhl seit dem Beginn von Lonzos
Schweigen wie ein Rennfahrer durch die weiträumige Zentrale, wobei er ab
wechselnd die Fäuste ballte und greuliche Raumfahrerflüche ausstieß.
„Schwatzmaul“, knurrte er plötzlich, „eine Idee muß her!“
Die auf der EUKALYPTUS verbliebene Mannschaft blickte auf. Wenn ihren
Freund Thunderclap etwas piesackte, war er nicht zu bremsen, das hatten sie
alle schon öfters erlebt. Probleme waren für ihn da, um gelöst zu werden.
Und dabei konnte der gelähmte Junge verflixt hartnäckig sein! „Wenn die
vierundzwanzig Stunden des Tages nicht ausreichen“, war eine seiner stän
digen Redewendungen, „dann nehmen wir eben noch die Nacht hinzu!“
Schwatzmaul war sofort einverstanden. „Jawohl, Herr Kommandant. Eine
Idee. Ich eile!“ Geschäftig ratterten seine Rechensysteme.
Etwas machte klick. Das Rattern hörte auf. Die Mannschaft – nun auf Brim,
Karlie, Anca, Micel, Bharos, Trompo und Thunderclap zusammenge
schrumpft – spitzte die Ohren.
„Ich habe die Lösung“, gab Schwatzmaul bekannt. „Wir gehen auf das
Ultimatum der Piraten ein und übergeben ihnen die EUKALYPTUS
kampflos!“
„Was?“ schrie Thunderclap. Er stellte sich vor Empörung beinahe hin. „Das
ist Wahnsinn!“ „Das ist Verrat!“ trompetete Trompo.
„Was meint er?“ fragte Micel Fopp kopfschüttelnd. Leider war er nicht in
der Lage, die Gedanken einer Maschine zu lesen.
Ancas Unterlippe zitterte etwas, während Brim sich zweifelnd an seinen
schwarzen Krauskopf faßte und in die Wange kniff. „Aber ich träume doch
gar nicht“, murmelte er.
Aus Schwatzmauls Innerem war jetzt ein seltsames Geräusch zu hören.
Bharos, der mit ziemlich unbeweglichem Gesicht der ganzen Szene gefolgt
war, sprang plötzlich auf, die Augen weit geöffnet.
„Ddder Computer!“ stieß er hervor und deutete entsetzt mit dem Finger
auf Schwatzmauls Verkleidung. „Er lacht!“
„He, he, he!“ grinste Thunderclap wie ein Faun. Na klar lacht er! Er ist ja
auch kaputt!“
„Kaputt?“ Bharos sah seine neuen Freunde zweifelnd an. „Aber wie könnt
ihr von einem kaputten Computer Berechnungen vornehmen lassen?“ Er
verstand offenbar das Universum nicht mehr.
„Du kennst wohl doch noch nicht alle Macken, die Schwatzmaul hat“, sag
te Karlie grinsend. „In ein paar Wochen wirst du dich über gar nichts mehr
wundern, Bharos. Wir jedenfalls haben das Wundern alle längst aufgegeben.“
„Also Spaß beiseite“, meinte Thunderclap so ruhig er konnte. „Wenn
Schwatzmaul uns was Irrsinniges vorschlägt, können wir in der Regel davon
ausgehen, daß es das nicht etwa tut, weil bei ihm eine Schraube locker ist. Es
wird sich schon was dabei gedacht haben ...“ Er warf Schwatzmauls Hülle
einen zweifelnden und warnenden Blick zugleich zu. „Oder habe ich mich ge
irrt, Schwatzmaul?“
62
„Es ist in der Tat so, wie Thunderclap es ausdrückt“, kam die steife Antwort
des Computers. „Der unmaßgebliche Vorschlag meiner Wenigkeit zielt dar
aufhin ab, daß ...“
„Schwatzmaul!“ heulte die Besatzung.
„... dahin“, setzte Schwatzmaul erneut an und produzierte ein schüchter
nes Räuspern, „daß wir zwei Kuriere zu Flint hinunter schicken und ihm an
bieten, unter gewissen Bedingungen seine Forderung anzunehmen. Wenn er
der Querkopf ist, für den ich ihn aufgrund einer Stimmcharakteranalyse
halte, wird er die Parlamentäre zusammenschreien. Dies sollte er tun, um zu
glauben, sie damit eingeschüchtert zu haben. Die Parlamentäre zeigen sich
ängstlich und verschreckt und übertragen diese Ängstlichkeit pro forma auf
die anderen Besatzungsmitglieder. Dies ist wichtig, weil Flint und seine Leute
sich absolut sicher fühlen müssen, wenn sie die Gleitboote besteigen und
zu ... ähm ... mir hinauffliegen.“
„Und dann hauen sie ab“, sagte Anca.
„Quatsch!“ fiel Brim ein. Er fing plötzlich zu lachen an. „Hohoho! Jetzt ver
stehe ich!“ Er sprang auf, nahm Anca in die Arme, gab ihr einen knallenden
Riesenschmatzer und wirbelte sie herum, während ihm die Lachtränen über
die Wangen liefen. Anca fiel plötzlich in das Gelächter ein, dann folgte Micel,
der ihre Gedanken las. Thunderclap begann zu glucksen wie ein Frosch mit
Magenschmerzen, Bharos kicherte listig und Trompo schmetterte die Ou
vertüre aus der Oper „Komm rein und mach die Tür zu, denn draußen ist es
schweinisch kalt“.
Der einzige, der wieder mal schwer von Begriff war, war Karlie. Mit einem
Finger zwischen den Zähnen fragte er: „Na und? Was soll daran so komisch...“
Seine Miene hellte sich erst auf, als sich die anderen von ihrem Anfall
längst wieder erholt hatten. Er war eben manchmal ein Spätzünder.
Eine rasche Abstimmung ergab, daß niemand etwas gegen das von
Schwatzmaul projektierte Unternehmen „Tiefkühlkost“ einzuwenden hatte.
Strengste Geheimhaltung wurde beschlossen, auch wenn an Bord niemand
war, der den Plan, der mehr Erfolg versprach als Lonzos 23L, hätte verraten
können.
Als Kuriere wurden diesmal Thunderclap und Anca ausgewählt. Man
erhoffte eine starke psychologische Wirkung auf die Gegner, die sicher glau
ben würden, mit einem Rollstuhlfahrer und einem Mädchen leichtes Spiel zu
haben. Thunderclap war sowieso wild darauf, endlich einmal wieder planeta
re Natur zu sehen und zu riechen, auch wenn sie größtenteils aus Wasser
bestand. Da er wegen der Transportschwierigkeiten seines Rollstuhls sowieso
meist darauf verzichtete, die EUKALYPTUS zu verlassen, konnte und wollte
ihm diesmal natürlich niemand diesen Wunsch abschlagen.
63
Neue Gäste auf der Insel
Bald nach den dramatischen Ereignissen im CovallhaGarten brach die Ex
pedition wieder auf. Die Stunden der Ruhe hatten Doona gut getan, und sei
ne Erschöpfung war neuem Tatendrang gewichen.
Auf der anderen Seite wäre er gern noch einige Tage bei den Cruggs ge
blieben, denn viele Rätsel über die Herkunft und Kultur dieser Wesen blieben
ungelöst. Hoffentlich würde es auf der Rückreise Gelegenheit geben, hier
einige Tage zu verbringen.
Mehrere Cruggs begleiteten Caral und Doona mit ihren Bogeys, aber bald
blieben sie winkend zurück, denn die Reittiere waren doch zu schnell für sie.
Doona dachte noch eine ganze Weile über seine Retter nach. Ungefähr
hundert von ihnen lebten in einer Gemeinschaft zusammen, die wohl mit
einem Stamm zu vergleichen war. Es gab auch andere CruggStämme in Co
vallhaGarten und sicher auch anderswo auf Tonoga. Aber sie schienen einer
aussterbenden Art anzugehören: Sie waren darauf angewiesen, sich öfter aus
dem Wasser an Land zurückzuziehen, insbesondere deshalb, weil ihr Nach
wuchs erst einige Monate nach der Geburt funktionsfähige Kiemen bildete.
All dies deutete darauf hin, daß sie früher einmal in Sümpfen gelebt hatten.
Vermutlich hatte es vor Tausenden von Jahren noch ganz anders auf Tonoga
ausgesehen. Damals mußte es größere Landmengen gegeben haben. Zu
ähnlichen Ergebnissen waren die Tanitaner bereits gekommen, als sie
Bodenproben untersucht hatten.
Die Cruggs ernährten sich von kleinen Fischen und Pflanzen. Werkzeuge
und Waffen kannten sie nicht, außer den Feuersteinen, die sie geschickt
handhabten. Es war weder Caral noch Doona gelungen herauszufinden,
warum die Cruggs Feuer machten. Vielleicht erinnerte sie das Feuer an das
Licht und die Wärme der Sonne Tonogas, die einst ihren Ahnen geschienen
hatte.
