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46 Friedbert Ficker 20

Deckfarbenmalerei einer Madonna mit Kind von Christo Stefanov, die uber den formalen Aufbau mit einer fast zeichenhaften Vereinfachung der Figuren hinaus wesentlich von der intensiven Wirkung der Farben lebt und damit den Weg zu den transzendentalen Bereichen - ahnlich wie in den mittelalterlichen Glasmalereien - freigibt⁷¹. Die Farbę wird damit wieder zum Bedeutungstrager und es wird der AnschluB an die malerischen Leistungen vergangener Jahrhunderte hergestellt. Ebenfalls stark von der Farbę leben die Arbeiten von Georgi Ćufekciev und von Dimitar Kirov. Wahrend ein Kruzifix des ersteren gleichsam die damit verbundenen physischen und psychischen Vorgange sichtbar macht,⁷² lassen Themen des letzteren wie “Apokalypse”, “Reąuiem” oder die in verschiedenen Variationen auftretende “Verbrannte Ikonę” den Bezug zur Geschichte und zur Gegenwart mit den dahinter stehenden Spannungen erkennen. Dieses Bemiihen wird auch an der Zeichnung “Kreuzigung 92” von Kirov deutlich⁷³.

Von hier aus ist es nur noch ein unbedeutender Schritt bis hin zu zeitgenossischen Illustrationen, in denen christlich-religióse Anliegen in die allgemeinmenschliche Ebene transponiert werden. LaBt beispielsweise Petar Lazarov in einem Holzstich zu Etel Vojnić’s “Starschel”⁷⁴ zwei Manner unter dem im Licht hangenden Kruzifix verharren, so wird das Thema der Kreuzigung in einer Zeichnung von Svetla Georgieva zu Odysseus Elitis⁷⁵ zwar von der Konseąuenz der christlichen Heils- und Erlósungslehre losgelóst, doch bleibt das eigentliche Grundmotiv dennoch der Ausgangspunkt der bildnerischen Gestaltung. Ahnlich verhalt es sich mit einer Lithographie von Christo Nejkov aus dem Jahre 1976 zu Isaak Babel⁷⁶. Das gleiche Thema wird bei Hija Beskov in einer Zeichnung aus dem Jahre 1942 politisch aktualisiert, wenn er die Schergen unter dem Kreuz in Uniformen seiner Zeit auftreten laBt⁷⁷. Endlich bezieht Nikołaj Śmirgela die Darstellung des Gekreuzigten in einen Linolschnitt “Fiir die Freiheit” ein⁷⁸.

Es ist dabei gleichgiiltig, welcher Bedeutungswert im jeweiligen Einzelfall der Wiedergabe Christi am Kreuz zugedacht war - wie z.B. bei Śmirgela die Oberwindung des Kreuzes ais Voraussetzung fiir den Weg in die erhoffie Freiheit denkbar ware. Wie damit ungewollt grundlegende Auseinandersetzungen zwischen den allgemeinmenschlichen Eigenschaften Gut und Bose ihren Ausdruck finden, bleibt in jedem Fali die Tatsache, daB dem Symbol des Christentums in anerkennender wie in ablehnender Form Bedeutung beigemessen wurde. Immerhin ist mit diesem Zeichen ein langes und bewegtes Stiick Geschichte verbunden, von dem das groBe politische Geschehen gleichermaBen gepragt wurde wie das einzelner menschlicher Schicksale. So gestaltet Petar Raf]kov in einer Pinselzeichnung die Beichte eines Sterbenden zu einer ergreifenden letzten Rechenschaftslegung⁷⁹. Zusammen mit dem Popen stehen die Angehorigen im Hintergrund. Abgewendet

⁷¹ Slg. F. Ficker.

⁷¹ Ibidem.

⁷³    Ibidem.

⁷⁴ Katalog Nationale Ausstellung fiir Illustration und Buchkunst 88. Sofia 1988.

⁷⁵ Katalog Nationale Ausstellung fiir Illustration und Buchkunst 84, Sofia 1984.

⁷⁶    Slg. F. Ficker.

⁷⁷    Bulgarische Bildende Kunst der Gegenwart, a.a.O., Abb- 92.

⁷⁸    Slg. F. Ficker.

⁷⁹    Ibidem.