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Philosophie ausmacht, so ist der Anfang der Weisheit die Fureht vor Gott” 36 (so in Anklang an Psalm 111,10).
Der gebildete Christ vernahm in dieser Gestalt den Lobpreis des Restaurationswerkes, in dem sich Hellenisches und Christliches zugleieh zu erfullen schienen. Aber auch dem schlichten Frominen, dem die hel-lenische Uberlieferung ais heidnisch perhorresziert worden war, wurde ein Geschichtsbild vermittelt, das die Histoire in der Herrsehaft Justi-nians gipfeln lie!3. Diese Aufgabe erfullte die Weltchronik des dem Mónchsstande zugehorigen geborenen Syrers Johannes Malałaś, ein wahr-haftes Yolksbuch, popular nach Sprache und Darstellungsform 37. Hier Avird der Kaiser in vollem Wortsinne vorgestellt38 und ais Wohltater von Malałaś’ geliebter Heimatstadt Antiochia gepriesen39. Den Nika-Aufstand aber erklart der Chronist ais das Werk boser Damonen (uttó tivwv aXacrTÓptov Sai(j.óvo)v)40 und spricht damit faktisch Justinian von aller Schuld frei, dessen Milde gegenuber Majestatsverbrechern bei ande-rer Gelegenheit hervorgehoben wird : „Ich verzeihe dir das Yerbrechen, das du gegen mich begangen hast; bete nun, daB auch Gott dir verzeihen mogę ! ”41
Ganz ahnlich wird das Yerhalten Justinians im Nika-Aufstand durch einen anderen dezidiert christlichen Autor gerechtfertigt, namlich durch den schon eingangs genannten Meloden Romanos, der in seinem 54. (62.).42 Hymnus unverkennbar auf jene Geschehnisse anspielt. Weil die Menschen sundigten, lesen wir da, ereigneten sich Erdbeben, und ais sie sich noch immer nicht besserten, ubte Gott ein neues Strafgericht, “indem er es zulieB, daB die Heiligtumer der Kirche verbrannt wurden”43. Gberall herrschte Verzweiflung, wahrend des die Frommen und mit ihnen das Kaiserpaar betete : „Gewahre mir, Heiland, so wie deinem David, den Goliath zu besiegen !”Gott aber erhorte das Gebet, und die Hagia Sophia ist in unvergleichlicher Qualitat neu errichtet. Es bedarf wohl keines Wortes der Begrundung, daB der massenwirksame Hymnus, 536/37 entstanden, eine Unterstutzung der Justinianischen Restauration dar-stellte, wie sie efektiver kaum gedacht werden kann.
Aber auch in anderen Kontakien — so heiBen jene kunstvoll gebau-ten, durch Akrostichis verbundenen Kirchenlieder — nahm Romanos yielfach im Sinne der Staatspolitik und namentlich der staatlichen Reli-gions — und Kirchenpolitdt Stellung, wahrend er sich gleichzeitig gegenuber der heidnischen Tradition denkbar scharf abgrenzte. „Was blasen sie sich auf, die Heiden, und was larmen sie?”, heiBt es im 33.(23.) Kontak-
36 Griechisch bei Mignę, a.a.O. 1169.
37 Irmscher, „Wissenschafllichc Zeitschrift der Univcrsitat Rostock", 18, Gesellschafts — und sprachwissenschaftliche Reihe, 1969, 471.
38 Ioannes Malałaś, Chronograp/ua rec. Lndovicus Dindoifius, Bonn, 1831, 425.
39 Malałaś, a.a.O. 423.
40 Ebenda, 473.
41 Griechisch bei Malałaś, a a.O. 439.
42 Zahlung nach Paul Maas — C. A. Trypanis, Sancti Romani Melodi cantica, Oxford, 1963, 462 (die eingeburgerte Zahlung erscheint in Klammern).
43 Griechisch bei Maas — Trypanis, a.a.O., 467.
44 Griechisch bei Maas — Trypanis, a.a.O., 469.