Es war ein unwahrscheinliches Glück gewesen, daß der Vulkanausbruch sie
nicht nur aus den Klauen der Raubsaurier befreit, sondern ihnen außer ein
paar blauen Flecken und einigen zerrissenen Leinen keinen Schaden zuge
fügt hatte. Sogar die Wohnglocke, die sich als Folge der Druckwelle selbstän
dig gemacht hatte, war unbeschädigt geborgen worden. Eine von den Cruggs
ausfindig gemachte Abkürzung durch den CovallhaGarten sorgte dafür, daß
sie die letzten Ausläufer dieses „Meeres im Meer“ schon nach wenigen
Stunden erreichten. Nach halbstündiger Suche fanden sie einen genügend
weiten Unterwassertunnel, und die Bogeys schossen mit spürbarer Freude in
das offene Meer hinaus.
Mit dem CovallhaGarten hatten Caral und Doona das schwierigste Hin
dernis der ganzen Reise hinter sich gebracht. Und obwohl sie bis zum Schluß
fürchteten, erneut von Sauriern überfallen zu werden, blieben sie unbehel
ligt.
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Von nun an reihten sich fast gefahrlos Stunden an Stunden. Das Leben im
Meer war zur Routine geworden, und mit jeder weiteren Stunde kamen die
beiden ihrem lang ersehnten Ziel näher. Nur selten wurde der stetige Wech
sel zwischen Reitsattel und Wohnglocke, Wachen und Ruhen, Essen und
Jagen durch außergewöhnliche Ereignisse unterbrochen. Meistens waren es
größere Raubfische oder Kraken, die kurzzeitig für Unruhe sorgten. Die Bo
geys jedoch zeigten sich allen Gegnern stets an Kampfstärke und Schnellig
keit überlegen. Für die erfahrenen und sattelfesten Reiter gab es zwar ab und
zu noch bange Minuten zu überstehen, aber sie schauten diesen Gefahren
mit ruhiger Gelassenheit und Selbstsicherheit ins Auge.
Endlich erreichten sie die Jadeschlucht, eine enge Meerpassage, die aus
mehreren Gründen gefürchtet wurde. Zum einen lagen unter den grünen
Felsen gewaltige Eisenerzlager, die das Passieren von Magnetbooten un
möglich machten. Schuld am Ruf der Schlucht aber war hauptsächlich eine
Tatsache: Hier bildete sich aus noch unerforschten Gründen zuweilen ein ge
waltiger Sog, der das Wasser wild durch die Meerenge schießen ließ, daß es
gefährlich brodelte, schäumte und zischte. Und da die oberen Felsen der
Schlucht bis knapp über die Wasseroberfläche ragten, war dieses Schauspiel
selbst aus der Luft zu beobachten. Hinter der Schlucht zog ein Strudel die
Wassermassen in einen 15 000 Meter tiefen Schlund hinab.
Aber der Expedition zeigte sich die Jadeschlucht von der Sonnenseite. Eine
milde Strömung trug die Bogeys an den Felswänden vorbei, so daß die Reiter
Muße hatten, das Schauspiel der Farben und Formen zu genießen. Die
Sonnenstrahlen glitzerten durch das Wasser und brachen sich gleißend am
Gestein. Doona fühlte sich an weißgrünen Lichtwänden vorbeigetragen, die
schwerelos wie Watte wirkten, aus sich selbst heraus zu leuchten schienen
und eine Aura verborgener Geheimnisse verbreiteten.
Dann waren sie hindurch. Die Jadeschlucht war etwa einen Kilometer lang
gewesen und weitete sich zu einer unterseeischen Tiefebene aus. Doona at
mete auf, als sie den Graben passierten, dessen tiefste Stelle das Grab aller
Opfer des Strudels war. In diesem Moment jedoch lag das Wasser schwarz
und reglos unter ihnen.
Die Bogeys schossen über den gefährlichen Graben hinweg, peitschten mit
ihren mächtigen Leibern das Wasser. Dann lag der Abgrund hinter ihnen. Aus
der Tiefe heraus wurden Felsnadeln sichtbar, die Rinne wurde flacher und
flacher, bis sie sich in den Falten des rauhen Meeresbodens verlor.
Jetzt erst wußte Doona, daß sie die Forschungsstation erreichen würden,
wenn nicht eine unvorhergesehene Katastrophe im letzten Moment alles
zunichte machte. Die schlimmsten Gefahren der tonoganischen Meere
waren überwunden.
Der letzte Teil der Reise wirkte auf die Reiter wie ein Kinderspiel. Auf
regendes ließ sich darüber kaum berichten. Dann tauchte in der Ferne an der
Wasseroberfläche ein Schatten auf. Caral und Doona waren nicht überrascht,
denn seit Stunden war der Peilton, nach dem sie ihren Kurs ausrichteten, in
ihren Funkgeräten lauter geworden. Aus dem Schatten wurde der tellerför
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mige Rumpf einer schwimmenden Insel, über und über mit Muscheln und
Algen bewachsen. Nur mit Mühe war an einigen Stellen noch rostfreies Me
tall zu erkennen. Die Bogeys stiegen in einem steilen Winkel nach oben, der
Meeresoberfläche entgegen.
Das Ziel – es war erreicht!
Die Bogeys verhielten dicht unter der Oberfläche. Caral und Doona
schwammen von einem zum anderen und befreiten sie von ihren Lasten:
Wohnglocke, Lebensmittel, Sauerstoffvorräte, Werkzeuge, Ersatzteile. Dann
gab Caral den Tieren über den Modulator den Auftrag, in der Nähe zu
bleiben, um für die Impulse erreichbar zu sein. In der Zwischenzeit konnten
sie nach Herzenslust jagen.
Doona gab seinem Reittier einen gutgemeinten Klaps und entließ es. Die
Bogeys waren ihm ans Herz gewachsen. Gemächlich entfernten sich die
Riesenfische von der Insel, während die beiden Reiter mit kräftigen
Schwimmstößen die letzten Meter zurücklegten. Doona zog sich als erster an
Land. Caral folgte. Dann packten beide an, um die Last zu bergen. Lange
Leinen verbanden die einzelnen Packen miteinander, damit ein Abdriften
verhindert wurde.
Schließlich war es geschafft. Die beiden Männer hatten ihre Vorräte zwi
schen den am höchsten liegenden Felsbrocken verstaut und verzurrt. Dort
würden sie selbst vor extrem hohen Wellen sicher sein.
Schnaufend legten Doona und Caral ihre Atemmasken, Sauerstoffbehälter
und die Schwimmkleidung ab und atmeten auf. Es tat ungemein wohl, sich
nach der langen Zeit in der Nässe oder der Enge der Wohnkugel wieder unge
zwungen im Freien zu bewegen. Sie genossen die kitzelnden Sonnenstrahlen
auf der nackten Haut und den kühlen Atem des Windes. Sie holten aus den
Vorräten leichte einteilige Anzüge hervor, die Arme und Beine freiließen. In
Klarsichttaschen zum Umhängen verstauten sie die nötigsten Werkzeuge und
außerdem ein paar Rationen Essen.
Daß die Beobachtungsstation in den meisten Einzelheiten die perfekte
Nachbildung einer Insel war, beschäftigte beide nicht weiter. Denn diese Tat
sache war ihnen vertraut. Caral hatte sogar bei der Installation dieser Insel
persönlich mitgearbeitet. Sie bestand zu zwei Dritteln aus rauhen Felsen, die
durch einen tellerförmigen Rand, der natürlich unter Wasser lag, daran ge
hindert wurden, von schweren Brechern ins Wasser gezerrt zu werden. An
sonsten gab es ein paar kleinere mit Büschen und Bäumen bewachsene
Humusflächen und sogar einen Süßwassersee mit Sandstrand. Diese Land
schaft war ein Teil der Funktion dieser Station: Neben den vorrangigen Un
terwassermessungen und forschungen sollten auch Amphibien und Vögel
zum Aufenthalt auf der Insel angelockt werden. Alle diese Besucher wurden
von verborgenen Kameras gefilmt, ihre Lebensgewohnheiten untersucht.
Einige Minuten später stellten Caral und Doona in der Mitte der Insel, wo
der Haupteinstieg lag, fest, daß dieses Vorhaben gelungen war. Ein Schwarm
von hundert oder mehr weißblauen Vögeln, etwa so groß wie Möwen, erhob
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sich kreischend in die Luft und ließ sich dann an einer anderen Stelle
lärmend nieder.
Die Männer hatten inzwischen die Erlebnisse und Eindrücke der Reise so
gut wie verdrängt, obwohl das nicht einfach war. Noch lange würde das
Rauschen des zur Seite gepeitschten Wassers in ihren Ohren klingen und das
Blaugrün des Meeres auf den Netzhäuten ihrer Facettenaugen brennen. Sie
versuchten sich voll auf das Problem zu konzentrieren, dessen Lösung der
Zweck dieser Expedition war.
