Bonanza 5 Parker, Teddy Einer spielt falsch

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Teddy Parker


Einer spielt falsch


Bonanza

Band 5












Engelbert-Verlag • Balve/Westf.

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Bearbeitung und deutsche Fassung: Peter Wolick

Verlags-Nr. 794
1. Auflage 1969

Illustrationen: Werner Kulle

(c) 1969 by National Broadcasting Company, Inc.



Alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht mit Genehmigung von

Western Publishing Company, Inc. Racine/Wisconsin, USA

Alle Rechte der deutschen Buchausgabe

1969 by Engelbert-Verlag, Balve

Nachdruck verboten – Printed in Germany

Satz, Druck und Einband: Gebr. Zimmermann,

Buchdruckerei und Verlag GmbH, Balve/Westf.

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Der Fremde



Dort, wo sich durch Felsentäler, tiefe Schluchten und über
sanfte Hänge der Paßweg zu Tal windet, lag die Ponderosa, die
Ranch Ben Cartwrights und seiner Söhne.

Blauschimmernd schoben sich weit hinten am Horizont die

Gebirgsketten in den Himmel. Einige ihrer gewaltigen Gipfel
verloren sich in dunstigem Wolkenschleier, hinter dem in
letztem Flammenspiel, verglühend wie eine riesige blutrote
Scheibe, die Sonne versank. Ein kühler Wind wehte von den
Bergen zu Tal.

Hoss Cartwright fröstelte. Er war nach dem Abendessen vor

das Haus gegangen, um den Sonnenuntergang zu beobachten.
Morgen lag ein anstrengender Tag vor ihm. Er hatte vom Vater
den Auftrag bekommen, die weit abgelegenen Freikorrals zu
kontrollieren. Die neugeborenen Kälber mußten gezählt und
mit dem Brandzeichen der Cartwright-Ranch gezeichnet
werden. Die kleine Herde der Hereford-Rinder, die Ben
Cartwright gegen den Willen seiner Söhne gekauft hatte, war
inzwischen größer geworden. Ja, der Vater hatte recht
behalten: Das rauhe Bergklima bekam ihnen vorzüglich. Man
brauchte sich kaum um sie zu kümmern. Das ersparte eine
Menge Arbeit.

Hoss seufzte, denn er war mit seinem Auftrag nicht

zufrieden. Viel lieber wäre er zu Hause geblieben. Hop Sing,
der chinesische Koch, der auf der Ponderosa die Rolle der
Hausfrau spielte, kochte zu gut, und für ein gutes Essen war
Hoss immer zu haben. Warum schickte der Vater nicht Little
Joe in die Berge? Für solche Aufträge war der liebe Junge
nicht zu gebrauchen, aber wenn es in die Stadt ging, dann war

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er da. Dann gab er im Saloon an und spielte bei jeder Schürze
den Herzensbrecher. Trotzdem liebte Hoss seinen kleinen
Bruder, und er hätte sich für ihn sozusagen in Stücke reißen
lassen. Nur manchmal, besonders, wenn Frauen im Spiel
waren, hätte er ihn wegen seiner Angeberei bei den Ohren
nehmen können. Little Joe schoß bei Frauen immer den Vogel
ab. Hoss betastete seinen Bauch. Ja, er war wirklich etwas zu
dick, und dann fehlte ihm auch dieser innige Blick, um bei den
Frauen anzukommen. Diese mageren Windbeutel waren da
besser dran. Na, vielleicht würde er bei dem Ausflug in die
Berge etwas abnehmen. Den Witwentrösterblick, wie ihn Joe
besaß, würde er sich aber niemals aneignen können.

Mit diesen Gedanken ging Hoss ins Haus zurück.
In dem großen Raum brannten zwei Lampen. Es war mollig

warm, denn in dem offenen Kamin prasselte ein helles Feuer.

Vater Cartwright saß an seinem Schreibtisch und war mit den

Büchern beschäftigt. Beim Eintritt seines Sohnes sah er auf.
„Ich mache mir tatsächlich Sorge um Indianer-Bill“, sagte er
mit einem tiefen Seufzer. „Bill sollte schon vor einer Woche
hier sein und mir über die Herde Bericht erstatten. Dann hättet
ihr zusammen zurückreiten können, um die Kälber zu
zeichnen. Jetzt mußt du eben allein reiten.“

„Und was ist mit unserem Liebling?“ fragte Hoss. „Er könnte

doch auch mitkommen.“

„Ich habe etwas anderes zu tun“, meldete sich Little Joe.

„Und nenne mich bitte nicht Liebling, sonst klebe ich dir eine.“

„Immer langsam!“ Ben Cartwright hob die Hand. „Sollte

Indianer-Bill etwas zugestoßen sein, bleibst du oben. Dein
Bruder kommt in zwei Tagen nach. Das verspreche ich dir.“

„Ich habe die Grenzzäune zu reparieren und muß in die Stadt

zum Einkaufen. Hop Sing hat nichts mehr in der
Vorratskammer“, wandte Little Joe ein.

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„Ja, natürlich, in die Stadt“, grinste Hoss. „Vergiß nur nicht,

im Saloon ein Spielchen zu machen. Denke aber daran, ich bin
nicht da. Mich kannst du also nicht anpumpen, und ich kann
dich auch nicht auslösen, wenn sie dich bis auf das Hemd
ausgezogen haben.“

„He, du spielst?“ forschte Ben Cartwright und hob die

Augenbrauen. „Das höre ich zum ersten Male.“

„Ach, so ist das nicht, Pa“, fiel Hoss sofort ein. „Nur in der

letzten Woche, da hat ihm Steve Collins zehn Dollar
abgenommen. Sonst spielt er nie. Ich will ihn ja auch nur
warnen.“

Little Joe, der mit dem Reinigen der Gewehre beschäftigt

war, deutete hinter dem Rücken des Vaters mit dem
Zeigefinger gegen die Stirn.

Hoss wiegte den Kopf und schlug die Augen gen Himmel. Er

hatte es eben gesagt, und daran war nichts mehr zu ändern.

„Wenn ich dich einmal beim Spiel erwische, streiche ich dir

das Taschengeld“, drohte der Vater, und dann wandte er sich
wieder Hoss zu. „Wenn oben alles in Ordnung ist, schickst du
Indianer-Bill sofort herunter. Ich muß die Zahl der
neugeborenen Kälber wissen. Nächste Woche kommt Mr.
Orton. Er möchte einige Hereford-Kälber kaufen, um auch eine
Zucht anzulegen.“

„In Ordnung, Pa!“
„Hier, ich habe deine Colts und dein Gewehr gereinigt“, sagte

Little Joe. Er stellte die anderen Gewehre in den Ständer neben
der Tür und ließ Hoss’ Waffen auf dem Tisch liegen. „Aber
nur, weil es Pa sagte. – Gute Nacht; ich gehe zu Bett.“ Damit
ging er nach oben und warf seinem Bruder einen nicht sehr
freundlichen Blick zu.

„Ich danke dir auch.“ Hoss sah ihm nach. „Wir sehen uns

morgen noch, nicht wahr?“

Little Joe antwortete nicht.

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„Was hat er nur?“
Ben Cartwright erhob sich. „Was soll er haben? Er fühlt sich

ertappt, sonst nichts. Das können die meisten Menschen nicht
vertragen. – So, nun lege dich hin, Junge. Du hast morgen
einen schweren Tag vor dir.“

„Ich werde Paiute reiten, und wenn es dir recht ist, nehme ich

Ginger als Beipferd mit. Paiute kennt die Gegend.“

„Schon in Ordnung, Junge!“
Paiute war ein hochbeiniger Hengst. Hoss ritt ihn immer,

wenn es ins Gebirge ging. Paiute war zuverlässig und
ausdauernd. Seine Furcht vor Wölfen, mit denen er als Fohlen
einmal in Berührung gekommen war, hatte der Hengst
inzwischen verloren. Auch ein Puma konnte ihn nicht aus der
Ruhe bringen, seitdem die Geschichte mit Rimrock passiert
war. Damals hatte Hoss in demselben Gebiet, das er jetzt
besuchen wollte, einen jungen Silberlöwen gefunden und
während der Wintermonate in der Berghütte großgezogen. Der
junge Puma war so zahm geworden, daß er Hoss bei seinen
Kontrollritten begleitete. Rimrock, wie Hoss den kleinen Puma
getauft hatte, saß dabei auf einer Decke hinter seinem Sattel.
Paiute hatte natürlich zuerst verrückt gespielt, aber sich mit der
Zeit an seinen zweiten Reiter gewöhnt. Heute lebte Rimrock in
den Bergen und erfreute sich seiner Freiheit.

Daran mußte Hoss denken, als er sein Zimmer aufsuchte.
Am nächsten Morgen weckte ihn Hop Sing. Wie alle

Chinesen konnte der Koch kein „R“ sprechen. Er ersetzte es
durch den Laut „L“, und diese Wortbildung gab oftmals zu
Heiterkeit Anlaß.

Hop Sing kam leise ins Zimmer, zog die Vorhänge auf und

nahm vor dem Bett von Hoss Aufstellung.

„Mistel Hoss, vielleicht bitte aufstehen“, sagte er freundlich,

bemüht, so sanft wie nur eben möglich zu sprechen, denn es
war schon vorgekommen, daß diese Aufforderung mit dem

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Wurf eines Stiefels beantwortet worden war. Besonders bei
Little Joe war das Wecken gefährlich.

Als sich Hoss nicht rührte, fügte der Chinese sanft hinzu:

„Ich machen eine gutes Flühstück. Eiel mit Schinken und
gutes, gutes Kaffee.“ Er schnalzte mit der Zunge und verdrehte
die Augen. „Und fül Litt in die Beige schon alles feltig und
gepackt. Hop Sing weiß, was Mistel Hoss gelne essen. Mistel
Hoss wild sich fühlen wie im Paladies, wenn el sieht die vielen
schönen Sachen.“

Bei Hoss ging das Erwachen immer sehr langsam vor sich. Er

blinzelte durch die Lider, reckte sich, um sich aber dann noch
einmal auf die Seite zu drehen.

„Nein, nein, Mistel Hoss“, sagte Hop Sing. „Sie nicht holen,

was ich sagte? – Flühstück feltig! – Ja, bitte, und Mistel Joe
schon sitzen untel längst am Tisch.“

Das riß Hoss hoch. „Wie, Little Joe ist schon aufgestanden?“
Hop Sing legte die Fingerspitzen aneinander. „Doch,

bestimmt. El schon längst essen und machen sogal schon fül
Mistel Hoss die Pfelde feltig. Bitte, sehen aus Fenstel!“

In seinem langen Nachthemd ging Hoss zum Fenster und sah

hinaus.

Unten im Hof stand Paiute bereits fertig gesattelt, daneben

Ginger, das Packpferd.

In zehn Minuten war Hoss gewaschen, rasiert und angezogen.

Mit einem fröhlichen „Hallo!“ kam er die Treppe herunter und
nahm am Frühstückstisch Platz.

Wie ein Schatten tauchte hinter ihm der Chinese auf, um ihm

den Teller zu füllen.

Little Joe nickte nur kurz.
„Ich danke dir auch, daß du dich schon um die Pferde bemüht

hast“, sagte Hoss, während er eine „Ladung“ Schinken mit Ei
in den Mund schob. „Wirklich, nett von dir!“

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„Dafür kannst du mich wieder mal bei Pa in die Pfanne hauen

und erzählen, was für ein großer Spieler ich bin“, antwortete
Joe sauer. „Ich machte das Spiel doch nur, weil mich Steve
Collins drängte, aber Pa meint jetzt, ich säße jedesmal, wenn
wir im der Stadt sind, am Spieltisch. – Du kennst ihn doch!“

„Weißt du, Joe, ich wollte es ja gar nicht sagen“, verteidigte

sich Hoss. „Aber plötzlich war es heraus. Ich wollte dich
bestimmt nicht anschwärzen. Du kennst mich doch!“

„Schon gut!“ Joe nahm einen Schluck Kaffee. „Wenn du bei

den Eagle Rocks vorbeikommst, sieh dich vor. Es hat jetzt drei
Tage geregnet. Das bedeutet erhöhte Steinschlaggefahr. Das
wollte ich dir nur sagen. Sollte dich ein Gewitter überraschen,
sieh zu, daß du die Hütte bei der Quelle erreichst, und bleibe
einige Stunden dort, bis es trocken geworden ist. Der Pfad am
Osthang ist nach einem Regen besonders glatt. Ich wäre
damals beinahe mit dem Fuchs abgestürzt, habe euch nur
nichts erzählt.“

„Ich passe schon auf“, nickte Hoss, während ihm Hop Sing

erneut den Teller füllte. „Deine Sorge um mich ist rührend,
aber ich bin ja schließlich kein Baby mehr. Vielleicht rätst du
mir auch noch, eine dreifache Garnitur Unterhosen
einzupacken.“

„Ja, natürlich, das hat man nun davon, wenn man sich um

seinen Bruder sorgt“, erwiderte Joe etwas verstimmt. „Du bist
doch manchmal völlig weggetreten. Du merkst einen
Steinschlag erst, wenn dir die Brocken schon um die Ohren
fliegen.“

„Ich bin weggetreten?“ Hoss fuchtelte mit der Gabel durch

die Luft. „Da hört doch alles auf! Du bist weggetreten, wenn
du eine Schürze siehst…“

„Um was geht es denn, meine Herren Söhne?“ fragte Ben

Cartwright, der in diesem Moment den Raum betrat und am
Tisch Platz nahm.

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„Pa, er glaubt, ich bin ein Baby“, entrüstete sich Hoss. „Er

erzählt mir alles, was ich selbst weiß. Bei den Eagle Rocks gibt
es Steinschlag, am Osthang sind bei einem Gewitter die Pfade
glatt, ich soll mir eine dreifache Garnitur Unterhosen
einpacken…“

„Den Blödsinn hast du gesagt“, fiel ihm Joe in die Rede.
„Aber du wärst bestimmt noch damit gekommen.“
„Kinder, streitet euch doch nicht“, mahnte der Vater. „Das ist

alles viel zu dumm, um darüber überhaupt nur ein Wort zu
verlieren.“

„Er hat doch angefangen, Pa! Ich habe ihm bereits das Pferd

versorgt. Er brauchte nur noch ‘runterzukommen und sich
vollzustopfen.“

„Jetzt ist Schluß!“ Ben Cartwright hob die Hand. „Ich will in

Ruhe frühstücken.“ Er wandte sich an Hoss. „Und ich würde
an deiner Stelle dem Bruder dankbar sein, wenn er sich Sorgen
um dich macht.“ Mit einem Blick auf Joe fuhr er fort: „Du hast
ihm also die Pferde versorgt. Dafür muß ich dich loben.“

„Das ist doch selbstverständlich.“
„Bei deiner angeborenen Abneigung vor dem Aufstehen?“
„Pa, er sitzt stundenlang im Sattel, während ich zu Hause

bleibe. Da dachte ich mir, sei gut zu ihm…“

Hoss zog ein Gesicht. „Ich werde verrückt! Sei gut zu ihm!

Pa, da kommt doch noch was nach. Ich kenne den Leisetreter.“

„Es ist jetzt Schluß damit!“
„Vielleicht noch etwas Eiel mit Schinken, Mistel Hoss?“

fragte Hop Sing, der den Rancher bedient hatte.

Hoss wollte schon nicken, aber da sah er Joes Grinsen.
„Nein, danke! – Man soll nicht zuviel essen, wenn man einen

Ritt vor sich hat. Mir genügt es!“

„Das will ich auch meinen“, grinste Little Joe. „Von deinen

Portionen würden zehn ausgehungerte Sioux-Indianer satt.“

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„Bitte, Pa!“ Hoss setzte eine beleidigte Miene auf. „Wer

fängt nun an?“

Ben Cartwright sah auf die Uhr. „Ich glaube, es wird Zeit für

dich. Mache es gut, Junge, und denke daran, daß du Indianer-
Bill sofort losschickst, wenn alles in Ordnung ist.“

Hoss erhob sich.
„Okay, Pa! Wird alles bestens erledigt.“
Hoss reichte dem Vater die Hand, und Ben Cartwright

wandte sich an Joe. „Du begleitest deinen Bruder hinaus.“

Hop Sing stand bereits mit dem Pistolengürtel und dem

Gewehr an der Tür.

„Wünsche einen guten Litt, Mistel Hoss! – Sollen gesund

kommen wiedel zulück.“

„Danke, Hop Sing!“
Hoss legte den Pistolengürtel an und verließ mit seinem

Bruder den Raum. Bevor er aufsaß, reichte ihm Joe die Hand.

„Alles Gute, Hoss! – Was ich noch sagen wollte – könntest

du mir vielleicht…“

Weiter kam er nicht, denn Hoss sagte sofort: „Kann ich, Joe!“

Er zog einen Zehndollarschein aus seiner Hemdtasche, faltete
ihn zusammen und steckte ihn dem Bruder in den Gürtel.
„Siehst du, ich kann sogar deine Gedanken erraten. Du hättest
ihn aber sowieso von mir bekommen.“

„Vielen Dank! – Ich bin nämlich diese Woche etwas knapp,

und Pa braucht das nicht zu wissen.“

Hoss deutete zum Fenster, hinter dem das lachende Gesicht

des Vaters zu sehen war. „Du, ich glaube, er weiß es schon.“

Eine Stunde später hatte Hoss die Straße nach Virginia City

verlassen und den Weg ins Gebirge eingeschlagen. Er ließ
Paiute, der bisher getrabt hatte, in den Schritt fallen. Ginger,
das Packpferd, folgte willig. Hoss hatte ihm den Zügel lang
gemacht und am Sattelknopf befestigt.

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Jetzt lag der schwerste Teil des Weges vor ihnen. Man konnte

das Bergplateau, auf dem die Weiden lagen, auch auf einer
weniger gefährlichen Strecke erreichen, aber dann verlor er
wenigstens drei Stunden. Hoss wollte noch vor Dunkelheit die
Hütte erreicht haben, und das konnte er nur, wenn er den Weg
direkt durch das Gebirge nahm. Pa und Joe waren natürlich
davon überzeugt, er werde die leichtere Route wählen.

Gegen Mittag erreichte Hoss die Eagle Mountains, die Adler-

Berge. Es war heiß geworden. Gewaltig reckten sich die
turmhohen Felswände in die hitzeflimmernde Luft. Weit hinten
segelten weiße Wolkenballen in der azurblauen Weite des
Himmels. Auf den weißgrauen Felsen brannte die Sonne.
Adler kreisten über den Schluchten, um dann plötzlich lautlos
herabzustoßen. Kein Laut durchbrach die Einsamkeit der
Bergwelt. Hart klapperten die Hufe der Pferde über den
steinigen Boden.

Hoss wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er nahm einen

Schluck aus der Flasche, in die ihm Hop Sing starken
ungesüßten Tee gefüllt hatte. Bald würde er die Quelle
erreichen. Dort wollte er eine Pause einlegen und die Pferde
tränken. Er warf einen Blick zurück. Weit hinten im
Sonnenglast lag Virginia City. Sicher war Little Joe schon auf
dem Weg dorthin. Er hatte den Wagen heute morgen schon aus
der Scheune gefahren, und nur deshalb war er vermutlich so
früh aufgestanden.

Während er bald darauf an der Quelle Rast machte, fiel ihm

wieder Indianer-Bill ein. Warum kam er nicht? Er war doch
immer verläßlich gewesen. Ja, Pa hatte schon recht, wenn er
sich Sorgen machte.

Gierig soffen die Pferde das Wasser aus dem Segeltucheimer.

Hoss hing ihnen danach die gefüllten Futterbeutel um und
legte sich in den Schatten eines Felsens.

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Wieder mußte er an Indianer-Bill denken, und dann ließ ihn

plötzlich das Geräusch von Pferdehufen aufhorchen. Es war
also noch jemand in dieser gottverlassenen Gegend.

Hoss erhob sich, um nach dem Reiter Ausschau zu halten. Er

konnte ihn jedoch nicht entdecken. Er wußte nicht einmal,
woher das Geräusch gekommen war. Es konnte über ihm oder
auch unter ihm gewesen sein. Die hohen Bergwände warfen
jedes Geräusch vielfach zurück.

Bald darauf trug ihn Paiute sicheren Schrittes über die

schmalen Pfade, die sich oftmals hart an den steilen Hängen
entlangzogen. Ginger folgte willig. Das Wasser hatte die Tiere
erfrischt.

Nach einer Viertelstunde zog sich der Pfad an einer tiefen

Schlucht entlang. Tief unten rauschte schäumend ein
Gebirgsbach über die Felsen.

Hoss stieg nun ab und nahm Paiute an der Trense. Nach

unten blicken durfte er nicht, sonst würde ihm schwindelig. So
erging es ihm aber immer wieder. War er auf diesem Pfad,
wäre er am liebsten wieder umgekehrt. Der Hengst ging an
seiner Seite Schritt für Schritt über den schmalen Gebirgspfad.
Er war so oft mit Hoss diesen Weg gegangen und hatte sich
daran gewöhnt.

Hoss sah sich um, weil Ginger plötzlich zu schnauben

begann. Auch Paiute spielte mit den Ohren und bekam große
Augen, und dann hörte Hoss auch schon das rasselnde
Geräusch, das ihm nur zu gut bekannt war.

Mitten auf dem schmalen Pfad vor ihnen sonnte sich eine

ausgewachsene Klapperschlange. Sie zog sich zu einem
Knäuel zusammen und hob angriffslustig den Kopf. Das
Rasseln der Hornschalen ihres hochgestellten Schwanzes war
ein Geräusch, das Hoss einen Schauder über den Rücken
laufen ließ. Hier gab es kein Zurück mehr. Der Pfad war zu
schmal.

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„Ruhig, Alter!“ Hoss hielt Paiute zurück und fuhr ihm mit der

Hand über die Nüstern. Hinter sich hörte er Gingers erregtes
Schnauben. Spielten die Pferde verrückt, war er verloren. Sie
sahen nicht mehr die Gefahr des Abgrundes, sondern nur das
giftige und angriffslustige Reptil vor sich. Es war nur gut, daß
die Schlange in ihrer Position verharrte.

Hoss merkte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Er nahm

sich in diesem Augenblick vor, den Pfad nie wieder zu
benutzen.

Während er dem Hengst mit der Linken die Nüstern strich,

zog er seinen Colt aus dem Halfter. Er visierte das
buntschillernde Bündel kurz an und zog durch, zwei-, dreimal.
Dann hatte er nur noch damit zu tun, Paiute, der scheuen
wollte, in der Hand zu behalten.

Vor ihm wand sich der Schlangenkörper zuckend über den

Pfad und stürzte Sekunden darauf in die Schlucht.

Der Weg war frei. Hoss lehnte sich aufatmend gegen die

Felswand. So blieb er stehen, bis sich die Pferde beruhigt
hatten.

Nach etwa einer Stunde war Hoss mit seinen Pferden wieder

auf dem normalen Weg, der direkt zu den Weidegründen des
Hochplateaus führte. Zwar hatte er einige Stunden gewonnen,
dafür war er aber völlig mit den Nerven zu Ende. Ihm zitterten
jetzt noch die Hände. Nein, für den Rest des Tages hatte er
genug. Er konnte nicht mehr weiter und wollte die nächste
Schutzhütte aufsuchen, um dort die Nacht zu verbringen. Das
war die Hütte, die Joe ihm bei einem Gewitter empfohlen
hatte.

Diese Schutzhütten in den Bergen waren durch Spenden der

Bürger Virginia Citys und der Rancher errichtet worden. Sie
waren gut ausgerüstet und standen jedermann zur Verfügung.

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Hoss sah sofort, daß hier lange Zeit niemand gewesen war. Er

wischte den Staub vom Tisch und schleppte den Proviantsack
und die Satteltaschen in den Raum. Dann versorgte er die
Pferde und pflockte sie unter dem Schutzdach hinter der Hütte
an.

Bald flackerte ein helles Feuer auf der offenen Herdstelle.

Jetzt brauchte er nur noch Wasser für den Tee, denn die
Flasche war leer. Auf dem leeren Tank des Wasserreservoirs
fand er mit Kreide die Worte: „Quellwasser hundert Meter
rechts von der Hütte.“

So machte sich Hoss mehrere Male mit dem Segeltucheimer

auf den Weg zur Quelle, um den ausgehöhlten Baumstamm zu
füllen, der den Pferden als Tränke diente.

Als er von seinem letzten Gang zur Quelle zurückkehrte,

donnerte es bereits, und Sekunden darauf hatte der Himmel
alle Schleusen geöffnet. Ein Platzregen prasselte hernieder,
und Hoss war froh, jetzt nicht unterwegs zu sein. Bald zuckten
die ersten Blitze vom Himmel. Er wollte deshalb noch einmal
nach den Pferden sehen und mußte zu seiner Überraschung
feststellen, daß neben Paiute und Ginger ein drittes Pferd
angebunden war. Es war bereits abgesattelt. Er mußte
inzwischen einen Mitbewohner bekommen haben.

Hoss ging um das Haus herum, und als er sich der Tür

näherte, tönte ihm aus der Hütte fröhliches Pfeifen und das
Gesumme eines Banjos entgegen. Er öffnete die Tür und sah
einen jungen Mann in mehr liegender als sitzender Stellung auf
einem Stuhl hocken. Der Fremde hatte seine Beine ungeniert
auf die Tischplatte gelegt. Er trug einen überaus eleganten
grauen Reitanzug mit langer Jacke, ein schwarzes Hemd mit
weißer Hängeschleife und einen fast weißen Stetsonhut, den er
ins Genick geschoben hatte.

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Ein Stutzer, stellte Hoss mit einem einzigen Blick fest. Er

konnte diese aufgeblasenen Kerle nicht leiden, überall trieben
sich diese feingemachten Städter in letzter Zeit herum.

Ohne sein Pfeifen zu unterbrechen, berührte der Fremde mit

den Fingerspitzen seinen Hutrand und bearbeitete weiter die
Saiten seines Banjos.

Der Kerl spielte nicht einmal schlecht, und sein Pfeifen war

auch irgendwie gekonnt, mußte Hoss feststellen.

Hoss nickte ihm kurz zu, und da sich der junge Mann bei

seiner musikalischen Darbietung nicht stören ließ, machte er
sich daran, Wasser für den Tee zu bereiten. Dabei bemerkte er,
daß ihn der Fremde aufmerksam beobachtete. Es war
überhaupt etwas an ihm, was Hoss irgendwie gefiel. Er konnte
aber trotzdem ein unwilliges Gefühl nicht unterdrücken. Dieser
Kerl schien auf Grund seiner Aufmachung sehr selbstbewußt
zu sein. Er tat genauso, als gehöre ihm die Hütte allein. Seine
ihm scheinbar sehr bequeme Stellung änderte er auch nicht, als
Hoss an den Tisch herantrat, um den Proviantsack
auszupacken. Musizierend, aber interessiert betrachtete er die
Dinge, die Hop Sing für Hoss eingepackt hatte. Als ein großes
Glas mit eingekochten Birnen zum Vorschein kam, dazu ein
weiteres Glas mit Vanillepudding, unterbrach er für Sekunden
sein Spiel und meinte mit einer bezeichnenden Bewegung auf
das Puddingglas: „Großartig! – Genau mein Geschmack!“
Diese Feststellung schien ihn so fröhlich zu stimmen, daß er
den Refrain des Liedes nicht mehr pfiff, sondern mit einer
tiefen Baßstimme grölte.

Hoss sah ihn nur an. Daraufhin beendete der Fremde seine

Darbietung und meinte lachend: „Mein Konzert geht dir wohl
auf die Nerven, wie?“

Hoss musterte ihn noch einmal von oben bis unten. „Will ich

nicht gerade sagen, aber vielleicht nimmst du endlich deine

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Quadratlatschen vom Tisch, dann sieht es gleich ein wenig
gemütlicher aus.“

Ohne mit der Wimper zu zucken, kam der Fremde diesem

Wunsch nach. „Ja, ja“, stöhnte er. „Mein Vater hat schon
immer gesagt: Jeremias, du wirst es in deinem Leben zu nichts
bringen. Du bist ein Windhund und hast keine Kinderstube.
Und er hat recht.“ Er hob die Schultern. „Ich frage dich,
Dicker, wie kann man mit dem Namen Jeremias überhaupt
ernst genommen werden?“

Hoss mußte lachen. „An unseren Namen können wir wohl

nichts ändern, und was bedeutet schon ein Name? Auf die
Person kommt es an – oder?“

„Eben“, nickte der Fremde. „Aber die Leute denken da

anders.“ Er stand auf und stellte sich in Positur. „Was sagst du
zu meinem neuen Anzug?“

Hoss zog ein Gesicht.
„Die Leute werden mich für einen feinen Mann halten.“
„Oder für einen Gecken“, grinste Hoss. „Woher kommst du?“
„Aus San Francisco, und damit du es gleich weißt, ich will

nach Virginia City. Ich wäre längst dort, wenn ich mich nicht
im Gebirge verirrt hätte. Schließlich fand ich diese Hütte, und
da ich die Pferde sah, dachte ich mir, vielleicht will der
Besitzer der Gäule auch nach Virginia City. In diesem Falle
würde ich mich nämlich sofort anschließen.“

Hoss erinnerte sich an den unsichtbaren Reiter, dessen

Hufschlag er gehört hatte. Das konnte nur der Fremde gewesen
sein.

