36 Friedbert Ficker 10
Die national betonten Anliegen konnten um so leichter und unverfanglicher propagiert werden, ais dies ohnehin im Gewande des allgemein bekannten und traditionell iiberlieferten Formengutes der zugrundeliegenden Bilderwelt der orthodoxen Kirche erfolgte und zudem in dem Reigen der Gottesmutter- und Heiligendarstellungen eingebettet war. Dabei darf allerdings nicht iibersehen werden, daB neben dem weltlich-politischen Hintergrund das eigene religiose Anliegen mit der Emeuerung von Glaube und Kirche keine geringere Rolle spielte.
Dafi die Herausbildung der zweifachen Bedeutung der Georgs- und Demetrius-Darstellungen erst in der Zeit der nationalen Wiedergeburt erfolgte, ist verstandlich. In der sichtbar werdenden Endphase des osmanischen Reiches sahen die Krafte des nationalen Widerstandes nach allen fruher gescheiterten Befreiungsversuchen eine Chance zur Verwirklichung des iiber die Jahrhunderte der Fremdherrschaft gehegten Wunschtraums. Dazu boten weitere Zeichen der Zeit ermuntemde Hinweise wie die europaische Unterstiitzung des griechischen Freiheitskampfes, der iiber die Phanariotenbewegung in Rumanien auf Bulgarien ausstrahlte und Impulse gab. Sicher war es auch die iiber den Athos in Bulgarien bekannt gewordene deutsche Graphik der Diirerzeit - vor allem die Darstellungen der Apokalypse, die ais Endzeitdarstellungen im 18. und 19. Jahrhundert in Siidosteuropa in gleicher Weise auf die tagespohtischen Ereignisse bezogen wurden wie um 1500 - , die weitere Anregungen vermittelte. Die Folgę der politischen und okonomischen Entwicklung mit den verstarkt in Erscheinung tretend n vielfachen Anregungen und Verbindungen war nicht zuletzt ein Aufleben der geistigęn Krafte, die erst den tragenden Boden fur derartige kiinstlerische Erscheinungen lieferten.
Dafur war neben der volkstiimlichen Graphik, die seit dem spaten 18. Jahrhundert unter dem EinfluB des Athos in zunehmendem Mal3e in den bulgarischen Klóstem entstand und in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Samokov ihr Zentrum hatte, nicht minder die in der Zeit gepflegte Ikonenmalerei geeignet, wie es eingangs bereits kurz angedeutet wurde. Wahrend eine Richtung mit primitiv anmutenden Formen sich am volkskiinstlerischen Schaffen orientierte bzw. wie in Trjavna an die koptische oder kappadokische Kunst erinnernde Vorbilder zugrundelegte, ist bei einer anderen Stromung der weitergefuhrte europaische EinfluB unverkennbar. Die nun nach dem Vorbild der Nazarener gemalten Heiligendarstellungen entsprachen in ihrer sentimentalen Gefuhlsbetontheit und der technischen Glatte in der Ausfuhrung in besonderem MaBe den Vorstellungen der breiten Volksschichten vor allem des sich nunmehr etablierenden Biirgertums.
Unter den volkstumlich-primitiven Darstellungen findet sich bereits im 18. Jahrhundert eine Ikonę mit der streifenartig angeordneten Wiedergabe der lend rfesttage aus d r Kirche “Sveti Georgi” im Kloster Kremikovci. Dazu g e lt sich die an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert entstandene Ikonę mit den beiden Reiterh iligen Demetrius und Georg aus Perustica mit ihren iiberdimension erten n, f mer die vom Typ der Dargestellten her an koptische oder kappadokisch Mai reien erinnernde Geburt d r Gottesmutter aus dem 19. Jahrhund rt, die vermutlich in Tijavna entstanden isL Unbekannter Herkunft ist dazu e'ne Tafel mit der Empfangnis der Gottesmutter aus dem 19. Jahrhundert29.
39 Ibidem, Abbn. 230, 238, 256, 260.