Obwohl es eine Station der Tanitaner war, schlichen sie vorsichtig über die
Insel. Selbst wenn Doonas geheime Hoffnung, daß sich intelligentes fremdes
Leben auf der Insel aufhielt, nicht zutraf, war immer noch Vorsicht geboten.
Vielleicht waren wirklich nur Tiere eingedrungen und hatten die Relais
beschädigt – aber auch die konnten gefährlich werden.
„Moment“, sagte Caral plötzlich und griff nach Doonas Arm. Er deutete auf
einen schwarzen Fleck im Sand. Die beiden Männer nahmen die Stelle näher
in Augenschein. Caral prüfte das Material mit den Fingerspitzen, um Gewiß
heit zu haben.
„Wenn du mich fragst“, sagte er schließlich, „hat hier ein Feuer gebrannt.
Der Regen hat einen Teil der Asche bereits fortgewaschen. Aber die Reste sind
eindeutig.“
„Es könnte ein Blitz eingeschlagen haben und ...“
„Kaum. Wie sollte hier – mitten im Sand – ein Baum oder ein Busch
gestanden haben?“ Caral scharrte mit beiden Händen den darunterliegenden
Sand fort. „Keine Wurzeln. Nichts. Es sieht wirklich nach einem entfachten
Feuer aus.“
„Aber – das würde bedeuten ...“ murmelte Doona. „... daß deine Theorie an
Bedeutung gewinnt!“ unterbrach Caral.
Doona hatte sich in der Nähe der Feuerstelle umgesehen und deutete jetzt
stumm auf einige Abdrücke und Spuren im Sand. Sie lagen – wie die Feuer
stelle – im Windschatten größerer Felsblöcke und waren deshalb nicht völlig
verweht worden. Man konnte ihnen zwar nicht viel entnehmen, aber es war
unverkennbar, daß sie nicht von Seevögeln herrührten. Seevögel machten
kein Feuer und trugen keine Schuhe.
„Wollen wir uns noch weiter umsehen?“ fragte Caral. „Oder steigen wir
ein?“
Doona schüttelte stumm den Kopf. „Selbst wenn wir weitere Spuren
fänden, das würde uns nicht weiterhelfen. Ich bin dafür, daß wir hinunter
steigen und uns im Inneren umsehen. Dann haben wir Gewißheit. Wahr
scheinlich sind die fremden Besucher längst wieder weg.“
„Vielleicht waren es auch ein paar Cruggs. Du kennst ja ihre Vorliebe für
das Feuer.“
„Aber sie tragen keine Schuhe.“ Doona hatte nichts gegen die Cruggs, aber
er fieberte einer Begegnung mit raumfahrenden Wesen entgegen, einer Be
stätigung seiner Theorie. Freilich wußte er noch nicht, wie er sich ihnen
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gegenüber verhalten sollte. Man würde sich ja nicht einmal verständigen
können.
Während Caral den Magnetschlüssel auf den als Felsen getarnten nächst
liegenden Einstieg setzte und darauf wartete, daß der Hydraulikzylinder die
Tür öffnete, gab Doona dem Freund insgeheim recht. Es war wirklich wahr
scheinlicher, daß sich hier Cruggs anstelle der erhofften Intelligenzen aus
dem All aufhielten. Die Insel war zu klein, als daß man auf ihr hätte ein
Raumschiff landen können. Und wie sonst sollten eventuelle Fremde hierher
gelangt sein?
Gemeinsam schlüpften sie durch die Öffnung und stiegen eine steile Me
talleiter hinab. Hinter ihnen schloß sich die Tür.
Sie erreichten die erste der drei Subebenen der Insel und sahen sich etwas
ratlos um. Vor ihnen lag eine große Halle mit verkleideten Maschinen. Alles
wirkte sauber und funktionstüchtig. Von Fremden gab es weit und breit keine
Spur.
„Weiter“, sagte Doona ungeduldig. Er deutete auf die Treppe zur zweiten
Subebene.
Als die beiden auf den letzten Stufen zur zweiten Subebene standen, hörten
sie Geräusche. Es waren einwandfrei Schritte und fremdartig klingende
Stimmen. Mit einem Satz sprangen Doona und Caral von der Treppe und
hasteten hinter den nächstliegenden Maschinenblock. Doona lugte vor
sichtig um die Ecke.
Er sah zwei Wesen, die vage an Tanitaner erinnerten, aber eine seltsame,
schuppenlose Haut und winzig kleine Augen hatten. Ihm schlug das Herz vor
Aufregung bis zum Halse. So also sahen sie aus! Ihre Köpfe hatten bei weitem
nicht die eiförmige Eleganz von TanitanerSchädeln. Struppiges Zeug wuchs
auf dem Kopf des einen, dem anderen hing ähnliches Gestrüpp auch unter
dem Kinn. Die Nasen, Ohren und Münder zeigten, daß Organe wie bei den
Tanitanern vorhanden sein mußten – aber die Proportionen waren anders.
Die Kleidung der Wesen bestand aus unbekannten grellfarbenen Materialien.
Sie machten zudem einen kräftigen Eindruck.
Doonas Hände zitterten. Seine Theorie stimmte, es waren Fremde aus dem
All! Er holte tief Luft und trat hinter dem Maschinenblock hervor, um die
Fremden zu begrüßen.
„Nicht!“ zischte Caral. „Siehst du nicht diese Dinger in ihren Händen? Das
sind doch Waffen!“
Aber sein Einwand kam zu spät. Carals Arm, der Doona zurückhalten
wollte, griff ins Leere. Doona hatte den entscheidenden Schritt getan und war
dabei in das Blickfeld der Fremden geraten. Resignierend folgte Caral dem
Freund. Es hatte jetzt keinen Sinn mehr, sich weiter zu verstecken.
Die Fremden blieben wie angewurzelt stehen, aber dann hoben sie ihre
Waffen.
„Wir kommen in Frieden“, sagte Doona unsicher.
Es war gut, daß er die Antwort des ersten Mannes nicht verstehen konnte:
„Zum Teufel, Flint! Wo kommen diese Ungeheuer plötzlich her?“
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„Noch nicht schießen!“ ordnete der Mann mit der Glatze an. „Sie scheinen
unbewaffnet zu sein! Aber sieh dir diese Geräte in den Beuteln an! Wenn
diese Komiker ein Raumschiff oder andere technische Mittel besitzen, stehen
wir plötzlich viel besser da, auch wenn die hartnäckigen Gören sich weiterhin
Stur stellen! Los, die nehmen wir gefangen!“
„Los, ihr Schuppenmonster“, krächzte Erik vor Aufregung halb gelähmt
und fuchtelte mit dem Laser herum. „Setzt euch in Bewegung.“
Doona und Caral verstanden die drohenden Gebärden der beiden
Fremden. Sie sollten ihnen folgen.
„Gehen wir“, sagte Doona. „Es ist sicher nur ein Mißverständnis. Im
Grunde mußten sie ja so reagieren.“ Daß er enttäuscht war und die drohende
Haltung der Fremden nicht verstand, verschwieg er. Verdutzt ließ er es ge
schehen, daß der Mann mit dem struppigen Bart am Kinn ihm und Caral die
Werkzeugbeutel entriß.
„Hmmm“, brummte Caral nur. Er enthielt sich jedes Kommentars.
Das Ultimatum wird erfüllt
Von draußen näherten sich Schritte. Die Tür der Gefangenenzelle wurde
entriegelt und aufgestoßen.
„Ihr bekommt Gesellschaft“, erklärte Flint und stieß zwei fremdartige
Wesen in den Raum. Einen Moment lang starrten sich die neuen und alten
Gefangenen schweigend an. Aber dann entschloß sich Harpo, ein gutes Bei
spiel zu geben. Der Gedanke, daß diese seltsamen Fremden – die wahrschein
lich Bewohner des Wasserplaneten waren – sich bei ihrem Urteil über die
Menschen am Verhalten der Raumgangster orientierten, ging ihm denn doch
gegen den Strich. Mit ausgestreckter Hand ging er auf die Schuppenwesen zu.
Aber Lonzo kam ihm zuvor. „Glüß Gott, Kameladen!“ schmetterte er los.
„Nul keine Angst. Gemeinsam welden wil die Schulken schon besiegen!“
„Was hat er denn?“ fragte Flint und blickte den Roboter ungläubig an. „Na,
egal – ich wollte euch nur sagen, daß eure Leute soeben mit einem Gleitboot
von der EUKALYPTUS gestartet sind. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis
wir hier heraus sind.“
„Ich habe ein Gelübde abgelegt“, säuselte Lonzo, „daß ich elst dann wiedel
ein L ausspleche, wenn ihl hintel Schloß und Liegel seid!“
„Schluß mit dem Unfug!“ ordnete Flint barsch an und zerrte Ollie mit sich.
Die Tür schloß sich hinter ihm, Erik und ihrer Geisel.
Harpo kam endlich dazu, die Hand des Schuppenwesens zu drücken.