„Ich reite erst in einigen Tagen zurück“, sagte Hoss. „Aber

der Weg ist furchtbar einfach. Ich werde ihn dir beschreiben.“

„Morgen“, winkte der Fremde ab.
Hoss ging zur Feuerstelle und nahm den siedenden Kessel

aus dem Haken der Kette. Nachdem er den Tee bereitet hatte,

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schnitt er einen kleinen Schinken an. Ja, Hop Sing hatte ihn gut
bedient. Sogar der Pudding war nicht vergessen worden.

Der Fremde hatte inzwischen sein Reitjackett ausgezogen. Er

krempelte die Ärmel seines Hemdes auf und sah Hoss an.

„Du kannst mithalten“, sagte Hoss. Er schob ihm das Brot

und den Schinken zu. „Mr. Jeremies…“

„Cox“, ergänzte der Fremde. „Jeremias Cox! – Wenn du

willst, kannst du mich Jerry nennen.“

„Gut, Jerry!“ Hoss fand immer mehr Gefallen an dem jungen

Mann. „Ich bin Hoss Cartwright. Südlich von Virginia City
liegt unsere Ranch, die Ponderosa. – Suchst du Arbeit?“

„Ach, du liebe Güte! – Jeremias Cox ging es auch ohne eine

feste Arbeit immer gut.“ Jerry tippte sich mit dem Zeigefinger
gegen die Brust. „Ich bin nämlich ein Glückspilz!“

„Ach!“ Hoss hielt unwillkürlich mit dem Kauen inne. „Und

wie soll ich das verstehen – Glückspilz?“

„Schau, wenn ich dich nicht getroffen hätte, würde ich jetzt

nicht diesen wunderbar zarten Schinken essen und hätte bis
morgen hungern müssen“, lachte Jerry. „Und so geht es mir
immer.“

In der nächsten halben Stunde merkte Hoss, daß dieser Jerry

ein Spaßvogel sein mußte. Er nahm alles von der heiteren Seite
und hatte eine unerschütterliche Ruhe. Seinen Händen sah man
an, daß sie keine harte Arbeit gewohnt waren.

Auf Hoss’ Einwand, er müsse doch irgend etwas tun, um

leben zu können, erklärte Jerry, er schreibe Geschichten für
Zeitungen. Er sei in den Westen gekommen, um sich hier
Eindrücke zu holen. Außerdem spiele und singe er in den
Saloons, und dabei fühle er sich ganz wohl.

„Dann bist du also ein Studierter“, stellte Hoss fest.
„Wir auf der Ponderosa sind natürlich nicht so gebildet, aber

wir stehen unseren Mann. Sie ist die bestgeführte Ranch im
ganzen Umkreis.“

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„Und du gefällst mir“, sagte Jerry. „Du scheinst ein richtiger

Kerl zu sein.“

Hoss lächelte verlegen. „Wenn du von dem Pudding etwas

willst, bitte!“

Das ließ sich Jerry nicht zweimal sagen. Er füllte sich den

Teller und schob den Rest Hoss zu.

Am nächsten Morgen war Hoss schon früh wach. Er stand

auf, um die Pferde zu versorgen. Dabei stellte er fest, daß Jerry
eine ausgezeichnete Fuchsstute besaß. Das Tier war sehr
gepflegt. Auf der Kruppe trug es als Brandzeichen einen Stern.
Hoss überlegte. Wo hatte er das Brandzeichen schon einmal
gesehen? Ja, natürlich, dieses Zeichen trugen die Armeepferde
der Grenzreiter-Division. Wie kam Jerry an ein solches Pferd?
Das war nur möglich, wenn er bei der Armee gedient hatte.

In der Hütte brannte bereits das Feuer, als Hoss mit dem

gefüllten Wassereimer zurückkam.

Jerry hatte sogar den Tisch gedeckt und grinste ihm vergnügt

entgegen.

„Ich habe es mir überlegt“, sagte er. „Weißt du, ich möchte

mit dir zurückreiten. Mir kommt es auf ein paar Tage nicht
an.“

Hoss war von dem Vorschlag überrascht. „Ich muß aber noch

einige Meilen hinauf“, meinte er. „Auf dem Hochplateau
haben wir einige Freikorrals mit Hereford-Rindern. Ich muß
die neugeborenen Kälber mit unserem Brandzeichen versehen,
sonst könnten sie von Strolchen weggetrieben werden.“

„Bei dem Brennen könnte ich dir zur Hand gehen“, sagte

Jerry. „Auf der Ranch meines Onkels in Dakota habe ich schon
dabei geholfen.“

„Okay!“ Hoss nickte. „Dann reiten wir in einer Stunde los.“
Nachdem sie gefrühstückt hatten, räumten sie die Hütte auf.

Jerry löschte das Feuer auf der Herdstelle und folgte Hoss, der
draußen mit dem Satteln der Pferde beschäftigt war.

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Hoss stellte erstaunt fest, daß Jerry keinen Pistolengürtel trug.

Auch fehlte an seinem Sattelzeug das Futteral für das Gewehr.

„Du hast keine Waffen?“
„Wozu?“ fragte Jerry zurück. „Ich habe nicht vor, mich mit

jemandem zu schießen, und wenn man keine Waffe besitzt,
kann man auch nicht bedroht werden. Auf einen Waffenlosen
schießt niemand.“

Hoss blieb vor so viel Unbekümmertheit die Luft weg.

„Weißt du, daß es hier in den Bergen Wölfe gibt?“

„Sie haben nur im Winter Hunger“, lächelte Jerry.

„Außerdem besitze ich das hier.“ Er zog eine ledergeflochtene
Bullpeitsche unter seiner Decke hervor und hing sie an den
Sattelknopf. „Damit verstehe ich umzugehen.“ Er befestigte
die Decke hinter dem Sattel und schnallte die Packtaschen fest.

„Und wenn dir Strolche das Pferd wegnehmen wollen?“

fragte Hoss weiter. Er konnte einfach nicht begreifen, daß sich
jemand ohne Waffen in die Berge wagte.

„Dann spiele ich ihnen etwas auf dem Banjo vor oder zeige

ihnen einige Kartenkunststücke“, erwiderte Jerry. „Das kommt
immer an.“

In Hoss kam langsam die Wut hoch. Er hatte das Gefühl, der

Bursche wollte ihn auf den Arm nehmen. „Gebe Gott, daß dir
nur gute und liebe Menschen oder satte Wölfe begegnen“,
schnaufte er. „Also los! – Reiten wir!“

Jerry hing sein Banjo über die Schulter und schwang sich auf

seinen Fuchs.

Jetzt ging es auf breiten Serpentinenpfaden in die Höhe.
Jerry ritt fröhlich pfeifend an der Seite von Hoss, und dieser

mußte feststellen, wie gut der junge Mann im Sattel saß.

Es machte nicht den Eindruck, als habe er erst vor kurzer Zeit

das Reiten gelernt, wie er behauptete.

Nein, Hoss wurde aus seinem Begleiter nicht mehr schlau.

Der Kerl mußte irgendwie verrückt sein, sagte er sich. Schon

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daß er keine Waffen trug, war ein Zeichen dafür. Nur Leute,
die nicht ganz klar im Kopf waren, ritten unbewaffnet in die
Berge. Und dann war er auf jeden Fall auch arbeitsscheu. Daß
er Geschichten schrieb, war bestimmt nur Angabe.

Bald war der Scheitelpunkt des Gebirgszuges erreicht. Jetzt

ging es wieder bergab.

Hoss warf den Zügel des Packpferdes Jerry zu und preschte

mit Paiute zu einem Felsenvorsprung.

Sanft zog sich unter ihm der Hang zu einer mit Wiesen

bedeckten Hochebene hin. Hier hatte Ben Cartwright seine
Rinder stehen. Die Regierung hatte ihm auf seinen Antrag die
ganze Hochebene als pachtfreies Weideland zur Verfügung
gestellt. Ja, Ben Cartwright war immer auf dem Posten. Die
anderen Rancher kamen nicht auf solche Möglichkeiten, aber
hinterher machten sie dumme Gesichter. Sie hatten sogar ihre
Witze darüber gemacht, als die Cartwrights die Rinder in die
Berge trieben. Hereford-Rinder waren zäh und hielten sogar
den Winter durch. Heute war die Herde um eine stattliche
Anzahl gewachsen.

Hoss sah die Herde unten weiden, aber die Freikorrals waren

leer. Indianer-Bill hatte also den Auftrag des Vaters, gute
Jungtiere und Kälber auszusortieren, nicht ausgeführt. Das
mußte einen besonderen Grund haben.

Die gut eingerichtete Blockhütte lag am Hang eines

bewaldeten Hügelrückens. Dort hatte Hoss, als die Rinder
gekauft worden waren, einige Wintermonate mit Rimrock,
dem jungen Silberlöwen, verbracht.

Hoss kniff die Augen zusammen. Zuerst glaubte er, ein

dünnes Rauchwölkchen aus dem Schornstein der Hütte
kräuseln zu sehen, aber dann merkte er, daß er sich getäuscht
hatte. Dort unten tat sich nichts. Er zog seinen Colt und gab
einen Schuß ab. Indianer-Bill mußte ihn hören. Er wartete

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jedoch vergeblich darauf, daß sich die Tür öffnete und der
Mischling herauskam.

„Ist etwas?“ fragte Jerry, als Hoss zurückkehrte.
„Unser Wachmann meldet sich nicht“, erwiderte Hoss. „Das

kommt mir alles so komisch vor. Komm, sehen wir nach!“

In leichtem Trab preschten sie über den Hang zu Tal. Bald

war die Hütte erreicht.

Von einer inneren Unruhe getrieben, sprang Hoss vom Pferd.
Die Fensterläden waren offen und die Hütte nicht

verschlossen. Als er die Tür öffnete, prallte Hoss zurück.

Der große Raum war völlig verwüstet. Das Regal mit dem

Geschirr lag am Boden. Die beiden Betten waren zerwühlt und
die Decken beschmutzt. Die Lagerstatt, die sich der Mischling
mit Fellen auf dem Boden bereitete, war mit Blut besudelt. Auf
dem Tisch standen die Reste einer Mahlzeit.

Jerry war hinter Hoss in die Tür getreten.
„Na, hier war aber etwas los!“
„Du merkst aber auch alles“, sagte Hoss unwillig. Was war

hier geschehen? fragte er sich. Wo war Indianer-Bill?

Jerry ging an ihm vorbei und hielt die Hand in die Asche.
„Vor drei Stunden, so ungefähr, hat hier noch ein Feuer

gebrannt. Bevor die Kerle die Hütte verließen, haben sie sich
noch den Bauch vollgeschlagen.“

„Die Kerle?“ fragte Hoss verwundert.
„Ja, es waren drei Mann“, erklärte Jerry und hob einen

blechernen Trinkbecher vom Boden auf. „Er gehört vermutlich
dem Indianer, wie?“

Hoss blieb vor Überraschung der Mund offen. Stumm nickte

er und fügte nach einer Weile hinzu: „Woher weißt du denn
das alles?“

„Indianer benutzen diese Blechbecher. Außerdem ist auf der

Seite das indianische Zeichen für Vogelfeder eingeritzt. Drei

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Tassen sind benutzt worden, also waren außer dem Indianer
noch drei Mann in der Hütte.“

In Hoss stieg wieder Achtung vor Jerry auf.
Jerry merkte die Verwunderung.
„Du machst ein Gesicht, als wäre ich ein Hellseher“, lachte

er. „Ich beobachte nur genau, sonst nichts.“

„Wenn du die Pferde versorgst, sehe ich mich mal bei den

Weiden um“, schlug Hoss vor. „Ich muß wissen, was hier
geschehen ist.“

„Okay, mache ich!“
Hoss ging hinaus, nahm Paiute die Satteltaschen ab und

schwang sich in den Sattel. In gestrecktem Galopp preschte er
der weidenden Herde zu. Hier schien alles in Ordnung zu sein.
Die Tiere hatten sich prächtig gemacht. Doch dann merkte er
plötzlich, daß Kälber und Jungtiere fehlten. In dem großen
Freikorral war der Boden zerstampft. Also waren die Tiere von
Indianer-Bill in den Korral getrieben worden, wie es der Vater
befohlen hatte.

Langsam dämmerte es Hoss. Viehdiebe! In dieser

abgelegenen Gegend konnte ihnen nicht viel passieren. Sie
konnten die Tiere in aller Ruhe nach Osten treiben und sie dort
in der nächsten Ortschaft oder auf einer Ranch verkaufen. Die
Tiere trugen kein Brandzeichen.

Hoss sah sich den Boden genauer an und entdeckte eine

breitgetretene Spur auf dem Hang, der nach Osten ins Tal
führte. Damit fand er seine Vermutung bestätigt.

Mit dem Gedanken an Indianer-Bill ritt er zur Hütte zurück.

Es war durchaus möglich, daß ihn die Kerle umgebracht
hatten. Wo sollte ex sonst sein?

In der Zwischenzeit hatte Jerry die Pferde abgesattelt und in

den Stall gebracht. Die Hütte war ausgefegt und aufgeräumt.
Er war dabei, die Strohsäcke in den Betten in Ordnung zu
bringen und mit Decken zu belegen.

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„Nun, hast du etwas festgestellt?“
Hoss nahm seinen Hut ab und ließ sich seufzend auf einen

Stuhl nieder. Er erklärte, was vermutlich geschehen war. „Was
ist da noch zu machen? Die Kerle sind längst über alle Berge,
denn die Sache kann sich schon vor Tagen abgespielt haben.“

„Du vergißt, daß die Asche auf der Feuerstelle noch warm

war“, erinnerte Jerry. „Was hältst du von dem Gedanken, daß
die Burschen die Rinder verkauften, zurückkamen und bis vor
wenigen Stunden diese Hütte noch als Aufenthalt benutzten?
Vielleicht sind sie aber jetzt schon auf dem Weg nach Virginia
City.“

„Donnerwetter, du hast Ideen.“ Hoss nagte an seiner

Unterlippe und sah nachdenklich vor sich hin. „Aber die sind
gar nicht mal so schlecht. So könnte es tatsächlich gewesen
sein. Weißt du, die Rinder könnten wir schon verschmerzen.
Es geht mir hauptsächlich um Indianer-Bill. Er war ein treuer
Kerl. Mein Vater würde es sehr bedauern, wenn ihm etwas
zugestoßen wäre.“

„Das kann ich verstehen“, nickte Jerry.
„Was können wir jetzt noch tun?“
Jerry überlegte eine Weile. „Wo könnte Indianer-Bill die

Tiere hingebracht haben, wenn sie nicht gestohlen wurden?“

„Wie kommst du darauf?“
„Ich überlege eben alles“, antwortete Jerry.
„Er stellt die Tiere, die jenseits des Gebirgszuges auf den

Markt gebracht werden sollen, bei Sam Baker unter. Dort
können sich die Aufkäufer aus den östlichen Gebieten die
Tiere ansehen. Sam Baker hat sogar die Genehmigung von
meinem Vater, die Tiere bei guten Preisen zu verkaufen.“

„Und wer ist Sam Baker?“
„Er kennt meinen Vater schon von frühester Jugend an. Sie

waren Schulfreunde.“ Hoss schüttelte den Kopf. „Aber das
kann in diesem Falle nicht zutreffen. Indianer-Bill hatte den

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Auftrag, die Jungtiere und Kälber zum Abtransport nach der
Ponderosa bereitzustellen. Ein gewisser Mr. Orton wollte die
Tiere kaufen, um eine Zucht anzulegen.“

„Jedenfalls hatte er sie im Freikorral zusammengetrieben“,

stellte Jerry fest.

„Ohne Zweifel“, nickte Hoss. „Die Spuren führen in östliche

Richtung. – Aber an Sam Baker habe ich gar nicht gedacht.
Sollte Indianer-Bill meinen Vater mißverstanden haben?“

„Wenn wir nicht das Schlimmste annehmen wollen, wäre das

eine Möglichkeit.“

„Und wer waren dann die Kerle, die die Hütte verwüsteten?“

fragte Hoss.

Jerry hob die Schultern. „Das weiß ich allerdings auch nicht.

Sehen wir doch gleich morgen früh bei Sam Baker nach.“

Damit war Hoss einverstanden. Trotzdem konnte er nicht

daran glauben, die Tiere bei Sam Baker zu finden. Indianer-
Bill wäre längst auf der Ponderosa erschienen, um über einen
Verkauf der Tiere zu berichten.

Am nächsten Morgen machten sich Hoss und Jerry auf den

Weg zur Baker-Ranch. Sie lag jenseits des Gebirgszuges in
einem Talkessel. Ginger, das Packpferd, war im Stall
geblieben. Es war ein Ritt von gut einer Stunde.

Sam Baker, der mit seiner Schwester die kleine Ranch

bewirtschaftete, trat mit einem Gewehr in der Hand aus dem
Haus, als Hoss und Jerry auf den Hof trabten.

„Nanu? – Was soll denn das bedeuten?“ fragte Hoss.
„Ach, du bist es, Hoss“, rief Sam Baker. Er war ein kleiner

Mann mit grauen Haaren. Er neigte den Lauf des Gewehres zur
Erde und erwartete seine Besucher auf der geräumigen
Veranda.

„Hat Indianer-Bill unsere Jungtiere zu dir gebracht?“

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„Ja, und den Kaufvertrag habe ich auch“, erwiderte Sam

Baker. „Nur das Geld habe ich nicht. Der Käufer wollte es
deinem Vater selbst geben.“

Hoss staunte nur. „Das muß ein Irrtum sein. Die Tiere waren

zum Verkauf auf der Ponderosa bestimmt. Indianer-Bill hatte
nie den Auftrag, sie bei dir abzuliefern.“ Er sah sich um. „Wo
ist Indianer-Bill?“

„Keine Ahnung! – Die Sache passierte bereits vor einigen

Tagen. Wäre er nicht dabeigewesen, hätte ich mich gar nicht
darauf eingelassen. Die Kerle machten einen verdammt
komischen Eindruck.“

„Jedenfalls handelt es sich hier ohne Zweifel um ein

Täuschungsmanöver“, fiel Jerry ein, der bis jetzt geschwiegen
hatte.

Sam Baker bekam große Augen. „Dann hat Ben das Geld

überhaupt nicht bekommen?“

„Wir warten seit einer Woche auf Indianer-Bill“, erklärte

Hoss. „Er sollte meinem Vater melden, wenn die Tiere zum
Abtransport bereitstünden.“

„Aber Bill wollte die Kerle doch zur Ponderosa begleiten“,

wandte Sam Baker ein. „Ich hätte mich doch sonst gar nicht
auf den Handel eingelassen.“

„Wie sahen die Burschen aus?“ fragte Jerry.
„Wie Strauchdiebe“, antwortete Sam Baker. „Deshalb laufe

ich auch mit dem Gewehr herum. Ich möchte die Kerle nicht
noch einmal auf meiner Ranch sehen. Als ich zögerte, die
Tiere herauszugeben, bedrohten sie mich.“

„Ich fragte nach dem Aussehen.“
Sam Baker sah Jerry an. „Ja, warten Sie… Den vierten der

Kerle, der im Sattel blieb, den sah ich mir etwas genauer an. Er
trug einen grauen Stetson, ein schwarzes Reitjackett mit einer
grauen Weste. Er hatte zwei silberbeschlagene Colts am

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Gürtel. Das Lederzeug war nach mexikanischer Art mit
Silberknöpfen verziert.“

Jerry nickte. „Das langt.“
„Er war auf jeden Fall der Boß“, fügte Sam Baker hinzu.
„Könnten wir mal den Kaufvertrag sehen?“ fragte Jerry.
„Natürlich!“ Sam Baker ging ins Haus und kam bald darauf

mit dem Papier zurück. „Sie ließen mir kaum Zeit zum
Durchlesen“, meinte er.

„Das ist eine Zweitschrift“, sagte Jerry. „Das Original mit

Ihrer Unterschrift besitzt vermutlich der Käufer, ein gewisser
Miller.“ Er las das Schriftstück durch. „Nach diesem Vertrag
haben Sie für die Rinder die Summe von dreitausend Dollar
erhalten.“

„Sind Sie verrückt?“ schnaubte Sam Baker. „Ich habe nicht

einen Cent erhalten. Ich sagte doch, das Geld sollte auf der
Ponderosa ausgezahlt werden.“

„Ja, das sagen Sie“, lächelte Jerry. „Im Vertrag haben Sie

aber unterschrieben, das Geld erhalten zu haben. Der Vertrag
ist rechtsgültig, daran ist nichts zu ändern. Dieser Mr. Miller
hat die Rinder von Ihnen gekauft und auch bezahlt. Mr.
Cartwright hätte keine Handhabe, gegen den Käufer
vorzugehen. Er kann sich nur an Sie halten.“

Mit einer hastigen Bewegung riß ihm Sam Baker das

Schriftstück aus der Hand. „Das gibt es doch gar nicht!“

„Lesen Sie nur den letzten Absatz“, forderte Jerry. „Ich kenne

mich da aus, denn bei meinem Onkel habe ich oft solche
Verträge aufgesetzt.“

„Aber Ben wird mir doch glauben“, wandte sich Sam Baker

an Hoss. „Die Kerle haben mich hereingelegt. Ich sagte doch,
sie ließen mir nicht mal Zeit zum Durchlesen.“

„Immer mit der Ruhe, Mr. Baker!“ Hoss nagte an seiner

Unterlippe. „Pa kennt Sie lange genug, um Ihnen zu glauben.
Ich bin überzeugt, es war genau so, wie Sie erzählen.“

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Ein Mann namens Lafitte



Little Joe war noch am gleichen Morgen, nachdem sein Bruder
im die Berge geritten war, mit dem Einspänner nach Virginia
City gefahren.

Nachdem er seine Einkäufe getätigt hatte, sah er sich etwas in

der Stadt um. Wenn man in der Woche nur einmal in die Stadt
kam, gab es immer Neuigkeiten. Er las die Anschläge am
Schwarzen Brett der Sheriff-Station, und dabei klopfte ihm
plötzlich jemand auf die Schulter. Er wandte sich um und sah
Steve Collins.

Steve war ein stämmiger Bursche von etwa fünfundzwanzig

Jahren.

Er machte gerne ein Spielchen und war immer auf der Suche

nach Partnern.

„Auch mal wieder in der Stadt?“
„Ja, aber nicht, um ein Spiel mit dir zu machen“, lächelte

Little Joe. „Mir tun die zehn Dollar jetzt noch weh. Hoss
machte mir deswegen schon Vorwürfe.“

„Ich gebe dir Revanche“, lachte Steve Collins. „Eine

Pokerrunde. Du setzt fünf und ich zehn Dollar. Ist das kein
gutes Angebot?“

Joe zögerte.
„Und ein Whisky geht auch noch auf meine Rechnung“,

fügte Steve hinzu.

„Ein Bier wäre mir lieber“, antwortete Joe. „Mein Hals ist

wie ausgedörrt.“

„Komm schon!“
Joe hatte sich innerlich darauf vorbereitet, nur ein Spiel zu

machen.

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Nachdem sie an der Theke ein Bier getrunken hatten, ließen

sie sich an einem Tisch nieder. Zehn Minuten später war Joe
bereits um zehn Dollar reicher. Steve Collins hatte verloren.

„Eigentlich war das nicht fair von mir“, sagte Joe. „Ich habe

nur fünf gesetzt und zehn gewonnen.“

„Ich setze das Dreifache gegen Ihren Einsatz“, sagte plötzlich

eine Stimme.

Joe sah auf.
Er blickte in ein narbenzerfressenes Gesicht unter einem

schwarzen Stetson. Der Kerl trug ein kariertes Hemd, eine
weich gegerbte Lederhose mit dunklem Reiteinsatz. Er hatte
die Daumen hinter den Revolvergürtel geschoben und wartete
auf eine Antwort.

In Joe kam sofort ein komisches Gefühl auf. Er kannte diese

Typen.

„Nein, danke, Mister! – Ich wollte sowieso gehen.“
Auch Steve Collins erhob sich. „Vielleicht ein anderes Mal“,

meinte er.

Von der Theke her drang lautes Gelächter.
„He, Billy, laß die Muttersöhnchen in Ruhe“, rief ein bulliger

Bursche. „Außerdem werden sie nichts in der Tasche haben.“

„Aber dann werden sie bestimmt einen Whisky mit mir

trinken, nicht wahr, meine Herren?“

Joe wollte sich an dem Kerl vorbeidrängen, aber der Narbige

versperrte ihm den Weg.

„Langsam, Kleiner! – Bist du vielleicht zu fern, um meine

Einladung anzunehmen?“

„Nein, Mister“, sagte Joe. „Ich mag einfach nicht.“
„Er mag nicht!“ Der Kerl wandte sich seinen Kameraden an

der Theke zu. „Habt ihr das gehört? – Einen vierfachen
Whisky in ein Wasserglas!“

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Er hielt Joe am Ärmel fest, während ihm einer seiner

Kumpane das gefüllte Glas reichte. „So, Freund, das säufst du
in einem Zuge aus, verstanden?“

Jetzt wurde Joe ärgerlich. Er hatte sich bemüht, keinen Krach

anzufangen, aber hier ging es wohl nicht anders. Mochte der
Vater denken, was er wollte. Man konnte sich nicht alles
gefallen lassen.

„Nehmen Sie die Hand weg“, fuhr Joe den Narbigen an. „Ich

trinke nur mit Leuten, die mir angenehm sind.“

In diesem Augenblick fiel ein Schuß, und das Glas

zersplitterte dem Narbigen in der Hand.

Joe war zu Tode erschrocken. Er wandte sich um und sah auf

der Treppe, die zum oberen Stockwerk führte, einen
hochgewachsenen schwarzhaarigen Mann stehen, der den Colt
noch in der Hand hielt. Er trug einen schwärzen Reitanzug und
einen silberbeschlagenen Pistolengürtel.

An der Theke war das Gespräch verstummt.
Langsam kam der Mann über die Treppe in den Schankraum.
„Du wirst dich bei dem jungen Mann entschuldigen“, fuhr er

den Narbigen an. „Wenn er nicht mit dir trinken will, ist das
seine Sache. – Los!“

„Entschuldigen Sie, Mister, es war nicht so gemeint“, sagte

der Narbige, aber man sah ihm an, daß er vor Wut kochte.

„Und nun verschwindet“, wandte sich der Mann an die an der

Theke stehenden Männer. „So etwas wird hier in Virginia City
nicht noch einmal passieren. Wollt ihr unbedingt, daß sich der
Sheriff mit euch befaßt?“

„Schon gut, Mr. Lafitte“, sagte der Bullige. „Billy muß

immer etwas aus der Reihe tanzen. Es wird nicht mehr
passieren.“

Damit verließen die Männer das Lokal.

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Joe wußte nicht, was er dazu sagen sollte. Dieser Mann hatte

ihn jedenfalls vor einer Schlägerei bewahrt, die bestimmt nicht
zu seinen Gunsten ausgegangen wäre.

Mit einem kurzen: „Danke, Mister!“ verließ er den Saloon

und traf auf der Straße Steve Collins.

„Wer ist das?“ fragte Joe.
„Das weiß niemand“, erwiderte Steve. „Seit einer Woche hat

er sich dort eingemietet. Er nennt sich Lafitte. Ich halte ihn für
einen Viehhändler.“

„Für einen Viehhändler?“ wiederholte Joe gedehnt. „Dafür

macht er einen viel zu feinen Eindruck. Ich würde ihn eher für
einen Berufsspieler halten.“

„Nein, nein, das ist er bestimmt nicht. Er rührt keine Karten

an“, fuhr Steve Collins fort. „Ich tippe auf Viehhändler, weil er
vorgestern mit Mr. Orton verhandelte und ich zufällig im
Saloon das Gespräch hören konnte. Es ging um eine kleine
Herde von Hereford-Rindern, die er Mr. Orton anbot.“

Joe lächelte. „Hör zu, Steve, da mußt du dich verhört haben.

