Obraz2 (35)

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und von Pflichten erfiilltes. Und so kónnen wir seiner In Ruhe und Freundschaft denken, ich und meine Tante, wcl*'| che mehr uber ihn zu sagen wufite ais ich, aber das bleibt in I ihrem giitigen Herzen verborgen.

Was nun die Aufzeichnungen Hallers betrifft, diese wun derlichen, zum Teil krankhaften, zum Teil schónen und gr dankenvollen Phantasien, so muli ich sagen, dafi ich dicsr Blatter, waren sie mir zufallig in die Hand gefallen und ilu Urheber mir nicht bekannt gcwesen, gewifi entriistet wcg geworfcn hatte. Aber durch meine Bekanntschaft mit Hallrt ist es mir móglich geworden, sie teilweise zu verstehen, jii zu billigen. Ich wiirde Bedenken tragen, sie anderen mitzu teilen, wenn ich in ihnen bloft die pathologischen Phanin sień eines einzelnen, eines armen Gemiitskranken sehen wiirde. Ich sehe in ihnen aber etwas mehr, ein Dokument der Zeit, denn Hallers Seelenkrankheit ist - das weifi icli heute - nicht die Schrulle eines einzelnen, sondern dlr Krankheii der Zeit selbst, die Neurose jener Generation welcher Haller angehórt, und von welcher keineswegs nm die schwachen und minderwertigen Individuen befallen scheinen, sondern gerade die starken, geistigsten, begabtr sten.

Diese Aufzeichnungen - einerlei, wie viel oder wenig re.i len Lebens ihnen zugrunde liegen mag - sind ein Versuch, die grofie Zeitkrankheit nicht durch Umgehen und Bescho nigen zu iiberwinden, sondern durch den Versuch, dlr Krankheit selber zum Gegenstand der Darstellung zu m.i chen. Sie bedeuten, ganz wortlich, einen Gang durch dlr Hólle, einen bald angstvollen, bald mutigen Gang durch d,i» Chaos einer verfinsterten Seelenwelt, gegangen mit dcm Willen, die Hólle zu durchąueren, dem Chaos die Stirn zu bieten, das Bose bis zu Ende zu erleiden.

Ein Wort Hallers hat mir den Schliissel zu diesem Verstan<l nis gegeben. Er sagte einmal zu mir, nachdem wir uber su genannte Grausamkeiten im Mittelalter gesprochen hattcn „Diese Grausamkeiten sind in Wirklichkeit keine. Ein Mensch des Mittelalters wiirde den ganzen Stil unseres hcu tigen Lebens noch ganz anders ais grausam, entsetzlich und barbarisch vcrabscheuen! Jede Zeit, jede Kultur, jedc Situ und Tradition hat ihren Stil, hat ihre ihr zukommcndcn

i ..... mul Harten, Schónhcitcn und Grausamkeiten,

> te *iv,r Leiden fiir selbstverstandlich, nimmt gewisse 1 l Jiilcllg hin. Zum wirklichen Leiden, zur Hólle wird

....... . Iilu hc Leben nur da, wo zwei Zeiten, zwei Kultu-

tri• I Kcligionen einander iiberschneiden. Ein Mensch

tu \inikc, der im Mittelalter hatte leben miissen, ware

inni i.......i rlich erstickt, ebenso wie ein Wilder inmitten

•i.i' i .'mlikation ersticken miifite. Es gibt nun Zeiten, wo i i .u r (leneration so zwischen zwei Zeiten, zwischen .■i i. liriiNstile hineingerat, daB ihr jede Selbstverstand-M 1 i. u |rilc Sitte, jede Geborgenheit und Unschuld verlo-

•    ■ in Natiirlich spiirt das nicht ein jeder gleich stark.

■ i f j .mu wie Nietzsche hat das hcutige Elend um mehr

•    im (.ciicration voraus erleiden miissen - was er ein-.....I unverstanden auszukosten hatte, das erleiden

i mi lin mendę."

•n Witries muBte ich beim Lesen der Aufzeichnungen ■ , • U ukcn. Haller gehórt zu denen, die zwischen zwei u. n limcingeraten, die aus aller Geborgenheit und Un-i.iil.l liri.iusgefallen sind, zu denen, dereń Schicksal es ist, i. i|nvurdigkeiten des Menschenlebens gesteigert ais j i i mlii lic Qual und Hólle zu erleben.

. u. .i lieint mir, liegt der Sinn, den seine Aufzeichnun-n im mis haben kónnen, und darum entschlofi ich mich,

.i......Miicllcn. Im iibrigen will ich sie nicht in Schutz neh-

• .....li uber sie urteilen, móge jeder Leser dies nach sei-

iii u. i .i wisscn tun!


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