Das Wesen murmelte ein paar unverständliche Worte, die sehr schrill
klangen. Es schien aufgeregt zu sein, die freundliche Geste aber zu begreifen.
Auch Alexander drängte sich nun heran, um Caral und Doona zu
beschnuppern.
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Harpo hatte keine Erfahrung mit Geschöpfen, die große Facettenaugen, ei
förmige Schädel und drei Nasenlöcher hatten. Die Neuankömmlinge
schienen neugierig, überrascht und keineswegs feindlich zu sein. Er war
überzeugt davon, daß sie die Eigentümer der schwimmenden Insel waren.
Die beiden sprachen eine Weile miteinander, dann näherte sich der zweite
Schuppenmann und drückte seinerseits Harpos Hand. Harpo grinste erfreut
und verlegen zugleich. „Die sind in Ordnung“, sagte er zu Alexander und
Lonzo. „Vielleicht können wir uns sogar gegenseitig helfen!“
Das eine Schuppenwesen sagte wieder etwas, und plötzlich meldete sich
der armbanduhrgroße Translator an Harpos Handgelenk: „... wohl
anzunehmen, daß die beiden mit den Waffen ... und ihre Artgenossen ... wie
uns gefangen ...“
Harpo jubelte. An die kleine Sprachenübersetzungsmaschine hatte er über
der niederschmetternden Nachricht, die EUKALYPTUSMannschaft habe
aufgegeben, gar nicht mehr gedacht! Der winzige Computer hatte mal wieder
in Windeseile Vokabeln gesammelt, die Sprache analysiert und seine Dolmet
scherfunktion übernommen.
„Dieses Gerät hilft uns bei der Unterhaltung“, sagte Harpo langsam und
wartete, bis der Translator die Worte in die schrillen Laute der Fremden über
setzt hatte. „Meine Freunde und ich kommen von der Erde und wollen nichts
Böses. Aber unsere gemeinsamen Gegner sind leider schwarze Schafe unserer
Rasse.“
„Ich heiße Doona“, stellte sich eines der Wesen vor. „Und das ist Caral. Wir
kamen, um nach dieser Forschungsstation zu sehen. Sie funktioniert nicht
mehr einwandfrei, Ich glaube, wir haben uns eine ganze Menge zu erzählen!“
„Ich fürchte“, erwiderte Harpo mit einem tiefen Seufzer, „daß wir dazu
noch unser ganzes Leben lang Zeit haben werden ...“
Allerdings hätte er das nicht gesagt, wenn er über das Unternehmen „Tief
kühlkost“ informiert gewesen wäre. Im gleichen Moment nämlich, in dem
Harpo und seine Freunde die ersten freundschaftlichen Kontakte zu den
Wesen des Planeten Tanit knüpften, näherte sich eines der Gleitboote der
EUKALYPTUS unaufhaltsam der Insel.
Thunderclap gab Schwatzmaul die Anweisung, das Boot eine Weile kreisen
zu lassen, ehe er mit Flint Funkkontakt aufnahm. Die Bedenkzeit war jetzt
abgelaufen, und irgendwie mußten sie ja reagieren. Als sich die Stimme des
Kahlköpfigen allerdings in seinem Funkhelm meldete, lief ihm ein kalter
Schauer über den Rücken.
„Hier spricht Flint. Ihr gebt also auf?“ Er lachte frech. „Ihr habt ja auch
keine andere Wahl, ihr hilflosen Fratzen.“
Obwohl Thunderclap über diesen fiesen Ausdruck ziemlich wütend war,
bemühte er sich, seiner Stimme einen ängstlichen Klang zu verleihen. „Ja, wir
geben auf“, murmelte er weinerlich. „Welche Garantie geben Sie uns, daß un
seren Freunden nichts geschieht, sobald wir die EUKALYPTUS verlassen?“
Bei sich dachte er: Na warte, Bursche!
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„So haben wir nicht gewettet, mein Lieber“, gab Flint zurück. „Auf mein
Wort müßt ihr euch schon verlassen. Glaubt ihr etwa, ich gebe euch das noch
schriftlich? In fünfzehn Minuten steht die versammelte Mannschaft auf der
Insel, klar? Und daß ihr keine Fisimatenten versucht, wir wissen genau, wie
viel Leute ihr seid!“
Woher er das wieder so genau wissen wollte, war Thunderclap zwar ein
Rätsel, aber nach einer Kunstpause erklärte er sich einverstanden. „Ich gebe
jetzt die Meldung weiter, daß die Mannschaft die EUKALYPTUS verlassen
soll“, sagte er.
„Ja, tu das mal.“ Offensichtlich grinste Flint.
Thunderclap bediente einige Knöpfe und wechselte auf die Frequenz des
Raumschiffes über. Karlie war sofort zur Stelle. Auch er spielte seine Rolle
meisterhaft, was vielleicht auch daran lag, daß er in der Tat ein wenig Angst
hatte. Allerdings weniger vor Flint als vor der Möglichkeit, die Piraten könn
ten ihr famoses Komplott durchschauen.
„HHier RRaumschnipf ... äh, Raumschiff EUKALYPTUS“, meldete er sich.
„An Bord alles wohlauf und ... äh ...“ Zu seiner gespielten Nervosität gehörte
natürlich auch, daß er mit der rechten Faust auf einen Knopf haute, der einen
so stark gebündelten Funkleitstrahl auf die Insel hinabschickte, daß die
Gangster jedes Wort, das zwischen Thunderclap und ihm gewechselt wurde,
mithören konnten. Hihi. Und das war natürlich auch wieder einer von
Schwatzmauls ausgetüftelten Tricks, um den Gegner in Sicherheit zu wiegen!
„Wir müssen jetzt alle hinunter“, weinte Thunderclap fast. „Wir haben
keine andere Wahl. Gegen die kommen wir nicht an, Karlie! Die sind wirklich
gefährlich!“
Mit zitternder Stimme haspelte Karlie: „Ja ... ja ... Wenn du meinst,
Thunderclap ... Glaubst du, daß sie uns etwas tun?“
„Nur das nicht“, schluchzte Anca, die jetzt so stark auftrug, daß Thunder
clap ihr einen Knuff in die Rippen versetzen mußte.
Karlie Müllerchen war nahe daran, laut loszuprusten, während er seine
Muskeln spielen ließ. Er hatte in den letzten Wochen sehr rege dem Sport der
gewaltlosen Verteidigung gefrönt und dabei herausgefunden, daß dieser sich
auch durchaus zum Angreifen eignete. Zudem war er zwei Meter zwanzig
groß. Das konnte einen ausgewachsenen, normal großen Mann einschüch
tern.
Sie winselten sich alle drei gegenseitig noch einige Minuten etwas vor,
dann gab Karlie die Ausschleusung der Restmannschaft bekannt.
Bharos, Brim, Trompo, Micel und die restlichen Grünen bestiegen das letz
te Gleitboot. Bald war nur noch das Rauschen sphärischer Musik in Thunder
claps Funkhelm zu vernehmen.
Wenn die gemeinsame Vorstellung geklappt hatte, mußten Flint und seine
Kollegen jetzt wirklich annehmen, es mit einem Haufen ängstlicher Kinder zu
tun zu haben.
71
Thunderclap rieb sich die Hände. Wieso waren sie eigentlich nicht sofort
auf die Idee gekommen, Schwatzmauls unschlagbare Talente gegen ihre
Gegner einzusetzen?
Beide Gleitboote landeten an der von Flint vorgegebenen Stelle. Etwa
zwanzig Meter vor dem Höhleneingang, der in die Insel hinabführte, setzten
sie auf, öffneten die Luken und stiegen aus. Karlie und Brim trugen Thunder
claps Rollstuhl. Dann bildeten sie einen Halbkreis: die stumm dastehenden
Grünen, Anca, Brim, Micel, Thunderclap, Bharos und Karlie, auf dessen
Schultern Trompo hockte und mit den Schlappohren wedelte.
Eine ganze Weile geschah nichts. Dann wurde im Eingang der Höhle ein
Schatten sichtbar. Es erschien eine rothaarige Frau, die von allen
Anwesenden nur Bharos einmal gesehen hatte. Sie war blaß und erinnerte die
Kinder von der EUKALYPTUS ein wenig an ihre Freundin Fantasia Einstein,
die auf dem Planeten der Raufbolde zurückgeblieben war. Ihre grünen Augen
zeigten einen gehetzten Ausdruck. Auf jeden Fall machte sie, als sie sich zö
gernd den Versammelten näherte, keinen gefährlichen Eindruck.
Bharos und Micel wechselten einen raschen Blick. Sie hatten beide die Ge
danken der Frau gelesen und überrascht festgestellt, daß sie ebenfalls eine
Gefangene war.