Du weißt, daß niemand als wir in dieser Gegend Hereford-
Rinder besitzt. Mein Vater hat sie eingeführt, und sie stehen
auf unseren Bergweiden. Orton wollte sie von uns kaufen.“

Steve Collins hob die Schultern. „Ich kann nur sagen, was ich

hörte. Fahre doch bei Orton vorbei und frage ihn.“

Joe fiel plötzlich die Abmachung des Vaters mit Indianer-Bill

ein, und dabei stieg Unruhe in ihm auf. Warum war der
Mischling nicht gekommen? Na, das würde Hoss schon
erfahren. Bill trank oftmals einen über den Durst, und es war
auch schon vorgekommen, daß er sich tagelang in den Saloons
der Umgebung herumtrieb. Vielleicht war er gar nicht bis zur
Ponderosa gekommen, sondern unterwegs irgendwo
hängengeblieben.

„Sag, hast du Indianer-Bill nicht gesehen?“
Steve Collins verneinte. „Ich denke, er ist euer Wachmann.“

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„Ja, das ist er. Ich frage nur, weil er sich schon vor einer

Woche auf der Ponderosa melden sollte. Du weißt, er trinkt
gerne einen.“ Joe reichte Steve Collins die Hand. „Wegen der
Rinder werde ich mal bei Orton vorbeifahren.“

Die Ranch Ortons lag in der Ebene nördlich von Virginia

City. Joe mußte durch die Stadt, und dann waren es noch gut
zwei Meilen.

Als Joe den Wagen in den Hof fuhr, kam ihm Mr. Orton

bereits entgegen.

Der Rancher war ein hochgewachsener Mann mit vollem

grauem Haar. Mit den Cartwrights pflegte er seit Jahren gute
Freundschaft. Er begrüßte Joe herzlich und bat ihn ins Haus.
Bald darauf tauchte auch Cora, die Tochter des Hauses, auf.
Joe wurde mit Tee bewirtet.

„Ich wollte eigentlich nur kurz mal ‘reinsehen“, sagte Joe.
„Nichts da“, wehrte Cora ab. „Du wirst dir auch noch mein

neues Pferd ansehen. Pa hat es mir zum Geburtstag
geschenkt.“

Joe rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. „Du hattest

Geburtstag?“

„Ja, gestern“, lachte Cora. Sie war ein hübsches blondes

Mädchen mit blauen Augen. Joe fühlte sich immer etwas
verwirrt in ihrer Gegenwart. Cora war sehr temperamentvoll,
und sie machte gar kein Hehl daraus, daß sie Joe gut leiden
mochte. Aber gerade das war es, was Joe so verwirrt machte.
Er mußte immer an Hoss denken, der ihm erklärt hatte, Cora
lege es darauf an, ihn als Ehemann einzufangen.

„Ja, sag mal, willst du mir denn nicht gratulieren?“ fragte

Cora. „Das kann man auch noch nachträglich.“

„Natürlich!“ Joe stand auf und reichte ihr die Hand. „Alles

Gute!“ Dann drehte er verlegen seinen Hut in der Hand.

„Und?“ fragte Cora. Sie hielt ihm die Wange hin. „Wo bleibt

der Geburtstagskuß?“

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Joe warf Mr. Orton einen hilflosen Blick zu, dabei errötete er

bis unter die Haarwurzeln.

Orton lachte. „He, Joe, du bist doch sonst nicht so

schüchtern.“

Da sich Joe aber nicht rührte, trat Cora auf ihn zu und gab

ihm einen Kuß. Der Erfolg war, daß sich Joe vor Verlegenheit
vier Löffel Zucker in den Tee tat und dann aus Mr. Ortons
Tasse trank.

Cora lachte, und Joe ärgerte sich. Er ärgerte sich vor allem

über seinen Bruder Hoss. An seiner Unsicherheit trug nur Hoss
die Schuld. Der Dicke hatte ihm mehr als einmal erklärt, wenn
er Cora küsse, könne er sich gleich als ihren Verlobten
betrachten. Diese feinen Mädchen waren immer so. Joe war
dadurch kopfscheu geworden, und das äußerte sich in
Verlegenheit. Bei den anderen Mädchen in Virginia City
kannte er dieses Gefühl nicht. Nachdem er nach dem Tee auf
der Koppel das Geburtstagsgeschenk, einen herrlichen
Apfelschimmel, bewundert und geritten hatte, kam er endlich
auf die Hereford-Rinder zu sprechen.

„Ja, das ist richtig, ich habe eine kleine Herde gekauft“,

erklärte Mr. Orton. „Ich war ganz überrascht, als man sie mir
anbot, denn dein Vater sagte mir doch, nur ihr befaßtet euch
mit der Zucht dieser Rasse.“

„Das stimmt auch, Mr. Orton“, erwiderte Joe. „Es würde

meinen Vater bestimmt interessieren, woher diese Rinder
stammen. Hier gibt es außer uns weit und breit keinen
Züchter.“

Orton ging zu einem Sekretär und kam mit einem

Schriftstück zurück. „Hier ist der Kaufvertrag. Der Verkäufer
ist ein gewisser Mr. Lafitte. Ich zahlte für die Herde
viertausend Golddollar, und das ist nicht zuviel, denn die Tiere
sind in erstklassigem Zustand. Alles Jungtiere und Kälber.“

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Joe erhob sich. „Dann werde ich das meinem Vater sagen.

Der Vorvertrag zum Kauf unserer Rinder ist damit wohl
hinfällig geworden.“

„Ja, tut mir leid“, nickte Orton. „Ich werde aber mit deinem

Vater noch selbst darüber sprechen.“

Nicht sehr zufrieden, schwang sich Joe auf den Wagen. Zum

Teufel, hier stimmte etwas nicht. Er trieb das Pferd zu einer
schnelleren Gangart an. Wie kam dieser Lafitte zu der Herde?
Unwillkürlich kam ihm der Gedanke, die ganze Sache habe
etwas mit dem Ausbleiben Indianer-Bills zu tun. Eine Herde
Rinder konnte nicht durch die Luft fliegen. Sollte Indianer-Bill
die Tiere an diesen Lafitte verkauft haben? Vielleicht hatte er
sich mit dem Geld aus dem Staube gemacht. Nein, das war
unmöglich. Indianer-Bill arbeitete seit zwanzig Jahren für die
Ponderosa. Trotzdem blieb in Joe die Vorstellung, es könne
sich bei dem Verkauf nur um die Herde seines Vaters handeln.

Auf der Ponderosa wurde er schon von Hop Sing erwartet.
„Sie kommen sehl spät, Mistel Joe“, empfing ihn der Koch.

„Was soll ich kochen, wenn keine Plodukte. Ich wollte kochen
Bohnen mit Speck, und ich nicht habe Bohnen und nicht habe
Speck.“

„Dann blat dil einen Stolch“, knurrte Joe.
„Oh, Mistel Joe böse, wenn splechen wie Hop Sing“,

antwortete der Chinese. „Bitte, wo ist Stolch? Ich ihn blaten.“
Er nahm die Säcke vom Wagen und verschwand murrend in
der Küche.

„Ja, du kommst aber wirklich spät“, empfing ihn Ben

Cartwright, der in die Tür getreten war. „War etwas los?“

Joe ging mit dem Vater ins Haus und ließ sich in einem

Sessel nieder.

„Also?“ forschte Ben Cartwright. „Ärger gehabt? – Das sehe

ich dir an.“

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„Nein, nicht direkt Ärger, Pa“, antwortete Joe. „Das ist alles

so sonderbar. – Sag, wer züchtet in unserer Gegend noch
Hereford-Rinder?“

„Niemand! – Ich denke, du weißt das.“
Joe nickte. „Eben! – Und darum geht es.“ Er erklärte, was er

von Orton erfahren hatte.

„Unmöglich, Junge!“ Ben Cartwright schüttelte den Kopf.
„Aber ich sage es doch, Pa! – Orton hat eine Herde Jungtiere

gekauft. Ich habe den Kaufvertrag gesehen. Steve Collins
brachte mich darauf. Er hat die Verhandlung zwischen Orton
und diesem Lafitte im Saloon angehört. Ich bin natürlich sofort
zu Orton gefahren, um mich zu überzeugen.“

Ben Cartwright war in seinen Schreibtischsessel gesunken. Er

überlegte eine Weile. Dann sah er seinen Sohn kopfschüttelnd
an. „Junge, da stimmt etwas nicht! – Du, es mag blödsinnig
klingen, aber bei der Herde handelt es sich um unsere Rinder.
Das ist mir jetzt schon klar. Auf den Weideplätzen muß etwas
passiert sein, und deshalb ist auch Indianer-Bill nicht
gekommen.“

„Das wird Hoss ja feststellen.“
Ben Cartwright erhob sich und ging mit langen Schritten

durch den Raum.

„Und wo wohnt dieser Lafitte?“
„Seit einer Woche im Saloon-Hotel, sagte mir Steve Collins.

Willst du mit ihm sprechen?“

„Das überlege ich gerade.“
„Am besten wäre es doch, wenn wir Hoss’ Rückkehr

abwarteten oder selbst zu den Weiden ritten, um uns vom
Vorhandensein der Jungtiere zu überzeugen.“ Joe hob die
Schultern. „Ich richte mich natürlich nach dir.“

„Dieser Lafitte muß auf jeden Fall einen Vertrag über den

Ankauf der Tiere besitzen“, überlegte Ben Cartwright. „Sonst
hätte ihm Orton die Herde bestimmt nicht abgenommen.“

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„Und wenn er das nicht hat?“
„Der Verkauf an Orton wäre sofort hinfällig. Dieser Lafitte

muß immer nachweisen können, woher er die Tiere hat.
Angenommen, es handelte sich um unsere Tiere und er hätte
sie gestohlen, säße er bestimmt nicht mehr im Saloon-Hotel.
Das leuchtet dir doch ein.“

„Schon“, nickte Joe. „Was schlägst du also vor?“
„Ich werde mit Lafitte sprechen“, sagte Ben Cartwright. „Wir

werden aber noch bis zum Abend warten. Vielleicht läßt Hoss
etwas von sich hören.“

„Aber, Pa, das ist doch unmöglich“, erwiderte Joe. „Wenn

sich Hoss beeilte, hat er um diese Zeit erst die Weideplätze
erreicht.“

„…und kann Indianer-Bill sofort losschicken“, ergänzte der

Vater. „Das war so ausgemacht.“

Bis zum Abend war aber keine Nachricht von Hoss

eingetroffen.

So machten sich nach dem Abendessen Ben Cartwright und

Joe auf, um Klärung in diese ominöse Angelegenheit zu
bringen.

Im Saloon-Hotel war um diese Zeit Hochbetrieb. Der

Besitzer wunderte sich, die Cartwrights zu sehen. Es war
selten, daß sich Ben Cartwright zu dieser Stunde hier sehen
ließ.

Joe und sein Vater nahmen an einem Tisch Platz, und sofort

war der Besitzer des Saloons bei ihnen, um sich nach ihren
Wünschen zu erkundigen.

„Nur einen kleinen Whisky“, meinte Ben Cartwright. „Du

weißt, meine Leber ist nicht ganz in Ordnung. Dafür kannst du
aber Joe einen großen bringen.“

„Danke, Pa!“

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„Was ist mit diesem Lafitte, der seit einer Woche bei dir

wohnt?“ forschte Ben Cartwright. „Kann man mit dem Mann
mal sprechen?“

Der Besitzer zog ein Gesicht. „Weißt du, ihm sähe ich viel

lieber auf den Rücken. Der Kerl ist undurchsichtig, und ich
weiß nicht, was ich von ihm halten soll. Er hat einige Kerle bei
sich, die mir gar nicht gefallen.“

Joe hätte jetzt sagen können, er kenne diese Burschen, aber er

schwieg. Seinen Zusammenstoß mit den Kerlen hatte er dem
Vater natürlich verschwiegen.

„Er sitzt drüben am Tisch“, fuhr der Wirt fort. „Wenn du mit

ihm sprechen willst, sage ich ihm Bescheid.“

„Tue das!“
Ben Cartwright beobachtete, wie der Wirt seinen Auftrag

ausrichtete. Lafitte sah zu ihnen herüber und erhob sich.
Sekunden später trat er an den Tisch.

„Sie wollten mich sprechen?“
Ben Cartwright musterte den hochgewachsenen Mann in dem

schwarzen Reitanzug. Sein schwarzes Haar war sorgfältig
gescheitelt. Auf seinem ebenmäßigen Gesicht stand ein
verbindliches Lächeln, die Augen dagegen blieben kalt.

„Mein Name ist Cartwright! – Bitte, nehmen Sie Platz!“
Lafitte setzte sich. „Wir kennen uns von heute morgen“,

wandte er sich an Joe. „Nehmen Sie es meinen Leuten nicht
übel. Ihre Späße sind nicht immer in meinem Sinn.“

Cartwright warf Joe einen Blick zu.
„Ja, ich vergaß dir zu erzählen, Pa…“
„Schon gut!“ Cartwright wandte sich Lafitte zu. „Vielleicht

wird es Ihnen komisch erscheinen, aber ich möchte gerne eine
Auskunft von Ihnen.“

„Aber, bitte! – Fragen Sie!“
„Sie haben Mr. Orton eine Herde Rinder verkauft“, fuhr

Cartwright fort. „Und zwar eine besondere Rasse,

die nur ich

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hier in der Umgebung züchte. Ich würde gerne erfahren, wo
Sie die Rinder kauften.“ Er sah Lafitte an. „Sicher haben Sie
einen Kaufvertrag.“

„Selbstverständlich“, lächelte Lafitte. „Ich habe ihn sogar bei

mir.“ Er zog seine Brieftasche und nahm das Schriftstück
heraus. „Bitte, der Vertrag wurde von einem Cliff Miller
unterzeichnet. Er trat mir die Herde für dreitausend Golddollar
ab.“

Ben Cartwright studierte den Vertrag, der in allen Punkten

rechtskräftig war. „Und woher hat dieser Miller die Herde?“

„Er kaufte sie von einem gewissen Sam Baker oben in den

Bergen. Diesen Vertrag habe ich mir natürlich auch
aushändigen lassen, um ganz sicherzugehen.“ Lafitte zog ein
zweites Schreiben aus der Brieftasche und legte es auf den
Tisch.

Das Schreiben trug die Unterschrift Sam Bakers, mit dem

Vermerk, 3000 Dollar für den Verkauf der Hereford-Rinder
erhalten zu haben.

Lachend gab Ben Cartwright die Verträge zurück. „Wissen

Sie, daß Sie meine Rinder von diesem Miller kauften? Dieser
Sam Baker verkauft in meinem Auftrag. Zwar wollte ich die
Tiere eigentlich selbst verkaufen, aber so ist Mr. Orton auch zu
der Herde gekommen.“

„Na, dann ist alles in Ordnung!“ Lafitte erhob sich. „Es hat

mich gefreut, Sie kennenzulernen.“

„Und nehmen Sie meine Neugier nicht übel“, meinte Ben

Cartwright. „Aber mir war es zu komisch, daß noch jemand
hier in der Gegend mit Hereford-Rindern handelt.“

„Und nehmen Sie mir nicht übel, daß ich tausend Dollar mehr

verlangte, als ich bezahlte“, lächelte Lafitte. „Geschäft ist
Geschäft.“

„Na, was hältst du von ihm?“ fragte Joe, als sie wieder auf

den Pferden saßen.

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Ben Cartwright seufzte. „Tja, was soll man davon halten? –

Was er sagt, muß stimmen. Er hat die Papiere. Indianer-Bill
muß mich falsch verstanden haben. Er hat die Tiere auf die
Ranch Sam Bakers getrieben, und der hat sie diesem Miller
verkauft.“

Joe erzählte nun, was ihm heute morgen passierte. „Das

waren ganz üble Burschen, Pa. Wäre dieser Lafitte nicht
dazwischengekommen, hätte die Sache schlimm ausgehen
können. Ich hätte den Whisky nicht getrunken.“

„Stecke deine Nase nicht immer in den Saloon.“ Das war

alles, was Ben Cartwright dazu zu sagen hatte. Joe sah ihm
aber an, daß er sich Gedanken machte. Dieser Lafitte schien
ihm nicht besonders gefallen zu haben.

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Neue Überraschungen



Nach ihrem Besuch auf der Baker-Ranch waren Hoss und
Jerry zur Hütte zurückgekehrt. Bis zum Mittag wollten sie
noch bleiben, weil sich Hoss noch einmal nach Indianer-Bill
umsehen wollte. Vielleicht hielt er sich bei dem alten Morgan
auf. Morgan besaß eine Hütte in der Nähe des Passes. Er war
mit Indianer-Bill befreundet, und der Mischling begleitete ihn
oft in die Berge. Morgan kehrte dann stets mit einem
Ledersäckchen Nuggets zurück, die er im Saloon gegen gute
Golddollars eintauschte.

Indianer-Bill verlor nie ein Wort darüber, wo er mit Morgan

gewesen war. Es stand aber fest, er mußte den Claim des Alten
kennen.

Seit vielen Jahren war in dem Gebiet um Virginia City kein

Gold mehr gefunden worden. Nur der alte Morgan besaß eine
geheime Schürfstelle. Das war in Virginia City bekannt. So
ging auch das Gerücht um, der Alte könne, wenn er wolle,
ganz Virginia City aufkaufen.

Wenn Morgan davon hörte, lachte er nur und meinte, er sei

ein alter Mann. Was er noch zum Leben brauche, sei nicht viel.
Doch das glaubte ihm niemand. Morgan war als geizig
bekannt, und für viele stand fest, daß er für seinen
Lebensabend genug Nuggets gehortet hatte. Er hätte sich leicht
ein schönes Haus in der Nähe der Stadt bauen können, um dort
den Lebensabend zu verbringen. Statt dessen lebte er mit
seinem verwilderten Hund in der Hütte an der Paßstraße und
kam nur in die Stadt, um Nuggets einzutauschen und Einkäufe
zu erledigen.

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Viele hatten versucht, Morgan in die Berge zu folgen, um die

Schürfstelle des Alten zu erkunden. Jedesmal waren sie aber
von dem Hund entdeckt worden, der von Morgan vermutlich
darauf dressiert war, geheime Beobachter aufzuspüren.

Hoss sah sich jedoch in seiner Vermutung getäuscht. Die

Hütte des alten Morgan war verschlossen. Indianer-Bill war
also nicht bei ihm.

So machten sich Hoss und Jerry eine halbe Stunde später auf

den Weg ins Tal. Kurz vor Dunkelheit trafen sie auf der
Ponderosa ein. Jerry wollte sich hier verabschieden, doch Hoss
ließ das nicht zu.

„Du kannst einige Tage bei uns bleiben“, bot er Jerry an.

„Mein Vater wird sich bestimmt freuen und mein Bruder
ebenfalls.“

„Natürlich nehme ich dankend an“, antwortete Jerry. „Aber

ich möchte mich nicht aufdrängen.“

Ben Cartwright stand bereits in der Tür, als sie von den

Pferden stiegen.

„Ist Indianer-Bill nicht mitgekommen?“ erkundigte er sich

sofort.

„Nein, Pa! – Ich habe Bill überhaupt nicht gesehen“,

erwiderte Hoss und reichte seinem Vater die Hand. „Aber ich
habe Neuigkeiten für dich, die nicht sehr erfreulich sind.“

Cartwright musterte Jerry, und dieser stellte sich mit einer

leichten Verbeugung vor. „Mein Name ist Cox, Jeremias Cox,
aber Sie können ruhig Jerry zu mir sagen, Mr. Cartwright.“

„Ich traf Jerry in der Hütte an der Quelle“, erklärte Hoss. „Er

will nach Virginia City, und ich dachte, er könnte vielleicht
einige Tage bei uns bleiben, bis er dort ein Zimmer gefunden
hat. Jerry schreibt Geschichten für Zeitungen und will sich hier
bei uns umsehen.“

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„Dann seien Sie mir willkommen, Jerry!“ Ben Cartwright

reichte ihm die Hand. „Hop Sing wird Ihnen ein Zimmer
herrichten.“

„Ja, ich fül jungen Helln Zimmel hellichten“, echote Hop

Sing, der plötzlich im Raum stand. „Vielleicht abel elst etwas
essen? – Ich haben junges Hund mit Leis, plima, plima!“

„Er meint natürlich Huhn“, sagte Hoss lachend, und zu Hop

Sing gewandt, meinte er: „Wir können ganz gut einen Happen
gebrauchen.“

„Sofolt, Mistel Hoss!“ Hop Sing verschwand eilig in der

Küche, und zehn Minuten später mußte Jerry feststellen, daß
„Hund mit Leis“ ein ganz vorzügliches Gericht war.

Inzwischen hatte Hoss dem Vater berichtet, was auf der

Baker-Ranch geschehen war.

„Also hat Sam den Vertrag mit diesem Miller unterzeichnet,

aber keinen Cent bekommen“, stellte Ben Cartwright
kopfschüttelnd fest. „Das verstehe ich nicht.“

„Das Geld sollte auf der Ponderosa dir übergeben werden“,

erklärte Hoss. „Indianer-Bill ist mit den Männern ins Tal
geritten.“

„Hier war aber niemand.“
Hoss hob die Schultern. „Sam Baker bestreitet, das Geld

bekommen zu haben.“

„Davon bin ich sogar überzeugt“, nickte Cartwright. „Nun

will ich dir mal erzählen, was wir inzwischen
herausbekommen haben. Joe kam durch einen Zufall darauf.“

Hoss hörte sich den Bericht seines Vaters stumm an. Er

schüttelte immer wieder den Kopf. „Dann hat dieser Mr.
Lafitte also viertausend Golddollar von Orton für unsere
Rinder kassiert?“

„So ist es“, nickte Ben Cartwright.

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„Ich will mich nicht einmischen“, sagte Jerry vom Tisch her.

„Aber würden Sie mir einmal beschreiben, wie dieser Lafitte
aussieht? Sie haben ihn doch gesehen, nicht wahr?“

„Ich habe mit ihm verhandelt“, nickte Cartwright. „Warum

wollen Sie das wissen?“

„Vielleicht kann ich Ihnen später die Antwort darauf geben.“
„Nun, er war ziemlich groß, schwarzes Haar…“
„…und er trug ein schwarzes Reitjackett mit einer grauen

Weste“, führte Jerry den Satz weiter. „Sein Revolvergürtel war
nach mexikanischer Art mit Silberknöpfen verziert. – Na,
stimmt’s, Mr. Cartwright?“

Hoss’ Vater richtete sich unwillkürlich in seinem Sessel auf.

„Ja, genau! – Woher wissen Sie das?“

„Weil Mr. Miller, der die Rinder von Sam Baker auf die

etwas ungewöhnliche Weise, nämlich unter Druck, kaufte,
genauso aussieht.“

„Ja, Pa, das stimmt“, fiel Hoss ein. „Sam Baker hat ihn uns so

beschrieben.“

Ben Cartwright sah von einem zum anderen. „Und – was

wollt ihr damit sagen?“

Jerry lächelte. „Sehr einfach, Mr. Cartwright. Dieser Lafitte

ist Miller – oder umgekehrt. Durch die fingierten Verträge ist
er aber gesichert, und niemand kann ihm einen Betrug
nachweisen. Außer Sam Baker und Indianer-Bill hat Miller
niemand gesehen.“

„Richtig“, sagte Hoss. „Es gibt gar keinen Mr. Miller.“
„Dann wäre dieser Lafitte also ein Betrüger“, stellte

Cartwright fest. „Sagen Sie, Jerry, wie sind Sie darauf
gekommen?“

„Das weiß ich selbst nicht“, lächelte Jerry. „Ich habe nur

etwas nachgedacht. Es kann aber gar nicht anders sein, weil die
Personenbeschreibung übereinstimmt. Um den Kerl zu

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überführen, brauchen wir jetzt jemanden, der ihn als Miller
identifiziert. Das wäre Indianer-Bill oder Sam Baker selbst.“

„Tja, das ist richtig“, überlegte Ben Cartwright. „In diesem

Falle könnte der Sheriff sofort eingreifen. – Also, ich bin
überrascht, Jerry. Ihre Gedanken sind folgerichtig wie bei
einem Detektiv. Besser könnte es Mr. Pinkerton nicht
machen.“

„Nicht wahr?“ freute sich Hoss. „Er ist überhaupt ein toller

Kerl.“

„Halb so schlimm“, wehrte Jerry bescheiden ab. „Hoss regt

sich zum Beispiel darüber auf, daß ich keine Revolver trage.
Ich meine, das ist eine Lebensversicherung, weil niemand auf
einen Waffenlosen schießt. Er hat es ja nicht nötig, denn von
ihm droht keine Gefahr.“

„Aus diesem Blickwinkel habe ich das Revolvertragen noch

gar nicht betrachtet“, lachte Ben Cartwright. „Ich muß
feststellen, Sie sind ein heller Kopf, Jerry.“

„Danke, Mr. Cartwright! Ich wünschte, mein Vater könnte

das hören. Er sagte immer: ,Jeremias, du bist das schwarze
Schaf in der Familie. Du wirst es zu nichts bringen, weil es dir
an Beständigkeit mangelt. Jedermann muß einer geregelten
Arbeit nachgehen.’“ Jerry zog ein Gesicht. „Wenn ich mir das
nur vorstelle, werde ich gleich müde.“

„Ich glaube, Sie übertreiben, Jerry!“ Ben Cartwright sah ihn

kopfschüttelnd an. „Wissen Sie, ich habe mir in meinem Leben
ein wenig Menschenkenntnis angeeignet. Sie fahren da bei mir
gar nicht schlecht. Ich kenne meine Leute.“

In diesem Moment betrat Joe den Raum.
„Das ist mein zweiter Sohn“, stellte Cartwright Joe vor. „Und

das ist Jerry Cox. Hoss hat ihn in den Bergen aufgelesen. Ich
glaube, du wirst dich gut mit ihm verstehen. Jerry wird einige
Tage bei uns bleiben.“

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Joe legte seinen Revolvergürtel ab. Dann reichte er Jerry die

Hand. „Ich heiße Joe.“ Er wandte sich aber sofort an seinen
Vater, nachdem er auch Hoss begrüßt hatte. „Was ist mit der
Herde?“

„Mr. Lafitte ist ein Gauner. Damit ich dir das aber begreiflich

machen kann, mußt du dich erst einmal setzen.“

Das tat Joe, und Ben Cartwright weihte seinen Jüngsten in die

Geschichte ein. Joe hörte sich alles stumm an. „Und du bist
völlig sicher, daß Sam Baker das Geld nicht bekommen hat?“

„Darüber besteht gar kein Zweifel, verstehst du?“ Ben

Cartwright hob die Hand. „Ja, ich weiß, du magst ihn nicht,
weil er dich immer wie einen kleinen Jungen behandelt.“

„Ich weiß vor allem, daß er einen Haufen Schulden hat“,

erwiderte Joe. „Und was tut ein Mann nicht alles, wenn ihm
das Messer an der Kehle sitzt. Ich halte Baker nicht für so
dumm, einen Vertrag zu unterschreiben, wenn er das Geld
nicht bekommen hat.“

„Ach, höre nicht auf ihn, Pa“, fiel Hoss ein. „Sam Baker hat

das Geld nicht bekommen, dafür lege ich meine Hand ins
Feuer.“

„Davon bin ich auch überzeugt.“ Cartwright sah Jerry an.

„Sind Sie nicht auch der Meinung?“

„Ich bleibe bei meiner Auslegung“, antwortete Jerry. „Lafitte

ist Miller.“

Joe warf ihm einen geringschätzigen Blick zu. „Ich würde da

nicht so sicher sein. – Ich mache euch aber einen Vorschlag.
Wir fragen Lafitte, wo wir diesen Miller erreichen können, und
lassen ihn uns von ihm beschreiben.“

„Nicht schlecht!“ Jerry nickte Ben Cartwright zu. „Man

könnte sehen, wie er darauf reagiert.“

Ben Cartwright überlegte eine Weile. „Gut, fragt ihn.“
„Jetzt noch?“ fragte Hoss erstaunt.

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Joe griff nach seinem Revolvergürtel. „Dann bringe du nur

dein Fett zu Bett. Ich reite in die Stadt und werde ihn irgendwo
auftreiben.“

„Vielleicht darf ich dich begleiten“, sagte Jerry. „Mir tut die

Abendluft ganz gut, und ich könnte mich gleich mal in
Virginia City umsehen.“

„Dann komme ich auch mit.“ Hoss griff nach seinem Hut und

legte den Revolvergürtel um.

„Und du?“ fragte Joe. Er sah Jerry an.
„Er trägt keinen Gürtel“, erklärte Hoss. „Was sollte ihm in

Virginia City schon passieren?“

„Dafür nehme ich aber mein Banjo mit“, lächelte Jerry.

„Vielleicht kann ich mir ein paar Dollar verdienen.“

Joe zog ein Gesicht, aber er sagte nichts. Man sah ihm an, er

wäre viel lieber ohne Jerry in die Stadt geritten.


