82 GRUPPE VI.
Auch in Norddeutschland ausscr Ostpreussen sowie in Galizien und Bohmen ist das Verhaltniss offenbar vollig gleichartig. Eine Durchmusterung der aus diesem Gobicie Yeroffentlichten Munzfunde1) 2eigt namlich, dass die grosseren Fundę, iiber die naherc Nachrieh ien vorliegen, fast durchgehends denselben Charakter aufweisen wie dio skandinavischen. Die einzigen Ausnahmen waren teils der Fund von Poln.-Briesen in Posen (s. Notę 1), wo die jlingsten Miinzen Antonimia Pius und seiner Gemahlin gehorten; da aber von dem Fund nur 43 Stuek bekannt sind, kann das Fehlen jungerer Mtinzen gut zu-fałlig sein, und jedenfalis kann man nicht aus diesem einzigcn Fund einen Sehluss ziehen; die zweite Ausnahme ist der von Friedlandkr, Z. f. Ethnol. IV, S- 166, vgl. XVII, (26), erwahnte Fund von Niemegk, Kr. Zauc-h-Belzig in Brandenburg, der von den gewohnlichen Funden vollig abweicht; es fariden sieh hier 29 repubiikanisehe Miinzen von 200 v. Chr. an (!), 2 von Brutus, 19 vcn M. Antonius und 24 von Augustus—Hadrian (ist dieser Fund wirkiich gut beglaubigt?) •}.
In der Beziehung scheint dagegen ein Gegensatz zwischen den Verhaltiussen in Skandinavien und Ostpreussen einerscits und Norddeutschland ausser Ostpreussen andercrseils zu bcstchen, das.s nam-lich im lelztercn Gebiete wirklieh Mtinzen mit Fibeln der altercn rb-mischen Periode zusammen gefunden sind. Doch ist dieser Gegensat/ nur ein scheinbarer. Die betreffeiiden Fundę sind nami ich erstens zwei aus dem Neustadter Felde bei Elbing (s. Beiiage II. 213, 213 a); die hier vorliegenden Fibeln geborcn den Typen Fig. 30 und 53 an; die mit ihnen gefundenen Mtinzen sind aber nicht etwa aus der fru-heren Kaiserzeit, son dem gera.de aus der Zeit der Antoninę, die eine von Faustina d. a., die andere von Marc Aurel (aus dem Jahre 162) Diese Fundę beweisen also nur, dass die betreflenden Fibelfcrmen noch beitn Einbruch des neuen Kulturstromes foribestanden, ganz wie 1 2 dies fur andere Ultere Fibeltypen durch ihr Vorkommen im Verein mit Fibeln der Gruppen VI und VII erwiesen wird. Und nichts anderes gilt von dem Moorfunde von Butzke in Pommern (s. Beiiage III), wo Denare von Vespasian, Hadrian und der einen Faustina mit Fibelfor-men vorkamen, die im vorigen sammtlich dem spateren Teile der Slteren romisehen Periode, einige sogar gerade dem Obergange zur jfingeren, zugewiesen wurden; wozu noch kommt, dass ich nicht weiss, ob dieser Moorfund ais ein geschlosscner Fund in derselben Art wic die schleswig-danischen betrachtct werden kann,
Aus den angefuhrten Umslanden mussen wir also mit Tischler3 4} den Sehluss ziehen, dass erstens (wenigstens im allgemeinen) keine rómische Mimseti nor der Zeit Marc Aur eh nach Nordettropa gekommen sindund dass zweitens die Mhnzeti und die Fibeln mit umgeschlagenem Fuss durch denselben KuMurstrom dorthin ge-bracht wurden.
Eine andere Frage ist, ob der Anfang dieser iieuen Kulturepoehe (Tischler’s »Periode C», Monteeius’ »jiingere rdmische Periode* auch •Periode V der Eisenzeit®, S. MCller^s »Volkerwanderungszeit») in die Zeit Marc Aurels, bezw. wenigstens um das Jahr 200 n. Ghr. zu setzen ist, wie die zwei erstgenannten Forscher meinen2) oder erst ans Ende des dritten Jahrhunderts (um 300), wie Neergaard will5). Bei der letzteren Ansicht wiirde man dann erst den allerjungsten Miinzen, denen des vorgertickten dritten Jahrhunderts, Beweiskraft ziierkcnnen. Und in der Tat erwahnt Tischler (s. oben), dass in Ostpreussen diese Miinzen, die sich mit ganz demselben Graberinventar wie die lilteren finden, sich vor den letzteren immer durch sehr gut erhaltene Pragung auszeichnen. Ihre grosse Seltenheit im Vergleich mit den alteren wfirde man wohl dabei, wie es vielfach geschehen ist, so erklaren, dass die Germanen die alten Miinzen aus der Zeit vor Septimius Se-yerus den spateren, dereń Silbergehalt so bedeutend vermindert war, vorzogen. Aber hiergegen ist zu merken, dass der grosse Unterschied in der Anzahl zwischen den Mtinzen des zweiten und denen des
') Zag&nglieh waren mir die grosseren Zusammenstelkingen von Wiberg. Der Einfluss der klassis'chen Yolker auf den Norden, Friedi.ander, Z. f. Ethnol, IV, 1 6*2 ff., KChre, Baltische Studien XXVII, 203 ff., Vełtman. Osnabriicker Mittheil. XIII, S. 327 f f., Lissauer, Prahist. Denkm., S. 1 45 ff., Pic, Pamatky, XV, Sp. 595-6, sowie die Einzelpublikałinnen iiber die Fundę von Poln.-Briesen in Posen, Z. d. hist. Ges. f. d. Provinz Posen III, 3, 5. 357 ff., und von Lashorst in Hannover, Osnabriicker Mittheil. XIV, S. 3*2 ff., 420 ff., XV, 392 ff., XVI, 303 ff.
) Eine weitere Ausnahme durfte nur scheinbar sein: der von Veltman a a. O. S. 341 angefiihrie Fund von Jever, der -,>5000 riimische Miinzen aus der Zeit von 61 bis 81 nach Chr.s enthalten haben soli. Hier liegt wohl unbedinjp ein Druckfehler vor; der Fund durfte identisch sein mit dem vc.m Wiberg S. 10 erwiihntęn, jedoch wohl nach weiteren Mittheilungen vervollstandigt. Die von Yfi.tmam fiir diesen Fund citierte Arbeit von Altess war mir nichtzugiinglieh-
'I Obrigens hat schon Hostmann, S. 75 Ko te 1 dieselbs Ansicht deullich snsgesprochen; er vemutet, dass die Munzen erst nach Commodus, »also etwa im Beginu des III, Jahrhunderts bei mis eingefiihrt und verbreitet» wurden.
) Tischler an dor oben wiedergegebenen Stcdle, Montelius mit besonders ausfuhrlicher Beweisfuhrung Sv. Forn m.-foren. tidskr. IX, S. 215 ff.
} Aarboger 1892, S. 298; Museumskatalog, unler »Folkevandrings-tiden». — S. Muller, Jernalderen S. 2<> schlagt einen Mittelweg ein, indem er die *V61kerwiinderungszeit» vom d bis zum 5 Jahrhundert ansetzt, rjedoch 80, dass sie das erstc und das letzte dieser Jabrhunderte nicht vollig aus-mu, — Die Ausspriiche der drei skandinaviscłien Fórschcr diirften iibrigens in erster Reihe dem skandinavischcn Korden gelten.