„Ihr hättet es nicht tun sollen“, sagte sie zu Thunderclap, dessen Rollstuhl
ziemlich weit vorne stand. Plötzlich schluchzte sie und schlug die Hände vor
das Gesicht. „Ihr hättet es wirklich nicht tun sollen. Jetzt kommen wir alle
niemals mehr von hier fort. Und wenn die Bewohner dieses Planeten uns für
Leute vom Schlage Flints halten ...“
Bewohner des Planeten? Bharos und Micel fingen einen schemenhaften
Gedanken an zwei Schuppenwesen auf, die Flint und Erik festgesetzt hatten.
Das konnte böse ausgehen, denn es war keine feine Art, sich auf einer
fremden Welt so zu benehmen.
„Sie gehört nicht dazu“, flüsterte Micel plötzlich. „Sie ist ebenfalls
gefangen. Und – die Leute, denen diese Insel gehört, befinden sich auch in
Flints Gewalt!“
„Er hat recht“ sagte die junge Frau. „Weder Fredy noch ich haben etwas mit
diesen Verbrechern zu tun. Sie entführten uns und ...“ Sie kam nicht weiter,
denn unerwartet tauchten hinter ihr Flint und Erik auf. Mit den Lasern
winkten sie die Frau herrisch beiseite. „Sie sollten nur herausfinden, ob die
Bengels bewaffnet sind, Miss Rita“, knurrte Flint, „weiter nichts. Statt dessen
halten Sie hier Volksreden. Gehen Sie unter Deck, aber schnell!“
Thunderclap und die anderen machten mit verbissenen Gesichtern Platz.
Es wäre gelogen, wenn in diesem Moment jemand behauptet hätte, keine
Angst zu haben. Sogar Karlie, der so stolz auf seine neu erworbenen Armmus
keln war, beeilte sich, diese zu verstecken, aus Angst, die Ganoven könnten
sich dadurch provoziert fühlen.
Flint musterte die beiden startbereiten Gleitboote, baute sich breitbeinig
davor auf und schrie: „Gewonnen, Erik! Wir haben gewonnen!“ Und er klopf
te seinem Kumpan auf die Schulter, daß es nur so knallte.
72
Das Gelächter der beiden war so laut, daß es nur noch vom Dröhnen der
Triebwerke übertönt wurde. Rasend schnell stiegen sie in den Himmel des
Wasserplaneten hinauf. Sie sahen aus wie Reiter auf einer Flammenzunge.
„Harpo!“ rief Anca jetzt, die als erste aus ihrer Erstarrung erwachte. Sie
rannte auf den Höhleneingang zu, und die ganze Bande folgte ihr.
Da Thunderclap mit seinem Rollstuhl durch den anfänglich engen Gang
nicht hindurchpaßte, wurde er kurzerhand von einem Grünen auf die
Schulter genommen und im Huckepackverfahren in das Innere der Insel ge
tragen.
Jubel brandete auf, als Bharos und Micel fast gleichzeitig die Gedanken
impulse ihrer vermißten Kameraden und deren neuer Freunde registrierten.
Innerhalb weniger Minuten war das Verlies gefunden, und es wurde ein Freu
dengeheul angestimmt, von dem die Galaxis noch lange reden würde. Sogar
Caral und Doona, die die hereinstürmende Mannschaft noch nicht kannten,
wurden in den allgemeinen Freudentaumel mit einbezogen.
Alexander, der sich als erster wieder beruhigte, legte seine Bärenstirn in
Falten und fragte: „Wo steckt Flint mit seinem Spießgesellen?“
„He, he!“ gackerte Thunderclap. „Die sind unterwegs zur EUKALYPTUS, die
wir ihnen im Austausch gegen euch geschenkt haben!“
„Scherzbold!“ Harpo, der immer noch ziemlich abgeschlafft war, grinste
schwach. „Unser Thunderclap ...“
Alexander legte eine Pranke gegen die Stirn und schaute zur Decke, als
könne er dort die EUKALYPTUS kreisen sehen. „Da fliegen sie hin ... hick!“
Erst jetzt wurde ihm offenbar bewußt, daß Thunderclap ihm die Wahrheit ge
sagt hatte. Er sprang auf, als hätte ihn etwas wohin gestochen, stemmte beide
Arme in die Hüften und rasselte erschöpft: „Bei allen Planeten, Thunderclap!
Was hat das zu bedeuten?“
„Es bedeutet“, erwiderte Anca an Thunderclaps Stelle mit einem spöt
tischen Grinsen, versteht sich, „daß soeben die letzte Phase des Unter
nehmens Tiefkühlkost angelaufen ist!“
Schwatzmauls große Stunde
Flint und Erik waren ziemlich beeindruckt, als sie das Innere des Sternen
schiffs EUKALYPTUS betraten und feststellten, wie groß es war. Hatte sie
schon das äußere Erscheinungsbild des Hantelraumers zum Schlucken ge
bracht, so waren die großzügig angelegten Decks, die durch einen riesigen
Antigravlift miteinander verbunden waren, ein echter Schock für sie. Natür
lich kannten auch sie von der Erde nur Enge und Lärm. Die wenigen Raum
flüge, die sie unternommen hatten, bevor die Raumpolizei auf sie
aufmerksam geworden war, hatten sie nur zu den nächsten bewohnbaren
Welten im Umkreis der Erde geführt.
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Aber auch da hatte es nicht viel anders ausgesehen als zu Hause: Die meis
ten Planeten der umliegenden Sterne beherbergten nur kleine menschliche
Stützpunkte mit ungünstigen Lebensbedingungen. Auf fast allen von Men
schen besiedelten Planeten herrschte Wassermangel, oder die klimatischen
Bedingungen verboten eine große Ausbreitung der Siedlungen. Viele Stütz
punkte lagen unter überdachten Kuppelstädten oder in abgeriegelten Forts,
deren Wälle die Menschen vor der giftigen Umwelt schützten.
Die grünen Decks der EUKALYPTUS erschienen Erik und Flint daher wie
das reine Paradies, und so tobten sie erst einige Stunden wie die Kinder
durch die Hallen, schwammen in den künstlichen Seen und bewunderten die
technische Perfektion, mit der das Schiff, das von seiner Größe her in der Ga
laxis seinesgleichen suchte, versehen war.
Schwatzmaul hielt sich während dieser Stunden diskret im Hintergrund,
wenngleich seine in nahezu jedem Raum oder Korridor installierten
Außenkameras alle Schritte der Eindringlinge sorgfältig aufzeichneten und
registrierten. So gab es keine Sekunde, da Schwatzmaul nicht wußte, wo sich
Flint und Erik aufhielten.
Als sie sich anschickten, mit einem Personenlift die Decks abzufahren –
Schwatzmaul hatte in weiser Voraussicht den Antigravschacht abgeschaltet –
half der Computer ein wenig nach. Da er kein Interesse daran hatte, daß die
Männer die wichtigen Steuergeräte fanden, blockierte er alle Türen, die in
Richtung der Zentrale führten.
An deren Stelle öffnete er andere, die für das Gelingen des Plans sehr
wichtig waren. Natürlich ging er dabei nicht so ungeschickt vor, daß er
generell alle in eine bestimmte Richtung führenden Gänge versperrte. Denn
Schwatzmaul war ein cleverer Computer. Einmal ging die linke Tür nicht auf,
dann eine rechte, dann zweimal links und dreimal rechts ... und so weiter.
Drei Stunden lang marschierten Flint und Erik daher in eine bestimmte Rich
tung, ohne zu merken, daß sie dirigiert wurden.
Flint war allerdings nicht so leicht zu übertölpeln. Anhand von Hinweis
schildern stellte er fest, daß sie die Zentralregion gar nicht erreichten. Plötz
lich sagte er mißtrauisch: „Sag mal, Erik, ist dir eigentlich noch nicht
aufgefallen, daß wir jetzt schon seit Stunden nur Lagerhallen, Werkstätten
und Produktionsbetriebe durchqueren?“
Erik sagte: „Nö.“ Ihm fiel nichts auf, aber das lag daran, daß er nicht beson
ders schlau war.
Für Schwatzmaul war Flints Frage allerdings ein Signal, von nun an vor
sichtiger zu agieren. Aber das war noch komplizierter, denn es wollte die
Männer zu einer bestimmten Stelle führen, und bis dorthin war es noch ein
weiter Weg. Aber zumindest hatte es jetzt die Geduld Flints ausreichend ge
testet. Es öffnete eine Tür, die es eigentlich geschlossen halten wollte, und
ließ die Männer per Lift einige Decks weiterfahren. Schwatzmaul begann zu
tricksen.
Erik spielte mit, der merkte nichts. Aber Flint, der allmählich hungrig
wurde, verlor bald wieder die Geduld. „Hör zu“, knurrte er Erik an, „wenn wir
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jetzt noch mal auf versperrte Türen treffen, knallen wir sie mit den Lasern
einfach aus den Angeln!“ Er hatte bei diesen Worten ein listiges Flackern in
den Augen, und es war nur einer falsch angebrachten Kamera zu verdanken,
daß Schwatzmaul dieses Flackern nicht erkannte. Beschädigungen konnte es
nicht hinnehmen. Es mußte sich etwas anderes einfallen lassen, um die
beiden woanders hinzulocken. Geschwind öffnete es alle verschlossenen Tü
ren ...