Im Saloon-Hotel wurden die Brüder Cartwright und ihr
Begleiter mit großem Hallo empfangen.

Es war selten, daß sie sich zu dieser späten Stunde hier sehen

ließen.

„He, Joe, was hast du denn da für ein Greenhorn

mitgebracht? Das will doch nicht etwa Whisky trinken?“ rief
ein dicker Cowboy. „Ich werde ihm gleich ein Glas Milch
bestellen.“

Der Witz zündete wie eine Bombe. Alles lachte.
Joe sah, daß auch der Narbige und seine Kumpane an der

Theke standen. Lafitte saß im Hintergrund mit einigen
Männern beim Pokerspiel. Er sah nur kurz auf.

„Ist er das?“ fragte Hoss seinen Bruder.
„Ja“, antwortete Joe.
Hoss sah zu dem Tisch hinüber. „Der Kerl gefällt mir nicht.“

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„Kümmere dich gefälligst um deinen Jerry“, erwiderte Joe.

„Ich bin überzeugt, sie werden ein Späßchen mit ihm
vorhaben.“

Das Späßchen sollte auch sehr bald kommen, denn der

Narbige, mit dem Joe schon seine Erfahrungen gemacht hatte,
trat Jerry in den Weg.

„Na, wen haben wir denn da?“ fragte der Narbige freundlich,

aber mit einem bösen Unterton in der Stimme.

„Es muß schon ein ausgewachsenes Greenhorn sein, das hier

ohne Waffen herumläuft.“

„Wieso?“ fragte Jerry und schlug einige Saiten auf seinem

Banjo an. „Ich will niemandem etwas tun. Wozu brauche ich
da eine Waffe?“

Die Männer an der Theke grölten vor Freude.
Joe und Hoss sahen dem Spiel mit gemischten Gefühlen zu.
„Wir müssen ihn heraushauen, wenn ihm dieser Kerl etwas

will“, flüsterte Hoss seinem Bruder zu. „Er ist unser Gast.“

„‘ne schöne Flasche hast du dir da angelacht.“
„Und wenn dir nun jemand etwas tun will?“ fragte der

Narbige zur größten Freude aller Anwesenden. „Was tust du
dann?“

„Dann zaubere ich mir zwei Revolver“, erwiderte Jerry zur

größten Überraschung von Hoss und Joe.

„Wollen wir uns das mal zeigen lassen?“ fragte der Narbige

die Umstehenden.

Die Kerle an der Theke grölten vor Vergnügen.
„Nur zu“, forderte der Narbige.
„Schön!“ Jerry hing sein Banjo über die Schulter. „Achte

bitte auf meine rechte Hand“, forderte er den Narbigen auf. Er
vollführte mit der Rechten eine Kreisbewegung.

Der Narbige starrte auf die Hand, während ihm Jerry mit der

Linken die rechte Waffe aus dem Halfter zog.

„Und jetzt achte auf meine Linke!“

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Das tat der Narbige, und Jerry zog ihm mit der Rechten die

linke Waffe aus dem Gürtel.

So sah der Narbige plötzlich zwei Revolver in Jerrys Händen.

Doch bevor er in den Waffen seine eigenen erkannte, trat
Lafitte in den Kreis der Umstehenden.

„Ausgezeichnet, junger Mann!“
Jerry reichte dem Narbigen die Waffen zurück. „Und jetzt

möchte ich Ihnen einige lustige Lieder vorsingen“, wandte er
sich an die Anwesenden. „Sollte Ihnen mein Vortrag gefallen,
so sind Ihrer Spendefreudigkeit keine Grenzen gesetzt.“ Er
legte seinen umgestülpten Hut auf den Tisch.

Während Jerry mit seinem Vortrag begann, warf ihm Lafitte

einen Zehndollarschein in den Hut. Die anderen Männer
folgten seinem Beispiel.

Hoss und Joe hatten die Szene mit angehaltenem Atem

verfolgt.

„Ihr Freund scheint ein Spaßvogel zu sein“, sagte Lafitte zu

Joe. Er wollte zu seinem Tisch gehen, aber Joe hielt ihn
zurück.

„Einen Moment, Mr. Lafitte“, sagte Joe. „Ich möchte mich

mit Ihnen über diesen Mr. Miller unterhalten. Sie zeigten
meinem Vater und mir einen Vertrag über den Viehkauf.
Dieser Mr. Miller hat unseren Beauftragten nicht bezahlt.
Könnten Sie mir sagen, wo ich ihn erreichen kann?“

Lafitte sah ihn überrascht an. „Woher soll ich das wissen? Ich

kenne diesen Mr. Miller nicht weiter.“

„Könnten Sie mir dann sein Aussehen beschreiben?“
„Tja, wie sah er aus?“ Lafitte überlegte eine Weile. „Er war

schwarzhaarig, trug ein ähnlich aussehendes Reitjackett wie
ich und einen mexikanischen Revolvergürtel.“

„So wie Sie?“ fragte Hoss.
„Ähnlich“, nickte Lafitte. „An weitere Einzelheiten kann ich

mich nicht erinnern.“

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„Unser Beauftragter kommt morgen auf unsere Ranch“, fuhr

Joe fort. „Er möchte sich noch einmal mit Ihnen über diesen
Mr. Miller unterhalten. Wäre das möglich?“

„Natürlich“, lächelte Lafitte. „Ich wüßte zwar nicht, was ich

ihm noch sagen könnte, aber bitte.“

„Na, siehst du“, wandte sich Joe an seinen Bruder. „Es gibt

mehr Leute, die ein dunkles Reitjackett und einen
mexikanischen Revolvergürtel tragen. Er hätte bestimmt nicht
die Angaben gemacht, wenn er dieser Miller selbst wäre. Dazu
holen wir morgen Sam Baker auf die Ponderosa, und Lafitte ist
sogar bereit, mit ihm zu sprechen.“

„Du magst recht haben, Joe“, meinte Hoss. „Trotzdem habe

ich das Gefühl, er macht uns etwas vor. Der Kerl ist so glatt
wie eine Schlange. Hast du seine Augen gesehen, wie du ihm
erklärtest, Sam Baker wolle mit ihm sprechen?“

„Er hätte von diesem Miller eine ganz andere Beschreibung

geben können, um uns auf eine falsche Fährte zu führen“,
erwiderte Joe.

„Das tat er vielleicht nicht, weil er annimmt, Sam Baker

könnte uns diesen Mr. Miller beschrieben haben“, folgerte
Hoss. „Er weiß doch, daß wir mit Baker gesprochen haben.
Der Kerl ist nur raffiniert, sonst nichts.“

„Einer spielt jedenfalls falsch“, sagte Joe. „Lafitte oder Sam

Baker. Pa ist diesem Baker gegenüber viel zu vertrauensvoll.
Ich kann mir über die ganze Angelegenheit wirklich kein
Urteil mehr erlauben.“

Inzwischen hatte Jerry seine musikalische Darbietung

beendet. Er bekam großen Beifall und kam freudestrahlend an
den Tisch, an dem Joe und Hoss Platz genommen hatten.

„Du, das mit dem Revolverzaubern war ein tolles Ding“,

lachte Hoss. „Hast du noch mehr solche Tricks auf Lager?“

„Nein, aber Augen im Kopf“, erwiderte Jerry. „Was habt ihr

Lafitte erzählt?“

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Joe erklärte es ihm.
„Er hat zwei seiner Leute mit einem Auftrag fortgeschickt,

gleich nachdem er mit euch gesprochen hatte.“

Joe sah ihn an. „Und?“
„Das habe ich nur festgestellt. Ihr könnt euch ja euren Reim

darauf machen.“ Jerry hob die Schultern. „Mich geht die Sache
eigentlich gar nichts an.“

„Das alles wird sich sehr schnell klären, wenn wir Lafitte

Sam Baker gegenüberstellen.“ Joe ging zur Theke und
bezahlte. Dann winkte er Hoss und Jerry.

Als sie an der Sheriff-Station vorbeiritten, war das Fenster

hell erleuchtet.

Hoss hielt unwillkürlich sein Pferd an.
„Komm schon“, forderte Joe. „Pa wird schon auf uns

warten.“

„Moment mal“, erwiderte Hoss und betrachtete den flachen

Einspänner, der vor der Tür der Sheriff-Station stand. Auf ihm
lag eine mit Decken umhüllte Gestalt.

Jetzt wurde auch Joe aufmerksam. Er ritt neben seinen

Bruder.

In diesem Moment öffnete sich die Tür der Sheriff-Station,

und Ted Turner, einer der Hilfssheriffs, kam mit mehreren
Männern heraus.

„Ist etwas passiert?“ fragte Joe.
„Ihr kommt wie gerufen“, erwiderte der Hilfssheriff.
„War Indianer-Bill nicht euer Wachmann auf den

Bergweiden?“

„Ja“, sagte Joe ahnungsvoll. „Warum fragst du?“
„Dann steigt mal ab; ihr könnt ihn gleich identifizieren.“ Der

Hilfssheriff schlug die Decke beiseite.

Hoss und Joe stiegen von den Pferden und traten an den

Wagen heran.

Turner hob eine Stall-Laterne hoch. „Ist er das?“

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Die Gestalt, die auf dem Wagen lag, war ohne Zweifel der

Indianermischling.

Hoss schluckte. „Ja, Ted, er ist es.“
„Wo habt ihr ihn gefunden?“ fragte Joe.
„In der Nähe der Morgan-Hütte“, erklärte der Hilfssheriff.

„Er hat drei Schüsse aus einem Neunmillimeter-Colt im
Rücken. Der Doktor hat das bereits festgestellt. Außerdem hat
man ihm die Fußsohlen über ein Feuer gehalten.“

„Zum Teufel, warum?“ fragte Joe.
„Da fragst du mich zuviel.“ Ted Turner zog die Decke über

den Toten. „Offenbar wußte er etwas, was andere von ihm
erfahren wollten. Da haben sie mit dem Feuer ein wenig
nachgeholfen.

Kommt morgen in die Station, dann könnt ihr das

Erkennungsprotokoll unterschreiben“, forderte der Hilfssheriff.
„Jedenfalls ist das eine verdammte Schweinerei. Aus unserer
Gegend war das niemand, darauf nehme ich meinen Eid.“

Wortlos stiegen die Cartwrights wieder in den Sattel.
„Einer weniger, vor dem sich Lafitte fürchten müßte“, sagte

Jerry.

„Du bist ziemlich sicher, daß dieser Lafitte auch damit etwas

zu tun hat“, meinte Joe.

„Ich bin gespannt, was Pa sagen wird“, fügte Hoss hinzu.
In der Nacht wachte Hoss plötzlich auf. Irgendein Geräusch

hatte ihn geweckt. In den ersten Abendstunden schlief er nie
sehr tief, und das war es wohl, warum er morgens nie aus den
Federn konnte.

Hoss richtete sich in seinem Bett auf und lauschte.
Das Geräusch schien aus der nebenan liegenden Kammer zu

kommen, und die hatte Hop Sing für Jerry hergerichtet.
Vermutlich konnte Jerry in dem fremden Bett nicht schlafen.

Hoss hörte, wie die Tür geöffnet wurde, dann gingen leise

Schritte über den Korridor an seiner Zimmertür vorbei. Die

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Treppenstufen der nach unten führenden Treppe knarrten, und
Hoss hörte sogar, daß die Außentür geöffnet wurde.

Schnell schlüpfte er aus seinem Bett und trat ans Fenster.
Draußen war es mondhell. Er konnte den ganzen Hof

übersehen.

Ja, es war Jerry, der aus dem Haus kam.
Hoss trat sofort vom Fenster zurück und stellte sich hinter die

Gardine. Er mußte feststellen, was Jerry um diese Zeit im Hof
zu suchen hatte.

Jerry war vollständig angezogen. Er sah noch einmal zum

Haus zurück und huschte dann schnell in den Stall.

Kurze Zeit später führte er seinen Fuchs hinaus. Das Pferd

war bereits gesattelt. Zu seiner größten Überraschung stellte
Hoss fest, daß Jerry jetzt einen Revolvergürtel mit zwei
schweren Colts trug. Er führte das Pferd an der Trense vom
Hof und schwang sich draußen in den Sattel. Im Galopp
preschte er in die Nacht hinaus.

Gedankenvoll kletterte Hoss wieder ins Bett. Er nahm sich

vor, auf die Rückkehr Jerrys zu warten, war aber dann doch
eingeschlafen.

Am nächsten Morgen weckte ihn Hop Sing auf die

gewöhnliche Weise.

„Mistel Hoss, Sie bitte sofolt aufstehen“, sagte der Chinese.

„Kaffee plima, plima! Ich machen zum Flühstück eine gute
Hafelblei und hintelhel Eiel…“

Wie eine Rakete schoß Hoss im Bett hoch, und Hop Sing

flüchtete eilig zur Tür hinaus, in Erwartung, daß ihm ein
Stiefel nachgeworfen wurde.

Von draußen fuhr er fort: „Hop Sing alles lichtig gesagt.

Flühstück wilklich plima, plima!“

So schnell war Hoss noch nie angezogen. Er rasierte sich aber

nicht, sondern schlich zu der Zimmertür, hinter der Jerry
schlief. Er öffnete sie vorsichtig und schaute hinein.

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Jerry schlief friedlich in seinem Bett, als wäre er nie

fortgewesen.

Hoss überlegte tatsächlich, ob er das Ganze nicht geträumt

habe. Er war sich dessen nicht ganz sicher.

Als er die Tür schließen wollte, wurde Jerry wach. Er hob

den Kopf und sah Hoss in der Tür stehen.

„Hallo! Schon Zeit zum Aufstehen?“ Jerry richtete sich in

seinem Bett auf.

„Noch Zeit“, lächelte Hoss. „Ich wollte nur mal nach dir

sehen. Gut geschlafen?“

„Wie ein Bär im Winterschlaf“, lächelte Jerry. „Ich bin dir

wirklich dankbar, daß ich einige Tage bei euch bleiben kann.
Im Saloon-Hotel hätte ich ein solches Bett nicht bekommen.“

Hoss nickte ihm zu und schloß die Tür.
Draußen überlegte er noch einmal, ob er das alles nicht

geträumt habe. Wenn es Wirklichkeit gewesen war, wo konnte
Jerry in der Nacht gewesen sein? Darauf fand er keine
Antwort.

Little Joe und der Vater saßen schon beim Frühstück, als

Hoss herunterkam.

Bald darauf tauchte auch Jerry auf. „Entschuldigen Sie, Mr.

Cartwright“, meinte er nach der Begrüßung. „Ich habe so gut
geschlafen, daß ich überhaupt nicht wach werden konnte. Ich
werde mich bessern.“

„Lassen Sie es gut sein, Jerry“, erwiderte Cartwright. „Ich

will nur hoffen, daß es Ihnen bei uns gefällt.“

Während Hoss aß, mußte er Jerry immer wieder ansehen. Er

hatte Jerry in der Nacht mit einem Revolvergürtel gesehen.
Wenn es Tatsache gewesen war, so konnte Jerry die Revolver
nur in seinem Proviantsack versteckt haben. Aber was
bedeutete das alles? Hoss sah keinen Sinn in allem, und immer
wieder drängte sich ihm die Frage auf: Wo war Jerry in dieser
Nacht gewesen?

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„Ich habe einen Entschluß gefaßt“, erklärte Ben Cartwright,

nachdem sie das Frühstück beendet hatten. „Der Tod Indianer-
Bills läßt mir keine Wahl. Ich werde nicht ruhen, bis ich den
Mann, der ihn umbrachte, gestellt habe.“

So kannten Hoss und Joe ihren Vater nicht. Ben Cartwright

war kein Mann von Gewalttätigkeit, und wenn er eine Fehde
auszufechten hatte, versuchte er stets, die Lösung auf
gütlichem Wege zu finden. Diesmal schien es aber anders zu
sein.

Cartwright hatte nicht vor, den Sheriff in diese Sache

hineinzuziehen.

„Könnt ihr euch erklären, wer etwas aus Indianer-Bill

herauslocken wollte?“ wandte er sich an seine Söhne.

„Ja, darüber habe ich auch schon nachgedacht, Pa“, sagte

Hoss. „Mir ist da ein Gedanke gekommen. Du weißt, daß
Indianer-Bill den alten Morgan oft in die Berge begleitete. In
der Stadt sind sie alle der Ansicht, Indianer-Bill wisse, wo
Morgans Schürfstelle ist. Vermutlich hat das jemand in
Erfahrung gebracht und Indianer-Bill unter Druck setzen
wollen.“

Ben Cartwright sah auf. „Und wer könnte das sein? – Wir

wissen, daß Indianer-Bill mit den Leuten von Miller zuletzt
gesehen worden ist. Angeblich wollte man zur Ponderosa, um
mir das Geld für die Rinder zu übergeben. Auf diesem Wege
hat man ihn umgebracht.“

„Wir müssen also herausfinden, wer dieser Miller ist und wo

er sich aufhält“, sagte Little Joe. „Daß Miller mit diesem
Lafitte identisch ist, steht für mich noch nicht fest. Meine
Gründe habe ich erklärt.“

„Aber nicht mir“, wandte der Vater ein.
„Er meint, Lafitte hätte eine andere Beschreibung Millers

geben können“, erläuterte Hoss. „Wenn er wirklich Miller

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wäre, so würde er niemals sein eigenes Aussehen auch noch
beschreiben.“

„Es sei denn, er glaubt, Sam Baker habe uns bereits eine

Beschreibung von Miller gegeben“, überlegte Ben Cartwright.
„In diesem Falle muß er zwangsläufig Miller so beschreiben,
wie ihn Sam Baker gesehen hat. Sonst würde jeder sofort
mißtrauisch. Er kann sich also nur selbst beschreiben, wenn er
dieser Miller ist.“

Jerry nickte zustimmend. „Was haben Sie jetzt vor?“
„Wir alle reiten zur Baker-Ranch und holen Sam Baker in die

Stadt, um ihn Lafitte gegenüberzustellen“, erklärte Ben
Cartwright. „Dann wird sich alles herausstellen, und in diesem
Falle wissen wir auch, wer Indianer-Bill auf dem Gewissen
hat. Vielleicht ist es noch früh genug, einen Anschlag auf den
alten Morgan abzuwenden. Offenbar interessieren sich einige
Leute für ihn.“

Little Joe schob seinen Teller zurück. „In Ordnung, Pa! –

Kommt, reiten wir sofort los!“

„Verzeihen Sie, Mr. Cartwright“, sagte Jerry. „Nehmen Sie

es mir bitte nicht übel, wenn ich nicht mitkomme. Ich möchte
mich mal in Virginia City umsehen. Vielleicht kann man mich
bei der Zeitung gebrauchen.“

„Sie können tun und lassen, was Sie wollen, Jerry. Sollten Sie

beim Virginia Star vorbeigehen, so bestellen Sie Mr. Worman
einen Gruß. Vielleicht nützt das etwas.“

„Danke, Mr. Cartwright! Das werde ich nicht vergessen.“
Hoss hatte inzwischen die Pferde auf den Hof geführt. Paiute

war bereits gesattelt, als die Männer aus dem Haus kamen.

Ben Cartwright beobachtete, wie Jerry seinem Fuchs den

Sattel auflegte. Dabei bemerkte er das Brandzeichen auf der
Kruppe.

„Sagen Sie, Jerry, wie kommen Sie an ein Armeepferd?“

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„Ein Armeepferd?“ fragte Jerry zurück. „Wie kommen Sie

darauf?“

„Der Fuchs trägt als Brandzeichen einen Stern, und das ist

das Zeichen der Armee.“

„Das wußte ich nicht.“ Jerry schüttelte lachend den Kopf.

„Darum kümmere ich mich nicht. Ich kaufte das Pferd von
einem armen Teufel, der es mir nahezu aufdrängte. Er nahm
dafür meinen alten Klepper, und ich zahlte ihm noch etwas
drauf.“

„Hoffentlich bekommen Sie keine Schwierigkeiten. Die

Armee verkauft im allgemeinen keine Pferde an Zivilisten.
Haben Sie wenigstens eine Bestätigung für den Kauf?“

„Ach, du liebe Güte! Der Kerl konnte bestimmt nicht mal

schreiben.“ Jerry schwang sich in den Sattel. „Bis dann! –
Hoffentlich haben Sie bei Sam Baker Erfolg.“

Joe sah dem Davonreitenden mit zusammengekniffenen

Augen nach. „Was hältst du von ihm, Pa? – Ich weiß nicht, mir
kommt der Kerl komisch vor. Wozu braucht er die
Bullpeitsche am Sattelknopf?“

„Ach, das sind Äußerlichkeiten“, erwiderte Ben Cartwright.

„Mir scheint er nur etwas leichtsinnig zu sein.“

„Weil er keine Revolver trägt?“
„Nicht nur deshalb.“
Hoss war neben den Vater und Joe getreten. Er mußte daran

denken, was er in der Nacht beobachtet hatte. Wo war Jerry
gewesen? Was wußte er überhaupt von ihm? War Jerry
wirklich der Mann, für den er sich ausgab? Von seinen
Beobachtungen erzählte er natürlich nichts.

Zehn Minuten später waren die Cartwrights auf dem Weg zur

Baker-Ranch. An der Abzweigung nach Virginia City stießen
sie auf drei Reiter, die aus der Stadt kamen.

„Moment mal!“ Ben Cartwright hielt sein Pferd an. „Das ist

doch dieser Jean Lafitte.“

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„Ja, stimmt, Pa!“ Little Joe ritt neben den Vater. „Und die

beiden Kerle kenne ich auch. Sie waren im Saloon-Hotel, als
mir der Kerl den Whisky aufdrängen wollte.“

„Offenbar wollen sie in die Berge“, stellte Ben Cartwright

fest. „Sollte mich gar nicht wundern, wenn sie das gleiche Ziel
hätten.“

Lafitte hatte mit seinen Leuten bereits den Pfad ins Gebirge

eingeschlagen, aber da hielt er plötzlich sein Pferd zurück.

„Sie haben uns bemerkt“, sagte Hoss. „Seht, sie kehren um.“
Tatsächlich wendeten die Reiter ihre Pferde und kamen den

Cartwrights entgegen.

„Jetzt bin ich gespannt, was er uns sagen wird“, meinte Ben

Cartwright. Er trieb sein Pferd an, und seine Söhne folgten
ihm.

„Hallo, Mr. Cartwright!“ Lafitte zügelte seinen Rappen, der

erregt zu tänzeln begann. „Ich hörte, Sie haben:
Schwierigkeiten mit diesem Mr. Miller.“

„Er hat meinen Beauftragten nicht bezahlt“, erwiderte Ben

Cartwright. „Ich möchte wissen, wo ich ihn erreichen kann,
aber Sie konnten meinem Sohn darüber auch keine Auskunft
geben. Dreitausend Golddollar sind ‘ne Menge Geld.“

„Tut mir furchtbar leid. Sollte ich etwas erfahren, werde ich

Sie sofort benachrichtigen.“

„Und dann ist noch etwas passiert, Mr. Lafitte“, fuhr Ben

Cartwright fort. „Mein Wachmann, der diesen Miller und seine
Leute zur Ponderosa begleitete, wurde erschossen
aufgefunden.“

Lafitte schüttelte den Kopf. „Davon weiß ich nichts. Glauben

Sie, daß dieser Miller…“

„Wer es war, ist völlig gleichgültig“, fiel ihm Ben Cartwright

in die Rede. „Jedenfalls werde ich nicht eher ruhen, bis ich
diesen Kerl gefunden habe. Ich bin sonst ein recht
friedliebender Mensch, und das wird Ihnen jeder bestätigen,

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aber diesmal lasse ich den Sheriff aus dem Spiel. Ich werde
diesen Kerl finden, und wenn ich ihn in der Hölle suchen
müßte.“

„Ich kann Ihnen dazu nur Erfolg wünschen“, lächelte Lafitte.

„Wie gesagt, sollte ich etwas von diesem Miller erfahren,
werde ich Sie sofort benachrichtigen. Mir ist das alles genauso
unangenehm, aber ich bin schließlich durch die Verträge
gedeckt.“

„Natürlich“, nickte Ben Cartwright. „Ihnen mache ich auch

keinen Vorwurf.

So, jetzt wollen wir mal sehen, wie das zündete“, lächelte

Ben Cartwright, als Lafitte und seine Begleiter davonritten.

„Was meinst du damit, Pa?“ fragte Joe.
„Das wirst du bald erfahren.“
„Sie reiten in die Stadt zurück“, stellte Hoss fest.
„Bist du dessen so sicher?“ Cartwright wandte sich an Joe.

„Hör zu, Junge! – Ich reite mit Hoss weiter ins Gebirge. Du
bleibst zurück und beobachtest den Weg. Sollte Lafitte mit
seinen Männern zurückkommen, folgst du uns sofort. Wir
warten auf dich bei den Eagle Rocks.“

„In Ordnung, Pa!“
Viel früher als Ben Cartwright erwartet hatte, kam ihnen Joe

nachgeritten.

„Sie sind sofort umgekehrt, als wir außer Sichtweite waren“,

berichtete Joe. „Sie sind direkt hinter uns.“

„Wenn sie an der Paßstraße abbiegen, sind sie vor uns auf der

Baker-Ranch“, überlegte Cartwright. „Wir müssen also den
direkten Weg durch das Gebirge nehmen, wenn wir vor ihnen
dort sein wollen.“

„Den Weg kenne ich“, sagte Hoss.
„Das weiß ich“, lächelte der Vater. „Du reitest ihn immer,

obwohl ich dich gewarnt habe. Ich habe dir nur nie etwas
gesagt.“

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Hoss schluckte nur.
„So, bitte, zeige uns den Weg!“ forderte Ben Cartwright.
„Den kenne ich auch“, sagte Joe. „Ich muß dich enttäuschen.

Nicht nur Hoss reitet ihn, ich auch. Wir sparen wenigstens drei
Stunden. Lafitte wird ihn kaum kennen.“

„Ja, meine Herren Söhne“, lächelte Ben Cartwright. „Dann

muß ich wohl zugeben, daß ich ihn auch kenne. Ich reite ihn
nämlich auch.“

„Aber, Pa, der ist doch viel zu gefährlich für dich“, erklärte

Hoss besorgt. „Allein kannst du ihn nicht reiten.“

„Ja, das muß ich auch sagen“, stimmte Joe seinem Bruder zu.

„Das ist unverantwortlich von dir, Pa.“

„Wollt ihr eurem alten Vater erklären, was er tun und lassen

soll?“ Cartwright lachte. „Kommt, Jungs! Dann werde ich euch
führen.“

Bald waren die Reiter mitten im Gebirge. Sie waren

abgestiegen und führten die Pferde am Zügel. Der Pfad war an
manchen Stellen nur einen Meter breit. Links von ihnen zog
sich eine Wand haushoch hinauf, und rechts stürzten die Felsen
mehrere hundert Meter tief in eine Schlucht. Unten schoß ein
Gebirgsbach schäumend über die Felsen.

Weit hinten sah man Virginia City im satten Grün der

Weiden.

Ben Cartwright, der seinen Söhnen vorausging, hielt plötzlich

sein Pferd an.

Irgendwoher klang Hufschlag durch die Stille der Bergwelt.
Auch Joe und sein Bruder blieben stehen.
Cartwright hob den Kopf. „Das ist über uns“, stellte er fest.
Paiute begann zu schnauben. Offenbar erinnerte er sich an die

Klapperschlange. Pferde vergessen nichts. Hoss nahm ihn
scharf an der Trense.

Über ihnen wurde das Hufgetrappel deutlicher. Jetzt waren

die Reiter direkt über ihnen.

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Cartwright hob den Kopf.
„Vorsicht, Pa!“ brüllte Hoss.
Hoch in der Wand wurde ein dumpfes Poltern hörbar.

Steinstaub rieselte herab. Bald waren die Reiter von einer
weißen Staubwolke eingehüllt. Dann polterten plötzlich
faustgroße Steinbrocken an ihnen vorbei.

Die Pferde begannen unruhig zu werden. Paiute war von

einigen Steinen getroffen worden. Mit großen Augen und
schnaubenden Nüstern versuchte er, auf die Hinterhand zu
gehen. Hoss konnte ihn kaum halten.

Joe kämpfte ebenfalls mit seinem Pferd.
„Los, weiter!“ brüllte Ben Cartwright. „Wir müssen den

breiten Pfad erreichen, bevor sich die Steinlawine auslöst. Hier
sind wir ungeschützt.“

Wie gut der Vater den Bergpfad kannte, sollten seine Söhne

bald feststellen.

In eine weiße Staubwolke eingehüllt, zerrte Ben Cartwright

sein Pferd weiter über den Pfad.

