54
EMMA BRUNNER-TRAUT
sie in Vógcln aufcrstehcn oder doch eine seelenartige Existenzform finden und daB diese bevorzugt in Schwarmen auftreten, ist weltweit verbreitet und lebt im Aberglauben auch bei uns kraftig nach41. Damit sei nicht gesagt, daB ich in den Flamingos die spateren biw sehen mochte42, denn es waren nicht nur gut 2000 Jahre zu iiberbriicken, sondern auch eine Unterbrcchung (in der (Pyramidenzeit) durch eine andersartige, cngere Ba-Vorstellung zu erklarcn und nicht zulctzt der Sprung vom Flamingo zum Storch glaubhaft zu machen. Vielmehr mochte ich die friihe Seelenvogelvorstellung im Vagen lassen, sie nur in einer allgemeinen Fruhform von Glaubensbildern eingebettet sehen. Auf die vogelgestaltigen Totengeister spielt auch Jesaja an (8, 19), wcnn er sagt: «Ihr miisset die Totengeister... fragen, die da zwitschern...»43. Was den Flamingo zum Seelenvogel gemacht haben konnte, ist seine auffallcnde, «verklarte» Schónheit, seine wolken- bis lichthafe Leichtigkeit und andercrseits seine Gepflogenheit des
Motiv 8
Motiv lOa
Motiv lOb
Griindelns, womit er sich cin Verhaftetsein mit den untcrirdisch behausten Grab-bewohnern eingetragen haben konnte. Die zahlrcichcn Stclzvógel bei den damaligen Brackwassern kónntcn demnach den Altcn ais cin Heer der «Seelen/Geister» erschienen sein. Abcr diese Auslegung muB mehr ais die bisherigen ofTen bleiben44.
Doch wenn auch meine Interpretationen ungewiB sind oder Widerspruch finden sollten, so durfte ich kaum fehlgehen mit der Behauptung, daB mit den Darstellungen eine geschlossene, einheitliche Aussage gemacht ist. Die Bilder zeugen in ihrer neuen Pragnanz fur figiirliche Umrisse, ihrem /.ahen Bestand eines gleichen Motivkreises und ihrem Sinnn fur abgewogene Gewichtungen von einer Population, die in bisher nicht gekonnter Wcisc zusammenzusehen lahig war. Dics neue Rundum wird im Ansatz deutlich mit der Spirale, die iiber den Strich hinaus crstmals das Umfeld bewaltigte. Ob die Szenen sich auf die Bestattung mit einem Totenboot und Transportfell in der durch łlugel und Baume gekennzeichneten Nekropole be/icht, wo Wild und Flamingos
41 Vgl. Handwórierbuch des deutschen Aberglaubens. hrg. v. Bachtholl-Staubli VIII, 1676, V.
4? So Miiller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichie. II, Texl. p. 375.
43 Auch hier gelten die (im Totenland der Wiiste immer auffallenden) Vogcl ganz allgemein ais Geisterheer und sind nicht individue)l zugeordnet.
44 Ein argumentum cx silcntio fur meine Grund-Hypothesc ist die Tatsache. daB der Komplex der Bestaitungsmotivc nur auf diesen GefaBen vorkommt, nicht aber unter den gleichzeitigen Felsbildem. Dort crscheint davon nur das SchilT mit gclegentlichen Oranlcn, also jcnc Bildcinheit. die hier sinnvollerweise erwartet werden kann ais Bezeichnung der Bcisctzungsphase zwischen Nilfahrt und Grablege. Vgl. dazu Winkler, Rock-Drawings. 1, p. 25.