„Ha!“ sagte Flint befriedigt. „Nun weiß ich, was hier läuft!“
„Was denn, Flint?
„Die Gören haben jemanden hier zurückgelassen, der an irgendwelchen
Hebeln spielt, der Türen verschließt und wieder öffnet, weil er uns in eine be
stimmte Richtung dirigieren will!“
„Tatsächlich?“ fragte Erik verdattert.
Schwatzmaul hätte sich, wäre es ein Mensch aus Fleisch und Blut gewesen,
in diesem Moment am liebsten geohrfeigt. Wieso hatte Flint das so schnell
herausfinden können? Daß er logisch denken konnte, war fast nicht zu glau
ben. Aber immerhin rechnete er mit einem menschlichen Gegner.
„Ist dir denn nicht aufgefallen, daß seit meiner Schießdrohung plötzlich
alle Türen offen sind? Der Kerl, der uns auch jetzt von irgendwo belauscht,
hat es nämlich mit der Angst zu tun bekommen. Und er hat auch allen Grund
dazu!“ Flint fuchtelte mit dem Laser vor Eriks Nase herum, bis dieser beinahe
schielte.
„Mein Gott, Flint ...“ krächzte er.
„Ruf lieber den Satan an“, knirschte Flint. Er schob das Kinn vor und sah in
diesem Moment mit seinem gesträubten Bart wie ein wildgewordener Wich
telmann aus. „Wehe dem Bübchen, wenn wir es erwischen!“
Schwatzmaul ließ die beiden Männer von nun an gewähren. Seine Rechen
systeme ratterten erneut und warfen rasch einen neuen Plan aus, der sofort
in die Tat umgesetzt wurde. Als die Eindringlinge nur noch zwei Decks von
der Zentrale entfernt waren, hörte Flint seinen Kumpan sagen: „Gleich haben
wir es geschafft, Flint!“
„Woher willst du das wissen?“ schnappte der Angesprochene aufgebracht
und ärgerlich.
„Ich? Wie? Was? Was soll ich wis...?“ stotterte Erik. Er hatte plötzlich kugel
runde Augen. „Äh, hast du auch gehört, daß jemand was gesagt hat?“
„Jemand?“ fauchte Flint. „Du!“
„Ich? Aber Flint, ich habe wirklich nichts gesagt!“ Erik drehte sich um, als
wolle er nach einem dritten Mann Ausschau halten, und dabei hörte Flint ihn
sagen: „Blödmann!“
„Wie war das?“ zischte Flint aufgebracht. Er packte seinen Spießgesellen an
der Schulter und wirbelte ihn herum. „Ich höre wohl nicht recht! Du wagst es,
Blödmann zu mir zu sagen?“
„Aber Flint!“ brüllte Erik mit zornrotem Kopf. „Wieso glaubst du mir nicht?
Habe ich dich je beschimpft? He, habe ich das?“
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Zweifelnd sah Flint ihn an. „Aber die Stimme! Da war doch eine Stimme!
Deine Stimme!“
„Eine Stimme“, heulte Erik nun fast. „Aber doch nicht meine! Wie kannst
du nur solche Gemeinheiten über deinen alten Kumpel sagen! Wirklich, ich
finde das nicht nett von dir ...“
Flint gab ihm insgeheim recht. Erik würde sich solche Scherze niemals
erlauben. Er war zwar etwas schwerfällig, aber kein Frechling. Er wußte ge
nau, wo er zu kuschen hatte und wann er draufhauen durfte.
Es befand sich also außer ihnen beiden tatsächlich noch jemand an Bord.
Und dieser jemand konnte nicht nur Stimmen imitieren, sondern stellte eine
Gefahr für sie dar. Daß Erik seine eigene Stimme nicht erkannt hatte, spielte
keine Rolle, denn die kennen die wenigsten Menschen.
Hinter ihnen polterte etwas. „Da!“ Flint fuhr herum, raste los, Erik im
Schlepptau. Ein lautes Jungengekicher erklang und das Tappen sich eilig ent
fernender Schritte.
Als sie um die nächste Ecke bogen, war der Geheimnisvolle bereits
verschwunden, aber am Ende des langen Korridors, der nur von Notlampen
erhellt wurde, glaubte Flint einen huschenden Schatten wahrzunehmen.
„Hinterher!“ Der Junge mußte gefangengenommen werden, und zwar auf
der Stelle. Wenn er sich auf der EUKALYPTUS genügend gut auskannte, war
er in der Lage, ihre ganzen Pläne zu durchkreuzen. Es war nicht auszuden
ken, was geschah, wenn er beispielsweise an den Triebwerken rumfummelte,
sobald Flint im Begriff war zu starten. Und sicherlich war der Knabe zu allem
entschlossen. Ihm war es bestimmt gleich, ob er im Weltraum endete oder
auf einem Wasserplaneten verhungerte.
Die Männer waren schweißgebadet, da sie jeder Bewegung und jedem Ge
räusch auf der Stelle folgten. Der Junge mußte ein wahrer Teufel sein – oder
so schnell, daß man ihn mit den Augen nicht sah. Und das war nicht einmal
unwahrscheinlich. Hatte Flint nicht mit eigenen Augen auf der Insel diesen
seltsamen, elfenhaft gebauten Burschen gesehen, der ruck, zuck wieder
verschwunden war? Der unsichtbare Junge wechselte genauso schnell seinen
Standort. Hatte er eben noch vor seinen Verfolgern gekichert, schien er sich
zwei Minuten später in ihren Rücken zu befinden. Flint und Erik rasten so
schnell durch die Korridore, daß sie gar nicht gewahr wurden, wie weit sie
sich bereits von ihrem eigentlichen Ziel entfernt hatten.
„Ich bin nicht nur schnell“, kicherte die Jungenstimme, „sondern auch
stärker als ihr. Kommt her und holt mich!“ Flint und Erik fuhren herum und
folgten der hellen Stimme in einen engen Gang. Aber auch hier war niemand
zu sehen. Der Gang endete, die Phantomstimme verstummte. Dafür machten
die beiden Männer eine andere Entdeckung: Vor ihnen breitete sich ein qua
dratischer Raum aus, von dem vier Wege abzweigten. Einer davon war mit
einem zweiteiligen Tor versehen, auf dem eine Leuchtschrift verhieß, daß es
hier zur Zentrale ging.
Flint grinste triumphierend. Hatte sie der Bengel doch unbewußt genau da
hin geführt, wohin sie wollten! Vorsichtig öffneten sie die Tür und folgten
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einem Pfeil, der die gleiche Leuchtschrift trug. Erik, der gelassen hinter sei
nem Chef hertrottete, warf nicht einen einzigen Blick zurück. Das hätte er
besser doch getan, denn dann wäre ihm nicht entgangen, daß die Hinweis
schilder hinter ihm den Text wechselten. Nun lautete ihre Aufschrift: „Kon
trollieren Sie Ihr Heizaggregat!“
Die letzte Tür. Sie bestand aus zwei mächtigen Flügeln und schien für Men
schen gebaut zu sein, die wenigstens zweieinhalb Meter groß waren. „Zentra
le“ leuchtete ihnen ein Schild entgegen.
Flint schaute etwas irritiert, rieb sich dann aber die Hände. „Wir sind da,
Erik!“ trompetete er stolz und steckte den Laser ein. „Wir haben nicht nur den
Kahn, sondern auch bald den Bengel unter Kontrolle!“
Nun ließ er sich auch nicht mehr von dem leisen Kichern aufhalten. Hastig
betätigte Flint den Öffnungsmechanismus. Die Tür schwang auf. Dahinter
wurde eine zweite sichtbar. „Scheint auf den großen Raumern heute üblich
zu sein, daß man durch eine Schleuse in die Zentrale geht“, vermutete er laut.
„Ist ja auch besser so. Wenn irgendwo ein Meteor einschlägt, muß wenigstens
das technische Personal geschützt sein.“
Hinter ihnen schloß sich wie von Geisterhand die Tür. Die, die vor ihnen
lag, öffnete sich. Was dahinterlag, ließ sowohl Flint als auch Erik sofort be
greifen, daß man sie überrumpelt hatte.
Vor ihnen breitete sich eine Halle aus, die an eine Alpenlandschaft er
innerte. Boden und Wände waren mit Eiskristallen bedeckt. Meterhoch türm
ten sich Regale, die allerdings leer waren. Ein an der Decke angebrachtes
Riesenthermometer zeigte eine Temperatur von fünfzehn Grad unter Null.
„Waaaaaaa...“ machte Erik.
„Verrat!“ schrie Flint. „Eine schäbige Falle!“ Er zog seinen Laser und drehte
sich auf dem Absatz herum.
„Das möchte ich nicht abstreiten“, ließ eine Stimme von der Decke her
verlauten, die jetzt weder Ähnlichkeit mit der Eriks, noch mit der des phan
tomhaften Jungen hatte, sondern schlicht die Stimme Schwatzmauls war.