Hoss und Little Joe folgten ihm, die Pferde hart an der

Trense. Bald wurde der Pfad breiter. Eine Ausbuchtung in der
Felswand nahm die Reiter auf. Fest preßten sie sich mit ihren
Pferden an die Felsen.

Von oben rauschte eine weiße Wolke herab, kleine

Steinbrocken folgten. Dann schwoll das Poltern an. In eine
gelbe Staubwolke gehüllt, fielen jetzt schwere Steinbrocken
über sie hinweg in die Tiefe. Zentnerschwere Steinblöcke
donnerten an ihnen vorbei. Der schmale Pfad hinter ihnen war
in eine graue Wolke gehüllt. Dort schlugen die schweren
Steinblöcke auf und sprangen wie Gummibälle über den Rand
der Schlucht.

Das Toben dauerte einige Minuten, dann ließ der Steinschlag

nach. Bald rieselte nur noch Steinstaub herab.

Ben Cartwright wischte sich den Schweiß von der Stirn.

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„Alles klar, Pa?“ rief Hoss.
„Und ihr?“ fragte Ben Cartwright zurück.
Es war alles in Ordnung. Hoss und Joe waren nicht getroffen

worden, aber die Pferde hatten etwas abbekommen. Sie waren
völlig mit Staub überdeckt, und Paiute mußte von einem
spitzen Stein getroffen worden sein. Er blutete am Ohr.

An der Quelle legten die Reiter eine Pause ein. Sie reinigten

die Pferde, so gut es ging, und Hoss wusch seinem Pferd die
Wunde aus.

Ben Cartwright starrte nachdenklich vor sich hin.
„Was ist, Pa?“ fragte Hoss. „Bist du etwa verletzt?“
„Nein, ich überlege nur, wie es möglich war, daß es Lafitte

und seinen Leuten gelang, uns zu überholen. Sie haben die
Steinlawine ausgelöst, das steht für mich fest.“

„Über uns liegt das Plateau, das von der Paßstraße zu

erreichen ist“, sagte Joe. „Sie müssen bei den Eagle Rocks
abgebogen sein, nachdem sie festgestellt haben, daß wir den
Weg durch das Gebirge einschlugen.“

„Dann haben wir keine Zeit zu verlieren. Wer unser Feind ist,

das wissen wir jetzt. Somit dürfte auch klar sein, wer dieser
Miller ist.“ Ben Cartwright sah seine Söhne an. „Oder hat noch
jemand von euch Zweifel?“

„Nein, Pa, ich gebe mich geschlagen“, erwiderte Little Joe.

„Ich hatte Zweifel, das muß ich zugeben. Die Steinlawine kann
sich nicht von selbst ausgelöst haben, und nur Lafitte und seine
Leute sind es gewesen.“

Auf der Baker-Ranch war alles in Ordnung. Sam Baker war

erfreut, seinen alten Jugendfreund zu sehen.

Ben Cartwright ließ sich noch einmal alles genau erklären

und erfuhr, daß Indianer-Bill die Herde, genau, wie es ihm
aufgetragen worden war, in die Freikorrals getrieben hatte.
Von dort brachte er sie aber zur Baker-Ranch, weil, wie er
Baker erklärte, einige unbekannte Männer aufgetaucht waren,

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die sich für die Tiere interessierten. Sie hätten sich alles
angeschaut und seien dann verschwunden. Diese Zeit habe
Indianer-Bill ausgenutzt, um die Tiere zur Baker-Ranch zu
treiben. Was dann geschehen sei, habe ihm sicher Hoss
berichtet.

„Ja, das hat er“, sagte Ben Cartwright. „Und ich zweifle nicht

daran, daß du kein Geld bekommen hast. Wir kennen auch
bereits den Mann, der das alles in die Wege leitete. Dieser
Mann nannte sich Miller und ist in Wirklichkeit ein gewisser
Lafitte. Sag, würdest du den Mann, der sich Miller nannte,
wiedererkennen?“

„Aber natürlich“, erklärte Sam Baker. „Ich habe ihn mir ganz

genau angeschaut. Aber auch Indianer-Bill müßte ihn
wiedererkennen.“

„Indianer-Bill ist tot“, sagte Ben Cartwright. „Du bist also der

einzige Mensch, der diesen Miller gesehen hat, und deshalb
komme ich zu dir. Du reitest mit uns jetzt in die Stadt und
wirst diesem Lafitte gegenübergestellt. Er soll natürlich nichts
davon merken. Ist er dieser Miller, so brauchst du es nur mir zu
sagen.“

Sam Baker erklärte sich sofort dazu bereit.
Little Joe war während der Unterredung draußen geblieben,

um nach Lafitte und seinen Leuten Ausschau zu halten. Ben
Cartwright war überzeugt, sie würden über kurz oder lang auf
der Baker-Ranch auftauchen, und damit war sogar eine Gefahr
für Sam Baker verbunden. Baker war der letzte Zeuge, und
Lafitte würde alles daransetzen, um ihn, genau wie Indianer-
Bill, auszuschalten. Das durfte nicht geschehen.

Hoss, der ebenfalls nicht mit ins Haus gekommen war, hockte

an der Westseite der Ranch auf dem Koppelzaun. Cartwright
wollte kein Risiko eingehen.

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Als der Vater mit Sam Baker aus dem Haus kam, schlossen

sich ihnen Joe und Hoss an. Sie stiegen auf ihre Pferde und
nahmen Sam Baker in die Mitte.

„Haltet die Augen offen“, riet Ben Cartwright. „Sollten sich

die Kerle sehen lassen, dann zögert nicht. Ihr wißt, ich bin
sonst gegen jede Gewalt, aber Verbrechern kann man nur mit
drastischen Maßnahmen beikommen.“

Sam Baker war sorglos. Er fühlte sich in Begleitung der

Cartwrights sicher. Es ging auch alles gut, bis sie zu den Eagle
Rocks kamen. Hier türmten sich die Felsen hoch in den
Himmel. Von allen Seiten war der Weg, den die Reiter
nahmen, einzusehen. Wenn etwas geschah, dann konnte es nur
hier passieren. Eine Verfolgung zu Pferde war in diesem
Gebiet nicht möglich.

Die letzte Krümmung war erreicht, dann lag die Straße nach

Virginia City vor ihnen.

Ben Cartwright wollte schon aufatmen, aber da fiel direkt

über ihnen ein Schuß.

Hoss’ Paiute stieg auf die Hinterhand, denn das Projektil war

nur haarscharf an seinem Kopf vorbeigesurrt.

„Von den Pferden!“ Ben Cartwright riß Sam Baker von

seinem Pferd und zog den Alten hinter einen Steinblock.

Hoss und Joe sprangen ab, wälzten sich über den Boden, bis

sie im Schutz eines Felsens lagen. Mehrere Projektile schlugen
in ihrer Nähe ein.

Wo saß der hinterhältige Schütze?
Little Joe suchte mit den Augen die Felsen ab. Er hielt seinen

Colt schußbereit in der Hand. Zwischen den grauen
Steinblöcken war nichts zu sehen.

„Siehst du ihn?“ fragte er Hoss.
„Die Schüsse sind von links gefallen“, sagte Hoss. Er richtete

sich etwas auf und deutete auf eine Felsengruppe. „Dort
müssen die Kerle sitzen.“

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Im selben Moment riß ihm ein Projektil den Hut vom Kopf.
„Ich würde mir einen kleineren Hut anschaffen“, lachte Little

Joe, obwohl es ihm gar nicht zum Lachen war. Gegen einen
unsichtbaren Gegner zu kämpfen, war eine riskante Sache. Der
Kerl hatte sie im Visier, während sie nicht einmal wußten, wo
er zu suchen war.

Hoss schnappte nach seinem Hut und setzte ihn wieder auf.

Der Schreck war ihm in die Glieder gefahren, aber langsam
kam Wut in ihm auf.

„Bleibt ruhig, Jungs“, rief ihnen der Vater zu. „Wenn wir in

Deckung bleiben, können sie uns nichts anhaben.“

Hoss hatte jetzt eine Bewegung zwischen den Felsen

bemerkt.

„Links, Joe, direkt vor dir, dort hocken sie“, rief er seinem

Bruder zu.

„Erkannt“, sagte Joe und rief seinem Vater zu: „Los, macht

euch davon. Wir wissen, wo sie sind. Wir geben euch
Feuerschutz.“

Während sie den Felsen unter Feuer nahmen, sprangen Ben

Cartwright und Sam Baker auf und eilten zu den Pferden. Sie
schwangen sich in den Sattel, aber da fiel ein einzelner Schuß
aus einer ganz anderen Richtung.

Sam Baker, der bereits den Fuß im Steigbügel hatte, zuckte

zusammen, stürzte und blieb mit dem Fuß im Bügel hängen.
Sein Pferd galoppierte Ben Cartwrights Fuchsstute nach und
zog seinen Reiter im Steigbügel hängend über den Boden
hinter sich her.

Mit angehaltenem Atem hatten Hoss und Joe das

Mißgeschick verfolgt.

Von der Felsengruppe aus wurde noch einmal eine

Feuersalve auf sie abgegeben, dann klang Hufschlag auf, und
es wurde still.

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Hoss und Joe blieben noch eine Weile in Deckung und

lauschten auf den Hufschlag, der sich in der Ferne verlor.

Als alles still blieb, fingen sie ihre Pferde ein und ritten dem

Vater nach.

Ben Cartwright kniete am Boden neben Sam Baker. Er sah

auf, als seine Söhne neben ihm anhielten.

„Nun, Pa?“ fragte Little Joe.
Ben Cartwright stand auf. „Er ist tot“, sagte er mit einem

tiefen Seufzer. „Aber der Kerl wird dafür büßen, so wahr ich
Cartwright heiße.“

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Jerry Cox macht von sich reden



Als die Cartwrights nach Hause kamen, war Jerry bereits aus
der Stadt zurück. Er saß auf dem Sofa im Wohnzimmer und
spielte auf seinem Banjo.

Neben ihm stand Hop Sing, hatte die Fingerspitzen

aneinandergelegt und lauschte der musikalischen Darbietung
mit geschlossenen Augen.

„Mistel Jelly spielen wundelschön!“ Hop Sing nickte Ben

Cartwright zu. „Abel ich jetzt blingen sofolt das Essen.“ Damit
verschwand er eilig in der Küche.

Jerry legte sofort das Banjo beiseite. „Sie sehen nicht sehr

zufrieden aus, Mr. Cartwright. Hatten Sie Ärger?“

„Sam Baker ist tot.“ Ben Cartwright hing seinen

Revolvergürtel an den Haken. „Ihre Darstellung über Lafitte
und diesen ominösen Mr. Miller stimmt genau. Der
Drahtzieher ist Lafitte, dessen bin ich jetzt ganz sicher. Er ist
auch verantwortlich für den Tod von Indianer-Bill und Sam
Baker, und es hätte nicht viel gefehlt, so wären auch wir in den
Bergen einem Anschlag von ihm zum Opfer gefallen.“ Er
erzählte, was geschehen war, und Jerry hörte stumm zu.

„Aber beweisen können Sie ihm nichts.“ Jerry ging mit

großen Schritten durch den Raum. Er machte in diesem
Augenblick gar nicht mehr den Eindruck des liebenswerten
und fröhlichen großen Jungen. Er hatte plötzlich einen harten
Zug um den Mund.

„Ich tat Sam Baker unrecht“, sagte Joe. „Wie konnte ich nur

einen Augenblick daran glauben, daß er uns betrügen würde.“

„Daran habe ich nie geglaubt“, warf Hoss ein. „Aber was

sollen wir jetzt tun, Pa?“

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„Ihr werdet euch um Lafitte kümmern“, antwortete Ben

Cartwright. „Der Kerl hat hier in Virginia City noch andere
Dinge vor, sonst hätte er sich längst aus dem Staube gemacht.“

Jerry hielt in seiner Wanderung inne. „Das dürfte gefährlich

werden, Mr. Cartwright. Wenn diese Burschen merken, daß sie
beobachtet werden, nehmen sie keine Rücksicht.“

„Das will ich auch nicht. Ich möchte ihn sogar aus der

Reserve locken.“ Ben Cartwright wandte sich an seine Söhne.
„Ihr habt ab heute auf der Ponderosa nichts mehr zu tun. Teilt
dem Vormann eure Arbeitseinteilung für die Leute mit. Er soll
sich um alles kümmern.“

Hoss sah seinen Bruder fragend an, um sich dann dem Vater

zuzuwenden: „Und was sollen wir tun?“

„Ihr haltet euch zu jeder Stunde im Saloon-Hotel auf“,

erklärte Cartwright. „Schaut mich nicht so dumm an. Ja, ich
wollte nie, daß ihr euch dort herumtreibt, aber jetzt will ich es.
Es ist sogar ein Befehl. Ich will über jeden Schritt, den Lafitte
unternimmt, Bericht haben.“ Er ging zum Schreibtisch und
nahm einige Dollarscheine aus der Geldkassette. „Hier, das
reicht vorerst, aber betrinkt euch nicht.“

„Wenn Sie erlauben, werde ich mich Ihren Söhnen

anschließen“, sagte Jerry. „Sechs Augen sehen mehr als vier.“

Nach dem Abendessen ritten Jerry und die Brüder in die

Stadt.

„Wer mir gestern noch gesagt hätte, Pa würde uns jemals

zum reinen Vergnügen nach Virginia City schicken, den hätte
ich glatt für verrückt erklärt“, lachte Joe. „Das hätte ich mir
niemals träumen lassen.“

„Es wird kein reines Vergnügen“, meinte Jerry. „Merkt euch

eines, dieser Lafitte ist mit allen Wassern gewaschen. Wenn er
euch jetzt dort sieht, weiß er genau, was gespielt wird.“

Im Saloon war Hochbetrieb. Jerry hatte diesmal seine

Bullpeitsche in die Schlaufe des Gürtels gehängt. Er nahm

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sofort sein Banjo von der Schulter und schlug einige Akkorde
an.

„Ja, spiel einen“, forderte ein langer Cowboy. „Los, wir

wollen etwas hören!“

Da auch von anderen Seiten Zurufe kamen, hob Jerry die

Hand. „Ich singe jetzt das Lied vom Sheriff Bum“, verkündete
er. „Und alle wiederholen stets die letzte Zeile,

klar?“

Der Saal brüllte Zustimmung.
Jerry stellte den rechten Fuß auf einen Stuhl und begann:
„Wer wiegt sich in den Hüften stolz und trägt zwei schwere

Western-Colts? Wer hält sich für den schönsten Mann der
Welt? Wer zwickt die Mädchen irgendwo und lacht dazu noch
schadenfroh? Wer fühlt sich überall als echter Frauenheld? Das
ist der Sheriff Bum!“

Und der Saal wiederholte: „Das ist der Sheriff Bum!“ Jerry

sang weiter:


„Wer schießt nur Löcher in die Luft?
Wer trägt die schönste Western-Kluft?
Wer hält ‘nen Gauner für den Herrn Pastor?
Wer liebt die rote Lilly so
und geht bei jedem Kuß k. o.?
Wer singt im Kirchenchor so falsch Tenor?
Das ist der Sheriff Bum!“

Diesmal konnte der Saal die letzte Zeile nicht wiederholen. In

der Tür standen drei Gestalten, denen man schon von weitem
ansah, daß sie Streit suchten. Einer von ihnen hatte seinen Colt
gezogen und in die Luft gefeuert.

Joe und Hoss sahen, wie einer der Kerle langsam auf Jerry

zutrat.

Jerry sah ihm gelassen entgegen.

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„Verschwinde mit deiner Niggerfiedel, Viehtreiber“,

herrschte er Jerry an. „Wir wollen in aller Ruhe ein Spielchen
machen und können keinen Krach gebrauchen.“ Er sah die
Bullpeitsche am Gürtel. „Verstehst du damit umzugehen?“

„Ich denke schon“, antwortete Jerry.
„Dann kommt herbei, Leute“, wandte sich der Kerl an den

Saal. „Ihr werdet jetzt ein Schauspiel erleben. Dieses
Milchgesicht wird mir mit der Bullpeitsche eine Zigarette aus
dem Mund schlagen. Gelingt ihm das, ohne mir auch nur ein
Barthaar zu berühren, habe ich eine Flasche Gin verloren.
Trifft er mich aber, werde ich ihm beide Ohren mit Löchern
verzieren.“ Er sah Jerry an. „Hast du gehört, was ich sagte?“

„Ich bin doch nicht taub“, lachte Jerry. Er nahm die

Bullpeitsche vom Gürtel und ließ den zwei Meter langen
Riemen über den Boden schnellen. „Ich bin bereit.“

Der Kerl sah ihn überrascht an. Er hatte nicht erwartet, daß

Jerry seinen Vorschlag annehmen würde. Während er ihn mit
finsterer Miene betrachtete, drehte er sich eine Zigarette und
steckte sie in den Mund. Seine beiden Kumpane grinsten.

„Fertig?“ fragte Jerry.
Der Kerl nahm vor ihm Aufstellung und nickte.
Hoss und Joe hielten die Luft an.
Mit einem scharfen Pfeifen schnellte das Leder durch die

Luft, und der Kerl hatte von der Zigarette nur noch einen
winzigen Stummel im Mund.

Der ganze Saal brüllte vor Begeisterung.
„So, jetzt warte ich nur noch auf die Flasche Gin“, sagte

Jerry.

„War doch nur ein Scherz, Milchgesicht“, lachte der Kerl. Er

wollte sich mit seinen Kumpanen an einem Tisch niederlassen,
doch da schwirrte das Leder der Bullpeitsche zum zweiten
Male durch die Luft. Es schlang sich um die Beine des Mannes

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und riß ihn zu Boden. Der Kerl war so verblüfft, daß er mit
offenem Munde liegenblieb.

Seine Begleiter wollten zu den Waffen greifen, aber da hatten

Joe und sein Bruder bereits die Colts in den Händen.

„Laßt die Kanonen stecken“, sagte Hoss. „Wenn hier etwas

ausgemacht wurde, so wird das auch gehalten. Unser Freund
bekommt die Flasche Gin.“

„Gib ihm die Flasche“, sagte eine Stimme in die Stille.
In der Tür des Saloons stand Lafitte. Er trat langsam näher

und blieb vor Jerry und den Cartwrights stehen. „Ein nettes
dreiblättriges Kleeblatt“, lachte er. „Steckt eure Revolver ein
und wickele meinen Mann aus dem Leder. Ihr bekommt die
Flasche Gin.“

„Es geht uns nicht so sehr um die Flasche wie um die

Abmachung“, sagte Jerry. „Hätte ich verloren, wären meine
hübschen Öhrchen jetzt mit zwei Löchern versehen.“ Er
lockerte das Leder und rollte die Peitsche zusammen.

Der Kerl erhob sich vom Boden, ging zur Theke und kam mit

einer Flasche Gin zurück. Stumm hielt er sie Jerry hin.

„Hoffentlich ist sie auch bezahlt“, meinte dieser.
Der Kerl sah ihn nur wütend an und ging zum Tisch seiner

Begleiter.

Lafitte musterte Jerry. „Sie tragen keine Revolver“, sagte er

amüsiert. „Ich habe es gestern schon bemerkt. Warum nicht?“

„Nicht, weil ich nicht damit umgehen könnte“, lächelte Jerry.

„Das scheint gar nicht so schwer zu sein. Man zielt und drückt
einfach ab. Ich stelle mir das jedenfalls so vor.“

„Na, dann versuchen Sie es doch mal.“ Lafitte zog einen

Revolver aus dem Halfter und reichte ihn Jerry. „Sehen Sie
dort oben die Verzierung über dem Regal?“

„Ja, es ist eine Krone mit fünf Kugeln auf den Zacken.“
„Wenn Sie mir eine Kugel herunterschießen, bekommen Sie

eine weitere Flasche Gin.“

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Jerry wog den Colt in der Hand.
„Etwas schwer“, lächelte er, hob die Waffe, und der Schuß

löste sich.

Alle fünf Kugeln befanden sich noch an der Krone.
Lafitte nahm ihm den Revolver aus der Hand. „Das macht

man so!“

Er schoß, und die Krone hatte eine Kugel weniger.
„Alle Achtung, Mr. Lafitte“, staunte Jerry. „Vielleicht

probiere ich es noch mal. Ich glaube, ich weiß jetzt, wie man
es macht.“

„Soll ich für meinen Freund schießen?“ fragte Little Joe, der

nicht wollte, daß sich Jerry blamierte.

„Nein, laß mich nur“, wehrte dieser ab. Er nahm den

Revolver, den ihm Lafitte lächelnd reichte, und ohne richtig zu
visieren, gab er schnell hintereinander zwei Schüsse ab.

Oben an der Krone zerfetzten zwei Holzkugeln.
Die Umstehenden johlten, und Hoss blieb vor Überraschung

der Mund offen. Er sah Little Joe an, der noch immer zur
Krone hinaufstarrte, als könne er nicht glauben, was er gesehen
habe.

Lafittes Lächeln wurde sauer. „Das war nicht schlecht.“
„Ich glaube, es gelingt mir sogar noch einmal.“ Jerry visierte

die beiden letzten Kugeln kurz an, und wieder krachten zwei
Schüsse.

Auch diesmal zerfetzten die Holzkugeln. Die Krone war jetzt

ihrer Zierde beraubt.

„Na, was sagte ich“, triumphierte Jerry und reichte Lafitte

den Revolver zurück. „Man müßte nur ein wenig damit üben.
Ich glaube, ich könnte es bald noch besser.“

Für Joe war jetzt alles klar. Das konnte kein Zufall sein.

Schon mit der Bullpeitsche hatte Jerry bewiesen, daß er ihnen
etwas vormachte. Die Handhabung der schweren Peitsche
erforderte eine lange Übung. Er sah seinem Bruder an, daß sich

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dieser mit den gleichen Gedanken beschäftigte. Wer war dieser
Jerry?

Lafitte steckte den Revolver ins Halfter und ließ sich an der

Theke eine Flasche Gin geben. Er kam damit zurück. „Hier,
Ihre Prämie! – Für einen Mann, der nie einen Revolver in der
Hand hatte, schießen Sie aber ausgezeichnet.“ Der Blick, mit
dem er Jerry dabei ansah, ließ alles offen.

Kurze Zeit später verließ Lafitte mit seinen Leuten das Lokal.
„Was machen wir nur mit dem vielen Gin?“ fragte Jerry, der

sich mit Hoss und Little Joe an einem Tisch niedergelassen
hatte. „Wißt ihr, ich habe gar nicht gewußt, daß ich ein so
guter Schütze bin.“

Hoss holte tief Luft. „Paß mal auf, du Himmelhund“, sagte er

mit Betonung. „Du willst uns doch wohl nicht einreden, daß du
nie einen Revolver in der Hand hattest.“

„Ja“, nickte Little Joe. „Das kannst du deiner Großmutter

weismachen.“ Er stand auf. „Ich kümmere mich jetzt um
Lafitte. Wir haben es Pa versprochen. Er will wissen, was der
Kerl treibt.“

Jerry zog ihn auf den Stuhl zurück. „Das wäre grundfalsch.

Er wartet nur darauf. Ihr, die Cartwrights, seid hier in Virginia
City seine einzigen Feinde. Das weiß er ganz genau, und er
wird versuchen, euch auszuschalten. Ihr habt nur eine einzige
Chance, die Zeit für euch handeln zu lassen.“

„Und wie sollen wir das verstehen?“
„Abwarten“, erklärte Jerry. „Kommt, ich zeige euch, was

passiert wäre, wenn Joe sich um Lafitte gekümmert hätte.“

Kurze Zeit später schwangen sich die Freunde auf die Pferde

und folgten Jerry, der gleich nach der Stadt abbog und auf eine
Felsengruppe zuritt. Von dort aus konnte man die ganze
Umgebung überblicken und vor allem den Hauptweg, der aus
der Stadt führte, einsehen.

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„Um Lafitte zu folgen, hättest du den Hauptweg nehmen

müssen“, erklärte Jerry. „Auch jetzt glauben sie, wir würden
ihn benutzen.“

Jerry ritt weiter und deutete auf zwei Pferde, die zwischen

den Felsblöcken versteckt waren.

„Ihre Reiter sitzen oben in den Felsen und warten auf uns“,

fuhr Jerry fort. „Kommt, wir wollen uns die Kerle mal
ansehen!“

Sie stiegen von den Pferden, führten sie hinter eine Felswand

und folgten Jerry, der über die Felsen nach oben kletterte.

Hier im Freien herrschte ein fahles Dämmerlicht. Die Nacht

war sternenklar und mondhell.

Bald hatten sie eine Felsmulde erreicht, und schon klangen

Stimmen an ihr Ohr.

Zwei Kerle hockten auf einem Felsvorsprung, die Gewehre

schußbereit in den Händen. Direkt unter ihnen lag der
Hauptweg.

„Sie müßten längst hier sein“, sagte einer der Männer, und

seine Stimme schallte zu den Freunden herüber. „Ich sah, wie
sie auf die Pferde stiegen.“

Jerry trat vor. „Wartet ihr auf uns?“
Die Kerle fuhren herum, aber schon hatten Hoss und Little

Joe ihre Colts auf sie gerichtet.

„Die Gewehre weg!“ forderte Joe.
„Und die Revolver“, fügte Hoss hinzu.
Die Waffen polterten zu Boden. Die Kerle hoben die Hände.
Jerry beförderte die Waffen durch Tritte über den Rand der

Felsen. „So, und nun kommt!“

Die Kerle gingen mit erhobenen Händen voraus und

kletterten über die Felsen nach unten. Dort holte Jerry ihre
Pferde und stellte sie etwa zwanzig Meter weit von den
Burschen auf.

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„Ihr könnt aufsitzen!“ Jerry nahm die Bullpeitsche vom

Gürtel und rollte das Leder ab. Er ließ es durch die Luft
pfeifen. „Aber einen kleinen Denkzettel sollt ihr doch
bekommen. Wißt ihr, ich kann heimtückische Schützen nicht
leiden. – Los!“

Die Kerle stürzten zu ihren Pferden, aber da ließ Jerry das

Leder der schweren Peitsche durch die Luft surren. Es schlang
sich um die Beine der Flüchtenden und riß sie zu Boden. Dann
klatschte der Riemen über ihre Körper, immer wieder.

Brüllend vor Schmerz versuchten die Kerle, ihre Pferde zu

erreichen, aber immer, wenn sie sich aufrafften, riß ihnen das
Leder der Peitsche die Beine unter dem Körper fort. Keuchend
und schreiend wälzten sie sich über den Boden.

Jerry kannte kein Erbarmen. Immer wieder surrte der Riemen

auf die Kerle nieder. Er ging ihnen nach, bis sie die Pferde
erreichten und sich mit letzter Kraft in den Sattel schwingen
konnten.

Hoss und Little Joe hatten das Schauspiel bewegungslos

verfolgt.

Schweratmend trat Jerry zu ihnen und rollte die Bullpeitsche

zusammen. „Ich kann hinterhältige Schützen wirklich nicht
leiden“, sagte er. „Und jetzt möchte ich auf der Ponderosa Mr.
Cartwright zu einem Gin einladen, den Lafitte spendierte“,
fügte er lächelnd hinzu.

Stumm stiegen Little Joe und Hoss in den Sattel.



In den nächsten Tagen passierte nichts. Lafitte und seine Leute
schienen vom Erdboden verschwunden zu sein.

Hoss und Joe hatten dem Vater von dem Auftritt Jerrys im

Saloon berichtet und auch die nächtliche Szene mit den
heimlichen Schützen geschildert. Ben Cartwright hatte
daraufhin besondere Anordnungen getroffen. An den

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wichtigen Punkten der Ponderosa waren bewaffnete Wächter
eingesetzt worden, denn es war durchaus möglich, daß Lafitte
einen Überfall plante. Sein Verschwinden war rätselhaft.

Als an diesem Morgen Ben Cartwright und seine Söhne von

einem Kontrollritt zur Ponderosa zurückkehrten, hörten sie
schon draußen das Banjo summen und Jerrys Gesang.
Dazwischen war aber noch eine hohe Stimme zu vernehmen,
und die sang jetzt allein zur Begleitung des Banjos:

„Wel zwickt die Mädchen ilgendwo und lacht dazu noch

schadenfloh? Wel fühlt sich übelall als echtel Flauenheld? Das
ist del Sheliff Bum!“

Ben Cartwright öffnete die Tür und sah Jerry mit dem Banjo

auf dem Sofa sitzen. Vor ihm stand Hop Sing und wiegte den
Oberkörper im Takt hin und her. Eine Flasche Gin und zwei
Gläser standen auf dem Tisch.

Als die Cartwrights eintraten, brach Jerry sein Spiel ab, aber

Hop Sing sang solo weiter.

