56 Zweiter Teil
E i n e r. So siehst du aus.
(Geldchter.)
S o 1 d a t. Ich will euch berichten von meiner Siinde. Ich fiihrte ein Leben, ohne an meine Seele zu denken. Ich dachte nur an den Leib. Ich stellte ihn gleichsam vor die Seele auf und machte den Leib immer starker und breiter davor. Die Seele war ganz verdeckt dahinter. Ich suchte mit meinem Leib den Ruhm und wufite nicht, dafi ich nur den Schatten hoher reckte, in dem die Seele verdorrte. Meine Siinde war der Sport. Ich iibte ihn ohne eine Stunde der Besinnung. Ich war eitel auf die Sdhnelligkeit meiner Ftifie in den Pedalen, auf die Kraft meiner Arme an der Lenkstange. Ich vergafi alles, wenn die Zuschauer um mich jubelten. Ich verdoppelte meine Anstrengung und wurde in allen Kampfen, die mit dem Leib gefiihrt werden, erster Sieger. Mein Name prangte an allen Plakaten, auf Bretterzaunen, auf Millionen bunter Zettel. Ich wurde Weltchampion. Endlich mahnte mich meine Seele. Sie verlor die Geduld, Bei einem Wettkampf stiirzte ich. Ich verletzte mich nur leicht. Die Seele wollte mir Zeit zur Umkehr lassen. Die Seele liefi mir noch Kraft zu einem Ausweg. Ich ging von den Banken im Saal herauf zur Bufibank. Da hatte meine Seele Ruhe, zu mir zu sprechen. Und was sie mir erzahlt, das kann ich hier nicht berichten. Es ist zu wunderschon und meine Worte sind zu schwach, das zu schildern. Ihr miifit selbst heraufkommen und es in euch horen. (Er tritt beiseite.)
i n e r (lacbt unfldtig). ehrere (zischen zur Ruhe). adchen (leise zum Kassierer). Horst du ihn? a s s i e r e r. Storen Sie mich nicht. f f i z i e r. Ihr habt die Erzahlung unseres Kameraden gehórt. Klingt sie nicht verlockend? Kann man etwas Schoneres gewinnen ais seine Seele? Und es geht ganz leicht, denn sie ist ja in euch. Ihr miifit ihr nur einmal Ruhe gdnnen. Sie will einmal still bei euch sitzen. Auf
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dieser Bank sitzt sie am liebsten. Es ist gewifi einer unter euch, der siindigte, wie unser Kamerad getan. Dem will unser Kamerad helfen. Dem hat er den Weg eroffnet. Nun komm. Komm zur Bufibank. Komm zur : Bufibank. Komm zur Bufibank!
(Es herrscht Stille.)
Einer (krdfłiger, junger Mann, einen Arm im Verband, steht in einer Saalecke auf, durchąuert verlegen Id-chelnd den Saal und ersteigt das Podium).
Einer (unflatige Zote).
A n d e r e r (entriistet). Wer ist der Flegel?
DerRufer (steht auf, strebt heschdmt zur Tur).
Einer. Das ist der Liimmel.
S o 1 d a t (Madchen - eilt zu ihm und fiihrt ihn auf sei-.5 nen Platz zuriick).
Einer. Nicht so żart anfassen.
M e h r e r e. Bravo!
Jener (auf dem Podium, anfangs unbeholfen). Die asphaltene Stadt hat eine Halle errichtet. In der Sporthalle bin ich gefahren. Ich bin Radfahrer. Ida fahre das Sechstagerennen mit. In der zweiten Nacht bin ich von einem andern Fahrer angefahren. Ich brach den Arm. Ich mufite ausscheiden. Das Rennen rast weiter - ich habe Ruhe. Ich kann mich auf alles j in Ruhe besinnen. Ich habe mem Leben lang ohne Be-sinnen gefahren. Ich will mich auf alles besinnen - auf alles. (Starle.) Auf meine Siinden will ich mich auf der Bufibank besinnen! (Vom Soldat hingefiihrt, sinkt er
auf die Bank. Soldat bleibt eng neben ihm.)
O f f i z i e r. Eine Seele ist gewonnen.
(Posaunen und Pauken scha Hen.
Auch die im Sadle verteilłen Soldaten haben stch erho-
ben und jubeln, die Arme ausbreitend.
•: Madchen (zum Kassierer). Sielist du ihn?
Kassierer. Das Sechstagerennen.