„Willkommen an Bord, meine Herren, auch wenn Sie sicherlich nur kurz un
sere Gäste sein werden!“
Schäumend vor Wut betätigte Flint den Drücker seines Lasers, den er auf
die Tür richtete. Es klickte mehrmals laut und vernehmlich, aber sonst gesch
ah nichts. Kein Feuerstrahl verließ den Lauf, nicht einmal eine Dampfwolke.
„MMir ist kkkalt, Flint“, jammerte Erik.
Wütend knallte Flint die Waffe gegen den Boden. „Eingefroren!“ tobte er.
„Und das mir!“
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Die RaumZeitFalte
Sie hatten sich auf der Oberfläche der Insel versammelt und in den Sand
gehockt. Auch Rita und Fredy waren dabei. Alle wußten inzwischen, daß die
beiden nicht Komplizen, sondern wie sie Opfer von Flint und Erik waren.
Die Kriminellen – Flint war ein ehemaliger Raumpilot, der seine Lizenz
verloren hatte, weil er aus eigennützigen Motiven einem havarierten Raum
schiff nicht zu Hilfe gekommen war – hatten die Jacht gestohlen. Niemand
kannte ihre Pläne. Vielleicht wollten sie in das Schmuggelgeschäft mit einem
marsianischen Rauschgift einsteigen, oder sie hofften darauf, den schnittigen
Flitzer an Interessenten aus der Unterwelt zu verkaufen.
Die Rechnung war in mehrfacher Hinsicht nicht aufgegangen. Entgegen ih
ren Erwartungen, die Jacht im Raumdock VENUS IV unbewacht und unbe
mannt vorzufinden, waren sie auf Rita und Fredy gestoßen. Die junge Frau
arbeitete als Funkerin auf der Jacht und hatte im Gegensatz zu den vier
anderen Besatzungsmitgliedern darauf verzichtet, sich für die Zeit der
Werftüberholung Urlaub geben zu lassen. Der Grund war ihr Freund Fredy,
der auf VENUS IV als VakuumSpezialist arbeitete. Aber Flint und Erik hatten
sich nur kurz durch die Anwesenheit der beiden irritieren lassen; sie nahmen
sie kurzerhand mit, als sie die Jacht im Notstart aus den Verankerungen der
Werft rissen.
Diesen Teil der Geschichte erzählte ihnen die junge Frau. Brim, der nie
mals ohne seine Arzttasche die EUKALYPTUS verließ, behandelte inzwischen
die Kopfwunde des Verletzten. Zum Glück war es nur eine Fleischwunde, de
ren Heilung schon gute Fortschritte gemacht hatte.
„Ist das eigentlich bei dem Notstart passiert?“ wollte er wissen.
„Nein, erst später“, entgegnete der Mann. „Obwohl der Start auch ziemlich
heftig war. Flint hatte vor drei Jahren zuletzt ein Raumschiff gesteuert und
bekam besonders Schwierigkeiten mit dem neu eingebauten Triebwerk der
AESCLIPUS. Tatsächlich geriet ihm das Schiff irgendwann außer Kontrolle.
Das Haupttriebwerk wurde überlastet und brannte aus, wobei der Rest des
Treibstoffs in einer einzigen Explosion verpuffte. Wir machten einen Riesen
satz und trieben danach steuerlos mit hoher Geschwindigkeit auf die Sonne
zu. Ich war nicht angeschnallt und prallte mit dem Kopf gegen eine Konsole.
Den Rest muß euch Rita erzählen, denn ich erwachte erst aus der Bewußt
losigkeit, als wir in das Meer dieses Planeten stürzten.“
„Leider gibt es da wenig zu erzählen“, fuhr das Mädchen fort. „Wir flogen
der Sonne entgegen und hatten wohl alle mehr oder weniger mit dem Leben
abgeschlossen. Die geringe Schubkraft der Seitendüsen reichte nicht aus, den
Kurs zu ändern. Aber dann geschah etwas Seltsames: Auf der Oberfläche der
Sonne entstand eine heftige Eruption. Eine Lanze aus glühenden Gasen jagte
in das Weltall hinaus. Sie verfehlte uns, verursachte jedoch ein seltsames
Phänomen: Sämtliche Instrumente spielten plötzlich verrückt oder zer
sprangen. Dann erfaßte uns ein gewaltiger Sog und ... ja, das ist eigentlich
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schon alles. Der riesige Feuerball unserer Sonne verschwand von einem
Moment auf den anderen und vor uns lag ein uns völlig unbekannter Sektor
des Alls. Wir wollten zunächst nicht glauben, was die Beobachtungen und
Messungen mit den verbliebenen Instrumenten ergaben: Aber wir hatten
eine Strecke von mehr als siebentausend Lichtjahren im Bruchteil einer Se
kunde zurückgelegt. Eine Erklärung dafür weiß ich nicht. Wenige Stunden
später wurde uns klar, daß wir Kurs auf diese Sonne hielten und die einzige
Chance auf Rettung eine Notlandung war. Mit dem Schub der Hilfsdüsen er
reichten wir, daß die AESCLIPUS in die Atmosphäre des Wasserplaneten ein
tauchte und mit den letzten Energiereserven kurz vor dem Eintauchen ins
Meer verlangsamt wurde. Den Rest wißt ihr ja.“
„Es gibt eine Theorie über sogenannte Raumfalten“, meinte Thunderclap
Genius. „Die würde vielleicht erklären ...“ Und er fügte hinzu, weil ihn seine
Freunde groß ansahen: „Das ist noch ganz unausgegoren. Ich habe mich da
mit beschäftigt, um zu erklären, wie die EUKALYPTUS in diesen Sektor des
Alls gelangt ist.“
„Von wem ist denn die Theorie?“ fragte Harpo neugierig. „Von Einstein? Ich
meine Albert Einstein, nicht unsere Fantasia.“
„Nein, nein“, antwortete Thunderclap hastig. „Der Name ist mir
entfallen ...“ Er hatte ganz rote Ohren bekommen.
„Thunderclap“, meinte Harpo. „Hast du etwa diese Theorie ...“
„Das tut jetzt nichts zur Sache“, erklärte Thunderclap sehr nervös. „Wir
sollten lieber von uns und der EUKALYPTUS berichten!“
„O ja“, sagte Rita. „Bisher hatten wir ja keine Gelegenheit zum Reden, und
Flint und Erik interessierten sich nur dafür, wie sie in den Besitz eures Raum
schiffes kommen konnten. Wie seid ihr denn nun eigentlich hierhergekom
men? Ich meine, ihr seid noch alle so jung ...“
Nun wurde erst einmal lang und breit berichtet, wie sich aus noch unge
klärten Gründen die EUKALYPTUS aus der Erdumlaufbahn gerissen hatte,
die ursprüngliche Besatzung das Schiff verließ und sie es gelernt hatten, mit
der Situation fertigzuwerden. Und dann folgten all die Abenteuer, die sie in
der Zwischenzeit erlebt hatten.
Das dauerte lange, weil oftmals durcheinandergeredet wurde und dem
einen oder anderen eine unheimlich wichtige Begebenheit einfiel. Aber sie
hatten sehr aufmerksame und neugierige Zuhörer – nicht nur Fredy und Rita.
Doona und Caral, die beiden Tanitaner, waren zu ihnen gestoßen und folgten
fasziniert den Berichten.
„Eines verstehe ich nicht“, sagte Rita schließlich. „Ein so großes Raumschiff
wie die EUKALYPTUS habe ich noch niemals gesehen. Auch gehört habe ich
nicht davon. Das finde ich sehr seltsam.“
„Was heißt hier seltsam?“ krähte Ollie keck. „Glaubt ihr etwa, wir
schmieren euch an?“
„Ach wo. Eine so phantastische Geschichte kann man sich nicht aus den
Fingern saugen. Aber ihr müßt zugeben, daß Merkwürdiges im Spiel ist.“
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„Vielleicht wurde der Bau der EUKALYPTUS geheimgehalten?“ Anca wollte
helfen. Aber als sie den Satz aussprach, wußte sie schon, daß das albern war.
Alle Zeitungen hatten über das riesige Schiff berichtet, jeder konnte es im Or
bit der Erde sehen.
„Wann wurde die EUKALYPTUS aus der Umlaufbahn geschleudert?“ fragte
Fredy mit einem seltsamen Glitzern in den Augen.
„Im Frühjahr 2234“, riefen Karlie und Brim wie aus einem Munde.
„Zweitausendzweihun...“‚ begann Fredy und sank ächzend in den Sand zu
rück. Rita war kreideweiß geworden.