„Das ist del Sheliff Bum!“
„Na, bekommt er jetzt Gesangunterricht?“ fragte Ben

Cartwright.

„Ich habe ihm ein Scherzliedchen beigebracht“, erwiderte

Jerry. „Er ist ganz begabt, muß ich sagen.“

„Ja, lustiges Schelzliedchen“, nickte Hop Sing. „Und schöne

Melodie. Abel ich jetzt sofolt gehen in die Küche.“ Und
fröhlich trällernd machte er sich davon.

Ben Cartwright nahm ein Glas auf. „Ist das nicht ein wenig

früh? – Hop Sing wird uns das Essen anbrennen lassen. Er ist
keinen Alkohol gewohnt.“

Hoss und Little Joe nahmen auf dem Sofa Platz, nachdem sie

ihre Revolvergürtel abgelegt hatten.

„Wir wollten mal mit dir sprechen, Jerry“, begann Little Joe,

und Ben Cartwright nickte dazu. „Wir möchten gerne wissen,
wer du in Wirklichkeit bist. Du wolltest dich doch bei der

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Zeitung bewerben, aber Mr. Worman vom ,Virginia Star’ sagte
uns, du wärst nie bei ihm gewesen.“

„Ich bin davon abgekommen, weil ich mich nicht an eine

geregelte Arbeit gewöhnen kann.“ Jerry hob die Schultern.
„Und wer sollte ich sonst sein? – Ich bin Jeremias Cox, von
dem sein Vater behauptet, er sei ein Luftikus. Dazu besitze ich
die sonderbare Begabung, alles, was ich probiere, sofort zu
können. Banjospielen habe ich zum Beispiel nie gelernt und
kann es trotzdem.“

„Und mit dem Revolver umgehen?“ fragte Joe. „Willst du

behaupten, du hast das auch nie geübt?“

„Ich muß zugeben, ich habe schon mal auf einem Rummel an

der Schießbude damit geschossen“, erklärte Jerry. „Das
klappte auch sofort. Jerry Cox ist eben ein Glückspilz und ein
Wunderknabe.“

„Na, schön!“ Ben Cartwright seufzte. „Lassen wir das! Sie

wollen nicht, Jerry, und Sie werden Ihre Gründe dafür haben.
Aber bitte, halten Sie uns nicht für dumm.“

„Mr. Cartwright, ich weiß genau, was ich von Ihnen zu halten

habe“, sagte Jerry. „Die Cartwrights sind überall als
Ehrenmänner bekannt. Ich möchte Sie bitten, mich als
Ihresgleichen zu betrachten, ganz gleich, was einmal
geschehen wird.“

„Ich weiß zwar nicht, was Sie damit sagen wollen“, überlegte

Ben Cartwright. „Aber ich verspreche es Ihnen. Bisher haben
Sie mir keinen Anlaß gegeben, daran zu zweifeln.“

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Ein feiger Überfall



Hoss hatte an diesem Morgen vom Vater den Auftrag
bekommen, sich in der Stadt umzusehen, denn noch immer
war von Lafitte und seinen Leuten keine Spur zu entdecken.
Ein Überfall auf die Ponderosa, mit dem Ben Cartwright
gerechnet hatte, war bisher nicht erfolgt. Die Kerle hätten sich
aber auch blutige Köpfe geholt. Die Cowboys der Ponderosa
waren von Cartwright mit Gewehren ausgerüstet worden.

Ben Cartwright konnte nicht verwinden, daß ihm der Mörder

Indianer-Bills und Sam Bakers entkommen war. Er gab aber
auch noch nicht auf. Insgeheim hoffte er, Lafitte und seiner
Bande doch noch auf die Spur zu kommen. Er hielt es für
möglich, daß sich die Kerle in den Bergen versteckten und
über alles, was in Virginia City geschah, genau im Bilde
waren.

Aus diesem Grunde ritten Jerry und Little Joe Patrouille in

den Bergen. Auch sie hatten aber bisher nichts
Bemerkenswertes entdecken können.

Hoss band Paiute vor dem Saloon-Hotel an, um zuerst einmal

durch die Stadt zu schlendern.

Vor dem Modeladen stand ein eleganter Einspänner mit

gelbem Lederzeug. Hoss überlegte gerade, wem der Wagen
gehören könnte, als in der Tür des Modeladens Cora Orton
auftauchte. Sie war mit Paketen beladen, und Hoss fand sich
sofort bereit, ihr behilflich zu sein.

„Lieb von dir, Hoss“, sagte Cora. „Weißt du, dein Bruder ist

ein richtiger Stoffel. Als er letzthin bei uns war, wollte er mir
nicht mal einen Geburtstagskuß geben. Er hatte nur die Herde
im Kopf.“

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Hoss lächelte verlegen. „Geburtstag hattest du? – Hätte ich

das gewußt, wäre ich mit einem Blumenstrauß zum Gratulieren
gekommen.“

„Du kannst es noch nachholen“, lächelte Cora. „Wenn du

willst, komme doch morgen zum Tee zu uns. Mein Vater
würde sich bestimmt auch freuen, übermorgen fahre ich nach
San Francisco, um meinen Onkel zu besuchen.“ Sie deutete auf
die Pakete. „Dafür habe ich mir die neuen Kleider gekauft. –
Ich fahre mit der ersten Postkutsche.“

Hoss drehte verlegen seinen Hut in der Hand, zumal ei

bemerkte, daß Steve Collins auf der anderen Straßenseite stand
und sie beobachtete.

„Na, willst du?“ fragte Cora. Sie fingerte an ihren Löckchen

herum und warf ihm einen schelmischen Blick zu.

Hoss merkte, wie ihm die Röte hochstieg. „Ich überlege

gerade“, erwiderte er. „Ja, ja, ich glaube schon, daß es möglich
ist.“

„Und – könntest du Little Joe mitbringen?“
„Aber wozu?“ fragte Hoss und bekam ein Gesicht, als hätte

er auf ein Senfkorn gebissen. „Du sagst selbst, er sei ein
Stoffel. Er hätte dir noch nicht mal einen Geburtstagskuß
gegeben.“

„Ja, das stimmt! – Obwohl ich ihn dazu aufforderte.“
„Mir hättest du das nur einmal zu sagen brauchen.“ Hoss

lächelte breit und schlug den Blick gen Himmel. „Mädchen
wie du sind genau meine Kragenweite.“

„Ein komischer Ausdruck“, sagte Cora.
„Aber er ist von Little Joe“, versicherte Hoss. „Das sagt er

immer, wenn ihm ein Mädchen gut gefällt.“

„Ich weiß nicht…“ Cora zog ein Schmollmündchen. „Gibt es

viele Mädchen, die ihm gut gefallen?“

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„Viele?“ Hoss lachte, und das hörte sich an, als hätte ein

Pferd den Husten. „Wäre er ein Maharadscha, so würde er für
seinen Harem das Kapitol in Washington gebrauchen.“

„Pfui!“ Cora nahm auf dem Kutschbock Platz. „Dann

verzichte ich auf seinen Besuch.“ Sie trieb das Pferd an und
fuhr davon.

„Ja, aber ich könnte doch kommen…“
„Käse“, sagte Steve Collins. Er war neben Hoss getreten und

sah dem Wagen nach. „Und sie macht nicht mal Winke
winke.“

Hoss stülpte ärgerlich seinen Hut auf den Kopf. „Was die

Mädchen nur alle von Little Joe wollen? Unsereiner ist
dagegen gar nichts. Dabei geht Joe dreimal in mich hinein.“

„Mach dir nichts daraus“, tröstete Steve Collins. „Komm, wir

werden uns einen genehmigen. Ich zahle, denn ich habe einen
guten Job bekommen.“

„Und?“ fragte Hoss.
„Ich begleite den Geldtransport der State-Bank bis zum

ersten Pferdewechsel“, erklärte Steve Collins. „Das Geld, das
auf unserer Bank innerhalb von drei Monaten eingezahlt
wurde, soll übermorgen nach San Francisco gebracht werden.“

„Eine Sonderfahrt?“ fragte Hoss.
„Nein, mit der ganz normalen Postkutsche“, flüsterte Steve

Collins. „Aber niemand darf davon erfahren. Bei einer
Sonderfahrt ist das Risiko zu groß. Niemand wird darauf
kommen, daß sie das Geld mit der normalen Linien-
Postkutsche befördern.“ Er sah Hoss stolz an. „Ich bekomme
für die Fahrt sogar den Hilfssheriff-Stern, darf also mit der
Waffe eingreifen.“

Hoss überlegte. Mit der gleichen Postkutsche fuhr Cora auch

nach San Francisco. Hier bestand die Möglichkeit, sich
gegenüber Joe in ein besseres Licht zu setzen.

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„Paß auf“, wandte sich Hoss an Steve Collins. „Wie wäre es,

wenn du an diesem Tag krank würdest und ich an deiner Stelle
die Postkutsche begleitete?“ Er erklärte, warum er diesen
Vorschlag mache.

„Nur, um dem Mädchen zu imponieren?“ fragte Steve

Collins. „Na, meinetwegen. Mir geht es eigentlich nur um das
Geld, das mir dafür gezahlt wird.“

„Davon will ich keinen Cent.“ Hoss schüttelte den Kopf.

„Mir geht es nur um die Fahrt und damit sie mich sieht.“

„Ach, du liebe Güte!“
Im Saloon hatte der Betrieb zugenommen.
Hoss hielt sofort nach Leuten Ausschau, die zur Bande

Lafittes gehören konnten. Die Einheimischen waren ihm alle
bekannt. Er sah jedoch niemanden, der ihm neu erschien.

„Da, schau, Morgan ist wieder da“, sagte Steve Collins.
Hoss warf einen Blick zur Theke. Dort stand ein alter

grauhaariger Mann, der von einer Gruppe Neugieriger umringt
war.

Der Wirt hinter der Theke hielt eine kleine Waage in der

Hand und war dabei, winzige Goldkörnchen, die ihm der Alte
reichte, zu wiegen. Er legte den Gegenwert stets in Dollars auf
den Tisch.

Hoss trat hinter den Alten und legte ihm die Hand auf die

Schulter. „Vater Morgan!“

Ein schwarzer struppiger Hund, der bisher still unter dem

Tisch gelegen hatte, sprang an Hoss hoch.

„Ja, ist gut, Walter!“ Hoss fuhr dem Hund durch das Fell. „Ja,

ist schon gut!“

„Gut, daß ich dich treffe, Hoss.“ Morgan hielt ein Nugget in

der Größe des kleinen Fingernagels hoch. „Ich will nur das
noch abwiegen lassen.“

Unter den staunenden Ausrufen der Umstehenden bekam der

Alte den Gegenwert ausgezahlt und schlurfte zum Tisch, an

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dem Hoss und Steve Collins inzwischen Platz genommen
hatten. Der schwarze Hund folgte ihm.

Morgan stellte eine Flasche Whisky auf den Tisch. „Hier,

trinkt, Kinder!“ Er beugte sich vor. „Was ist mit Indianer-Bill?
– Die Leute erzählen, man hat ihn umgebracht?“

Hoss berichtete, was er wußte. „Kannte er deine

Schürfstelle?“

Morgan nickte. „Wenn ich sprengen mußte, half er mir

dabei.“

„Er hat sie nicht verraten, obwohl man etwas nachhelfen

wollte“, fuhr Hoss fort. „Man hat ihn bei deiner Hütte
gefunden.“

In diesem Augenblick betraten zwei Männer den Schankraum

und stellten sich an die Theke. Sie sahen sich im Lokal um,
tranken ihr Glas aus und verschwanden wieder.

Hoss überlegte. Wo hatte er diese Kerle schon einmal

gesehen? Ja, jetzt erinnerte er sich. Sie gehörten zu den
Burschen, mit denen der Kerl am Tisch saß, dem Jerry die
Zigarette aus dem Mund geschlagen hatte, also zur Bande
Lafittes. Die Kerle waren wieder da. Der Vater hatte recht
behalten mit der Annahme, eines Tages würden die Kerle
wieder auftauchen.

Was sollte er tun? Sollte er sofort zur Ponderosa reiten und

seine Beobachtung mitteilen?

Der alte Morgan hatte dem Whisky inzwischen eifrig

zugesprochen. Auf keinen Fall konnte Hoss den Alten in
diesem Zustand nach Hause reiten lassen.

„Hast du die beiden Burschen gesehen?“ fragte Steve Collins.
Hoss nickte. „Kennst du sie?“
„Nein, aber sie lungern schon den ganzen Morgen in der

Stadt herum“, erwiderte Steve. „Ich glaube, sie gehören zu den
Leuten von diesem Viehaufkäufer.“

„Du meinst Lafitte.“

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„Ja, richtig, so heißt er. Er verkaufte Orton eine Herde

Rinder. Ich hatte schon mit Joe darüber gesprochen.“

Jetzt war Hoss ganz sicher. Lafitte mußte in der Nähe sein.
„Willst du mir einen Gefallen tun, Steve?“
Collins sah auf. „Und der wäre?“
„Reite zur Ponderosa und sage meinem Vater Bescheid“, bat

Hoss. „Sage ihm, zwei von Lafittes Leuten wären in der Stadt
aufgetaucht. Er solle sich vorsehen.“

Steve Collins sah ihn verständnislos an. „Ist denn etwas mit

ihm?“

„Er ist ganz einfach ein Gauner“, erklärte Hoss. „Der Tod

von Indianer-Bill und Sam Baker kommt auf das Konto seiner
Leute. Das steht für uns fest. Aber das kann ich dir so schnell
nicht erklären.“

„Brauchst du auch nicht.“ Steve Collins trank sein Glas aus.

„Ich gehe schon!“

„Und ich begleite Vater Morgan nach Hause“, rief ihm Hoss

nach.

Draußen schwang sich Steve Collins auf sein Pferd. In

leichtem Trab preschte er durch die Stadt und hatte bald den
Hauptweg erreicht, der nach Süden führte. Hier zweigte ein
Pfad ab, auf dem man geradewegs zur Ponderosa gelangte. Er
führte zwischen einer langgezogenen Felsengruppe hindurch,
und hier bemerkte Steve Collins plötzlich, daß sich zwei Reiter
aus dem Schatten der Felsen lösten. Sie ritten direkt auf ihn zu.

Steve Collins war arglos. Erst als sie näher kamen, erkannte

er in den Männern die beiden Burschen, die er im Saloon
bemerkt hatte.

Schnell schlug er seinem Pferd die Hacken in die Weichen,

ritt einen Bogen, um dann in gestrecktem Galopp die
Ponderosa zu erreichen. Steve war ein guter Reiter, und er
hatte ein schnelles Pferd.

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Die Burschen blieben ihm aber hart auf den Fersen. Wie wild

schlugen sie auf ihre Pferde ein, und einer von ihnen, der über
einen ausgezeichneten Renner verfügte, holte langsam auf.

Steve bemerkte es. Er versuchte, alles aus seinem Pferd

herauszuholen, aber der Verfolger war schneller. Er näherte
sich unaufhaltsam.

Als sich Steve Collins umsah, erkannte er, daß der Kerl sein

Lasso schwang, und dann riß ihn das Seil auch schon aus dem
Sattel.

Hart schlug er auf und verlor das Bewußtsein.
Er erwachte, an Händen und Füßen gefesselt, zwischen den

Felsen.

Einer der Kerle stand vor ihm und stieß ihn mit der

Stiefelspitze in die Seite. Wo er sich befand, wußte Collins
nicht. Er wußte auch nicht, wie lange er besinnungslos
gewesen war.

„Laß ihn erst mal zu sich kommen“, sagte der andere der

Burschen. Er saß auf einem Felsen und beobachtete die
Umgebung. „Ich dachte schon, er hätte sich das Genick
gebrochen.“

Steve Collins hielt die Augen geschlossen und überlegte.
„Ich dachte mir gleich, daß ihn dieser Dicke zur Ponderosa

schicken würde.“ Der Kerl wandte sich von Collins ab und trat
zu seinem Kumpan. „Ich merkte sofort, er hatte uns
wiedererkannt.“

„Verdammtes Pech, daß sich der Dicke gerade mit dem Alten

abgeben muß“, knurrte der andere Gauner. „Am besten sagst
du Lafitte Bescheid. Er meint, der Alte käme allein. Dieser
dicke Cartwright sieht mir so aus, als würde er sich nicht so
leicht ins Bockshorn jagen lassen.“

Steve Collins war ein heller Kopf. Aus den wenigen Worten

erkannte er sofort, daß die Gauner einen Anschlag auf den
alten Goldgräber vorhatten. Hoss und er waren ihnen

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dazwischengekommen. Offenbar war Morgan heute morgen
aus den Bergen zurückgekehrt und von ihnen beobachtet
worden. Wenn Hoss mit dem Alten zur Hütte kam, lief er den
Kerlen direkt in die Arme. Was war aber zu tun? Auf der
Ponderosa würden sie nicht einmal wissen, wo Hoss war.

Die Kerle hielten eine leise Beratung ab, dann nahmen sie

ihre Gewehre und kletterten über die Steinblöcke aus Collins’
Sichtkreis.

Sekunden darauf verhallte der Hufschlag ihrer Pferde.
Für Steve Collins war in diesem Moment alles klar. Die Kerle

hatten vor, ihn hier umkommen zu lassen. Hatten sie ihn zu der
Felsengruppe gebracht, vor der sie ihn erwarteten, dann würde
ihn so leicht niemand finden. Durch sie führte kein Weg. Auch
sein Rufen würde niemand hören, denn der Hauptweg lag
weitab.

Trotzdem gab Collins nicht auf. Er dachte an sein Pferd, das

nach seinem Sturz weitergelaufen war. Es würde die
eingeschlagene Richtung beibehalten und somit die Ponderosa
reiterlos erreichen. Vermutlich war das den Kerlen auch
eingefallen, und sie hatten sich aus diesem Grunde aus dem
Staube gemacht.

Collins rollte sich bis zu einem Steinblock, um sich daran

hochzuziehen. Mit einiger Mühe gelang es ihm auch. Vor sich
hatte er ein Geröllfeld, das ziemlich steil nach unten abfiel. Die
Kerle hatten ihn hundert Meter hoch zwischen die Felsen
geschleift, in der Hoffnung, daß ihn hier so leicht niemand
finden würde, genau, wie er erwartet hatte.

Unten flimmerte die Hitze über der Landschaft. Der Pfad, der

zur Ponderosa führte, lag etwa dreihundert Meter von der
Felsengruppe entfernt. Sollte er sich über den Hang nach unten
rutschen lassen? Wenn jemand den Pfad benutzte, würde man
ihn vielleicht entdecken. Vermutlich geriet aber dann das
ganze Geröllfeld in Bewegung, und er würde unten von den

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nachfolgenden Steinen erschlagen werden. Von diesem
Gedanken kam Collins ab. Nein, das war zu gefährlich. Er sah
plötzlich eine andere Lösung. Vor ihm lagen mehrere große
Steine. Wenn es ihm gelang, sie in Bewegung zu versetzen,
polterten sie über den Hang nach unten. Auf diese Weise
konnte er vielleicht auf sich aufmerksam machen. Das hatte
aber nur Zweck, wenn jemand in der Nähe war. Jedenfalls
konnte das seine Rettung werden. Collins kam zu dem
Entschluß, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen.

Er zwängte sich mit aller Mühe zwischen den Steinblöcken

hindurch und blieb völlig erschöpft am Rand des Hanges
liegen.

„Hallo, Mistel Caltwlight! – Hallo, Mistel Caltwlight!“
Der Rancher, der am Schreibtisch mit seinen Büchern

beschäftigt war, wandte sich Hop Sing zu.

Der Chinese stand in der Tür und fuchtelte erregt mit den

Händen durch die Luft. „Wil Besuch bekommen, abel Mann
velschwunden. – Ja, ganz bestimmt! – Mann nilgendwo zu
finden. Nicht im Stall, nicht in Scheune. Hop Sing übelall
suchen.“

„Was redest du da?“ Ben Cartwright erhob sich.
„Ja, kommen helaus. Pfeld stehen im Hof und Leitel nicht

da.“

Im Hof fand Cartwright eine schwarze Stute. Das Pferd war

schweißnaß und ziemlich abgetrieben.

„Nun, was ich gesagt?“ Hop Sing lief um das Pferd herum.

„Wo ist Leitel? – Vielleicht untelwegs vellolen?“

„Das sieht tatsächlich so aus.“ Cartwright ging um das Tier

herum. Das Sattelzeug war in Ordnung. Schaum flockte dem
Rappen von der Trense. Er stampfte erregt mit den
Vorderhufen und wich zurück, als der Rancher ihn berühren
wollte.

„Hole eine Decke!“

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Der Chinese lief in den Stall und kam bald darauf mit dem

Gewünschten zurück.

Cartwright warf dem Pferd die Decke über und wollte es in

den Stall führen.

Da ritt einer von den Leuten in den Hof, die als Beobachter

eingesetzt waren.

„Wir haben das Pferd kommen sehen, Mr. Cartwright“,

berichtete er. „Es war reiterlos. Ich wollte Ihnen das nur
sagen.“

„Kümmere dich um das Tier, Ben“, sagte Cartwright. „Reibe

es ab und gib ihm zu saufen.“

Der Mann stieg ab, um den Auftrag auszuführen.
„Dolt kommen Mistel Joe und Banjomann“, rief Hop Sing.

„El vielleicht wiedel Schelzlied singen von Sheliff Bum.“

Cartwright wandte den Kopf und sah Little Joe und Jerry Cox

in den Hof reiten. Sie kamen von einem Patrouillenritt zurück.

„Du verschwindest jetzt am besten in deine Küche“, wandte

sich der Rancher an den Chinesen.

Während Hop Sing murrend ins Haus ging, sprangen die

Ankommenden von den Pferden.

„Schau dir mal den Gaul an“, forderte Ben Cartwright Joe

auf. „Er kam reiterlos an.“

Little Joe zog die Decke von dem Rappen. „Das Pferd gehört

Steve Collins, Pa.“

„Bist du sicher?“
„Ganz sicher, Pa! – Er hat ihn von Sherman gekauft.“ Little

Joe deutete auf das Brandzeichen. „Hier das ,S’ bedeutet
Sherman Ranch. Steve führte ihn mir damals gleich nach dem
Kauf vor und fragte mich, was ich von ihm hielte.“ Er sah
seinen Vater nachdenklich an. „Aber Steve Collins läßt sich
doch nicht abwerfen. Das ist völlig ausgeschlossen.“

„Könnte er ihm ausgerissen sein?“
Joe zog ein Gesicht. „Ich weiß nicht…“

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„Er kam über den Pfad aus der Richtung Horse Rocks“,

berichtete Ben. „Der Wachmann an der Nordkoppel entdeckte
ihn zuerst.“

„Ich denke, wir schauen mal nach“, sagte Jerry, der bisher

geschwiegen hatte. „Wenn dieser Steve ein guter Reiter und
das Pferd kein Ausreißer ist, kann ihm doch nur etwas passiert
sein.“

„Tja!“ Ben Cartwright überlegte. „Am besten, ihr schaut euch

mal um, und dann könnt ihr gleich Hoss mitbringen. Er ist in
der Stadt.“

„Gut, Pa!“
Jerry saß bereits im Sattel, was Ben Cartwright zu der

Bemerkung veranlaßte: „Das Aufsteigen müssen Sie aber
fleißig geübt haben, Jerry. Anfängern fällt das meistens
schwer.“

Jerry grinste nur.
Kurze Zeit später preschten Little Joe und Jerry den Horse

Rocks zu. Jerry ließ die Blicke nicht vom Boden. Offenbar
suchte er nach Spuren, und mit dieser Annahme sollte Joe
recht behalten.

Jerry wurde Little Joe immer rätselhafter. Auf den

Patrouilleritten sah Jerry Dinge, die Joe gar nicht wahrnahm.
Er mußte demnach sogar im Spurenlesen geübt sein. Warum
kleidete sich Jerry wie ein Stutzer? Warum untertrieb er alles?
Er war ein ausgezeichneter Revolverschütze und konnte wie
ein Gaucho mit der Bullpeitsche umgehen. Warum trug er
keine Waffen? Warum machte er ihnen etwas vor? Das waren
alles Fragen, die Little Joe immer wieder durch den Kopf
gingen. Wer war dieser Jerry Cox?

„Stop!“
Jerry bedeutete Joe mit einer Handbewegung, er möge

anhalten. Er selbst ritt weiter, kehrte aber bald darauf um.
Während er an Little Joe vorbeiritt, rief er: „Es waren drei

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Reiter. Einer ritt voraus, zwei folgten ihm. Offenbar wurde der
erste von den anderen gejagt.“

Joe staunte nur. „Aber wie ihre Großväter hießen, kannst du

mir wohl nicht sagen, wie?“

„Völlig klar“, lachte Jerry. „Der Boden ist von den Hufen

frisch aufgewühlt. Wenn du die Augen aufmachst, kannst du es
selbst feststellen.“ Er zeigte Joe die Stellen, und dieser mußte
zugeben, daß er es jetzt auch sah.

„Hier hat der zweite Reiter den Flüchtenden erreicht“, führte

Jerry weiter aus. „Hier hat sich das Pferd des zweiten Reiters
mit der Hinterhand in den Boden gestemmt. Und wann
geschieht das? – Wenn ein Pferd zurückgerissen wird. Und
hier ist der erste Reiter gestürzt, während sein Pferd weiter zur
Ponderosa galoppierte. Somit war der erste Reiter Steve
Collins.“

Little Joe staunte nur. „Dann ist Steve Collins verfolgt

worden, als er zu unserer Ranch wollte?“

„Dieser Weg führt doch nur zur Ponderosa – oder?“
Little Joe nickte. „Aber was wollte er bei uns?“
„Du hättest besser fragen sollen: Wo ist Steve Collins?“ Jerry

ließ seinen Blick über das Gelände gehen. „Ich möchte mir die
Felsengruppe dort drüben einmal anschauen“, meinte er. „Die
Spuren der Verfolger weisen in diese Richtung.“

Sie ritten auf die Felsengruppe zu, und da passierte es auch

schon.

Aus dem Geröllfeld des Hanges lösten sich einige Steine und

polterten, springend wie Gummibälle, über den Hang, rissen
weitere Steinbrocken mit sich, und bald kam der ganze Hang
ins Rutschen.

Jerry hielt sein Pferd an. „Die Lawine kann sich nicht von

selbst gelöst haben. Ich glaube, die Kerle sind noch dort oben.“
Er schlug seinem Pferd die Hacken in die Weichen und
preschte auf die Felsengruppe zu.

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Joe folgte ihm.
Vor ihnen prasselte die Steinlawine herab und hüllte die

Gegend in eine weiße Staubwolke.

Mit einer Handbewegung zügelte Jerry sein Pferd, das auf die

Hinterhand stieg. Joe riß seinen Fuchs zurück und ritt neben
ihn.

„Was ist los?“
Jerry legte die Hand hinter das Ohr, und jetzt vernahm auch

Joe den schwachen Hilferuf. Er kam oben vom Hang.

Zehn Minuten später fanden sie Steve Collins. Er hatte sich

noch nicht von den Fesseln befreien können. Er berichtete, als
er Reiter auf dem Pfad bemerkt habe, habe er die Steinlawine
ausgelöst. Daß man ihn so schnell fand, damit habe er aber
nicht gerechnet.

„Das hast du zuerst einmal deinem Rappen zu verdanken“,

sagte Little Joe. „Als er reiterlos auf der Ponderosa eintraf,
dachten wir gleich, es sei etwas passiert, und machten uns
sofort auf den Weg.“ Er deutete auf Jerry. „Ohne seine Hilfe
hätte ich dich aber nicht gefunden.“

„Dann danke ich Ihnen, Mister!“ Steve Collins bot Jerry die

Hand. „Dann sind Sie sicher der Kunstschütze aus dem
Saloon-Hotel. Ganz Virginia City spricht darüber.“ Er sagte
das lächelnd, wurde aber sofort ernst. „Wir müssen sofort zur
Hütte des alten Morgan. Kommt, ich erkläre euch das
unterwegs.“

Unterdessen war Hoss mit dem alten Morgan aufgebrochen.

Trotz seines Schwipses saß der Alte gut im Sattel. Er
übernahm sogar die Führung und schlug ein solches Tempo an,
daß der struppige Hund bald mit hängender Zunge an ihrer
Seite lief.

Morgan besaß zwei Hütten. Eine oben in den Bergen, in der

er sich aufhielt, wenn er in seinem Claim arbeitete, die andere
bewohnte er während der Winterzeit. Sie lag zwei Meilen von

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Virginia City entfernt in einem bewaldeten Talkessel. Hier
wohnte er auch, wenn er für kurze Zeit aus den Bergen in die
Stadt kam.

