Rolf Fuhnnann.
Das Brettchenweben ist eine bereits vor ca. 2500 Jahren praktizierte Bandwebe-technik, dereń Verbreitung sowohl fur Skandinavien, Nord- und Osteuropa, Asien, Nordafrika und Agypten nachgewiesen ist.
Im Laufe der Industrialisierung und der Móglich-keit, gewebte Bander maschinell herzustellen, war die Uberlieferung dieser Webtechnik in den verschiedenen Kulturen bereits weitgehend verlo-rengegangen. Brettchengewebte Bander wurden ais Bortenbesatz auf Kleidungsstiicken verwen-det, ais Giirtel oder kamen ais Strumpfbander zum Einsatz. Sie sind sowohl sehr stabil ais auch deko-rativ und wurden z.B. im alten China sogar fur Zaumzeug oder Sattelgurte verwendet. Arbeitstechnik
Weben beruht auf der Verbindung von parallel verlaufenden Faden (Kettfaden), die durch einen Querfaden (Schufifaden) miteinander verbunden werden.
Ais Hilfsmittel zum Anordnen und Verdrehen der Kettfaden beim Webvorgang arbeitet diese spe-zielle Webtechnik mit gelochten Kartchen, durch die die Kettfaden laufen. Abhangig davon, wie-viele Locher die Kartchen haben, wie die gleich-oder verschiedenfarbigen Faden durch welche Locher geflihrt werden und wie man die Kartchen wahrend des Webens verdreht, entstehen die unterschiedlichen Muster und Strukturen.
Anders ais bei einem auf dem Webstuhl herge-stellten Stoff ist der SchuBfaden beim brettchen-gewebten Band allerdings lediglich an den Randkanten zu sehen und hat keinen EinfluB auf die Farbgebung des Gewebes!
Von seiner Technik her ist die Brettchenweberei ein Mittelding zwischen dem Fingerschlingen-Flechten und dem Weben auf einem Webstuhl, da Elemente aus beiden Verfahren dabei zum Tragen kommen:
Das Verdrehen der verschiedenen Strange miteinander und das Verbinden von Strangen unterein-ander mittels eines (SchuB)-Fadens.
Die Brettchen selbst wurden abhangig von regio-nalen Gegebenheiten aus Holz, Horn, Stein, Per-gament, Leder oder Knochen gefertigt. Yerwoben wurden sowohl Woli- und Leinenfaden ais auch Faden aus Baumwolle, Haar, Seide oder sogar sol-che aus Silber und Gold.
Erhaltene Bander aus dem Mittelalter, wie z.B. der fur den Augsburger Bischof Witgarius urn 870 n.Chr. angefertigte Giirtel aus Stiddeutschland, of-fenbaren eine unglaubliche Kunstfertigkeit.
Die Ausiibung dieses Handarbeitsverfahren be-schrankte sich zunachst auf die bauerliche Bevol-kerung auf der Grundlage ungefarbter Wollfaden. Bereits im friihen Mittelalter entwickelte sich die Beschaftigung mit der Brettchenweberei zuneh-mend zu einer hoffahigen Betatigung adliger Da-men mit entsprechend hochwertigeren Ausgangs-materialeien wie Seide, Gold und Silber.
Die Wiederbelebung der Brettchenwebekunst in Westeuropa erfuhr ihren entscheidenden AnstoB durch die Forschungen von Margarethe Lehman-Filhes und ihr 1901 veroffentlichtes Buch Uber Brettchenweben.
Werkzeug und Materiał
Neben dem Gam und den benótigten Kartchen -die grundsatzlich notwendigen Utensilien - sind zwei Schraubzwingen zum Aufspannen der Fa-denstrange und ein Holzchen zum Auseinander-halten des Fachs beim Durchfiihren des SchuB-fadens hilfreich.
Die Kartchen selbst sollten nicht zu dick sein, da sonst bei einer groBeren Anzahl der zu bewegende Kartenstapel zu unhandlich und hinderlich wird. Andererseits diirfen die Kartchen auch nicht so diinn sein, daB sie sich wahrend des Webens ver-biegen konnen! Alle Karten und ihre Lochungen sollten móglichst deckungsgleich in ihren Abmes-sungen sein, sonst treten spater unregelmaBige Fa-denspannungen im gewebten Stuck auf
satzlich bestimmt durch die Anzahl der verwende ten Kartchen und der Starkę des verwendeten Gams.
Jedes Kartchen ist spater ein Kettfaden im fertigen Band. Das Gam fur die Kettfaden (Abb. S.56) muB fest genug sein, um nicht von den standig hin und her bewegten Kartchen durchgescheuert zu werden.
DaB die Kanten der Kartchen sowie die der Ló-cher darin weder schartige noch scharfkantige Stellen haben, versteht sich von selbst.
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