„Wißt ihr, wann die AESCLIPUS aus dem Raumdock gestartet wurde?“ frag
te Fredy nach einer Weile mit heiserer Stimme. „Am 25. Mai 2096!“
„Waaaaas?“ Minutenlang herrschte das totale Chaos, weil alle durchein
anderschrien. Das wäre vielleicht noch eine Weile so weitergegangen, wenn
Lonzo nicht mit den Tentakeln gewedelt und mit Donnerstimme gebrüllt
hätte: „Ruhe an Bord! Alle in die Wanten! Topsegel setzen! Mister Thunder
clap, geben Sie den Matrosen zur Strafe einen Salzhering zu essen! Aber nur
einen für alle!“
Das half. Es wurde erst einmal tüchtig gelacht, und dann konnte Thunder
clap mit nachdenklich klingender Stimme vorbringen, was er vermutete: „Die
AESCLIPUS muß in einen Energiesturm geraten sein, der nicht nur Aus
wirkungen auf das Raumgefüge, sondern auch auf das Zeitgefüge hatte. Ihr
wurdet in die Zukunft geschleudert – oder auch in die Vergangenheit. Wer
will das so genau wissen? Denn nach unseren Uhren und Kalendern kann
sich niemand richten. Wahrscheinlich haben wir nämlich etwas Ähnliches
erlebt, als die EUKALYPTUS verrückt spielte ...“
„Dann lebt keiner unserer Verwandten und Freunde mehr?“ fragte Rita
leise.
„Ich fürchte – nein“, antwortete Thunderclap, der sich eigentlich in der
Rolle des klugen Physikers gar nicht so wohl fühlte. „Es sei denn, daß die
AESCLIPUS wirklich nur einen Raumsprung gemacht hat und die scheinbare
Zeitverschiebung allein auf unser Konto geht.“
„Aber Wurscht isses sowieso“, gab Ollie seine Meinung zum besten. „Ihr
könnt genausowenig zur Erde zurück wie wir.“
Nun zeichnete sich erneut Erstaunen auf den Zügen von Rita und Fredy ab.
„Aber wieso denn?“ wollte Fredy wissen. „Ich denke, eure EUKALYPTUS kann
ein Mehrfaches der Lichtgeschwindigkeit erreichen ...“
„... ohne daß es dabei zu Phänomenen kommt, die von der Wissenschaft als
Zeitdilatation bezeichnet werden“, ergänzte Thunderclap und nickte. „Aber
mehr als zehnfache Lichtgeschwindigkeit können wir nicht packen. Wir
würden also immer noch siebenhundert Jahre bis zur Erde brauchen ...“
Rita und Fredy machten betroffene Gesichter. So hatten sie sich die Sache
nicht vorgestellt. Sie mußten jetzt völlig umdenken.
„Ihr könnt natürlich mit uns auf große Kaperfahrt gehen“, bot Lonzo groß
spurig an. „Bereits Captain Kidd handelte nach der Devise, daß die Besatzung
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niemals groß genug sein kann. Schon allein deshalb, weil das Deck dann von
den Matrosen zweimal am Tag gescheuert werden könnte ...“
„Ganz ernsthaft“, rief Harpo. „Kommt mit uns! Nur Flint und Erik – die
wollen wir nicht dabeihaben. Na ja, jedenfalls sehr ungern. Wenn es sein
muß, nehmen wir sie natürlich mit. Als Gefangene, versteht sich. Die würden
doch bei der erstbesten Gelegenheit erneut versuchen, die EUKALYPTUS in
ihre Gewalt zu bringen!“
Fredy und Rita wechselten zunächst einen Blick und tuschelten dann leise
miteinander. „Eigentlich haben wir vom Weltraum die Nase ziemlich voll“,
sagte Rita dann. „Wenn es für uns eine Möglichkeit geben würde, bei Doona
und seinen Leuten zu bleiben ...“
„Aber ja!“ rief Doona hocherfreut – oder besser gesagt: Die Stimme aus dem
Translator übersetzte ihn so. Aber man sah ihm an, daß er es auch so gemeint
hatte. „Wir würden uns riesig freuen, wenn ihr für immer unsere Gäste seid.
Ihr könntet auf Tonoga bleiben oder auf Tanit im Nachbarsystem leben.“
„Das machen wir!“ rief Fredy. „Und vielleicht können wir euch bei euren
Forschungen helfen!“
Während Caral mit den beiden schon Einzelheiten beredete, fügte Doona
hinzu: „Und was die beiden Übeltäter angeht, so werden sie der Gerichts
barkeit auf Tanit übergeben. Wenn ihr den bürokratischen Tick meiner Leute
kennen würdet, dann könntet ihr euch vorstellen, wie das abläuft: Flint und
Erik werden in den nächsten Jahren viele tausend Formulare über all ihre
Schandtaten auszufüllen haben. Für etwas anderes bleibt ihnen gar keine
Zeit mehr. Vielleicht bessern sie sich sogar und bringen es zu Untersekretärs
anwärtern. Das Schikanieren beherrschen sie ja schon ganz gut.“
„Mir ist noch immer ein Rätsel, wie ihr so schnell bemerkt habt, daß je
mand auf der Robotinsel war“, sagte Karlie.
„Habe ich es noch nicht erzählt?“ fragte Doona. „Weil die Sendeanlage
beschädigt wurde.“
„Aber warum hat Flint das getan?“
„Daran hatte er ausnahmsweise keine Schuld“, antwortete der BWissen
schaftler. „Inzwischen habe ich den Schaden behoben. Beim Absturz der
AESCLIPUS hat sich offenbar ein Stück vom Leitwerk gelöst und ist – knapp
unter der Wasserlinie – in die Insel eingedrungen. Dabei wurden wichtige Ge
räte beschädigt, und Wasser drang ein. Wenn ich daran denke, dann wird mir
ganz schwindlig: Für den Ausfall der Station war tatsächlich eine Art von Me
teor verantwortlich. Vor einer Woche hätte ich das noch rundweg abge
stritten.“
„Setzt ihr uns vor eurem Abflug auf SHAVACCOR ab?“ bat Doona. „Dann
schicken wir die Bogeys allein nach Haus. Sie können sich Zeit lassen und
den CovallhaGarten mit seinen Gefahren umgehen.“
„Klar doch!“ riefen Harpo und Thunderclap.
Doona freute sich. Er hatte mit dieser Bitte an die neuen Gefährten ge
dacht, denen die beschwerliche Reise auf dem Rücken der Bogeys noch nicht
zuzumuten war. Aber wenn er ehrlich war: Ein bißchen wollte er auch den
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Triumph genießen, im Gleitboot der Besucher aus dem All zur Forschungsin
sel hinabzuschweben. Gandrill, Pertoff und Korshak würden riesige Facetten
augen bekommen.
„Dann bleibt nur noch ein Problem“, murmelte Harpo. „Wir müssen Flint
und Erik aus der Gefrierkammer holen. Hoffentlich hat der Aufenthalt ihre
Köpfe etwas abgekühlt!“
„Jetzt fällt mir aber etwas Schreckliches ein!“ rief Rita. „Der schöne Plan
hatte einen winzigen Fehler, der uns zum Verhängnis wird: Wir können ja gar
nicht zur EUKALYPTUS fliegen, weil Flint und Erik beide Gleitboote mit sich
genommen haben!“ Thunderclap atmete erst einmal erleichtert aus, bevor er
antwortete. Für einen Moment lang war ihm ein eiskalter Schreck in die Glie
der gefahren, weil er glaubte, daß Rita tatsächlich einen Fehler entdeckt
hatte. „Wenn es weiter nichts ist ...“ sagte er lächelnd. „Bharos wird natürlich
zur EUKALYPTUS teleportieren, vielleicht ein paar Grüne mitnehmen und
die Frostpakete Erik und Flint solide verschnürt mit einem Gleitboot zur Insel
zurückbringen.“
„Ja, wenn das so ist ...“ begann Harpo.
„Juchhu!“ rief Anca. „Jetzt wird endlich gebadet!“ Sie warf als erste ihre
Kleider ab und hüpfte ins Meer. Die ganze Meute folgte begeistert ihrem Bei
spiel. Selbst Trompo, Doona, Caral, Rita und Bharos machten mit. Und Fredy
– trotz seines Turbans aus Binden.
Nur Lonzo ließ es bei einem großspurig angekündigten Anlauf bewenden.
„Captain Kidds Matrosen waren alle wasserscheu und konnten nicht
schwimmen“, rief er. Prüfend steckte er einen Tentakel in das Wasser und
zuckte zurück. „Igitt!“
Aber dann winkte er seinen Freunden begeistert mit allen vier Tentakeln zu
und schlug anschließend ein Rad aus Freude darüber, daß wieder einmal ein
Abenteuer glimpflich ausgegangen war.
Doona und Caral riefen ihre Bogeys herbei, damit sie die Badenden gegen
Gefahren abschirmten. Aber die ersten kamen bereits wieder aus dem
Wasser, das doch ziemlich kalt war. Ollie hielt es am längsten aus. Die sehn
süchtigen Blicke, die er den Bogeys zuwarf, machten eines klar: So leicht
würde man ihn nicht von diesem Planeten fortbringen – bevor er nicht
wenigstens einmal auf einem solchen Tier geritten war.
Ende
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