Der alte Morgan lud Hoss noch zu einem Drink ein, den

dieser nicht abschlagen wollte. Kaum hatten sie sich an dem
dicken Holztisch niedergelassen, als vor der Hütte Hufschlag
hörbar wurde. Die Tür wurde aufgestoßen, und auf der
Schwelle stand Lafitte.

Morgan wollte instinktiv zur Waffe greifen, aber Lafitte hielt

bereits seinen Colt in der Hand. Hinter ihm drängten sich drei
seiner Galgenvögel in den Raum.

„Legt die Waffen auf den Tisch!“ forderte Lafitte.
Hoss hatte das ganze Spiel mit offenem Mund verfolgt.

Mechanisch legte er seinen Colt auf den Tisch, denn
Gegenwehr war in diesem Falle völlig zwecklos. Man hatte sie
überrumpelt.

„So, und ‘raus mit dem Gold“, forderte Lafitte, während er

die Revolver mit einer Handbewegung vom Tisch fegte.
„Komm, Alter, sonst mache ich dir Beine. Wir wissen, daß du
deine Schätze hier versteckt hast.“

„Da können Sie aber lange suchen“, lachte der alte Morgan.

„Ich habe nicht eine Unze in dieser Hütte. – Was die Leute in
der Stadt reden, ist Blödsinn.“

Lafitte musterte ihn feindselig. „Auf diese Ausrede falle ich

nicht herein.“ Er wandte sich an seine Leute. „Macht ein
Feuerchen! Wir werden ihm die Fußsohlen ein wenig
anwärmen. Der Indianer hat nicht gesungen, aber den Alten
werden wir bestimmt dazu bringen.“

„Hören Sie, lassen Sie den alten Mann in Ruhe“, sagte Hoss.

„Ich weiß, daß er sein Gold nicht hier aufbewahrt. Er hat es in
der Berghütte unter dem Fußboden versteckt. Wenn Sie
wollen, führe ich Sie hin.“

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„Nein“, zeterte der alte Morgan. „Das wirst du nicht tun. –

Sie bekommen nichts, gar nichts, und wenn sie mich töten.“

Lafitte überlegte. Er gab dem Mann, der sich an der

Feuerstelle beschäftigte, einen Wink. „Laß das!“ Dann wandte
er sich Morgan zu. „Du wirst uns auch noch deine Schürfstelle
zeigen.“ Und grinsend fügte er hinzu: „Die Fußsohlen sind
eine empfindliche Stelle. Ich kann euch nur raten: Versucht
nicht, uns hinters Licht zu führen.“

Hoss, der alles nur so dahingesagt hatte, um die Kerle davon

abzuhalten, den alten Mann zu quälen, war nicht mehr sicher.
Das Zetern des Alten bewies, daß er seine Goldvorräte
tatsächlich in der Berghütte versteckt haben mußte. Also hatte
er Lafitte unbewußt auf die richtige Spur geführt.

„Bindet ihnen die Hände auf den Rücken“, befahl Lafitte

seinen Leuten.

Während ihm die Hände gebunden wurden, überlegte Hoss.

Steve Collins war um diese Zeit längst auf der Ponderosa und
hatte dem Vater die Bestellung ausgerichtet. Vielleicht war der
Vater mit Joe und Jerry sofort in die Stadt geritten, und dann
würden sie vermutlich auch bei der Hütte des alten Morgan
vorbeireiten, um ihn mitzunehmen.

Ob sie vermuteten, was geschehen war? Die Hütte war leer,

und das mußte ihnen zu denken geben.

Als sie den alten Morgan fesseln wollten, sprang der

struppige Hund einen der Männer an. Dieser riß sofort seinen
Colt aus dem Halfter und richtete ihn auf den Hund.

„Nicht schießen“, flehte der Alte. „Bitte, nicht schießen! Ich

schicke ihn fort. Glaubt mir, er gehorcht mir aufs Wort.“

„Aber nur, wenn du uns deine Schürfstelle und deinen

Goldschatz zeigst“, lächelte Lafitte.

„Ja, ich mache alles, was ihr wollt, aber laßt mir den Hund“,

bat der alte Morgan. „Ich habe doch nur ihn.“

„Dann schicke ihn fort.“

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Hoss ahnte, was der Alte vorhatte. Wenn Morgan krank war

oder sonst eine Hilfe brauchte, schickte er Walter zur
Ponderosa. Stets machte sich dann einer von ihnen auf den
Weg zur Hütte des Alten, um nachzuschauen.

„Ja, komm, mein guter Hund!“ Morgan kraulte dem Tier den

Kopf. „Nun lauf schön! Lauf zu Hop Sing, schnell!“

Den Namen Hop Sing nannte er, weil dieser den Hund, wenn

er auftauchte, stets fütterte, und den Namen kannte Walter
ganz genau. Er war auch sofort zur Tür hinaus.

Lafittes Bande bestand aus sechs Galgenvögeln, die Hoss und

den alten Morgan in die Mitte nahmen. Lafitte setzte sich an
die Spitze des Zuges. Dann ritten sie dem Gebirge zu. Wie gut
sie die Gegend kannten, das sah Hoss an den Wegen, die sie
einschlugen. Es waren Pfade, auf denen ihnen niemand
entgegenkommen konnte. Lafitte mußte sich also schon eine
Zeitlang in der Umgebung von Virginia City aufgehalten
haben.

Hoss rechnete wieder. Der Hund konnte die Ponderosa in

knapp einer Viertelstunde erreicht haben. Wenn der Vater
nicht in die Stadt geritten war, würde er auf jeden Fall sofort
zur Morgan-Hütte kommen. Also konnte er in knapp einer
halben Stunde dort eintreffen. Er hatte aber diesen Gedanken
noch nicht zu Ende gedacht, da tauchte hinter ihnen ein Reiter
auf. Er sprengte an ihnen vorbei und setzte sich neben Lafitte
an die Spitze des Zuges. Hoss sah, daß er auf ihn einredete. Er
gehörte also zu der Bande und war vermutlich als Beobachter
eingesetzt worden.

Sekunden darauf hatte der Bandenchef seine Leute im

Gelände verteilt. Er selbst führte den alten Morgan und Hoss
hinter eine Felswand und trug ihnen auf, sich ruhig zu
verhalten. Dann kehrte er zu seinen Leuten zurück.

Offenbar hatten die Kerle vor, jemanden in einen Hinterhalt

zu locken. Daß es aber der Hinterhalt für Joe, Jerry und Steve

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Collins sein könnte, auf diesen Gedanken kam Hoss überhaupt
nicht. Wenn Steve Collins auf der Ponderosa erschienen war
und die beiden Cartwrights und Jerry sofort aufgebrochen
waren, konnten sie zu diesem Zeitpunkt nicht schon hinter
ihnen sein. Sie hatten um diese Zeit höchstens Virginia City
erreicht. Was wirklich vorgefallen war, davon wußte Hoss
natürlich nichts.

Hoss sah sich um. Sie waren jetzt unbeobachtet. Ein

Fluchtversuch war trotzdem unmöglich. Es bestand nur die
Möglichkeit, sich irgendwo zu verstecken und so lange zu
warten, bis die Kerle abgezogen waren.

Auch der alte Morgan orientierte sich. Seine Angst in der

Hütte war gespielt. Das erkannte Hoss jetzt, und die Achtung
vor dem Alten stieg in ihm. Morgan ließ den Blick seiner
grauen Augen über die Felswände gehen. Dann griff er in den
Stiefelschaft und holte einen „Derringer“ heraus, eine kleine
einschüssige Pistole.

Hoss sah es mit Überraschung.
„So, und jetzt komm“, forderte der Alte. „Drüben in den

Felsen befindet sich ein Höhlenlabyrinth. Wenn wir den
Eingang finden, werden sie uns vergeblich suchen.“ Er knotete
Hoss die Fesseln auf. „Ich weiß jetzt genau, wo wir sind.“

In diesem Augenblick fielen im Gelände die ersten Schüsse,

und diese Gelegenheit nahmen Hoss und Morgan wahr, um
sich davonzumachen. Mit schnellen Sprüngen erreichten sie
einen kleinen Hang, ließen sich hinabrollen und blieben
schweratmend im Schutz einiger Felsbrocken liegen. Hoss
wunderte sich über die Behendigkeit des Alten, der wenige
Minuten später den Eingang der Höhle fand.

Tiefe Dunkelheit nahm die Männer auf.

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Die Patrouille sucht Black Tiger



Sofort, nachdem die ersten Schüsse gefallen waren, ließ sich
Jerry Cox aus dem Sattel gleiten. Auch Steve Collins und Joe
Cartwright sprangen von den Pferden, um hinter den Felsen
Deckung zu suchen.

Als sie die Hütte des alten Morgan leer fanden, war es Jerry,

der sofort die Spuren der Reitergruppe entdeckte. Er machte
seine Begleiter darauf aufmerksam.

Joe ahnte, was vorgefallen war. Lafitte und seine Leute waren

mit Hoss und dem alten Morgan auf dem Weg ins Gebirge. So
entschlossen sich Joe und seine Begleiter, ihnen sofort zu
folgen. Wenn sie sich beeilten, konnten sie die Gruppe noch
vor den Eagle Rocks abfangen. Joe nahm einen Weg, von dem
er glaubte, er sei Lafitte und seinen Leuten unbekannt. Doch
hier sollte er sich getäuscht haben. Auch die Galgenvögel
hatten diesen Weg eingeschlagen, und der Mann, der der
Gruppe als Beobachter folgte, entdeckte sehr bald die
Verfolger. So waren sie arglos in den Hinterhalt geraten.

Joe sah, wie Jerry seinen Fuchs hinter einen Felsen zerrte und

in die zusammengerollte Decke hinter seinem Sattel griff.

Mit zwei großkalibrigen Colts in den Händen ließ er sich

neben Joe zwischen die Felsen fallen.

„He, da staune ich aber“, sagte Joe verblüfft.
„Staune nicht, sondern schieße“, sagte Jerry mit einem

grimmigen Gesichtsausdruck. „Alles zu seiner Zeit. Jetzt kann
ich sie gebrauchen.“ Gleichzeitig aus beiden Läufen feuernd,
glitt er an den Felsen entlang auf ein Gebüsch zu.

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Steve Collins nahm mit seinem Gewehr die Felsen unter

Feuer, und auch Joe nahm die Gestalten aufs Korn, die sich
ihnen von Felsen zu Felsen springend zu nähern versuchten.

Jerry hatte inzwischen seinen Platz wieder gewechselt. Wie

eine Schlange kroch er über den Boden und tauchte bald
seitlich der Banditen auf. Wieder feuerte er aus beiden Läufen.

Von dieser Seite hatten Lafitte und seine Leute keinen

Angriff erwartet, und als jetzt plötzlich auch noch in ihrem
Rücken ein Colt zu feuern begann, stellten sie das Schießen ein
und rannten zu ihren Pferden. In wildem Galopp preschten sie
davon.

Joe wunderte sich über den unerwarteten Helfer, der plötzlich

im Rücken der Banditen aufgekreuzt war. Er mußte drüben
zwischen den Felsen hocken.

Joe erhob sich. „He, kommen Sie heraus! Die Kerle sind

fort!“ rief er.

Zu seiner größten Überraschung kam Walter, der struppige

Hund Morgans, auf sie losgestürmt, und dann wurde Ben
Cartwrights hohe Gestalt sichtbar. Vater Cartwright hielt die
Colts noch in den Händen.

„Du, Pa!“ Joe schüttelte nur den Kopf. Sein Vater ging diesen

Auseinandersetzungen mit der Waffe stets aus dem Wege. Er
überließ das sonst immer dem Sheriff und seinen Leuten.

„Du darfst nicht vergessen, daß es diesmal um den Mörder

von Indianer-Bill und Sam Baker geht“, antwortete Ben
Cartwright, als ihn sein Sohn daraufhin ansprach. „Und ich
habe geschworen, daß ich nicht eher ruhen werde, bis ich ihn
dem Sheriff übergeben kann.“

Wie erwartet, war der Hund Morgans zur Ponderosa

gelaufen. Daraufhin hatte sich Ben Cartwright sofort auf den
Weg gemacht, in der Annahme, dem Alten sei etwas passiert.

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Der Hund habe ihn aber nicht zur Hütte geführt, so erklärte

Cartwright, sondern ihn auf die Spur der Gauner gebracht. So
sei er dann zu ihnen gestoßen.

Zehn Minuten später hatte Walter auch den alten Morgan und

Hoss in der Höhle gefunden.

Als sie in den Sattel stiegen, sah Joe, daß Jerrys Revolver

wieder verschwunden waren.


Der Sheriff sah Ben Cartwright kopfschüttelnd an. „So sei
doch vernünftig, Ben. Ich kann diesen Lafitte nicht
festnehmen. Es liegt nichts gegen ihn vor.“

„So, es liegt nichts gegen ihn vor“, nickte Cartwright

grimmig. „Was habe ich dir denn eben alles erzählt? Seine
Leute haben Sam Baker auf dem Gewissen und Indianer-Bill.
Sie haben den alten Morgan und meinen Sohn in der Hütte
überfallen und uns später in eine Schießerei verwickelt. Ist das
nichts? Hoss und Joe und auch der alte Morgan können das
doch bezeugen. Ist das nicht Grund genug zu einer Anklage?“

Joe und Hoss, die mit dem Vater im der Sheriff-Station

erschienen waren, nickten.

„Ich brauche Beweise“, erklärte der Sheriff eindringlich.

„Sollte ich ihn wirklich auf Grund der Zeugenaussagen
verhaften, so wird ihn der Richter gegen eine Kaution wieder
freilassen. – Tut mir leid, Ben, ich kann dir nicht helfen.“

„Dann wohnt er weiter im Saloon-Hotel und spielt den feinen

Mann“, wetterte Cartwright. „Und wir alle wissen, daß wir es
mit einem abgefeimten Banditen zu tun haben, der vielleicht
noch andere Raubzüge plant.“

„Tut mir leid!“ Der Sheriff zuckte die Schultern. „Aber etwas

anderes. Sage diesem jungen Mann, der bei euch wohnt: Sollte
er noch einmal im Saloon mit einem Schießeisen hantieren, so
muß ich ihm eine Ordnungsstrafe auferlegen. Der Besitzer

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wollte eine Anzeige machen, aber ich habe ihn davon abhalten
können. Den Schaden muß er natürlich ersetzen.“

„Ich kümmere mich darum“, erwiderte Ben Cartwright.

„Kommt!“

Damit verließen die Cartwrights die Sheriff-Station und

begaben sich geradewegs ins Saloon-Hotel. Cartwright
bezahlte dort zwanzig Dollar für die zerschossene Krone über
dem Thekenregal.

Einige Kavallerie-Soldaten, die mit einer Patrouille nach

Virginia City gekommen waren, standen an der Theke. Ein
junger Leutnant, der die Patrouille führte, kam mit Joe ins
Gespräch. Da Soldaten sehr selten nach Virginia City kamen,
fragte Joe nach dem Grund.

„Ach, wir sind schon Wochen unterwegs“, erklärte der

Leutnant. „Wir suchen einen jungen Burschen, der sich Black
Tiger nennt. Er ist ein Einzelgänger, und deshalb ist die Suche
nach ihm auch so schwierig. Der Kerl hat in der Gegend von
Yonkers einen unserer Leute erschossen und ist mit dem Pferd
auf und davon. Sie kennen auch nicht zufällig jemanden, der
ein Armeepferd besitzt oder in letzter Zeit eins erworben hat?“

Joe schüttelte den Kopf. „Wie sieht der Kerl denn aus?“
„Er ist ziemlich groß, schwarzhaarig, bis an die Zähne

bewaffnet und läuft mit einer Bullpeitsche herum“, erklärte der
Leutnant.

Joe traf es wie ein Schlag. „Mit einer Bullpeitsche sagen

Sie?“

Der Leutnant nickte. „Ja, so hat man ihn mir beschrieben. –

Kennen Sie jemanden, auf den diese Beschreibung zutrifft?“

Joe schüttelte den Kopf, aber er konnte nicht verhindern, daß

ihm die Röte in den Kopf stieg. Zum Teufel, das traf doch alles
auf Jerry zu, überlegte er. Das Aussehen, die Bullpeitsche, sein
Fuchs trug auf der Kruppe das Brandzeichen der Armee. Jerry
war nur nicht bis an die Zähne bewaffnet. Also stimmte das

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schon nicht. Auch hatte er gesagt, er habe das Pferd von einem
Unbekannten erworben.

Ob er das dem Leutnant mitteilen sollte? Joe kam aber wieder

davon ab, weil Hoss ihm winkte. Der Vater wollte gehen.

Stumm ritten die Cartwrights zur Ponderosa zurück, und

dabei mußte Joe immer wieder an Jerry denken. Ja, was
wußten sie schon von ihm? Hoss hatte ihn im Gebirge
kennengelernt. Die Beschreibung des Leutnants traf auf Jerry
zu, und Waffen besaß er auch, das hatte Joe bei dem Überfall
der Banditen feststellen können. Dann das Pferd mit dem
Brandzeichen der Armee. Nein, Joe war auf einmal nicht mehr
ganz sicher. Warum untertrieb Jerry? Vermutlich doch nur, um
sich nicht verdächtig zu machen. Von Black Tiger hatte man
sicher eine andere Vorstellung. Was war jetzt zu tun? Sollte er
dem Vater von allem, was er erfahren hatte, Mitteilung
machen? Joe konnte sich nicht dazu entschließen. Mit Hoss
wollte er aber sprechen.

Sie mußten herausfinden, ob Jerry dieser Black Tiger sein

konnte.

Auf der Ponderosa waren die Wachen nach dem Überfall der

Lafitte-Banditen auf Morgan verdoppelt worden. Ben
Cartwright hatte dem Alten auf der Ponderosa ein Zimmer
angeboten. Er hielt es für zu gefährlich, Morgan allein zu
lassen. Dafür hatte sich der Alte stillschweigend in die
Wachmannschaft eingereiht. Er saß mit dem Gewehr im Arm
auf dem Koppelzaun, als die Cartwrights einritten.

„Nun, Vater Morgan, alles in Ordnung?“ rief ihm Hoss zu,

während er vom Pferd stieg.

„Alles okay!“ Morgan schwenkte das Gewehr in der Hand.

„Hier kommt niemand durch, darauf könnt ihr euch verlassen.“

Aus dem Schatten der Tränke erhob sich der alte schwarze

Hund und trottete auf die Reiter zu, um sie zu begrüßen.

Ben Cartwright kraulte ihm das Fell, bevor er ins Haus ging.

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Hoss brachte die Pferde in den Stall und sattelte sie ab. Joe

half ihm dabei, und dann sagte er: „Ich muß mal mit dir
sprechen, Hoss. Es handelt sich um Jerry.“

„Wo ist er überhaupt?“
„Keine Ahnung!“
„Mistel Jelly auf Kontloll-Litt“, hörten sie Hop Sings

Stimme. Er war hinter ihnen in den Stall gekommen. „Ich
bestellen, el bald zulückkommen. Wil wiedel gesungen heute
molgen Schelzlied von Sheliff Bum. – Oh, Mistel Jelly plima,
plima Banjomann.“ Damit zog der Chinese trällernd ab.

„Auf Kontrollritt?“ Joe sah Hoss an. „Sag mal, was hältst du

von Jerry?“

„Was soll ich von ihm halten? Er ist ein prima Kerl, und ich

würde mich freuen, wenn er noch etwas bei uns bliebe.“

Joe nickte. „Und wenn er ein Bandit wäre?“
Hoss blieb der Mund eine Weile offen. „Soll das ein Witz

sein? Wie kommst du darauf?“

Joe erzählte nun, was er im Saloon von dem Leutnant

erfahren hatte. „Und alles trifft auf Jerry zu“, schloß er seinen
Bericht. „Jerry könnte dieser Black Tiger sein, überlege doch
mal!“

„Das tue ich schon eine ganze Weile, aber ich kann nicht

daran glauben“, erwiderte Hoss. „Das ist einfach unmöglich.
Was hätte das alles für einen Sinn, sich so zu verstellen? Er
brauchte sich mir in der Hütte doch gär nicht anzuschließen.“

„Natürlich brauchte er das nicht, aber vielleicht hat er hier in

der Gegend etwas vor“, überlegte Joe. „Und bis dahin sitzt er
bei uns auf der Ponderosa sicher. Wer sich bei uns aufhält,
dem mißtraut man nicht.“

Hoss erinnerte sich jetzt der Nacht, als er Jerry beobachtete.

Wo war Jerry in dieser Nacht gewesen? Und er hatte Revolver
getragen. Er erzählte es Joe.

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„Wo er seine Revolver hat, weiß ich“, sagte Joe. „In der

Decke, die gerollt hinter seinen Sattel geschnallt ist. Er nimmt
sie nie ab, wenn du das schon gemerkt hast.“

„Hallo, um was geht es denn?“
Es war Jerrys Stimme. Er stand in der Stalltür, seinen Fuchs

an der Trense.

„Um deine Revolver“, sagte Joe. „Wenn du es genau wissen

willst. Du hast doch welche, nicht wahr?“

„Das weißt du doch“, lächelte Jerry. Er führte seinen Fuchs in

die Box und sattelte ihn ab. „Ich trage sie nicht, weil sie mir zu
lästig sind, und dann bleibe ich bei der Behauptung, daß
niemand auf einen Unbewaffneten schießt. Ich fühle mich
dadurch einfach sicherer. – Noch etwas?“

Beim Essen, an dem auch der alte Morgan teilnahm, kam Joe

auf die Kavallerie-Patrouille zu sprechen. Er bemerkte, wie
Jerry aufsah.

„Sie suchen einen gewissen Black Tiger“, sagte Joe. „Der

Kerl hat einen Soldaten erschossen und muß ein ganz
gefährlicher Bursche sein.“

„Man sollte diese Kerle gleich aufhängen“, warf der alte

Morgan ein. „Wäre ich Sheriff, sähe es in meinem Gebiet
anders aus.“

„Sie sollten sich lieber um Lafitte bekümmern“, meinte Ben

Cartwright. „Es ist mir ein Rätsel, warum der Sheriff da nicht
eingreifen kann.“ Er fuchtelte erregt mit der Hand durch die
Luft. „Wenn das so weitergeht, muß sich jeder Rancher eine
Privatarmee halten. Ich werde das bei Gelegenheit dem
Stadtrat vortragen.“

Am Nachmittag kam Besuch auf die Ponderosa.
Hoss hatte sich gerade etwas aufs Ohr gelegt, da fuhr Mr.

Orton mit seinem Einspänner in den Hof, und in seiner
Begleitung befand sich Cora.

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Hoss hörte ihre Stummen und schoß wie eine Rakete vom

Sofa hoch.

„He, was ist los?“ fragte Joe, der mit Jerry bei einem

Schachspiel saß. „Hat dich eine Bremse gestochen?“

„Nein“, antwortete Hoss und strich sich die Haare glatt. „Ich

hatte einen schlimmen Traum. Dieser Black Tiger wollte mir
an den Kragen“, log er.

Ben Cartwright ging seinen Gästen entgegen.
„Wir kommen zufällig hier vorbei“, erklärte Orton, nachdem

er den Rancher begrüßt hatte. „Cora wollte sich unbedingt
verabschieden. Sie fährt morgen für einige Zeit nach San
Francisco.“

In einen weißen Spitzentraum gehüllt, trippelte Cora in den

Raum.

Hoss lächelte wie die aufgehende Morgensonne, was ihm von

Joe einen entsprechenden Blick eintrug.

„Hallo, Joe!“ Cora eilte sofort auf Little Joe zu, um ihn zu

begrüßen, dann reichte sie Jerry die Hand.

Hoss folgte ihr auf dem Fuße und legte ihr von hinten die

Hände auf die Augen.

„Na, und wer kann das sein?“ fragte er, den Blick gen

Himmel gerichtet.

Cora tastete nach seinen Händen. „Die Pranken können nur

Hoss gehören“, lachte sie.

„Erraten!“
Little Joe sah ihn nur an. „Mein Bruder macht wieder seine

berühmten Späße. – Hasch mich, ich bin ein Fliederbusch!“

Ben Cartwright stellte Jerry als seinen Gast vor und rief nach

Hop Sing, der bald darauf eintrat.

„Tee?“ fragte der Chinese. „Wenn ja, alles schon gelichtet.

Hop Sing sein schnell. El gehölt den Wagen und schon stellen
Wassel auf Feuel.“ Er legte die Fingerspitzen aneinander. „Tee
gleich feltig.“ Damit verschwand er.

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Ben Cartwright zog sich mit Orton in den Hintergrund des

Raumes zurück. Sie hatten ihr eigenes Gesprächsthema.

Cora hatte zwischen Jerry und Joe Platz genommen.
„Sind Sie der junge Mann, der sich im Saloon als

Kunstschütze produzierte?“ fragte sie Jerry. „Ganz Virginia
City spricht davon. Ich hörte es von unseren Cowboys.“

„Es war ein Zufall, Miß Orton“, antwortete Jerry.
„Oh – so wurde es mir aber nicht geschildert.“
„So war es auch nicht“, wandte Joe ein. „Jerry ist nur

bescheiden.“

„Und so eine große Kunst war es nun auch wieder nicht.“

Hoss lächelte Cora zu. „Ich hätte das genauso geschafft.
Umsonst hat mich der Sheriff wohl kaum zum Begleiter der
Postkutsche gewählt. Dazu kann man nur richtige Männer
gebrauchen.“

„He, spinnst du?“ fragte Joe.
„Wieso, hast du nicht gehört? – Ich begleite morgen die

Postkutsche nach San Francisco.“ Hoss neigte sich Cora zu.
„Ja, ich begleite dich, Corachen. Ich reite neben dem Wagen
her.“

„Und warum hat man dich nicht dazu ausgewählt?“ wandte

sich Cora an Joe. Sie war direkt traurig.

„Ihn!“ Hoss warf einen Blick gegen die Zimmerdecke. „Dazu

braucht man Männer.“

„Ja.“ Joe nickte sauer. „Hampelmänner, so wie du einer bist.

– Weiß Pa eigentlich schon, daß du die Postkutsche begleiten
willst?“

„Das werde ich ihm schon sagen.“
Hop Sing trat mit dem Tee ein. Er hatte ihn schnell serviert

und wandte sich an Jerry.

„Soll ich vielleicht holen Banjo?“ fragte er. „Oh, Miß, Mistel

Jelly gloßel Banjomann. El spielen Schelzliedchen von Sheliff
Bum, und Hop Sing kann singen.“

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Cora stimmte sofort zu, und der Chinese verschwand eilig,

um das Banjo zu holen.

So begann Jerry bald darauf mit seinem Vortrag. Er hatte

soeben die erste Strophe des Liedes beendet, da wurde im Hof
Pferdegetrappel hörbar.

Alle wandten sich dem Fenster zu.
Ben Cartwright erhob sich und trat ans Fenster.

„Kavalleristen mit einem Leutnant. Was suchen die denn bei
uns?“ Er öffnete die Tür. „Nun, was gibt es, Leutnant?“

Der Offizier legte grüßend die Hand an den Hut. „Mr.

Cartwright, nicht wahr?“

„Ganz recht!“
„Entschuldigen Sie, aber ein gewisser Lafitte gibt an, auf

Ihrer Ranch befinde sich ein junger Mann, der ein Armeepferd
besitzt. Nach der Beschreibung, die er uns gab, sind wir sicher,
daß es sich um Black Tiger handelt.“

Ben Cartwright hob hilflos die Schultern. „Ja, das stimmt, der

junge Mann reitet ein Armeepferd, aber das hat er unterwegs
gekauft. Das ist aber schnell geklärt.“ Er wandte sich um und
suchte Jerry, aber die Stelle, an der dieser gestanden hatte, war
leer.

„Wo ist Jerry?“
Jetzt bemerkten auch Hoss und Joe, daß sich Jerry nicht mehr

im Raum befand. Beim Eintreffen der Patrouille mußte er sich
durch die Küche davongemacht haben.

„Er war doch eben noch da“, stellte Ben Cartwright

stirnrunzelnd fest.

Der Leutnant in der Tür gab seinen Soldaten einen Wink. Die

Männer sprangen von den Pferden.

In diesem Augenblick öffnete sich die Stalltür. Jerry Cox

erschien auf seinem Fuchs. Er hielt einen Colt in der Hand und
gab mehrere Schüsse ab. Dann preschte er in gestrecktem
Galopp der Straße zu.

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„Da, Black Tiger!“ Der Leutnant rannte zu seinem Pferd und

schwang sich hinauf. Die Soldaten saßen ebenfalls auf, um
dem Flüchtenden zu folgen.

„Ich kann das nicht glauben“, sagte Ben Cartwright. „Kann

man sich so in einem Menschen täuschen?“ Er wandte sich an
seine Söhne. „Habt ihr das gewußt?“

„Nein, aber geahnt“, antwortete Joe. „Aber ganz sicher bin

ich immer noch nicht.“

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Der Überfall



Jerry Cox ritt wie der Teufel dem Gebirge zu. Er hatte
versucht, die Soldaten einige Male irrezuführen, aber sie waren
ihm nicht auf den Leim gegangen. Die Burschen hatten
ausdauernde Pferde und mußten die Gegend kennen.

Jerry hatte jetzt den breiten Serpentinen weg, der direkt zum

Paß führte, erreicht. Er sah sich um. Seine Verfolger waren
dicht hinter ihm. Allen voraus ritt der junge Leutnant, der wie
wild auf sein Pferd einschlug. Jerry merkte, der Bursche holte
mächtig auf.

Vor ihm tauchten die ersten Ausläufer der Eagle Rocks auf.

Jerry zog seinen Colt und gab einige Schüsse auf seine
Verfolger ab. Das hatte Wirkung. Der Leutnant blieb plötzlich
zurück, und auch die ‘Soldaten schienen keine rechte Lust
mehr zu haben, hier im Gebirge als lebende Zielscheiben zu
dienen.

Jerry stellte es lächelnd fest und setzte zufrieden seinen Weg

fort.

In der nächsten Krümmung riß er den galoppierenden Fuchs

auf die Hinterhand.

Mitten auf dem Weg stand Lafitte und hob die Hand.
„Links hoch“, herrschte er Jerry an. „Ich habe schon auf dich

gewartet. Offenbar ziehen sich die Soldaten zurück. Meine
Leute lassen sie nicht aus den Augen. – Steig ab!“

Jerry schwang sich von seinem Fuchs.
„So sieht also Black Tiger aus“, grinste Lafitte. „Als ich den

Fuchs sah, hätte ich es mir doch denken können.“

Jerry musterte ihn mißtrauisch. „Und warum schicktest du

mir die Soldaten auf den Pelz?“

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„Um mit dir zusammenzutreffen“, lächelte der Bandit.

„Meine Leute haben deinen Ritt genau verfolgt. Du mußtest
diesen Weg nehmen, wenn du ihnen entkommen wolltest. Und
dann habe ich den Leutnant auf dich aufmerksam gemacht,
weil ich nicht wollte, daß sie dich vielleicht im Bett erwischen.
Du hattest doch keine Chance. Jeder konnte den Soldaten dein
Aussehen beschreiben, über kurz oder lang wäre der Sheriff
auf der Ponderosa erschienen.“

„Wenn du es so siehst, muß ich dir danken“, erwiderte Jerry.

Er war plötzlich ein ganz anderer Mensch geworden. Die
Fröhlichkeit, die sonst von ihm ausströmte, war wie
fortgewischt. Die Hände auf den Kolben der Colts, die an
einem breiten Revolvergürtel hingen, folgte er Lafitte, den
Fuchs am Zügel.

Bald standen sie in einer geräumigen Höhle, die aufs beste

eingerichtet war. Felle lagen am Boden, und in der Mitte
brannte ein kleines Feuer. Die Höhle mußte also einen
natürlichen Abzug haben. Vom Eingang aus, der versteckt
zwischen Felswänden lag, konnte man die ganze Gegend bis
nach Virginia City übersehen. Diese Höhle diente Lafittes
Männern als Unterkunft, während er selbst im Saloon-Hotel
wohnte und von dort die Raubzüge leitete.

„Warum bist du hier?“ fragte Lafitte, nachdem sie am Feuer

Platz genommen hatten.

„Du weißt es doch schon“, antwortete Jerry. „Ich wollte die

Sache allein machen, aber nun muß ich wohl mit euch teilen.“

„Die Postkutsche?“
Jerry nickte. „Morgen früh werden mit der normalen

Linienpost hunderttausend Golddollar nach San Francisco
geschafft. – Ich wußte es schon lange, und aus diesem Grunde
hielt ich mich hier in der Gegend auf.“ Und lächelnd fuhr er
fort: „Du müßtest doch eigentlich genug haben.“

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„Eigentlich ja“, grinste Lafitte. „Aus dem Überfall auf die

North-Stern-Bank haben wir eine hübsche Summe auf die
Seite gebracht. – Das meinst du doch – oder?“

Jerry nickte. „Hast du keine Angst, daß dir deine Leute den

Schädel einschlagen könnten, um sich mit dem Geld aus dem
Staube zu machen?“

„Das Versteck kenne nur ich, und aus diesem Grunde habe

ich sie an der Kandare. Es liegt ganz hier in der Nähe.“ Lafitte
sah sich um. „Du gefällst mir“, fuhr er fort. „Obwohl ich mir
Black Tiger anders vorgestellt habe. Ich mache dir einen
Vorschlag. Wir machen morgen den Überfall auf die
Postkutsche zusammen, und dann reiten wir beide über die
Grenze nach Mexiko.“

„Und deine Leute?“
„Sie dürfen nicht wissen, wohin ich gehe“, antwortete Lafitte.

„Sie könnten mich sonst erpressen, und ich möchte in Mexiko
in Ruhe und Frieden leben.“

„Wer möchte das nicht?“ Jerry lachte lautlos. „Glaubst du,

mir macht es Spaß, von den Soldaten gejagt zu werden?“

„Dann nimmst du meinen Vorschlag an?“
Jerry nickte.
„Vielleicht ist es eine Dummheit, wenn ich mich mit dir

einlasse und dir vertraue“, fuhr Lafitte fort. „Aber ich glaube,
wir sind aus einem Holz geschnitzt. Wir können ohne
Mitwisser arbeiten. Als ich wußte, daß du Black Tiger bist,
kam mir gleich dieser Gedanke.“

„Ich denke, du hast keine schlechte Wahl getroffen“, lächelte

Jerry. „Auf Black Tiger kannst du dich verlassen.“

Eine halbe Stunde später trafen Lafittes Leute ein. Es waren

auch die beiden Burschen darunter, die Jerry mit der
Bullpeitsche traktiert hatte. Sie waren nicht sehr erfreut, ihn zu
sehen.

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„Ihr wißt, wer dieser Mann ist“, wandte sich Lafitte an seine

Leute. „Er wird morgen mit euch den Überfall auf die
Postkutsche ausführen. Ich werde in Virginia City die Abfahrt
beobachten. Reiten die Soldaten mit, gebe ich euch früh genug
Bescheid.“

Jerry nahm die Bullpeitsche vom Gürtel und hielt sie

spielerisch in der Hand. „Wenn jemand morgen nicht
mitmachen will, so soll er es jetzt sagen. Blindgänger kann ich
nicht vertragen.“

„Und noch eins“, sagte Lafitte, der bereits am Höhlenausgang

stand. „Ich werde euch morgen auszahlen. Ihr könnt dann in
alle Himmelsrichtungen verschwinden.“

Nachdem Jerry den Überfall auf die Postkutsche in allen

Einzelheiten mit Lafittes Leuten besprochen hatte, legte er sich
in einer Ecke zur Ruhe, die Hände griffbereit auf den Colts. Er
traute diesen Männern nicht.


Auf der Ponderosa brannte bis spät in die Nacht hinein noch
Licht.

Ben Cartwright konnte sich nicht damit abfinden, sich in

Jerry so getäuscht zu haben.

Auch Hoss und Little Joe waren geradezu krank vor

Enttäuschung.

„Aber wir hätten gleich wissen sollen, daß mit Jerry etwas

nicht stimmte“, sagte Ben Cartwright. „Das Armeepferd hätte
uns zu denken geben sollen.“

„Ich halbe noch immer nicht daran geglaubt, bis er auf die

Soldaten schoß“, erklärte Little Joe. „Was glaubst du, Pa,
werden ihn die Soldaten erwischt haben?“

„Das werden wir noch erfahren. Ich glaube aber nicht. Sie

haben Black Tiger monatelang in Dakota gejagt, und immer
wieder ist er ihnen entkommen.“ Cartwright trat ans Fenster.

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„Erinnert ihr euch, was Jerry einmal zu mir sagte, als wir ihn
wegen seiner Schießkunst ansprachen?“

„Und was sagte er?“ fragte Hoss.
„Er sagte: Mr. Cartwright, ich weiß genau, was ich von Ihnen

zu halten habe. Die Cartwrights sind überall als Ehrenmänner
bekannt. Ich möchte Sie bitten, mich als Ihresgleichen zu
betrachten, ganz gleich, was einmal geschehen wird. – Na,
erinnert ihr euch?“

Little Joe nickte. „Ja, wir sagten, er möge uns nicht für dumm

halten, und das antwortete er darauf.“

Hop Sing erschien in der Tür und servierte zum vierten Male

an diesem Abend Tee.

Sein Gesicht war bewegungslos. Beim Hinausgehen blieb er

in der Tür stehen.

„Mistel Caltwlight, Hop Sing nicht glauben, diese

Banjomann ein bösel Mensch“, sagte er mit Nachdruck. „Bösel
Mensch nicht singen Schelzliedchen, velstehen?“

„Ja, das denkst du.“ Cartwright trat vom Fenster zurück.

„Trotz allem, wenn ich ehrlich sein will: Ich kann es auch nicht
glauben.“

„Nein, bestimmt nicht, Mistel Caltwlight“, fuhr der Chinese

fort. „El bestimmt nicht diese Black Tigel. El nicht sein kann,
weil diese Black Tigel tot.“

„Was sagst du da?“
„Ja, ich bekommen alle Monat Zeitung mit Postkutsche

Chinatown-Stal aus San Flancisco, Sie wissen?“

„Ja, natürlich weiß ich das! Chinesische Zeitung“, nickte

Cartwright.

„Und sie schleiben, lange, lange Zeit zulück, Bandit Black

Tigel tot.“ Hop Sing nickte eifrig. „Ich selbst gelesen, und
deshalb Banjomann nicht sein kann Black Tigel, velstehen?“

„Das stand wirklich in eurer Zeitung?“ fragte Little Joe

ungläubig.

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„Ja, elschossen bei Lalamie“, versicherte der Chinese. „Bei

Übelfall auf State-Bank.“

„Dann ist ja alles in Ordnung“, lachte Hoss und atmete wie

erlöst auf. Sein Gesicht wurde aber sogleich wieder ernst.
„Aber die Patrouille! – Sie müßten doch wissen, daß Black
Tiger erschossen worden ist.“ Er sah seinen Vater an.

„Und Jerry schoß auf die Soldaten“, fügte Joe hinzu.
„Zeitungen schreiben viel“, seufzte Cartwright. „Nur um eine

Schlagzeile zu haben, setzen sie die tollsten Gerüchte in die
Welt.“

Draußen klang Hufschlag auf, und bald darauf öffnete sich

die Tür. Auf der Schwölle stand Ben Turner, der Hilfssheriff.

„Hallo, Leute!“
Cartwright trat ihm entgegen. „Habt ihr ihn?“
„Black Tiger?“ Ben Turner schüttelte den Kopf. „Längst über

die Berge. Die Patrouille ist hinter ihm her.“ Er wandte sich an
Hoss. „Der Sheriff läßt dir sagen, du sollst dich um sieben Uhr
am Hintereingang der Bank einfinden.“

„Wozu?“ fragte Cartwright.
„Er soll die Postkutsche begleiten. Steve Collins fühlt sich

nicht wohl und hat Hoss als Ersatzmann angegeben“, erklärte
Ben Turner. „Es geht diesmal ein Geldtransport mit, und da
brauchen wir Bewachung.“ Er warf Hoss einen Sheriffstern zu.
„Hier, dein Abzeichen! – Das war’s, Leute!“ Damit ging er.

„Davon erfahre ich erst jetzt?“ fragte der Vater.
„Er wußte es schon heute nachmittag“, grinste Little Joe. „Du

darfst nicht vergessen, Pa, Cora Orton fährt mit der gleichen
Postkutsche. Er hat da schon gewußt, daß sich Steve Collins
nicht wohl fühlen würde. – Ein kluges Brüderchen!“

„Rede nicht!“ Hoss polierte den Sheriffstern an seiner Weste.

„Das ist ein Ehrendienst, zu dem nur ehrenwerte Männer
aufgefordert werden.“

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„Na, schön“, seufzte Ben Cartwright. „Eigentlich hatte ich

vor, dich auf der Südkoppel zu beschäftigen.“

„Das macht Little Joe“, grinste Hoss. „Er wird sich freuen,

mir diese Arbeit abzunehmen.“

Am nächsten Morgen fand sich Hoss beizeiten am

gewünschten Treffpunkt ein. Der Sheriffstern blitzte auf seiner
Brust, und er war bester Laune. Der Gedanke, mit Cora Orton
eine kleine Reise zu machen, hatte ihn so fröhlich gestimmt,
und der Gedanke, daß Little Joe auf der Südkoppel beschäftigt
war, ließ ein zufriedenes Gefühl in ihm aufkommen. Da konnte
Joe seinen Witwentrösterblick bei den Kälbern und Kühen
zeigen. Die würden sich wenig daran stören.

Außer Hoss waren noch zwei andere junge Männer aus

Virginia City zur Begleitung der Postkutsche eingesetzt.

In der State-Bank nahmen sie vier lederne Geldtaschen in

Empfang. Sie waren so schwer, daß die jungen Burschen sie
nur mit Mühe zu der Postkutsche, die im Hof der State-Bank
stand, schleppen konnten. Sie wurden in einem dafür
vorgesehenen Fach, unter den Sitzen der Fahrgäste, verstaut.
Der Sheriff überwachte die Beladung, und als das geschehen
war, rief er Hoss und seine zwei Wachmänner in den
Büroraum der Bank.

„Hört zu, Jungs“, erklärte der Sheriff. „Niemand weiß etwas

von diesem Geldtransport. Sollte trotzdem unterwegs etwas
passieren, so leistet vorerst keinen Widerstand. Die Kerle
haben es dann nur auf die Brieftaschen der Fahrgäste
abgesehen, und die bekommen ihren Verlust von der Bank
ersetzt. Wenn sie aber die Kutsche durchsuchen, dann könnt
ihr eingreifen. Ist das klar?“

„Ja“, sagte Hoss. „Nur wird es dann bereits zu spät sein.“
Der Sheriff lächelte. „Keine Sorge, es wird gar nicht dazu

kommen. Ich sage das nur, weil die State Lines für die
Sicherheit der Fahrgäste die Verantwortung übernommen hat.

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Sie hat mit unserem Geldtransport nichts zu tun. Das Leben
der Fahrgäste darf unter keinen Umständen gefährdet werden.“

Punkt zehn Uhr stand die Postkutsche vor dem Gebäude der

State Lines in der Nähe der Sheriffstation. Bill Sherwood, der
Kutscher, und Ted Staufer, der Beifahrer, verstauten das
Gepäck der Reisenden auf der Plattform hinter dem Wagen.
Alles wurde mit Stricken und Riemen gesichert. Wie es hieß,
sollten vier Reisende mitfahren.

Hoss wartete natürlich auf das Eintreffen von Cora Orton. Er

hatte sein bestes Hemd angezogen, und an der neuen
Lederweste, die ihm Joe zum Geburtstag geschenkt hatte,
blitzte der Sheriffstern. In aller Frühe war Paiute gestriegelt
worden. Der hochbeinige Renner machte einen prächtigen
Eindruck.

Immer wieder ritt Hoss die Straße hinab, um nach Cora Orton

Ausschau zu halten. Vermutlich würde sie ihr Vater zur
Postkutsche bringen.

Endlich tauchte der Einspänner weit hinten in einer

Staubwolke auf. Hoss ritt zur Kutsche zurück, stieg ab und
nahm dort in malerischer Pose Aufstellung. An den Wagen
gelehnt, die Daumen hinter den Revolvergürtel geklemmt und
den Blick seiner blauen Augen in die Ferne gerichtet, so sollte
Cora ihn vorfinden. Hoss sah sich im Geiste selbst dort stehen
und war ganz zufrieden.

Als der Einspänner heranrollte, setzte er zu allem noch ein

grimmiges Gesicht auf, das Einsatzbereitschaft demonstrieren
sollte. Aus den Augenwinkeln sah Hoss, wie Mr. Orton seiner
Tochter aus dem Wagen half. Und jetzt mußte Cora ihn bald
sehen.

„He, Hoss, hast du einen Frosch verschluckt?“
Das war doch Little Joes Stimme. Hoss fuhr herum und sah

seinen Bruder hoch zu Roß neben dem Einspänner stehen. Er

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trug seinen besten Anzug und grinste wie eine fröhliche
Klapperschlange; so kam es Hoss jedenfalls vor.

„Was willst du denn hier?“
„Ich hatte Cora gestern versprochen, sie zur Postkutsche zu

begleiten“, lächelte Joe. „Und was man verspricht, muß man
halten.“

„Hallo, Hoss!“ Cora winkte ihm freundlich zu, während Joe

vom Pferd stieg.

Auch Mr. Orton begrüßte Hoss und meinte, bei einer solchen

Begleitung könne er seine Tochter getrost reisen lassen.

„Das können Sie bestimmt, Mr. Orton“, nickte Joe. „Ich reite

nämlich auch noch mit, freiwillig.“

„Und die Arbeit auf der Südkoppel?“ fragte Hoss.
„Die hat mir der alte Morgan abgenommen“, lächelte Joe.

„Du siehst, es ist alles in bester Ordnung.“


Um diese Zeit stand Jerry Cox auf einem Felsvorsprung in der
Nähe der Straße, über die die Postkutsche ihren Weg nehmen
mußte. In der Nähe lagerten Lafittes Galgenvögel. Ihre Pferde
dösten im Schatten einer Felswand.

Unten auf der Straße wurde ein einzelner Reiter sichtbar.

Jerry erkannte Lafitte, der bis jetzt in Virginia City beobachtet
hatte.

„Er kommt!“ Jerry trat zurück, und die Galgenvögel erhoben

sich erwartungsvoll.

Kurze Zeit später ritt Lafitte in ihren Kreis.
„Alles in Ordnung“, berichtete er. „Die Patrouille ist nicht

mehr in der Stadt, auch der Sheriff ist mit seinen Leuten
unterwegs. Sie sind hinter dir her“, wandte er sich an Jerry.
„Black Tiger soll in Yonkers gesehen worden sein. Ich hörte es
im Saloon.“

„Na, dann muß das ja stimmen“, lachte Jerry.

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„Außer dem Kutscher und dem Beifahrer wird der Wagen

von vier Wachmännern begleitet“, berichtete Lafitte weiter.
„Darunter befinden sich Hoss und Joe Cartwright. Na, du
kennst sie ja.“

Jerry nickte. „Desto besser!“ Er drehte sich zu den Leuten

um. „Wir greifen in dem Waldweg, gleich hinter der Stadt, an.
Nur im äußersten Notfall wird geschossen, verstanden? Ich
arbeite lieber lautlos.“

„Er hat recht“, nickte Lafitte. „Alles muß schnell gehen. Ihr

bringt die Geldtaschen sofort in die Höhle.“ Er wandte sich an
Jerry. „Und wir treffen uns hier oben, wenn alles geklappt
hat.“

„Wie verabredet“, nickte Jerry.
Damit schwang er sich auf seinen Fuchs, und Lafittes

Galgenvögel bestiegen ihre Pferde. Dann ritten sie über den
Pfad zur Straße hinab.

Lafitte sah ihnen mit einem breiten Grinsen nach.
Eine halbe Stunde später sprengte Jerry auf seinem Fuchs den

Pfad hinauf. An seinem Sattelknopf hing eine der Geldtaschen,
die sie bei dem Überfall der Postkutsche erbeutet hatten.

Lafitte, der im Schatten der Felsen auf seine Rückkehr

gewartet hatte, sprang auf.

„Alles in Ordnung“, berichtete Jerry. „Sie gaben nicht mal

einen Schuß ab.“ Er klopfte auf die Geldtasche. „Die habe ich
erst mal für uns sichergestellt. Es könnte sein, daß die
Bewachung unsere Leute verfolgt, oder sie stoßen auf die
Kavallerie-Patrouille, die aus Yonkers zurückkommen könnte,
wenn sie Black Tiger nicht gefunden haben. Ich bin da nicht
ganz sicher.“

„Gut“, lachte Lafitte. „Du kalkulierst auch jede Möglichkeit

ein.“

„Als ehemaliger Einzelgänger muß ich das“, antwortete Jerry.

„Black Tiger macht nur ganz sichere Geschäfte.“

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„Ich auch“, sagte Lafitte. „Und deshalb habe ich dich auch

zum Partner gewählt. Ich denke, wir werden in Mexiko nur
gute Geschäfte machen.“

Kurze Zeit später machten sie sich auf den Weg zur Höhle,

aber bevor sie den schmalen Pfad erreicht hatten, zügelte Jerry
seinen Fuchs.

„Tut mir leid, Lafitte, aber ich habe ein komisches Gefühl“,

sagte Jerry. „Ich möchte mich erst überzeugen, ob dort alles in
Ordnung ist. Auch traue ich deinen Leuten nicht.“

„Blödsinn!“ Lafitte stieg von seinem Pferd. „Gut, ich sehe

nach!“ Er ließ sein Pferd zurück und kletterte den Pfad hinauf,
kam aber Minuten darauf bereits in wilder Eile zurück.

„Die Patrouille hat unsere Leute abgefangen“, berichtete er

schreckensbleich. „Wir müssen sofort weiter.“

Jerry klopfte lächelnd auf die Geldtasche. „Ja, Black Tiger

kann sich auf seinen Spürsinn verlassen. Wenn du willst,
können wir uns jetzt trennen. Ich behalte die Tasche, und du
hast ja noch irgendwo das Geld von dem Überfall auf die
North-Stern-Bank versteckt.“

„Nein, dabei mußt du mir helfen“, sagte Lafitte. „Ich habe

alles vorbereitet. Wir reiten zusammen nach Mexiko, so, wie
es ausgemacht war. Bis zum Abend müssen wir die Hütte am
Nordhang erreicht haben. Dort warten wir ab, bis sie die
Nachforschungen eingestellt haben.“

„Schön“, nickte Jerry. „Dann bin ich aber an dem Geld der

North-Stern-Bank zur Hälfte beteiligt – oder?“

„Selbstverständlich! Damit können wir uns beide zur Ruhe

setzen, wenn wir wollen“, antwortete Lafitte. „Komm, wir
holen es und machen uns sofort auf den Weg.“

Lafitte schwang sich auf sein Pferd, und Jerry folgte ihm.

Wie gut der Bandenchef die Gegend kannte, sollte Jerry bald
feststellen. Er führte ihn auf schmalen Bergpfaden zu einer
Quelle, die an dieser Stelle mit breitem Wasserguß über einen

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Abhang tief unten in einen Bergbach schoß. Hier hielt er an
und schwang sich vom Pferd. Er nahm das Lasso vom Knauf
und band es sich um die Brust.

„Unter dem Wasserfall liegt das Versteck“, erklärte Lafitte.

„Ich habe das Geld in einem regenarmen Monat, als die Quelle
nur ein dünnes Rinnsal war, dort untergebracht. Hier war es
vor jeder Nachforschung sicher.“ Er reichte das Ende des
Lassos Jerry. „Es könnte sein, daß ich auf den nassen Steinen
ausgleite.“

Behende kletterte Lafitte über die vorstehenden Steine und

war bald unter dem Wasservorhang verschwunden. Völlig
durchnäßt kehrte er Minuten darauf zurück, einen kleinen
Koffer in der Hand.

„He, ist das alles?“ fragte Jerry mißtrauisch.
„Dummkopf“, lachte Lafitte. „In dem Koffer befinden sich

nur Hunderter. Ich konnte sie mir bei der North-Stern-Bank
doch aussuchen.“ Er befestigte den Koffer mit Riemen hinter
seinem Sattel und hatte dann plötzlich seinen Colt in der Hand.

„Nimm die Hände hoch, Dummkopf!“
Jerry sah ihn überrascht an. „Das kannst du doch nicht

machen.“ Er hob langsam die Hände, und Lafitte zog ihm
blitzschnell die Colts aus den Halftern.

„So, und jetzt noch die Geldtasche“, forderte Lafitte.
Jerry wollte sie ihm reichen, aber da fiel in einiger

Entfernung ein Schuß.

Lafitte schrie auf und ließ den Colt fallen. Von seiner Hand

tropfte Blut.

Auf einem Felsvorsprung sah Jerry eine Gestalt mit einem

Gewehr stehen. An dem hohen Hut erkannte er, daß es Hoss
Cartwright war. Er bückte sich und nahm Lafittes Colt vom
Boden auf, und in diesem Moment trat Little Joe zwischen den
Felsen hervor, den Colt in der Hand.

Jerry grinste ihn an. „Willst du mich jetzt festnehmen?“

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„Du Falschspieler“, erwiderte Joe. „Wir wissen seit gestern,

daß Black Tiger tot ist, aber ich möchte nur wissen, wer du
wirklich bist, du Himmelhund.“

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Ausklang



Auf der Ponderosa wurde ein Fest gefeiert. Haupthelden des
Tages waren Jerry Cox und Hoss, der Jerry durch seinen
Meisterschuß gerettet hatte.

„Tja“, sagte Jerry. „Wie ihr schon wißt, bin ich Jeremias Cox,

Major der zweiten Kavallerie-Division. Ich kam in dieses
Gebiet, weil wir wußten, daß sich Lafitte und seine Leute hier
aufhielten. Wir hätten ihn wegen verschiedener Delikte sofort
festnehmen können. Damit war uns aber nicht gedient, denn
wir wußten, daß er den Raub der North-Stern-Bank hier
versteckt hatte. Aus diesem Grunde wurde ich von meiner
vorgesetzten Dienststelle ausersehen, sein Vertrauen zu
erringen.“

„Dann war also alles gespielt?“ fragte Hoss.
„Natürlich“, lachte Jerry. „Die Patrouille wußte Bescheid.

Bei der Verfolgung schoß ich natürlich hoch über ihre Köpfe
hinweg. Sogar euer Sheriff wurde von mir unterrichtet und
wußte über alles Bescheid. Aus diesem Grunde solltet ihr auch
bei dem Überfall auf die Postkutsche keine Gegenwehr leisten,
und ich selbst mußte dafür sorgen, daß Lafittes Galgenvögel
nicht schossen.“

„Und wo warst du in der Nacht, als dich Hoss beobachtete?“

fragte Joe.

„Ich traf mich mit der Patrouille“, erklärte Jerry. „Sie wartete

nur darauf, mir in die Stadt zu folgen. Ich mußte sie aber noch
etwas hinhalten, weil sie sonst zu früh aufgetaucht wäre.“

„Jerry – Verzeihung, Major Cox – , Sie sind ein Teufelskerl“,

lachte Ben Cartwright. „Aber ich habe Ihnen den Black Tiger
nicht geglaubt.“

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„Ja, hier lag die einzige Gefahr“, fuhr Jerry fort. „Lafitte hätte

von dem Tod Black Tigers wissen können. Ich war nicht
sicher, ob er mir nicht eine Falle stellen würde.

Natürlich hatte ich nie damit gerechnet, daß er mich zu guter

Letzt umbringen würde, um sich mit dem Geld aus dem Staube
zu machen, doch da trat unser guter Hoss in Erscheinung. Es
war wirklich ein Meisterschuß, das muß ich sagen.“

Hoss warf sich in die Brust. „Und nach dem Überfall sind wir

nur dir gefolgt, weil wir das alles nicht glauben konnten“,
erklärte er. „Wir waren immer hundert Meter hinter euch.“

„Dafür kann ich euch nur danken.“ Jerrys Gesicht wurde

ernst. „Der einzige Fehler war, daß ich Lafitte vertraute, und
das hätte schlimm ausgehen können.“

Hop Sing erschien in der Tür. Statt Tee wurde heute Wein

getrunken. Ben Cartwright hatte einen besonders guten
Jahrgang aus dem Keller holen lassen. Er bezog ihn aus San
Francisco.

Der Chinese füllte die Gläser und hielt eine neue Flasche

hoch. „Noch genug da“, verkündete er. „Wil alle uns fleuen,
daß Mistel Jelly gesund zülück.“ Damit verschwand er.

Ben Cartwright hob sein Glas. „Auf das Wohl unseres

Gastes.“

„Auf das Wohl der Cartwrights und der Ponderosa“,

erwiderte Jerry.

„Velzeihung!“ Hop Sing stand wieder in der Tür. Er hielt

Jerrys Banjo in der Hand. „Vielleicht Sie spielen zul Feiel des
Tages Schelzliedchen von Sheliff Bum, ja? Ich Banjo gut
aufgehoben.“

„Meinetwegen“, antwortete Jerry mit einem tiefen! Seufzer

und schlug den Blick gegen die Zimmerdecke. „Dieses
Schelzliedchen wird mich noch im Schlaf verfolgen.“

Ende


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